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XADE_g - Adelung - Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
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Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart




Erstellt: 2021-01

A

Adelung, Johann Christoph
Hochdeutsches Wörterbuch
Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart,
mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten,
besonders aber der Oberdeutschen [Adelung]

(E?)(L?) http://www.bastisoft.de/misc/adelung/

Zu den Daten

Hier finden Sie den vollständigen Text des "Grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen" von Johann Christoph Adelung. Er entspricht der Ausgabe von 1811, die vom Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek eingescannt und mit einem Texterkennungsprogramm in Textform überführt wurde. Text und Bilder hat die sogenannte Digitale Bibliothek auf Ihrem Web-Server verfügbar gemacht, jedoch nicht als fortlaufenden Text. Das ist die Lücke, die diese Datei füllen soll.

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Sebastian Koppehel


Erstellt: 2010-02

B

C

D

E

F

G

G (W3) [Adelung]


G, der siebente Buchstab des Deutschen Alphabetes, welcher mit dem Gaumen ausgesprochen wird, und gemeiniglich härter lautet, als ein j, und gelinder als ch und k. Ich sage gemeiniglich, weil diese allgemeine Regel noch manche, so wohl richtige als unrichtige Ausnahmen leidet. Am häufigsten findet diese Aussprache, welche mit der Aussprache des Ital. gh und Franz. gu überein kommt, Statt, zu Anfange eines Wortes oder einer Sylbe. Gabe, Glaube, bringen, Grab, Glocke, Glucke, Grube, gehen, hängen, tragen, Gork, ungern. Freylich machen die Mundarten hier allerley Abweichungen, aber das sind Landschaftsfehler und keine Ausnahmen. So pflegen die Niedersachsen, welche natürliche Feinde aller Hauchlaute sind, ingleichen die Schlesier u. a. m. diesen Buchstab zu Anfange eines Wortes gern wie ein gelindes k auszusprechen. Klocke, Kork, Klaube, Knade, keben, kehen, Kott, Kukkuk, Krume, für Glocke, Gork u. s. f. Hingegen sprechen andere Mundarten, z. B. die Märkische, dieses g so schlüpfrig aus wie ein j; jähnen, jäscht, jäschen, jischen, jäten, jern. Jott u. s. f. welche Wörter doch so wohl der echten Hochdeutschen Aussprache, als der Abstammung nach, insgesammt ein G erfordern. Jäh, jählings, Jachzorn lassen sich entschuldigen, weil in dem davon abstammenden Jagen das J sehr alt und allgemein ist, dagegen gehen, welches gleichfalls zu diesem Geschlechte gehöret, seinem g treuer geblieben ist. Eben diese Aussprache behält es, wenn es am Ende eines Wortes oder einer Sylbe nach einem gedehnten Selbstlauter stehet; der Weg, Krieg, Sieg, Tag, Steg, Flug, Erfolg, Vertrag, Zug, Zweig, Zeug, er trug, trüglich, möglich, kläglich, behäglich; ungeachtet es auch hier nicht an Mundarten fehlet, welche in allen diesen Stellen ein gelindes k hören lassen. Mit mehrerm Rechte lautet dieser Buchstab wie ein gelindes k, wenn er am Ende eines Wortes oder einer Sylbe nach einem geschärften Selbstlauter stehet; weg, besonders wenn ein n in einer und eben derselben Sylbe vorher gehet; Gesang, jung, Jüngling, Gang, lang, länglich, verfänglich, hing, Fang, Dung, Häring, Hang, Hornung, Klang, Rang, Ring, Schwung, Sprung, ursprünglich, Strang, Zwang, Ding. Wenn aber ein solches Wort am Ende wächset, so nimmt das g seinen eigenthümlichen gelinderen Laut wieder an, weil es alsdann nicht mehr zur vorher gehenden Sylbe gehöret; Gesänge, sie sangen, länger, gefangen u. s. f. Nach dem r wird es von den meisten, und vielleicht auch richtigsten Mundarten gelinde gesprochen; arg, karg, Berg, Werg, Sarg, verbarg, Burg u. s. f. ungeachtet auch hier viele ein gelindes k hören lassen. Eine Ausnahme von der oben gegebenen Regel macht die Endsylbe ig, wo das g beständig gelinde lautet, wenn gleich das i geschärft ist; Essig, Fittig, Lattig, Pfennig, Rettig, Käfig, steinig, dreytagig, felsig, vierfüßig u. s. f. Das g wird selten verdoppelt; geschiehet es aber, so spricht man beyde gelinde aus; Egge, Togge, Toggenburg. Ulphilas schrieb dieses gg nach Art der Griechen für ng; Aggilus für Engel, Aivaggelgo für Evangelium, Tuggo, Zunge, Figgr, Finger. Eben so stehet in dem Fragmente eines Gedichtes auf den Spanischen Krieg bey dem Schilter Spruggen, für springen. Da die eigenthümliche Aussprache dieses Buchstaben der Aussprache des ch so nahe kommt, so ist es kein Wunder, daß beyde so oft in einander übergehen; besonders wenn der gedehnte Vocal vor dem g in der Ableitung in einen geschärften übergehet, da denn das ch nothwendig wird. So schreibt man Gewicht, von wägen, Schlacht, von schlagen, Tracht, von tragen, gebracht, von bringen, Jacht, eine Art geschwinder Schiffe, von jagen, ich mochte, von mögen. Man hüthe sich, daß man das G, wenn es zu Anfange eines Wortes stehet, nicht alle Mahl für einen Stammlaut halte. In vielen Fällen ist es aus der Vorsylbe ge - entstanden, wie in gönnen von geunnen, Gunst von Ge - anst, gaffen von offen; besonders bey denjenigen Wörtern, welche mit Gl und Gr anfangen, wie in Glied, von Lied, Gleis, von Leis, gleiten, Glas, gleißen, Glaube, glatt, Glasur, Glanz, Gleich, Glimpf, Gras, grauen, graben, Grind, grob, grunzen u. s. f. wo es in manchen Wörtern bloß aus dem Oberdeutschen Hauche h und ch entstanden zu seyn scheinet. S. Ge - und die jetzt angeführten Wörter selbst.


Gabe (W3) [Adelung]


Die Gabe, plur. die -n, von dem Verbo geben. 1. Überhaupt alles, was gegeben wird; in welcher weitesten Bedeutung es nur noch in einigen Fällen üblich ist. So bedeutet Gabe in dem Salzwerke zu Halle die Anzahl Zober Sohle, welche jede Woche in jede Kothe geliefert wird. Auch alles, was ein Unterthan dem Obern entrichten muß, die Abgaben, werden Gaben, oder Steuern und Gaben genannt. In der Medicin ist die Gabe ein bestimmter Theil Arzeney, so viel auf Ein Mahl gegeben wird. 2. In engerer Bedeutung, ein Geschenk. 1) * Ein jedes Geschenk; in welchem Verstande es im Hochdeutschen veraltet ist, ob es gleich in der Deutschen Bibel mehrmahls in dieser Bedeutung vorkommt. Nach Gaben trachten, Es. 2, 23. Geschenke und Gaben verblenden die Weisen, Sir. 20, 31. Auch freywillige Opfer kommen im alten Testamente mehrmahls unter dieser Benennung vor. 2) Ein Geschenk, welches man einem Armen zu seiner Nothdurft macht, ein Almosen. Einem Bettler eine Gabe geben. Man weiß ja nicht, wie man seine Gaben anlegt, Gell. 3) Ein jedes Ding, ein jeder physischer oder moralischer Vorzug, Fähigkeit u. s. f. so fern es als ein Geschenk Gottes oder der Natur angesehen wird. Das Brot ist eine der vorzüglichsten Gaben Gottes. Die Gaben Gottes verachten. Kinder sind eine Gabe Gottes. Besonders Fähigkeiten des Geistes und Gemüthes, sie mögen nun natürlich, oder erworben, oder unmittelbar von Gott mitgetheilet seyn. Ein Mann von vielen Gaben, Fähigkeiten. Derjenige ist demüthig, der alle seine Gaben - als freywillige und unverdiente Geschenke aus der Hand Gottes betrachtet, Gell. Wenige haben die Gabe, in einem langen Umgange zu gefallen. Die Gabe der Keuschheit. Die Gabe Wunder zu thun. Die Gabe des Glaubens. Anm. Schon Kero gebraucht Gaba, Geba, Keba, der Übersetzer Isidors Gheba, Ottfried Geba, für ein Geschenk. Im Angels. lautet dieses Wort Geof, im Nieders. Geve, Gave, im Dän. Gave, bey dem Ulphilas Giba, im Isländ. Gafwa, im Schwed. Gofwa, Gaf. Das Schwed. Gaf, Glück, das mittlere Lat. Gablum und Ital. Gabella, Steuer, Abgabe, stammt eben daher. Es ist unmittelbar von geben gebildet, so wie der Lateiner Donum, von dare. S. Gaffel und Gift.


Gäbe (W3) [Adelung]


Gäbe, S. Gebe.


Gabel (W3) [Adelung]


1. Die Gabel, plur. die -n, Zins, Steuer, S. Gaffel.


Gabel (W3) [Adelung]


2. Die Gabel, plur. die -n, Diminut. das Gäbelchen, Oberd. Gabellein, ein jedes Ding, an welchem sich zwey Spitzen an einem gemeinschaftlichen Stiele befinden. So werden die Stangen eines Hirsches, die nur aus zwey Enden bestehen, ( S. Gabelhirsch,) ingleichen die zwey obersten Enden eines jeden Hirschgeweihes, bey den Jägern Gabeln genannt. Die Gabel eines Baumastes, wenn sich derselbe in zwey Arme theilet. Die Gabeln oder Gäbelchen an den Weinreben, womit sie sich anhängen. Im gemeinen Leben hat man verschiedene Werkzeuge dieser Art, welche durch allerley Vorsätze von einander unterschieden werden. Dergleichen ist die Eßgabel, welche auch nur schlechthin Gabel genannt wird, und diesen Nahmen behält, wenn sie gleich mehr als zwey Spitzen hat; die Aalgabel, Fleischgabel, Heugabel, Mistgabel, Ofengabel u. s. f. In den Hammerwerken ist die Gabel ein ähnliches eisernes Werkzeug, die aufgetieften Kessel unter dem Hammer auf und nieder zu ziehen; bey den Jägern, eine Stange mit zwey Spitzen, die Zeuge zu stellen und aufzuheben; in der Landwirthschaft, das vorderste Stück eines einspännigen Wagens, welches aus zwey an der Achse zusammen gefügten Deichseln bestehet u. s. f.

Anm. Dieses Wort lautet im Angels. Gafla, im Dän. und Nieders. Gaffel, im Schwed. Gaffel, und bey den ältesten Lateinern Gabalus. Es kommt bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern nicht vor, und bey den Niederdeutschen ist statt dessen auch Forke üblich. Wachter leitet es von capere her. Wenn der Begriff der Spitze in diesem Worte der herrschende ist, so lässet es sich füglich zu Giebel rechnen, wohin auch das Franz. Javelle, Javellot, ein Wurfspieß, gehöret. Im Bretagnischen ist Gefail eine Zange, und im Wallisischen Gefell doppelt, zwiefach, gemellus, welches gleichfalls ein gutes Stammwort für Gabel abgibt. Im mittlern Lateine bedeutet Gabalus und Gabulum ein Kreuz.


Gabelanker (W3) [Adelung]


Der Gabelanker, des -s, plur. ut nom. sing. 1) In der Schifffahrt, ein mittelmäßiger Anker, welchen man zuweilen einem größern gegen über auswirft, so daß ihre beyderseitigen Taue eine Gabel bilden, und das Schiff hindern, sich auf seinem Ankertaue zu drehen. 2) In der Baukunst, ein eiserner Anker in einem Gebäude, dessen Theile vermittelst einer Gabel und einer durch dieselbe gehenden Schließe an einander gefüget sind. Er wird auch Schließanker, ingleichen Schlauder genannt.


Gabeldeichsel (W3) [Adelung]


Die Gabeldeichsel, plur. die -n, in der Landwirthschaft, eine doppelte Deichsel an einem einspännigen Fuhrwerke. Eine solche Deichsel heißt im Nieders. Klobdiessel, Klobendeichsel, von klöben, spalten; im Österreichischen die Anzen, in Nürnb. Enzen, im Wend. Woinza, vermuthlich von dem veralteten einniz, mitten, weil das Pferd in der Mitte einer solchen Deichsel gehet. S. Gabelwagen.


Gabeler (W3) [Adelung]


Der Gabeler, S. Gabler.


Gabelgehörn (W3) [Adelung]


Das Gabelgehörn, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Gehörn oder Hirschgeweih, wo an jeder Stange nur zwey Enden in Gestalt einer Gabel beysammen stehen.


Gabelhirsch (W3) [Adelung]


Der Gabelhirsch, des -es, plur. die -e, ein Hirsch mit einem solchen Gabelgehörne; ein Gabler, Edelknabe.


Gabelholz (W3) [Adelung]


Das Gabelholz, des -es, plur. die -hölzer, im Schiffsbaue, starke Hölzer mit zwey Armen in Gestalt einer Gabel, welche in den Ecken angebracht werden, die Glieder zu verbinden; Gabelstücke.


Gabelicht (W3) [Adelung]


Gabelicht, adj. et adv. einer Gabel ähnlich. Ein gabelichtes Geweih. S. Gabelgehörn.


Gabelig (W3) [Adelung]


Gabelig, adj. et adv. eine oder mehrere Gabeln habend. Ein gabeliger Hirsch, der ein Gabelgehörn hat.


Gabelkraut (W3) [Adelung]


Das Gabelkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche in den sumpfigen Gegenden Europens wächset; Bidens L. Zweyzahn.


Gabelkreuz (W3) [Adelung]


Das Gabelkreuz, des -es, plur. die -e, ein Kreuz in Gestalt einer Gabel oder eines Latein. Y, welches auch ein Schächerkreuz genannt wird.


Gabelmast (W3) [Adelung]


Der Gabelmast, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, ein Mast, welcher in der Mitte einen Querstock hat, der gegen das Hintertheil hinaus gehet, und woran das Segel befestiget wird.


Gabeln (W3) [Adelung]


Gabeln, verb. reg. act. auf die Gabeln spießen; besonders von den Hirschen, wenn sie Menschen oder Thiere mit den spitzigen Enden ihrer Geweihe verwunden. S. Aufgabeln und Weggabeln.


Gabelnadel (W3) [Adelung]


Die Gabelnadel, plur. die -n, eine Benennung der Haarnadeln, weil sie in Gestalt zweyer Spitzen zusammen gebogen sind.


Gabelnbaum (W3) [Adelung]


Der Gabelnbaum, des -es, plur. die -bäume, ein dem südlichen Europa eigener Baum, dessen Zweige man zum Behuf der Landwirthschaft zu dreyzackigen Gabeln bildet, mit welchen ein beträchtlicher Handel getrieben wird; Lotus arbor fructu cerasi, Celtis fructu nigricante; Franz. Alisier, Fanabregue.


Gabelrichter (W3) [Adelung]


Der Gabelrichter, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Messerschmieden, ein Stück Eisen in dem Amboßblocke, einen Zacken der Gabel nach dem andern darauf zu schmieden.


Gabelstange (W3) [Adelung]


Die Gabelstange, plur. die -n, eine jede Stange, welche vorn eine Gabel hat, und Nieders. Spreet, Holländ. Spriet heißt, wegen der ausgespreiteten oder ausgebreiteten Zacken.


Gabelstück (W3) [Adelung]


Das Gabelstück, des -es, plur. die -e. 1) Im Schiffbaue, S. Gabelholz. 2) Eine Art kleiner Stücke oder Kanonen, welche anstatt der Laveten auf eisernen Gabeln liegen.


Gabelwagen (W3) [Adelung]


Der Gabelwagen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wagen mit einer Gabeldeichsel; ein Karrenwagen.


Gabenfresser (W3) [Adelung]


+ Der Gabenfresser, des -s, plur. ut nom. sing. eine verächtliche Benennung eines feilen Richters, der sich durch Geschenke bestechen lässet; von Gabe, ein Geschenk.


Gabenherr (W3) [Adelung]


Der Gabenherr, des -en, plur. die -en, in dem Salzwerke zu Halle, eine Benennung der Unterbornmeister, weil sie die Aufsicht über die Gabe, d. i. über die Sohle haben, welche aus dem Salzbrunnen in die Kothe geliefert wird.


Gabler (W3) [Adelung]


Der Gabler, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Im Jagdwesen, ein Gabelhirsch, S. dieses Wort. 2) Ein Seefisch mit Bauchfinnen unter den Brustfinnen, welcher mit einem Panzer versehen ist; Cataphractus L.


Gach (W3) [Adelung]


Gach, S. Jäh.


Gäck (W3) [Adelung]


Gäck, S. Geck.


Gackern (W3) [Adelung]


Gackern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches eine Nachahmung des Lautes der Hühner ist. Ein Hof voll Hühner sah ihn leiden, Und gackerte dabey vor Freuden, Lichtw. Im Oberdeutschen wird es auch von dem Geschrey der Gänse gebraucht, wofür im Hochdeutschen schnatern üblicher ist. Siehe Gaksen.


Gaden (W3) [Adelung]


Der Gaden, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in den gemeinen Mundarten, besonders Oberdeutschlandes übliches Wort. 1) Ein Zimmer, Behältniß, Gemach. Bey dem Ottfried ist Gadun so wohl ein Speisezimmer, als auch eine Scheuer. Willeram gebraucht Gegademe für ein Gemach. Besonders gebraucht man es so wohl im Ober- als Niederdeutschen noch von demjenigen Theile eines Hauses, wo die Krämer ihre Waaren feil haben, von dem Laden; im Nieders. Gadem, Gaem; in einigen Fällen auch Gat, S. Kattelgat. In der Schweiz ist Milchgaden der Milchkeller, Viehgaden der Kuhstall u. s. f. 2) Ein kleines Häuschen, eine Hütte, so wohl im Ober- als Niederdeutschen. Auch das Niedersächs. Koth, Kothe, ein kleines Haus, scheinet hierher zu gehören. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist Gädemer ein Häusler, Nieders. Kothsasse, Kossate, Köther. 3) Ein Stockwerk, in welchem Verstande es so wohl im Ober- als Niederdeutschen häufig vorkommt, wo man auch die Beywörter, zweygädig, dreygädig u. s. f. hat, zwey, drey Stockwerke hoch.

Anm. Es ist dieses eines der ältesten Wörter nicht nur in der Deutschen, sondern auch in dem meisten bekannten Sprachen. Im mittlern Lateine ist Gades ein eingezäunter verwahrter Ort, ein Zimmer, die Gränze. Ptolemäus gedenkt einer Stadt Monosgada. Im Punischen war Gadir ein Zaun, ein Gehäge, wovon auch die Stadt Cadix den Nahmen hat, und im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einzäunen, einhägen, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - versammeln. S. Gatte, Gatter und Koth, ein Haus.


Gaffel (W3) [Adelung]


* Die Gaffel, plur. die -n, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort. 1) Zins, Steuer, obrigkeitliche Abgabe; im mittlern Lateine Gabella, Gavlum, Gablagium, im Franz. Gabelle. Besonders ist das Abzugsgeld an einigen Orten unter diesen Nahmen bekannt. 2) Eine Zunft, Innung, Gilde, in welchem Verstande es besonders in Cöln üblich ist. Daher die Gaffelherren, die Abgeordneten aus dem Rathe, welche den Versammlungen der Handwerke beywohnen, die Handwerksherren; der Gaffelmeister, der Älteste der Zunft; der Gaffelknecht, der Zunftdiener u. s. f.

Anm. Es ist dieses Wort aus einer verderbten Aussprache des Wortes Gabe, Gabella, entstanden. S. Gabe. Das Niederd. Gaffel, eine Gabel, gehöret nicht hierher; S. Gabel.


Gaffen (W3) [Adelung]


Gaffen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, mit weit geöffneten Augen stehen. Die Jünger kapfetun, sahen dem aufgefahrenen Christo gen Himmel nach, Ottfr. Die ougen chaffen gegen ihmo, die Augen sehen auf ihn, Notk. Ih chapfen din, ich warte deiner, ebend. Wir lassen alle bluomen stan, Vnd kapfen an das werde wib, Walther v. der Vogelw. Und werden über sich gaffen, und unter sich die Erde ansehen, Es. 8, 22. Noch gafften unsre Augen auf die nichtige Hülfe, bis sie gleich müde wurden, Klagel. 4, 17. In dieser weitern Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es nur noch im verächtlichen Verstande gebraucht, etwas mit aufgesperrten Augen und Munde ansehen, welches ein Merkmahl einer unwissenden Verwunderung ist. Ein Dummer gafft nach allem. Es frommet dir nicht, daß du gaffest nach dem, das dir nicht befohlen ist, Sir. 3, 23. S. Aufgaffen, Angaffen, Begaffen, Vergaffen.

Anm. Im Nieders. gapen, japen, wo es aber nicht nur mit aufgesperrten Augen sehen, sondern auch gähnen, bedeutet; im Hannöv. kapen, Holländ. gapen. Im Engl. ist to gape gähnen und offen stehen. Eigentlich bedeutet dieses Wort offen stehen, und scheinet daher aus der Vorsylbe ge und offen zusammen gesetzet zu seyn. Im Angels. ist geopnian öffnen, und gipan offen stehen. Allein, daß das g in dieser Gestalt schon alt ist, erhellet aus dem alten und neuern Schwed. Gap, und Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Lücke, Öffnung. Im Dän. ist Gab gleichfalls eine Öffnung. Im Niedersächs. hat man von diesem Worte auch das Frequent jappen, mit aufgesperrtem Munde nach der Luft schnappen. Das captare oder cuptare in dem Salischen Gesetze ist vermuthlich auch unser gaffen, sehen. Siehe Maulaffe, Waffel und Gähnen.


Gagath (W3) [Adelung]


Der Gagath, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein schwarzes glänzendes im Bruche dichtes Erdpech, welches eine Politur annimmt, elektrisch ist, auf dem Wasser schwimmet, aber nicht so angenehm riecht, als der Bernstein. Er heißt auch Bergwachs, und wird im gemeinen Leben oft mit dem Achate verwechselt. Aus dem Griech. und Latein. Gagathes, welchen Nahmen dieses Harz von der Stadt Gaga in Lycien hat, wo man es ehedem zu graben pflegte. Franz. Jaiet, Jette, Jet, Engl. Jet.


Gäh (W3) [Adelung]


Gäh, Gähling, u. s. f. S. in J.


Gähnaffe (W3) [Adelung]


Der Gähnaffe, des -n, plur. die -n, ein am meisten im Oberdeutschen übliches Wort für das Hochdeutsche Maulaffe. Ein Gähnaffe, der eine Sache mit geöffnetem Munde, mit dummer Unwissenheit ansiehet. Gähnaffen feil haben, stehen und das Maul aufsperren. Zumahl wenn mir Lieschen Gähnaffen macht, Weiße im Erntekr. wenn sie mir mit geöffnetem Munde nachäffet. Im Oberd. auch Gienaffe, Nieders. Jahnup; woraus zugleich erhellet, daß die letzte Hälfte dieses Wortes nicht das Hauptwort Affe, sondern aus dem Vorworte auf, Nieders. up, verderbt ist. S. Gähnen und Maulaffe.


Gähnen (W3) [Adelung]


Gähnen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und von derjenigen unwillkührlichen Aufsperrung des Mundes gebraucht wird, welche eine Wirkung der Schläfrigkeit und langen Weile ist, und von der allzu langsamen Bewegung des Blutes durch die Lunge und übrigen Blutgefäße herrühret. Wenn einer gähnet, so gähnet der andere nach, wenn nehmlich sein Körper auf ähnliche Art leidet. Der, wenn er sich einmahl ins Trauerspiel verirrt, Beym Anfang voll Verdruß schon nach dem Ende gähnet, Gieseke. sich aus langer Weile gähnend nach dem Ende sehnet.

Anm. Dieses Wort lautet im Oberd. gienen, gaunen, gangen, im Österr. gametzen, in Baiern gienmaulen, gaumalzen, in Nieders. janen, hojanen, gleichsam hoch gähnen, ingleichen hojappen, im Angels. geonan, im Engl. to yawn, im Schwed. gina, im Wend. sjam, ich gähne, alles in der Hochdeutschen Bedeutung. Es bedeutet eigentlich aufsperren, weit öffnen. Si gineton gagen mir, sie sperreten das Maul gegen mich auf, Notk. Das Erdreich gynet auf von Hitz, birstet, Pict. Im Nieders. heißt janen auch gaffen; etwas anjanen, bejanen, angaffen, begaffen. Im Wallisischen bedeutet Gyn und im Dän. Gane den Gaumen, S. Gaum. Auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - gehöret hierher. Übrigens ist gähnen das Intensivum von dem noch im Isländ. befindlichen Zeitworte gia, öffnen, aufsperren, Lat. hiare, Arab. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, apertus fuit, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, amplitudo. S. Gaffen, welches gleichfalls hierher gehöret, ingleichen Gienmuschel. Viele Hochdeutsche schreiben und sprechen dieses Wort nach dem Muster der Niedersachsen jähnen, welches aber so wohl wider die Abstammung, als auch wider die Hochdeutsche Aussprache ist.


Gähnsucht (W3) [Adelung]


Die Gähnsucht, plur. car. die Neigung zu öfterm Gähnen, welche sich bey verschiedenen Krankheiten findet, wo eine Anhäufung des Blutes, Mangel des Nervensaftes u. s. f. vorhanden ist; Oscedo.


Gahr (W3) [Adelung]


Gahr, fertig zubereitet, S. Gar.


Gährbottich (W3) [Adelung]


Der Gährbottich, des -es, plur. die -e, in dem Brauwesen, ein Bottich, worin das Bier gähret.


Gahre (W3) [Adelung]


Die Gahre, die Zubereitung, der Dünger u. s. f. S. Gare.


Gahre (W3) [Adelung]


Die Gahre, plur. inus. von dem folgenden Zeitworte gähren. 1) Der Zustand, da ein Körper gähret, besonders bey den Bäckern. Man muß dem Sauerteige die gehörige Zeit zur Gahre lassen. In den meisten übrigen Fällen ist das Wort die Gährung üblicher. 2) Der gehörige Grad der Gahre oder Gährung, den ein gährender Körper haben muß. Das Brot hat zu viel Gahre, wenn der Teig zu sehr gegangen ist. In einem etwas verschiedenen Verstande hat das Brot bey den Bäckern die Gahre herkommen, wenn es im Ofen gehörig aufgegangen ist, worauf es heraus gezogen, mit Wasser bestrichen, und dann erst gebacken wird. Auch von andern Körpern, welch durch eine Art von Gährung zubereitet werden. Der Tobak hat eine gute Gahre oder Göre. Da man diese aus dem Geruch erkennet, so wird Gahre, Nieders. Göre, auch von dem Geruche des Tobaks gebraucht. 3) Was die Gährung eines Körpers hervor bringet. In diesem Verstande werden die Bierhefen und der Sauerteig im gemeinen Leben mehrmahls die Gahre oder Gähre, in einem alten 1482 gedruckten Oberdeutschen Vocabulario die Gyre, und im Oberd. auch der Germ oder Görm genannt. In engerm Verstande verstehet man unter den Gahre oder Gohre, die Oberhefen oder Spundhefen des Bieres, zum Unterschiede von den Unterhefen oder Stellhefen. S. Gäscht, Gischt, und Guhr.


Gähren (W3) [Adelung]


Gähren, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert; ich gähre, du gährst (gierst), er gährt (giert); Imperf. ich gohr; Mittelwort gegohren. 1) Eigentlich, in eine innere Bewegung des öhligen Wesens gerathen, wodurch ein Körper aus seiner Mischung gesetzt wird. In dieser weitern Bedeutung kennet man drey Grade der Gährung; die geistige, wodurch ein geistiger Körper hervor gebracht wird; die saure, wodurch eine Säure gewirket wird; und endlich die faule, wodurch viel Alkali entwickelt und der Körper zerstöret wird. In engerm Verstande gebraucht man dieses Wort besonders von den beyden ersten Graden. Der Sauerteig gährt. Das Bier, der Wein hat gegohren. 2) Figürlich. Das Volk ist in einer Gährung, in einer unruhigen Bewegung. Die Sache ist noch im Gähren, ist noch in Bewegung, ist noch nicht zu ihrer Reise gediehen.

Anm. Dieses Wort lautet in den Deutschen Mundarten bald gahren, göhren, gieren, gairen, gühren, bald auch mit dem Zischlaute gäsen, gißen, gäschen, gischen u. s. f. mit welchen letztern Wörtern zugleich auf den Laut gesehen wird, den ein gährender Körper gemeiniglich von sich gibt. Mit dem Zischlaute kommt es schon bey dem Willeram vor, jesen. S. Gäschen. Im Schwed. lautet es göra. Nimmt man die letzte Sylbe ren, welche ein Intensivum andeutet, weg, so kommen wir auf das Zeitwort gehen zurück, welches gleichfalls von dem Gähren, besonders des Teiges und Brotes gebraucht wird. Im Bretagnischen ist goi gähren, Go Sauerteig, und im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - sich erheben. Hieraus erhellet deutlich genug, daß gähren, nicht von gar, fertig, bereitet, abstamme, wie Frisch glaubte, sondern daß mit diesem Zeitworte auf das Gehen, d. i. auf die innere Bewegung, besonders aber auf die Bewegung in die Höhe gesehen wird, welche man bey allen gährenden Körpern wahrnimmt. Bey den Wenden bedeutet gor noch jetzt hinauf, und im Pohln. ist Gora ein Berg. In einigen Gegenden gehet dieses Wort auch im Präsenti irregulär, du gierst, er giert; dagegen es in andern auch in den übrigen Zeiten ganz regulär gemacht wird, ich gährete, gegähret. Das h hat bloß den langen Gebrauch im Hochdeutschen für sich. S. Guhr.


Gährkammer (W3) [Adelung]


Die Gährkammer, plur. die -n, dasjenige Zimmer in den Brauhäusern, in welchem das Bier gähret.


Gährungmittel (W3) [Adelung]


Das Gährungmittel, des -s, plur. ut nom. sing. ein jeder Körper, welcher eine Gährung in dem andern hervor bringt.


Gähzorn (W3) [Adelung]


Der Gähzorn, S. Jähzorn.


Gaiß (W3) [Adelung]


Die Gaiß, S. Geiß.


Gaksen (W3) [Adelung]


Gaksen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und so wie gackern im gemeinen Leben, von dem Geschreye der Hühner gebraucht wird, besonders wenn sie Eyer gelegt haben; Österr. kakatzen, Nieders. kakeln, Holländ. kaekelen; gaghelen, Schwed. kakla, Engl. to cackle, Ital. checcalare, Franz. caqueter. Im Oberdeutschen bedeutet gaksen auch stottern, wohin auch das im gemeinen Leben übliche, er weiß weder giks noch gaks davon, er weiß nichts davon, zu gehören scheinet.


Galan (W3) [Adelung]


Der Galan, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein Buhler, Liebhaber; aus dem Span. Galan.


Galander (W3) [Adelung]


Der Galander, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Oberdeutsche Benennung der Hauben- oder Heidelerche; Ital. Calandra, Franz. Calandra, im mittlern Lat. Calandrus, Galerannus, Glandara, von dem Lat. Caliendrum, und dieß entweder von Gall, Gesang, gallen, kallen, singen, Angels. galan, wovon auch die Nachtigall, Angels. Gale, und Incantator, Galenderi heißt oder von dem mittlern Lat. Caliendrum, eine Art des Kopfputzes. 2) Bey den Niedersachsen und Holländern wird der braune Kornwurm, der sich vornehmlich in der Gerste in großer Menge aufhält, Curculio granarius L. Kalander, Klander, bey andern Glander, Galander, Franz. Calandre, genannt. In andern Gegenden heißt er Wippel, ingleichen Reiter. 3) Eine andere Art Käfer, welcher sich gern in dem Specke, Fleische, getrockneten Fischen und Fellen aufhält, Dermestes Lardarius L. wird im Deutschen gleichfalls Glander, Holländ. Klander, Dän. Klammer, Franz. Calandre genannt.


Galant (W3) [Adelung]


Galant, -er, -este, adj. et adv. aus dem Franz. galant, im gemeinen Leben. 1) Artig, der guten und feinen Lebensart gemäß. Ein galanter Mensch. Ein galanter Geschmack, welcher reitzende Sachen erzeugt. 2) Verliebt. Galante Gedichte. Ein galantes Frauenzimmer.


Galanterie (W3) [Adelung]


Die Galanterie, (viersylbig,) plur. die -en, (fünfsylbig,) aus dem Französischen Galanterie, auch nur im gemeinen Leben. 1) Feine Lebensart, Höflichkeit, ohne Plural; ingleichen einzelne aus dieser feinen Lebensart herfließende Handlungen, mit dem Plural. 2) Liebeshändel, verliebtes Betragen. 3) Arten des Putzes und der Zierathen, welche zur Mode und seinen Lebensart gehören. Daher die Zusammensetzungen: die Galanterie-Arbeit, oder Galanterie-Waare; der Galanterie-Arbeiter, der solche Sachen verfertiget; der Galanterie-Degen, ein kurzer leichter Degen zur Zierde; der Galanterie-Kram oder Galanterie-Handel, der Handel mit Galanterie-Waaren; der Galanterie-Krämer oder Galanterie-Händler u. s. f.


Galbanum (W3) [Adelung]


Das Galbanum, des Galbani, plur. inus. ein glänzendes weißliches oder rothgelbliches Harz von einem bittern scharfen Geschmacke, und einem angenehmen balsamischen Geruche; Galbansaft, Mutterharz. Die Pflanze, aus welcher er fließet, wächset in Äthiopien, Syrien und Arabien, und wird gleichfalls Galbanum und Mutterharz, von andern aber Gallenkraut genannt; Bubon Galbanum L. Luther nennt es 2 Mos. 30, 34 Galben und Sir. 24, 21 Galban. Der Nahme ist aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, fett seyn, Fettigkeit, hergeleitet wird. S. Geil und Gelb. Das Galbanöhl wird im Nieders. Galgenbaumöhl genannt.


Galeasse (W3) [Adelung]


Die Galeasse, plur. die -n, aus dem Ital. Galeazza, und Franz. Galeasse, die größte Art Galeeren, von 28 bis 32 Ruderbänken, und 6 bis 7 Mann bey jedem Ruder. Sie haben drey Masten, werden mit 1000 bis 1200 Mann besetzt, und heißen auch Galeonen, aus dem Ital. Galeone.


Galeere (W3) [Adelung]


Die Galeere, plur. die -n, eine Art Schiffe mit niedrigem Borde, welche zwey Maste führet und durch Ruder fortgebracht wird, daher, sie 25 bis 30 Ruder, mit 5 bis 6 Ruderern an jedem, führen; das Ruderschiff. Dieses Rudern wird gemeiniglich von Sclaven und dazu verurtheilten Verbrechern verrichtet. Jemanden auf die Galeeren schicken, ihn zur Galeeren-Arbeit verurtheilen. Der Galeeren-Sclave, der dazu verurtheilet ist; der Galeeren-Capitän, der das Commando auf einer Galeere hat; der Galeeren-Stock, ein rundes Holz, die Galeere daran am Ufer zu befestigen.

Anm. Ehedem schrieb und sprach man dieses Wort nur Galee, welches denn dem Ital. Galea, woher es genommen ist, näher kam. Dän. Galleye, Schwed. Galleia, Engl. Galley. Daß darüber kein Schiff mit Rudern fahren, noch Galeen dahin schiffen werden, Es. 33, 21. Das heutige Galeere, ist aus dem Franz. Galere, im mittlern Lat. Galera. Im Griech. bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - schon eine Art Lastschiffe, und im Nieders. ist Jelle eine Art kleiner leichter Ruderschiffe; S. Gölle.


Galeerenanker (W3) [Adelung]


Der Galeerenanker, des -s, plur. ut nom. sing. ein auf den Galeeren üblicher Anker, der aus Einem Stücke geschmiedet ist, und vier Haken oder Schaufeln hat.


Galeone (W3) [Adelung]


Die Galeone, plur. die -n, S. Galeasse.


Galeot (W3) [Adelung]


Der Galeot, des -en, die -en, aus dem Ital. Galeotto, und mittlern Lat. Galeota, der Ruderknecht auf einer Galeere.


Galerie (W3) [Adelung]


Die Galerie, S. Gallerie.


Gälfern (W3) [Adelung]


Gälfern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, durch Schreyen einen unangenehmen Schall verursachen, im gemeinen Leben. Nieders. galfern, galpern, jalfern, heulen, schreyen. Es ist das Frequet. von dem noch im Oberd. und Nieders. üblichen gelfen, galpen, Engl. to yelp, yawlp, Dän. gylpe, bey dem Ottfried gelbon, welches nicht nur stark rufen, schreyen, sondern auch bellen bedeutet. Wan si gelfent sinen sang tag und naht In dirre gassen, Schenk Ulrich von Winterstetten. Welt zu dir thu ich gelffen, H. Sachs. Ich schrey, o Kunst, zu dir ich gilff, ebend. Gelf kommt in den ältern Schriftstellern mehrmahls für ein Freudengeschrey vor. Es stammet von Gall, Schall, ab, und wird daher richtiger gälfern als gelfern geschrieben. S. Gällen.


Galgant (W3) [Adelung]


Der Galgant, des -es, plur. inus. eine Ostindische Pflanze, Maranta Galanga L. Aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Ihre gewürzhafte scharfe zusammen ziehende Wurzel wird häufig in den Apotheken gebraucht. Sie heißt auch kleiner Galgant; zum Unterschiede von dem großen Galgante, Kaempferia Galanga L. welche gleichfalls eine Ostindische Pflanze ist, deren Wurzel aber nicht so viele gewürzhafte Kräfte besitzet. Eine Art Strickgras mit einem runden Halme und Blättern, welche am Rande und auf dem Rücken mit Dörnern besetzt sind, und welches in den Europäischen Sümpfen wächset, Schoenus Mariscus L. wird von einigen Deutscher Galgant genannt.


Galgen (W3) [Adelung]


Der Galgen, des -s, plur. ut nom. sing. ein senkrecht stehender Pfahl mit einem Querholze, besonders so fern dieses Werkzeug dazu dienet, Übelthäter daran zu henken. An den Galgen kommen, gehenket werden. Er hat den Galgen mehr als Ein Mahl verdienet, die Strafe des Galgens. Ein Verbrechen, auf welchem Galgen und Rad stehet. In der anständigern Sprechart wird der Galgen das Hochgericht, in der Sprache der Spitzbuben aber die Feldglocke genannt. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt führen auch andere Werkzeuge diesen Nahmen. Dahin gehöret der Galgen an einem Schöpfbrunnen, der senkrecht stehende Baum, worin der Schwängel beweglich ist. In den Salzkothen ist der Galgen ein Gerüst über dem Eingange der Salzstätte, worauf man Salz stellet oder Holz leget. An den Buchdruckerpressen ist es eine hölzerne Lehne am Ende des Laufbretes, an welche sich der geöffnete Deckel anlehnet; an dem Pferdezäumen ein Mundstück oder Gebiß in Gestalt eines Bogens. S. Galgenmundstück.

Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Ulphilas Galga, und bey dem Ottfried Galgen, wo es von dem Kreuze gebraucht wird, im Schwed. Galge, im Engl. Gallow, im Angels. Galg, Gual, Galga, im Holländ. Galghe, im Dän. Galge. Zu Carls des Großen Zeit bedeutete Galgo auch einen Schöpfbrunnen, ohne Zweifel um des darüber befindlichen einem Galgen ähnlichen Schöpfgerüstes willen. Wachter, Haltaus und andere haben von dem Ursprunge dieses Wortes allerley seltsame Meinungen. Ihre leitet es mit mehrerm Glücke von dem Isländ. Gagl, der Ast, der Gipfel eines Baumes, der Zagel, Nieders. Zelke ab, weil man doch daran zuerst die Missethäter gehenket hat, ehe man eigene Säulen dazu errichtete.


Galgenberg (W3) [Adelung]


Der Galgenberg, des -es, plur. die -e, der Berg oder Hügel, worauf sich ein Galgen befindet.


Galgendieb (W3) [Adelung]


Der Galgendieb, des -es, plur. die -e, ein des Galgens würdiger Dieb, den man auch einen Galgenschwengel, Galgenschelm, und im Nieders. schlechthin Galge zu nennen pflegt.


Galgenfrist (W3) [Adelung]


Die Galgenfrist, plur. die -en, eigentlich, der kurze Aufschub, den ein zum Galgen verurtheilter Missethäter erhält. Noch mehr figürlich im gemeinen Leben, der kurze Aufschub einer unangenehmen Handlung. Es ist nur eine Galgenfrist.


Galgenholz (W3) [Adelung]


Das Galgenholz, des -es, plur. inus. das Holz von einem Galgen. Im gemeinen Leben sagt man von einem falschen Menschen, er sey so falsch wie Galgenholz, weil dieses Holz der Witterung beständig ausgesetzet, und daher gemeiniglich mürbe und brüchig ist.


Galgenmännchen (W3) [Adelung]


Das Galgenmännchen, oder Galgenmännlein, des -s, plur. ut nom. sing. S. der Alraun.


Galgenmundstück (W3) [Adelung]


Das Galgenmundstück, des -es, plur. die -e, ein Mundstück oder Gebiß eines Pferdezaumes mit einem Galgen oder Bogen.


Galgenrekel (W3) [Adelung]


Der Galgenrekel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Mandelkrähe.


Galgenschelm (W3) [Adelung]


Der Galgenschelm, des -es, plur. die -e, S. Galgendieb.


Galgenschwengel (W3) [Adelung]


+ Der Galgenschwengel, des -s, plur. ut nom. sing. in den niedrigen Sprecharten, ein an dem Galgen hängender Missethäter; ingleichen ein Mensch, der den Galgen verdient hat; Nieders. Galgenknepel.


Galgensteuer (W3) [Adelung]


Die Galgensteuer, plur. die -n, in einigen Gegenden, diejenige Steuer, welche die Unterthanen zur Erbauung der Gerichtstätte, und zur Unterhaltung der ganzen Peinlichkeit entrichten müssen.


Galgenstrick (W3) [Adelung]


+ Der Galgenstrick, des -es, plur. die -e, in den niedrigen Sprecharten, ein des Galgens würdiger Mensch; im niedrigen Scherze auch wohl ein leichtfertiger Mensch. S. Galgendieb.


Galimatias (W3) [Adelung]


Das Galimatias, (sprich Galimatia,) plur. ut nom. sing. aus dem Französischen Galimatias, in den schönen Wissenschaften, eine ungeschickte Verbindung wider einander laufender Begriffe und Bilder, welche keinen vernünftigen Verstand gewähren; Unsinn, bey den Engländern Nonsense.


Galion (W3) [Adelung]


Galion, Galiote, S. Gallion, Galliote.


Galitzenstein (W3) [Adelung]


Der Galitzenstein, des -es, plur. inus. eine im gemeinen Leben übliche Benennung des weißen Zinkvitrioles, S. dieses Wort. Im mittlern Lateine bedeutet Galitium eine Walkmühle.


Gall (W3) [Adelung]


Gall, adj. et adv. unfruchtbar, S. Gelt.


Gall (W3) [Adelung]


* Der Gall, des -es, plur. die -e, ein nur noch im Oberdeutschen übliches Wort, den Schall zu bezeichnen. Mich daucht ich hort ein Gal, H. Sachs In den Zusammensetzungen Nachtigall, Seegall ist dieses Wort auch noch im Hochdeutschen üblich. In einigen, selbst Niederdeutschen Gegenden, lautet es Galm, bey dem Kero Calm, bey dem Ottfried Galm. Im Hochdeutschen ist dafür mit Vorsetzung des Zischlautes Schall üblich. S. Gällen und Hall.


Galla (W3) [Adelung]


Die Galla, plur. inus. aus dem Spanischen Gala, und dieß aus dem Arab. Challah, festliche Prachtkleidung. Der Hof ist in Galla, in festlicher Pracht. Es ist auf morgen Galla angesagt worden. Daher die Gallakleidung, oder Gallatracht, der Gallatag u. s. f. Ohne Zweifel ist dieses Wort zu Carls V Zeiten mit andern Spanischen Wörtern und Gebräuchen den Deutschen Höfen bekannt geworden.


Gallapfel (W3) [Adelung]


Der Gallapfel, des -s, plur. die -äpfel, runde Auswüchse an den Blättern der Eichen, welche durch den Stich kleiner Wespen verursacht werden, ( S. Gallinsect,) und einen sehr bittern Geschmack haben. In einigen Gegenden werden sie Laubäpfel, Gallen, Knoppern, und im Nieders. Eichäpfel genannt. Man hat dergleichen Auswüchse auch auf andern Gewächsen, z. B. auf den Rosen, Weiden u. s. f. da sie aber Rosenäpfel, Dornrosen, Weidenrosen u. s. f. heißen.

Anm. Im Lat. Galla, im mittlern Lat Galga nux, Galiqua, daher auch die Schuster Gallarii hießen, weil sie das Leder damit bereiteten; im Engl. Gall, Schwed. Gall, Galläple. Entweder von der gelben Farbe, ( S. Gelb,) oder von der Bitterkeit, ( S. Galle,) oder endlich auch von der runden Gestalt. Im Altfranz. war Gal, Dän. Galde, ein Kiesel, Caillou, im mittlern Lat. Gallus, und noch jetzt sind im Franz. Gallets oder Jalets kleine runde Steine oder thönerne Kugeln, welche man von einem Schnepper schießet.


Galläpfelfliege (W3) [Adelung]


Die Galläpfelfliege, plur. die -n, S. Gallinsect.


Galle (W3) [Adelung]


1. Die Galle, plur. die -n, eine im gemeinen Leben übliche Benennung verschiedener rundlicher Erhöhungen. 1) Der Galläpfel, welche in mehrern Gegenden nur Gallen heißen; Siehe Gallapfel. 2) Eines fehlerhaften häutigen Auswuchses unter der Zunge der Pferde, in der Größe einer Bohne; Franz. les Barbes, Barbillons. 3) Eine andere Krankheit an den Knien der Pferde, welche in einer wässerigen Geschwulst bestehet, wird die Flußgalle genannt, zum Unterschiede von der Steingalle. Beyde können indessen auch zu dem folgenden Worte gerechnet werden.

Anm. Daß Gall, Galle, schon von den ältesten Zeiten an etwas Erhabenes, Rundes bedeutet hat, erhellet unter andern auch aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Haufe, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, wälzen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Rad u. s. f. S. Gallapfel Anm.


Galle (W3) [Adelung]


2. Die Galle, plur. die -n, eine im gemeinen Leben übliche Benennung verschiedener Arten von Mängeln, besonders fehlerhafter Flecken, oder Stellen. 1) Ein fehlerhafter Flecken in dem Hufe der Pferde, welcher bis auf das Leben gehet, und auch die Steingalle genannt wird, zum Unterschiede von der Flußgalle; S. das vorige. 2) Flecken von dem Harze in dem Taugelholze, welche Spalten und Risse in demselben machen, werden im Forstwesen Harzgallen genannt. 3) Fehlerhafte Stellen in der Seele einer gegossenen Kanone heißen gleichfalls Gal- len. 4) Ein heller Schein am Himmel, wie der Fuß eines Regenbogens, der Sonne gegen über, welcher für ein Zeichen eines bevorstehenden Sturmes gehalten wird, führet im gemeinen Leben den Nahmen einer Windgalle; so wie 5) ein unvollkommner Regenbogen, oder ein Stück von einem Regenbogen, eine Regengalle oder Wassergalle genannt wird. 6) Die Fäulniß. So bald die Seele gesegnet hat, so sehen wir, daß das übrige gewesen sey, ein Schleim und Galle, ein Gestank und etwas das ich nicht nennen mag, Opitz. Im Nieders. heißt die Fäulniß in dem Käse die Galle. Im Westphäl. bedeutet galmen einen widrigen Geruch und Geschmack haben, wie z. B. der Knoblauch.

Anm. Im Isländ. bedeutet Galle ausdrücklich einen Mangel, einen Fehler, und galen ist im Schwed. so wie gall im Dänischen, fehlerhaft, mangelhaft. Auch das Schwed. gall, unfruchtbar, gelt, scheinet hierher zu gehören. Im Engl. ist to gall die Haut verwunden. S. Gelt.


Galle (W3) [Adelung]


3. Die Galle, plur. die -n, eine im gemeinen Leben übliche Benennung verschiedener Arten von Feuchtigkeit, und deren Zusammenflusses. 1) Nasse Stellen auf den Äckern, besonders wenn sie von kleinen Quellen herkommen, werden in der Landwirthschaft Gallen, Ackergallen oder Wassergallen, imgleichen Springstagen, Quellgründe genannt. 2) Hierher scheinet auch die Glasgalle zu gehören, worunter man den weißen flüssigen Schaum verstehet, welcher sich in den Glastöpfen von dem geschmelzten Glase scheidet.

Anm. In der Bedeutung einer Quelle oder eines feuchten Ortes ist dieses Wort gleichfalls sehr alt. Schon im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - so wohl eine Quelle, als auch eine Welle. Im Alban. bedeutet Ggjoll einen Sumpf. Pictorius gebraucht Güllen von einer Pfütze, und Mistgüllen von einer Mistpfütze. Steingalle ist bey ihm die Feuchtigkeit, welche aus den Steinen tröpfelt; güllachtig und wassergällig, sumpfig. Gähl bedeutet um Bremen einen niedrigen mit Buschwerk bepflanzten Grund, durch welchen ein Wasserlauf geht. S. Gölle, Quelle, welches genau mit diesem Worte verwandt ist, und Welle. Im Alemann. Gesetze ist Gall, und im Franz. la Galle, die Krätze, vermuthlich um der damit verbundenen Nässe willen.


Galle (W3) [Adelung]


4. Die Galle, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -n, eine bittere, seifenartige, gelblich grüne, und zuweilen schwarze Feuchtigkeit in den thierischen Körpern, welche zur Verdauung der Speisen sehr nothwendig ist, aber wenn sie sich zu häufig in den Magen ergießet, auch allerley Krankheiten verursacht. 1. Eigentlich. Die Galle läuft ihm über, die Galle wird bey ihm rege, sagt man im gemeinen Leben von einem Menschen, der zornig wird. Bitter wie Galle. Die schwarze Galle, atra bilis, ein von der vorigen Galle verschiedener, brauner dicker Saft, der von dem Blute abgesondert wird, sich in den Nebennieren befindet, und ein Merkmahl eines mürrischen, verdrießlichen und zornigen Temperamentes ist. Werden sie mir denn ewig meine Einsamkeit und meine schwarze Galle vorwerfen? Die Galle plaget ihn, sagt man von einem mürrischen Menschen, dessen dickes zähes Blut viele schwarze Galle absondert. Ihre Galle ist eine Zeit lang stille gewesen, aber nun hat sie sich desto stärker ergossen. 2. Figürlich. 1) Der Schwanz des Rothwildbretes bey den Jägern, weil derselbe der Sitz der Galle seyn soll, daher er auch sehr bitter ist. 2) Unangenehme Empfindungen, und was dieselben verursacht. Die Freude dieser Welt hat Galle, Opitz. Das Volk mit Galle tränken, Jer. 9, 15. 3) Bitterkeit des Herzens, feindselige zum Schaden geneigte Gesinnung. Honig im Munde, Galle im Herzen. Du bist voll bitterer Galle, Apostelgesch. 8, 23. Ich wollte lesen, aber meine Galle widersetzte sich, mein Unmuth.

Anm. Bey dem Ottfried und Notker Gallun, bey dem Raban Maurus. Galla, im Nieders. Galle, im Angels, Gealla, im Engl. und Isländ. Gall, im Schwed. Galla, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Auch das Lat. Fel und Bilis scheinen hierher zu gehören, weil der Übergang der Lippen- und Blaselaute in die Gaumen- und Hauchlaute nichts seltenes ist. Bey dem hohen Alter dieses Wortes ist es ungewiß, ob es von gelb, im mittlern Lat. giallus, Engl. yellow, oder von einem der vorigen Wörter herstammet. Im Oberd. lautet es in der zweyten und den folgenden Endungen auch Gallen. Sie geben mir Gallen zu essen, Ps. 69, 22. Essig mit Gallen vermischt, Matth. 27, 34. Das Recht in Gallen wenden, Amos 6, 12; welche Form auch in vielen der folgenden Zusammensetzungen beybehalten worden.


Gallen (W3) [Adelung]


1. Gallen, verb. reg. act. mit Galläpfeln zubereiten, in den Seidenfabriken, wo die Seide gegallet wird, wenn sie durch ein oder zwey Bäder von Galläpfeln gezogen wird. S. Gallapfel.


Gallen (W3) [Adelung]


2. Gallen, verb. reg. neutr. Mit dem Hülfsworte haben, welches nur bey den Jägern üblich ist, sein Wasser lassen, feuchten, in dem gemeinen Umgange der Meißner schollen. S. 3 Galle.


Gallen (W3) [Adelung]


3. Gallen, verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist. Einen Fisch gallen, die Galle aus demselben heraus nehmen. S. 4 Galle.


Gällen (W3) [Adelung]


Gällen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, einen Schall von sich geben, schallen. Er schrie, daß das ganze Haus gällete. Die Ohren gällen mir, wenn man ein klingendes Getöse in denselben empfindet. Er das hören wird, dem werden seine beyden Ohren gellen, 1 Sam. 3, 11. Nun liefen sie alle mit einem gällenden Hohngelächter aus einander. Und schreyen bis er weit durch Berg und Thäler gellt, Canitz. Und singt und seufzet seinen Schaum Bis ihr das Ohr fast gellt, Haged. Anm. Gällen, Nieders. gellen, im Schwed. gaella, im Isländ. gialla, im Wallis. galw, im Engl. to yell, im Holländ. ghillen, im Dän. gale, stammet von Gall, Schall, ab, und wird daher richtiger mit ä als mit e geschrieben. Im Nieders. hat man von diesem Neutro auch das Activum gillen, ein durchdringendes Geschrey machen, ( S. Geilen,) womit auch das Oberd. gällen, bellen, das Engl. to yell, heulen, das Schwed. und Isländ. gala, singen, das Schwed. kalla, nennen, rufen, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rufen, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, loben, preisen, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rufen, überein kommt. S. Gall, Gälfern, Hallen, Heulen, Schallen, Schelten. Mit einem andern Ableitungslaute bedeutet galmen im Nieders. gleichfalls hallen oder schallen.


Gallenader (W3) [Adelung]


Die Gallenader, plur. die -n, in der Zergliederungskunst, zwey Äste der Pfortader, welche durch die ganze Gallenblase gehen; Venae cysticae. Auch wird ein Ast der untern Hohlader die schwarze Gallenader genannt.


Gallenbitter (W3) [Adelung]


Gallenbitter, adj. et adv. bitter wie Galle.


Gallenblase (W3) [Adelung]


Die Gallenblase, plur. die -n, ein häutiges Gefäß in Gestalt einer Birn, im untern Theile der Leber, in welchem sich die überflüssige Galle sammelt, damit es in dem kleinen Magen niemahls daran fehle. Daher der Gallenblasengang oder Gallengang, derjenige Gang, durch welchen die Galle aus der Leber in die Gallenblase kommt; Ductus hepaticus. An den Bienen wird das Säcklein im Leibe, worin sie ihren Stachel tragen, gleichfalls die Gallenblase oder Giftblase genannt.


Gallenfieber (W3) [Adelung]


Das Gallenfieber, des -s, plur. von mehrern Arten ut nom. sing. dasjenige Fieber, welches von allzu vieler und scharf gewordener Galle entstehet, wenn sich dieselbe mit dem Blute vermischet, dasselbe scharf macht, und die innern Häute der Blutgefäße reitzet.


Gallengang (W3) [Adelung]


Der Gallengang, des -es, plur. die -gänge, in der Zergliederungskunst, alle diejenigen Gänge, wodurch die Galle aus der Leber in die Gallenblase, und aus dieser wiederum in den Magen geführet wird; Pori biliarii, Ductus hepaticus; die Gallengefäße. S. Gallenblase. Der große Gallengang, Ductus choledochus oder cysticus, führet die Galle in den Zwölffingerdarm.


Gallengefäß (W3) [Adelung]


Das Gallengefäß, des -es, plur. die -e, S. das vorige.


Gallenkolik (W3) [Adelung]


Die Gallenkolik, plur. von mehrern Arten, die -en, eine Kolik, welche von verdorbener Galle herrühret, und bey welcher durch Erbrechen oft eine grüne und gelbliche Materie abgehet; Colica biliosa.


Gallenkrankheit (W3) [Adelung]


Die Gallenkrankheit, plur. die -en, eine jede Krankheit, welche von allzuhäufiger oder auch von verdorbener Galle verursacht wird.


Gallenkraut (W3) [Adelung]


Das Gallenkraut, des -es, plur. inus. S. Galbanum.


Gallenstein (W3) [Adelung]


Der Gallenstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, der sich in der Gallenblase oder in den Gallengängen erzeuget.


Gallensucht (W3) [Adelung]


Die Gallensucht, plur. inus. eine Krankheit, welche aus einer Verstopfung der Gallengänge, entweder durch Stein, oder durch ein dickes und zähes Blut, oder auch durch eine heftige Erschütterung der Galle entstehet, so daß diese durch die Zweige der Pfortader gehet und sich mit dem Blute vermischet; die Gallsucht. Weil dabey der ganze Körper, besonders aber die Augen, mit einer gelben Farbe überzogen sind, so wird sie auch die gelbe Sucht, oder Gelbsucht genannt. Die schwarze gelbe Sucht, wenn sich bereits eine sauere Schärfe in dem Körper befindet, wodurch eine schwärzere und dunklere Farbe erzeuget wird.


Gallensüchtig (W3) [Adelung]


Gallensüchtig, oder Gallsüchtig, adj. et adv. mit der Gallensucht, behaftet. Auch figürlich, für mürrisch, verdrießlich, zum Zorne geneigt. Ein Gallsüchtiger, der des Vergnügens spottet, und der Freude flucht, Sonnenf.


Galleote (W3) [Adelung]


Die Galleote, S. Galeote.


Gallerie (W3) [Adelung]


Die Gallerie, (dreysylbig,) plur. die -n, (viersylbig,) aus dem Franz. Galerie, und Ital. Gallaria, ein langer zierlicher Gang; ingleichen in Pallästen, ein Zimmer, welches ungleich länger als breit ist. Die Bilder-Gallerie, Gewehr-Gallerie u. s. f. In der Stagirer Schul und Zenons Galerey, Opitz. Auf den Schiffen ist es ein hervor springender Altan am Hintertheile des Schiffes vor der Kammer des Capitäns; in dem Festungsbaue, ein Gang, welche bey der Belagerung einer Festung über den Hauptgraben gemacht wird, damit die Minirer darüber können. Im mittlern Lat. Galeria, Galleria, Galilaea, von aller, gehen, wallen, wohin auch das Lat. Callis gehöret.


Gallerte (W3) [Adelung]


Die Gallerte, plur. von mehrern Arten, die -n, ein schleimiges Wesen, dem eine gewisse Menge von seinem Wasser entzogen worden, wodurch es eine Consistenz erhält, ohne doch die Durchsichtigkeit des Wassers zu verlieren; Franz. Gelee, im Oberd. die Sulze. Fischgallerte u. s. f. Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, wird auch eine gewisse Art Pflanzen, deren kaum sichtbare Fructificationen in einem gallertartigen Wesen befindlich sind, Gallerte genannt; Tremella L. Das Nostoch ist eine der merkwürdigsten Arten derselben. S. dieses Wort.

Anm. Dieses Wort, welches bey den Schriftstellern der vorigen Jahrhunderte Galrey, Gallhart, Gallrad, Galraid, und im mittlern Lateine Galatina, Geltina, Galreda, Geladria u. s. f. lautet, stammt wohl nicht von dem Lat. gelatus her, wie Frisch will, sondern von einem guten alten Deutschen Stamme. Im Dithmarsischen bedeutet Keller noch jetzt geronnene Milch, und kellern gerinnen, geliefern. Ob das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Milch, gleichfalls dahin gehöre, mögen andere entscheiden. S. das folgende.


Gällig (W3) [Adelung]


Gällig, -er, -ste, adj. et adv. hart, fest. Unter dem Moße lag ein gelliger Stein, Theuerd. Kap. 62. Ein Zinkh der haftet allein In dem harten gelligen stein, Theuerd. Kap. 20. Im Hochdeutschen kommt dieses Wort nur bey den Bergleuten vor. Der Gang liegt im gälligen Felsen, wenn er fest anstehet, keine Ablösung hat.

Anm. Frisch glaubt, dieses Wort komme von Gall, Schall, her, und bedeute eigentlich so hart, daß es gleichsam klinge. Allein es scheinet vielmehr zum mittlern Lat. Callus, ein Stein, Franz. Caillou; zu gehören.


Gall-Insect (W3) [Adelung]


Das Gall-Insect, des -es, plur. die -e, eine Art Mücken mit vier aufgeblasenen Flügeln, welche ihre Eyer auf die Blätter und Blumen verschiedener Bäume und Pflanzen legt, und dadurch diejenigen Auswüchse veranlasset, welche an den Eichen, Eichenrosen und Galläpfel, an den Weiden und Dornen aber Weidenrosen und Dornrosen genannt werden; Cynips L. die Gallenfliege. S. Weidenrose.


Gallion (W3) [Adelung]


Das Gallion, des -es, plur. die -e, an den großen Schiffen, das Vordertheil des Schiffes. Das Gallion gegen Land kehren. Holländ. Galjoen. S. Gölle und Gelte.


Gallione (W3) [Adelung]


Die Gallione, plur. die -n, eine Art großer Kriegsschiffe von drey bis vier Verdecken, besonders in Spanien. In weiterer Bedeutung nennen die Spanier alle Schiffe in Amerika, sie mögen groß oder klein seyn, Gallionen. Span. Gallione. S. Galeere und Gölle. Man muß dieses Wort mit Galeone, eine große Galeere, nicht verwechseln.


Gallionist (W3) [Adelung]


Der Gallionist, des -en, plur. die -en, derjenige, der an dem Handel der Spanischen Gallionen, welche nach Amerika segeln, Theil hat.


Galliote (W3) [Adelung]


Die Galliote, plur. die -n, eine Art runder mittelmäßiger Fahrzeuge in Holland und andern Ländern, welche einen Mast und einige kleine Stücke führet. Bombardier-Galliote, Fischer-Galliote, Fluß-Galliote u. s. f. Die Galeote, eine kleine Galeere, ist nicht damit zu verwechseln, obgleich ihre Benennungen aus Einer Quelle herfließen. S. Gölle und Gelte.


Gallivate (W3) [Adelung]


Die Gallivate, plur. die -n, eine Art von Last- und Kriegsschiffen in den Ostindischen Gewässern, welche einen sehr schräge stehenden Mast haben, und auch Gallwetten genannt werden.


Gallloch (W3) [Adelung]


Das Gallloch, des -es, plur. die -löcher, die Öffnungen an einem Glockenthurme, durch welche sich der Gall oder Schall verbreitet; die Schallöcher.


Gallosche (W3) [Adelung]


Die Gallosche, oder Gallusche, plur. die -n, in einigen Gegenden Oberdeutschlandes, hölzerne Schuhe der Bauern und gemeinen Leute. Aus dem Ital. Galloccia, Franz. Galoche, im mittlern Lat. Calo, Calopes, und dieß von dem Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Holz.


Gallsucht (W3) [Adelung]


Die Gallsucht, Gallsüchtig, S. Gallensucht, Gallensüchtig.


Gallthier (W3) [Adelung]


Gallthier, S. Gelt.


Galluschel (W3) [Adelung]


Der Galluschel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Milchschwamm.


Gallwette (W3) [Adelung]


Die Gallwette, plur. die -n, S. Gallivate.


Galm (W3) [Adelung]


Der Galm, des -es, plur. die -e, S. Gall.


Galmen (W3) [Adelung]


Galmen, S. Gällen, Anm.


Galmey (W3) [Adelung]


Der Galmey, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein mit Eisenocher vererzter Zink, welcher grau, gelb, roth oder braun von Farbe ist, und durch dessen Zusatz das Messing aus dem Kupfer bereitet wird. Ital. Gellamira, im mittlern Lat. Calia, Calamina. Er kommt so wohl in lockerer, als derber Gestalt vor. In der letztern wird er Galmeystein genannt.


Galmeyflug (W3) [Adelung]


Der Galmeyflug, des -es, plur. inus. ein weißer wollichter Körper, welcher von dem Gallmeye in offenem Feuer in die Höhe steiget, und auch Galmeyblumen, Almey, weißer Nicht genannt wird.


Galone (W3) [Adelung]


Die Galone, plur. die -n, im Handel und Wandel, eine Benennung stark durchbrochener goldener, silberner oder seidener Borten, besonders aber der beyden ersten Arten; aus dem Franz. Galon. In der Straßb. Polizeyordn. von 1608 heißen sie schon Galaunen.


Galopp (W3) [Adelung]


Der Galopp, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, derjenige schnelle Gang eines vierfüßigen Thieres, besonders eines Pferdes, wobey es die beyden Vorderfüße fast zugleich etwas hoch erhebet, und mit den Hinterfüßen auf gleiche Weise folget; welches der mittlere Gang zwischen dem Trotte, und der Carriere oder dem gezogenen Galoppe ist. Anm. Wir haben dieses Wort freylich zunächst aus dem Franz. Galop und Ital. Galoppo entlehnet; allein eigentlich stammet es doch aus dem Deutschen her. Bey dem Ulphilas ist klaupan, und im Angels. kleapan, laufen, springen, Engl. to leap, Nieders. lopen, im Isländ. hleipa, wohin auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, transiit, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, transitus, zu gehören scheinen. S. Laufen.


Galoppiren (W3) [Adelung]


Galoppiren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, den Galopp gehen, im Galoppe gehen. Das Pferd galloppiren lassen. Das Pferd galoppiret sanft, schwer u. s. f.


Gälse (W3) [Adelung]


Die Gälse, plur. die -n, S. Mücke und Schnake.


Galstrig (W3) [Adelung]


Galstrig, adj. et adv. S. Ranzig.


Gält (W3) [Adelung]


Gält, unfruchtbar, S. Gelt.


Gälte (W3) [Adelung]


Gälte, ein Gefäß, S. Gelte.


Gam (W3) [Adelung]


Gam, S. Bräutigam, Anm.


Gamander (W3) [Adelung]


Der Gamander, des -s, oder das Gamanderlein, des -s, plur. inus. eine Pflanze, Teucrium L. nach welchem die Erdkiefer, oder das Schlagkraut, das Katzenkraut, die Skorodonie, der Lachenknoblauch, der Bathengel, u. s. f. zu diesem Geschlechte gehören. Auch eine Art des Ehrenpreises, deren Blumentrauben aus den Winkeln der Blätter entspringen, Veronica Chamaedris L. führet in einigen Gegenden den Nahmen des Gamanderleins. Im Engl. lautet dieser Nahme Germander, Franz. Germandree, welche Nahmen, so wie der Deutsche, vermuthlich aus dem Griech. und Latein. Chamaedrys verunstaltet sind, welchen diesen Pflanzen bey den ältern Kräuterkennern führen, und den der Bathengel und der jetzt gedachte Ehrenpreis bey dem Linnee hat.


Gäms (W3) [Adelung]


Der Gäms, eine Steinart, S. Kamm 1.


Gämse (W3) [Adelung]


Die Gämse, S. Gemse.


Ganasse (W3) [Adelung]


Die Ganasse, plur. die -n, an den Pferden, der Kinnbacken, wenn er fast die Kehle berühret; aus dem Franz. Ganasse, und Ital. Ganassa, Ganascia.


Ganerbe (W3) [Adelung]


Der Ganerbe, des -n, plur. die -n, ein nur noch in einigen Gegenden übliches Wort, so wohl einen Miterben, als auch einen Mitbesitzer zu bezeichnen, jemanden, der nebst andern an einem Gute Theil hat. So werden in einigen Gegenden die Pfänner, welche an einer Salzpfanne Theil haben, Ganerben genannt. Am bekanntesten sind unter diesem Nahmen diejenigen adeligen Familien geworden, welche sich zu den Zeiten des Faustrechtes vereinigten, sich und ihre Güter in einem gemeinschaftlichen Schlosse zu beschützen, welches daher ein Ganerbenhaus oder Ganerbenschloß genannt wurde, dergleichen noch viele in der Wetterau angetroffen werden.

Anm. Schon in dem alten Lege Ludov. et Lothar. um das Jahr 840 bedeutet Geanerbe einen Miterben, Cohaeredem, in welcher Bedeutung auch Notker das Wort Canherbe gebraucht. In dem Sächsischen Landrechte sind Ganerben Seitenverwandte. Man glaubt, daß die Sylbe Gan aus gemein zusammen gezogen sey.


Ganerbengericht (W3) [Adelung]


Das Ganerbengericht, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein gemeinschaftliches Gericht, welches von mehrern besessen und ausgeübet wird; ein Sammtgericht.


Ganerbenhaus (W3) [Adelung]


Das Ganerbenhaus, des -es, plur. die -häuser, siehe Ganerbe.


Ganerbschaft (W3) [Adelung]


Die Ganerbschaft, plur. die -en. 1) Die Verbindung der Ganerben oder gemeinschaftlichen Besitzer unter einander. 2) Ein solches Ganerbenschloß und dessen Gebieth; ingleichen 3) die gemeinschaftlichen Besitzer selbst.


Ganerbschaftlich (W3) [Adelung]


Ganerbschaftlich, adj. et adv. in einigen Gegenden, für gemeinschaftlich. Ein Schloß ganerbschaftlich besitzen.


Gang (W3) [Adelung]


Der Gang, des -es, plur. die Gänge, das Abstractum von dem Zeitworte gehen. I. Die Handlung des Gehens, oder der Veränderung des Ortes vermittelst der Füße; ohne Plural. 1. Eigentlich. Erhalte meinen Gang auf deinen Fußsteigen, Ps. 17, 5. Daß, wenn du gehest, dein Gang dir nicht sauer werde, Sprichw. 4, 12. Mir wird die Pause selbst zu lang, Drum förderte ich meinen Gang, Michael. Am häufigsten in den Zusammensetzungen, Kirchgang, Ausgang, Abgang, Aufgang, Durchgang u. s. f. 2. Figürlich. 1) Den Gang auf den Wald verrichten, im Nürnbergischen, die Aufsicht darüber führen. 2) Bewegung eines leblosen Körpers. Eine Uhr, eine Mühle, in den Gang bringen. Stockende Säfte in dem menschlichen Körper wieder in den Gang bringen. Dahin auch die Zusammensetzungen, Blutgang, Stuhlgang, Ausgang, Aufgang, Durchgang u. s. f. gehören. 3) Die Fortsetzung, der Erfolg einer Sache. Einer Sache ihren Gang lassen, wofür auch das Wort Lauf üblich ist. 4) Eine Mode, eine Waare in den Gang bringen, machen, daß sie Abgang finde. Die Blattern sind jetzt im Gange, grassiren. Die Aufmerksamkeit im Gange erhalten, sie thätig erhalten. II. Besonders in Rücksicht auf die Art und Weise, wie man gehet; auch ohne Plural. 1. Eigentlich. Ich kenne ihn an seinem Gange. Ein langsamer, flüchtiger, träger, schläfriger, nachlässiger Gang. Ihr, rief er, hinkt, ich aber nicht, Den Gang müßt ihr euch abgewöhnen, Gell. Der Gang zeiget den Mann an, Sir. 19, 27. Das Pferd hat einen sanften, einen schweren Gang. 2. Figürlich. 1) Die Art und Weise zu denken und zu handeln. Ein jeder gehet seinen Gang. Der Gang des menschlichen Geistes. Der eigenthümliche Gang seiner Gedanken. Die Dichtkunst ist eine Nachahmerinn der Natur; ein wenig Aufmerksamkeit auf den Gang dieser großen Lehrerinn würde uns zeigen, wie sie mit den Leidenschaften verfahret, Dusch. Besonders, 2) in der biblischen Schreibart, die menschlichen Handlungen in Ansehung ihrer sittlichen Beschaffenheit; wo auch der Plural von mehrern Handlungen üblich ist. Es stehet in niemandes Gewalt, wie er wandle oder seinen Gang richte, Jer. 10, 23. Es ist kein Recht in ihren Gängen, Es. 59, 8. Jedermanns Gänge kommen vom Herrn, Sprichw. 20, 24. 3) Die Art und Weise der Fortsetzung, des Fortganges einer Sache. Der Prozeß, die Sache gewinnet einen ganz andern Gang. III. So viel als man auf Ein Mahl, bis zu einer Pause, oder bis zur Erreichung eines Zieles gehet. 1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, die Handlung des Gehens bis zu einem gewissen Ziele. Ich will einen Gang zu meinem, Bruder thun. Ich habe noch einen sauern Gang vor mir. Einem Arzt seine Gänge bezahlen. Viele vergebliche Gänge thun müssen. Im gemeinen Leben höret man hier auch zuweilen das Diminut. Gängelchen und im Nieders. Gängsken. Der Hund thut Gänge, bey den Jägern, wenn er läuft. Das Wildbret mach Gänge, wenn es oft hin und her gehet. Der Gang eines Wildbrets von dem Felde zu Holze. 2) In der engsten Bedeutung, ein Schritt. Und da sie einher gingen mit der Lade des Herren sechs Gänge, 2 Sam. 6, 13. Denn du hast schon meine Gänge gezählet, Hiob. 14, 16; denn du zählst jetzt meine Schritte, Michael. In diesem Verstande ist es unter andern auch noch bey den Jägern üblich, wo Gang mehrmahls für Schritt gebraucht wird. 2. Figürlich. 1) Von Speisen, so viel deren auf Ein Mahl aufgetragen wird. Eine Tafel von drey Gängen. Der Braten kam im zweyten Gange. 2) Im Fechten, die Handlung des Fechtens bis zu einem Ruhepuncte. Drey Gänge mit jemanden thun. Wir wollen einen Gang wagen. 3) Einige Gänge auf dem Claviere machen, ein Paar Mahl die Scala auf und abspielen. 4) In den Mühlen, die Handlung, da das Getreide und Mehl durch den Rumpf gehet, oder auf den Stein geschüttet wird. Die Spitzkleye kommt von dem ersten, das Griesmehl von dem zweyten, das Mittelmehl von dem dritten Gange. Nach einer noch weitern Figur, wird auch wohl dieses Mehl selbst der Gang genannt, und da ist das Schrotmehl und die Spitzkleye der erste Gang u. s. f. IV. Was da gehet, in einigen figürlichen Arten des Gebrauches. So heißt bey den Mühlen das sämmtliche zu einem Mühlrade gehörige Getriebe ein Gang. Eine Mühle von drey, von sechs Gängen. Bey den Webern ist der Gang eine gewisse Anzahl Fäden in der Kette oder dem Aufzuge. Einen Gang verschütten, wenn diese Fäden aus ihrem Geleise oder aus ihrer Richtung kommen. Bey den Perrückenmachern heißen die Haare, welche man auf Ein Mahl um die drey Fäden herum schlinget, ein Gang, Franz. Passee. S. auch das zusammen gesetzte Abgang. V. Der Ort, wohin man gehet, in einigen im gemeinen Leben üblichen Arten des Ausdruckes. Ich weiß seine Gänge schon. Seine Gänge gefallen mir nicht. Das ist sein Gang nicht, dahin pfleget er nicht zu gehen. VI: Der Ort, auf welchem man gehet. 1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, der Weg, worauf man gehet, gegangen ist, oder gehen kann. Sein Strick ist gelegt in die Erden, und seine Falle auf seinen Gang, Hiob. 18, 10; sein Fallstrick liegt in der Erde verborgen, und das Fangeisen ist auf dem Fußsteige gestellet, Michael. Alle Gänge und Schliche in einem Gebirge, in einem Walde wissen. Die Spur eines Marders heißt bey den Jägern gleichfalls ein Gang. Dahin auch die Zusammensetzungen, der Zugang, Ausgang, Eingang, Durchgang u. s. f. Ingleichen die Gänge in einem Garten, die Wege, zum Unterschiede von den Beeten, Blumenstücken u. s. f. Ein bedeckter Gang, Allee, ein Irrgang, Luftgang, Schattengang u. s. f. 2) In engerer Bedeutung, derjenige Theil eines Gebäudes, ver- mittelst dessen man zu den Zimmern gelanget, welcher in großen Pallästen auch eine Gallerie genannt wird. Ein Säulengang, der auf Säulen ruhet. Ein Gang unter der Erde, ein unterirdischer Gang. Der Wallgang u. s. f. 2. Figürlich. 1) Die Gewinde einer Schraube, oder die Vertiefungen, welche um ihre Spindel geführet werden, führen gemeiniglich auch den Nahmen Gänge. 2) Die Röhren und Canäle, in welchen sich ein flüssiger Körper beweget, besonders in den Körpern der Thiere und Pflanzen. Der Gallengang, Saftgang, Wassergang u. s. f. Der natürliche Gang, Matth. 15, 17, durch welchen die Excremente ausgeworfen werden. 3) Im Bergbaue sind Gänge diejenigen Räume im Gebirge, welche in die Länge und Tiefe fortdauern, und mit Erz oder Mineralien ausgefüllet sind; zum Unterschiede von den Flötzen, Stockwerken, Nestern u. s. f. Diese Gänge werden im gemeinen Leben oft Adern genannt, weil sie den Blutadern in der Ausdehnung in die Länge ähnlich sind. Ein streichender Gang, der innerhalb seiner Gränzen seine Richtung gegen eine gewisse Weltgegend beobachtet. Das Streichen des Ganges, dessen Richtung nach einer gewissen Himmelsgegend. Der Gang wirft einen Bauch, wenn er sich in dieser Richtung krümmet. Das Fallen der Gänge, ihre Richtung gegen den Horizont. Ein fallender Gang, der sich nach dem Horizonte neiget, zum Unterschiede von den schwebenden und gestürzten Gängen. Ein stehender Gang, ein fallender Gang, welcher senkrecht in die Tiefe gehet; ein donleger Gang, der sich zwischen dem 10ten und 80sten Grade unter den Horizont neiget. Ein schwebender Gang, der eine horizontale Richtung hat. Ein gestürzter Gang, der bald auf bald nieder steiget. Nach einer noch weitern Figur werden auch die in solchen Gängen befindlichen Erze und Mineralien Gang und Gänge genannt. 4) Eine Reihe aufgestellter Klebgarne, welche auch eine Wand genannt wird, heißt bey den Jägern gleichfalls ein Gang.

Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Ulphilas Gagg (sprich Gang,) bey dem Ottfried und Notker Gang, bey dem Stryker Ganch, im Schwed. und Nieders. Gang, im Pohln. Ganck. Notker gebraucht es auch für einen Schritt.


Gäng (W3) [Adelung]


Gäng, S. Gänge.


Gangart (W3) [Adelung]


Die Gangart, plur. die -en, in dem Bergbaue. 1) Eine jede Steinart, welche in einem Gange angetroffen wird und denselben ausmacht; der Gangstein. 2) Dasjenige Gestein, welches sich zwischen der Mutter mit ihrem Erze und dem gewöhnlichen Gesteine befindet; der Gangstein, das Salband. Siehe Gang VI. 2.


Gangbar (W3) [Adelung]


Gangbar, -er, -ste, adj. et adv. 1) Was im Gange ist, häufig genommen und gebraucht wird. Eine gangbare Münze, welche im Handel und Wandel ohne Weigerung angenommen wird; im mittlern Lat. cursibilis moneta. Der gesunde richtige Verstand ist die gangbare Münze der Welt, Gell. Türkische Münzen sind hier nicht gangbar. Die Blattern sind jetzt gangbar, für herrschen, grassiren, ist ungewöhnlich. Eine gangbare Waare. S. Gang I. 2. Gänge und Ganghaft. 2) Wo man gehen kann. Der Weg ist gar nicht mehr gangbar. Im Oberdeutschen auch gehelich. Auch figürlich. Die Wasserröhren gangbar erhalten, so daß das Wasser darin ungehindert fließen kann. 3) Wo viel gegangen wird. Eine gangbare Straße, welche häufig von Reisenden besucht wird.


Gangbarkeit (W3) [Adelung]


Die Gangbarkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da eine Sache gangbar ist, in allen obigen Bedeutungen.


Gänge (W3) [Adelung]


"Gänge", adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben üblich.

1) Ein gänger Hund, bey den Jägern, ein schneller flüchtiger Hund. Junges Maul ist eine Mühle, die gar gäng in ihrem Lauf; Mahlet Witz kaum eine Hand voll, schüttet Wort ein "Malter" auf, Logau. S. "Gängig".

2) Wie "Gangbar" 1, was im Handel und Wandel üblich ist, überall bekannt ist, in Verbindung mit dem Worte "gebe". Pfenning - die genge und gaebe sind, Schwab. Spieg. Kap. 301. Das Geld, das im Kauf gäng und gebe ist, 1 Mos. 23,16. Ein jeder Fleischer soll gänge und gebe Vieh schlachten, in der Leipziger Fleischerordn. Eine genge herberge, welche fleißig besucht wird, Königshov. Im Nieders. "gänge", Schwed. "gangse", Dän. "gängs", alles für üblich, gebräuchlich. Das ist nun so gänge, im Nieders. für, das ist nun so Mode. Im mittlern Lat. gebrauchte man von "gangbarem Gelde" die Zeitwörter "ambulare", "vadere", "currere" u. s. f. "gäng und gebes Geld" aber hieß "cursibilis", "meabilis", "datibilis" u. s. f.


Gängelband (W3) [Adelung]


Das Gängelband, des -es, plur. die -bänder, dasjenige Band, woran man die Kinder gängelt, d. i. sie gehen lehret; das Führband oder Leitband, der Laufzaum, das Laufband.


Gängeln (W3) [Adelung]


Gängeln, verb. reg. act. gehen lehren. Ein Kind gängeln, es am Gängelbande gehen lehren. Auch figürlich. Sonst wollte ich sie gängeln, daß sie den Himmel für eine Baßgeige ansehen sollten.

Anm. Von gehen, kommt im Heldenbuche das Iterat. gängen, mehrmahls gehen, vor. Von diesem scheinet unser Gängeln das Diminut. zu seyn. Im Nieders. hat man noch ein anderes Iterat. von gehen, gungeln, bittend um jemanden herum gehen.


Gängelwagen (W3) [Adelung]


Der Gängelwagen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gestell mit Rädern, in welchem die Kinder gehen lernen; ein Rollwagen, Laufwagen, an einigen Orten auch eine Laufbank.


Gänger (W3) [Adelung]


Der Gänger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gängerinn, plur. die -en, der oder die da gehet; doch nur in den Zusammensetzungen Fußgänger, Kostgänger, Paßgänger, Parteygänger, Müßiggänger, Untergänger u. s. f.


Gangerz (W3) [Adelung]


Das Gangerz, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, Erz, welches in Gängen angetroffen wird, zum Unterschiede von dem Flötzerze. S. Gang VI. 2.


Gangfisch (W3) [Adelung]


Der Gangfisch, des -es, plur. die -e, S. Balche und Weißfisch.


Ganggebirge (W3) [Adelung]


Das Ganggebirge, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Bergbaue, ein Gebirge, welches Gänge enthält oder enthalten kann, wozu die höchsten Gebirge gehören, Grundgebirge, ursprüngliche Gebirge; zum Unterschiede von den Flötzgebirgen.


Ganghaft (W3) [Adelung]


Ganghaft, oder Ganghaftig, adj. et adv. 1) Für Gangbar 1, in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen wenig gebraucht wird. Ein ganghaftes Wort. Ganghafte Münze. Eine ganghafte Zeche, im Bergbaue, welche im Gange ist, wo beständig gebauet wird. S. Gang I 2. 2) Ein Erz bricht ganghaft, im Bergbaue, wenn es in Gängen gebrochen wird. S. Gang VI. 2.


Ganghäuer (W3) [Adelung]


Der Ganghäuer, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue. 1) Ein Bergmann, der auf Gängen arbeitet. 2) In engerer Bedeutung, ein Bergmann, der die in die Grube herein geschossenen Gänge, d. i. Gangerze, zersetzet; zum Unterschiede von dem Schrämhäuer.


Gängig (W3) [Adelung]


Gängig, adj. et adv. was gehet. Einen Leithund gängig machen, bey den Jägern, ihn abrichten, daß er an dem Hängeseile gehen lerne. Ein gängiger Hund, der munter, flüchtig, gehet. S. Gänge. Im Hochdeutschen ist dieses Wort außer dem nur in den Zusammensetzungen rückgängig, krebsgängig, u. s. f. üblich.


Gangpfoste (W3) [Adelung]


Die Gangpfoste, plur. die -n, in der Zimmermannskunst, eine Säule unter einem Gange, worauf ein Balken liegt.


Gangrad (W3) [Adelung]


Das Gangrad, des -es, plur. die -räder, ein Rad, in welchem Menschen oder Thiere gehen, und es durch Treten in Bewegung setzen und erhalten; ein Tretrad.


Gangsäule (W3) [Adelung]


Die Gangsäule, plur. die -n, die Säulen oder Stollen an dem freyen Gange vor einem Gebäude, welche die Lehne um denselben ausmachen.


Gangschüssel (W3) [Adelung]


Die Gangschüssel, plur. die -n, in den Küchen, große Schüsseln, in welchen die Hauptgerichte aufgetragen werden; zum Unterschiede von den Zwischenschüsseln, Assietten u. s. f. Siehe Gang III. 2.


Gangstein (W3) [Adelung]


Der Gangstein, des -es, plur. die -e, S. Gangart.


Gangstreit (W3) [Adelung]


Der Gangstreit, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Streit, welcher zwischen zwey neben einander liegenden Zechen wegen eines Ganges entstehet.


Gangweise (W3) [Adelung]


Gangweise, adv. im Bergbaue, in Gängen, oder nach Art der Gänge. Man findet das Erz gangweise, wenn es in Gängen oder nach Art der Gänge bricht; zum Unterschiede dessen, welches flötzweise bricht.


Gangwoche (W3) [Adelung]


Die Gangwoche, plur. die -n, in einigen Oberdeutschen Gegenden, die Bethwoche, Hebdomas rogationum, weil in der Römischen Kirche in derselben feyerliche Umgänge oder Processionen angestellet werden.


Ganiterbaum (W3) [Adelung]


Der Ganiterbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Ostindischer Baum, Elaeocarpus L.


Ganker (W3) [Adelung]


Der Ganker, S. Spinne.


Gans (W3) [Adelung]


1. Die Gans, plur. die Gänse, Diminut. das Gänschen; ein im gemeinen Leben verschiedener Gegenden übliches Wort, einige Arten von Massen zu bezeichnen. 1) Ein Arm voll abgeschnittener Halme, aus welchen eine Garbe bestehet, wird in der Landwirthschaft verschiedener Gegenden, z. B. zu Zeiz, wo deren vier zu einer Garbe genommen werden, eine Gans genannt. Im Anhaltischen heißt ein solcher Büschel Halmen ein Frosch, an andern Orten ein Gänschen, und an noch andern eine Glede. S. Frosch. 2) In den Sandsteinbrüchen zu Pirna wird die grobe Steinart, welche nur zu Mühlsteinen, Säulen u. s. f. gebraucht wird, die Gans genannt. Da in der Schweiz auch Gandt, Gand, von der abhängigen Seite eines Felsens gebraucht wird, welche sonst auch die Wand genannt wird, so scheinet Gand und Gans hier aus Wand entstanden zu seyn. In einem etwas andern Verstande ist im Bergbaue die Gänse oder Gänze, ein festes, hartes Gestein; wo es sich aber auch von dem Bey- und Nebenworte ganz herleiten lässet. 3) In dem Salzwerke zu Aldendorf in Hessen, ein Klumpen, oder eine Masse zubereiteten Salzes. Auch in Frankreich war im 13ten Jahrhunderte das Wort Ganda in diesem Verstande üblich. Septimam partem totius salis - etiam in gavellos seu gandas, heißt es in einer Urkunde von 1290 bey dem Carpentier, der es durch einen Haufen erkläret. 4) In den Eisenhämmern und Eisenhütten werden diejenigen großen dreyeckigen Stücke geschmolzenen Eisens, so wie sie aus den hohen Öfen kommen, Gänse oder Eisengänse genannt. Im Franz. heißt eine solche Masse Gueuse, und im Schwedischen Gös. Anm. In dieser letzten Bedeutung leitet Salmasius dieses Wort von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Guß, das Schmelzen, Frisch von ganz, Ihre aber von dem Franz. Gueuse her, welches doch aus dem Deutschen, besonders nach der Niedersächsischen Mundart, entlehnet zu seyn scheinet. So viel ist wohl gewiß, daß Gans so wohl in dieser als in den vorher gehenden Bedeutungen mit dem folgenden Worte nichts als eine zufällige Ähnlichkeit des Klanges gemein hat.


Gans (W3) [Adelung]


2. Die Gans, plur. die Gänse, Diminut. das Gänschen, Oberd. das Gänslein, ein Schwimmvogel, welcher sich durch die Größe des Körpers, den erhabenen Rücken und langen Hals von den Änten unterscheidet; Anser. Die wilde Gans ist braun und aschenfarb, unter dem Bauche weiß, mit gelben Füßen und schwarzen Klauen. Die zahme Gans, oder Hausgans, welche in engerer Bedeutung die Gans schlechthin genannt wird, ist größer, und weiß, oder weiß und grau von Farbe. S. auch Baumgans, Eidergans, Fuchsgans, Hagelgans u. s. f. Das Wort Gans bezeichnet diesen Vogel ohne Unterschied seines Geschlechtes; soll dieses näher bestimmet werden, so nennet man das Weibchen in engerm Verstande die Gans, und das Männchen den Gänserich. Junge Gänse heißen im Hochd. Gänschen, Gänseküchlein, in Schlesien Gruscheln, beym Pictorius Krüsel, im Nieders. Gossel, Gössel, Gösselken, im Engl. Gosling. Die junge Gans ist auch im gemeinen Leben eine Benennung des Gänsegekröses. S. dieses Wort. Weil dieses Thier sehr dumm ist, so nennet man im gemeinen Leben einen dummen einfältigen Menschen eine dumme Gans.

Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. Goos, Gaus, und im männlichen Geschlechte Gante, im Engl. Goose, und im Männl. Gander, im Dän. Gaas, im Schwed. Gas, im Isländ. Gas, im Bretagnischen Goas, Ganz, bey den Krainerischen Wenden Gus, im Pohln. Ges, und im Männl. Gasior, im Ital. Ganza, im Span. Ganso, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Latein. Anser. Schon Plinius bemerket, daß die Deutschen eine Gans Ganza genannt haben. Wachter leitet den Nahmen von canus, weiß, im Wallis. cann, her. Im Salischen Gesetze bedeutet Chana einen Hahn. Zu Carls des Großen Zeit war auch das Wort Auca von einer Gans üblich, wovon das Ital. Occa, das Franz. Oye, und das in einigen Provinzen Frankreichs übliche Auc, Auco, Auquetto, abstammet.


Gänseaar (W3) [Adelung]


Der Gänseaar, des -en, plur. die -en, oder der Gänseadler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme, der verschiedenen Arten von großen Raubvögeln gegeben wird, welche den jungen Gänsen nachstellen. Besonders führet in Obersachsen diesen Nahmen ein großer braungelblicher Raubvogel mit kurzen ungeschickten gelben Fängen und langen Flügeln, welcher dem Rohrvogel gleicht, nur daß er größer ist, und auch Gänsehabicht, Schwalbenschwanz, ingleichen Milan genannt wird; Nieders. Goosarend, Dän. gaaseören. Bey dem Klein heißt der Hasengeyer, Vultur leporarius, auch Gänseaar.


Gänseauge (W3) [Adelung]


Das Gänseauge, des -s, plur. die -n. 1) Eine in den Buchdruckereyen übliche Benennung des Anführungszeichens, welches auch Hasenöhrchen genannt wird. S. Anführungszeichen. 2) Im gemeinen Leben, eine Art schlechten Drilliches, welche in Westphalen Gastenkoorn, Gerstenkorn, genannt wird.


Gänsebacke (W3) [Adelung]


Die Gänsebacke, plur. die -n, in einigen gemeinen Mundarten, z. B. in Thüringen, eine halbe geräucherte Gans, welche in Nieders. eine Flickgans, Spickgans, Gooseflikk, genannt wird. S. Backe.


Gänsebauch (W3) [Adelung]


Der Gänsebauch, des -es, plur. die -bäuche. 1) In den Küchen, eine ausgenommene Gans, so wie sie für den Bratspieß bestimmt ist. 2) Im niedrigen Scherze, ein dünner eingefallener Bauch, der dem Bauche einer ausgenommenen Gans gleicht.


Gänsebaum (W3) [Adelung]


Der Gänsebaum, des -es, plur. die -bäume, in einigen Gegenden, eine Benennung des spitzigen Ahornes, dessen fünffach gezackte Blätter den Gänsefüßen gleichen, und der auch unter dem Nahmen der Lehne oder Löhne bekannt ist.


Gänseblume (W3) [Adelung]


Die Gänseblume, plur. die -n, eine Benennung verschiedener wild wachsenden Blumen und Pflanzen, welche eine angenehme Speise der Gänse sind. 1) Der Maßlieben, Bellis minor L. welche auch Margarethenblume, Angerblume, Marienblümlein, Monathblümchen u. s. f. genannt wird. S. Maßlieben. 2) Der großen Maßlieben, Chrysanthemum Leucanthemum L. welche auch Gänsekraut genannt wird. S. Maßlieben.


Gänsedistel (W3) [Adelung]


Die Gänsedistel, plur. die -n, eine Pflanze, welche auf den Äckern wild wächset, und auch Gänsekohl, Hasenkohl, ingleichen Saudistel genannt wird; Sonchus L.


Gänsefett (W3) [Adelung]


Das Gänsefett, des -es, plur. inus. S. Gänseschmalz.


Gänsefliege (W3) [Adelung]


Die Gänsefliege, plur. die -n, eine Art Käfer, welche den Gänsen tödtlich ist, wenn sie dieselben verschlucken, und daher oft die unbekannte Ursache des Sterbens der Gänse wird; Scarabaeus horticola L.


Gänsefuß (W3) [Adelung]


Der Gänsefuß, plur. inus. 1) Eine Pflanze, deren eckige Blätter die Gestalt eines Gänsefußes haben; Chenopodium L. 2) Eine Art Weinstöcke mit dickschäligen Beeren, welche gewürzhaft schmecken und einen guten Wein geben. Er hat den Nahmen gleichfalls von der Gestalt seiner Blätter, und wird auch Gänsefüßer, ingleichen weißer Traminer genannt.


Gänsegarbe (W3) [Adelung]


Die Gänsegarbe, plur. inus. S. Gänserich.


Gänsegekröse (W3) [Adelung]


Das Gänsegekröse, des -s, plur. ut nom. sing. in den Küchen, das Eingeweide, die Flügel und Füße einer geschlachteten Gans, welche Stücke im gemeinen Leben auch das Gänseklein, das Junge, ingleichen die junge Gans, und in Oberdeutschland das Gänsegeschneide genannt werden. Werden sie mit dem Blute der Gans gekocht, so heißen sie an manchen Orten Gänseschwarz, und an andern Gänsepfeffer.


Gänsehabicht (W3) [Adelung]


Der Gänsehabicht, des -es, plur. die -e, S. Gänseaar.


Gänsehaut (W3) [Adelung]


Die Gänsehaut, plur. inus. die Haut der Gänse. Figürlich wird auch die Haut an dem menschlichen Körper, wenn sie in der Kälte rauh wird, die Gänsehaut genannt.


Gänsehirt (W3) [Adelung]


Der Gänsehirt, des -en, plur. die -en, ein Hirt, welcher Gänse hüthet, der, wenn er ein Knabe ist, der Gänsejunge, und wenn es ein Mädchen ist, das Gänsemädchen genannt wird.


Gänsekiel (W3) [Adelung]


Der Gänsekiel, des -es, plur. die -e, ein Kiel von den Schwungfedern aus den Flügeln der Gänse, welche zum Schreiben gebraucht werden. S. Kiel.


Gänseklein (W3) [Adelung]


Das Gänseklein, des -es, plur. inus. S. Gänsegekröse.


Gänsekohl (W3) [Adelung]


Der Gänsekohl, des -es, plur. inus. S. Gänsedistel.


Gänsekopf (W3) [Adelung]


Der Gänsekopf, des -es, plur. die -köpfe, eine Art Birnen, welche um Michael reift, und den Nahmen von ihrer Gestalt hat.


Gänseköthig (W3) [Adelung]


Gänseköthig, adj. et adv. Gänseköthiges Erz, im Bergbaue, ein reichhaltiges Silbererz, welches eigentlich eine reiche Gilbe und oft mit Haarsilber durchzogen ist. Ingleichen ein graues und grünliches reichhaltiges Silbererz. In beyden Fällen hat es den Nahmen von seiner Ähnlichkeit mit der Farbe des Gänsekothes.


Gänsekraut (W3) [Adelung]


Das Gänsekraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Benennung der Gänseblume, Chrysanthemum Leucanthemum L. Siehe Gänseblume und Maßlieben. 2) Des Gänserichs, S. dieses Wort. 3) Des Siebenfingerkrautes, Comarum L. Siehe dieses Wort. 4) Des Kannenkrautes, Equisetum L. S. dieses Wort.


Gänseküchlein (W3) [Adelung]


Das Gänseküchlein, des -s, plur. ut nom. sing. siehe 2 Gans.


Gänselaus (W3) [Adelung]


Die Gänselaus, plur. die -läuse, kleine, lange, braune und graue Läuse, welche sich auf den Gänsen aufhalten.


Gänselöffel (W3) [Adelung]


Der Gänselöffel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug der Wundärzte, kleine Steine in Steinschmerzen damit heraus zu ziehen.


Gänsenudel (W3) [Adelung]


Die Gänsenudel, plur. die -n, Nudeln von grobem Mehle, Gänse damit zu stopfen oder zu mästen.


Gänsepappel (W3) [Adelung]


Die Gänsepappel, plur. die -n, eine Art der Pappel oder Malve mit einem niedergeschlagenen Stamme und herzförmigen fünflappigen Blättern, welche an den Wegen und Gassen einheimisch ist; Malva rotundifolia L.


Gänsepfeffer (W3) [Adelung]


Der Gänsepfeffer, des -s, plur. inus. S. Gänsegekröse.


Gänseschmalz (W3) [Adelung]


Das Gänseschmalz, des -es, plur. inus. das Schmalz, d. i. das ausgelassene Fett der Gänse; Gänsefett.


Gänseschwarz (W3) [Adelung]


Das Gänseschwarz, indecl. plur. inus. S. Gänsegekröse.


Gänsespiel (W3) [Adelung]


Das Gänsespiel, des -es, plur. die -e, eine Art Spiele, welche aus einem Kupferstiche bestehet, der in zwey Kreisen 63 Abtheilungen enthält, worin Gänse, Brücken, Häuser, Gärten, u. s. f. befindlich sind. Man spielt es mit zwey Würfeln.


Gänsesteige (W3) [Adelung]


Die Gänsesteige, plur. die -n, ein von Sprossen zusammen gesetztes Behältniß, Gänse darin aufzubehalten und zu mästen.


Gänsezehnte (W3) [Adelung]


Der Gänsezehnte, des -n, plur. die -n, der Zehnte von den Gänsen.


Gant (W3) [Adelung]


Die Gant, plur. die -en, eine Oberdeutsche Benennung eines öffentlichen Verkaufes an die Meistbiethenden, einer Auction oder Versteigerung. Ingleichen des Ortes, wo solches geschiehet. Daher das Gantbuch, das Gantregister, oder die Gantrodel, das Verzeichniß derjenigen Sachen, welche auf solche Art verkauft werden sollen; das Ganthaus, die Gantstube, der Ort, wo es geschiehet; der Gantmeister, der Gantverkaufer, der Auctionator; das Gantrecht, die dabey vorgeschriebenen Gesetze, ingleichen das Recht, dergleichen Ganten anzustellen, das Stangenrecht, die Gantzeit, wenn solches geschiehet, u. s. f. S. Verganten.

Anm. Da die Sache selbst eine Römische Erfindung ist, so ist auch dieses Wort ohne Zweifel aus dem Lat. Worte quanti gebildet, welches bey dergleichen Verkäufen mehrmahls gehöret wurde. Eben daher rühret auch das mittlere Lat. Inquantus, Incantus, Incantum, Encanum, und das Franz. Encant, Ital. Incanto, eine solche Gant oder Auction, und das mittlere Lat. incantare, encantare, verganten, und Incantator, ein Auctionator.


Ganten (W3) [Adelung]


Der Ganten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen, besonders Niedersächsischen Gegenden, eine Art des Prangers. welcher aus einigen zwischen zwey Pfählen befestigten und mit drey Löchern versehenen Bretern bestehet, durch deren eines der Freveler den Kopf, und durch die beyden andern die Hände stecken, und in dieser Stellung einige Zeit gebückt stehen muß.

Anm. Frisch glaubt, daß dieses Wort aus dem Franz. Caquant entlehnet sey. Allein, da diese Art des Prangers in einigen Statuten und Dorfordnungen auch der Block genannt wird, so scheinet es vielmehr zu dem Oberd. Ganter, Kanter, ein Tragbalken, vom Lat. Cantherius, Ital. Cantiero, zu gehören, weil es ehedem vielleicht einem Balken oder Blocke ähnlicher gewesen als jetzt. An einigen Orten pflegt man die Lagerhölzer in den Kellern Ganter zu nennen; gleichfalls von Cantherius.


Ganz (W3) [Adelung]


Ganz, adj. et adv. welches, überhaupt genommen, denjenigen Zustand ausdruckt, wo alles Mannigfaltige, welches wir uns an einem Dinge vorstellen können, zusammen genommen wird, welches daher keines Comparativs oder Superlativs fähig ist. Es ist dreyerley Gestalt üblich. I. Als ein Bey- und Nebenwort, denjenigen Zustand zu bezeichnen, da ein Ding alle Theile unverletzt beysammen hat, welche vermöge seines Begriffes oder seiner Bestimmung dazu erfordert werden. 1. Im strengsten physischen Verstande. 1) Im Gegensatze dessen, was zerbrochen, zerrissen, oder schadhaft ist. Das Glas fiel von dem Tische und blieb dennoch ganz. Ein ganzes Fenster und ein zerbrochenes. Ein ganzes Ey. Das Siegel ist noch ganz. Er hat keinen ganzen Rock am Leibe. Ein Buch ist nicht mehr ganz, wenn es zerrissen ist, oder Blätter daran fehlen. Ein Berg ist im Forstwesen ganz in Haaren, wenn das auf demselben befindliche ausgewachsene Holz noch unversehrt beysammen steht. In eben diesem Verstande nennet Notker die Vorhaut Kanzlidi, und Ottfried gebraucht ganz und ganzer für gesund, Ganzida, für Gesundheit und Vnganzi für Krankheit, so wie das Nieders. heel so wohl ganz, als gesund bedeutet. 2) Im Gegensatze dessen, was in mehrere Theile getheilt ist. Ganzes Gewürz, ganzer Pfeffer, im Gegensatze des zerstoßenen. Ganzes Geld, hartes, im Gegensatze des einzelnen. Ein ganzer Thaler, ein Species-Thaler. Die Jagdbauern ganz machen, im Jagdwesen, sie in Reihe und Ordnung stellen. Ein ganzer Käse, im Gegensatze eines halben, oder angeschnittenen. Die Bouteille ist nicht mehr ganz, sie ist schon angebrochen. Eine ganze Zahl, im Gegensatze einer gebrochenen, oder eines Bruches. 3) Figürlich, im gemeinen Leben, in seiner Art vollkommen; doch nur als ein Beywort. Das ist ein ganzer Mann. Sie sind ein ganzer Moralist. Das ist ein ganzes Pferd. Das waren ganze Leute. 2. In der weitesten Bedeutung, das Beysammenseyn aller Theile zu bezeichnen, welche ein Ding hat, oder haben kann, es sey nun ein körperliches, oder unkörperliches Ding, ein Raum, eine Zeit u. s. f. 1) Eigentlich. Das ganze Haus durchsuchen. Die ganze Gesellschaft brach auf. Das ganze Heer nahm die Flucht. Ein ganzes Brot verzehren. Geben sie es mir ganz. Ganz Rom erschrak, alle in Rom befindlichen Leute. Ganz Frankreich erstaunte. Wo es, wenn es vor eigenen Nahmen ohne Artikel stehet, indeclinabel ist. Das ganze Glas austrinken, allen in dem Glase befindlichen Wein. Ein ganzer Bauer, im Gegensatze eines halben. In Thüringen heißen ganze Güter diejenigen, welche in einerley Lehen und Zinsen gehören, und daher nicht vereinzelt werden dürfen, die Zahl ihrer Äcker mag übrigens beschaffen seyn, wie sie will. Er trank es ganz aus. Den ganzen Tag herum gehen. Von ganzem Herzen, von ganzer Seele. Siehest du nicht, daß seine ganze Liebe nur auf die Schönheit des Leibes geht? Es sind Thränen der Wollust, die meine ganze Seele vergnügen, Gell. Ganz druckt Beysammenseyn aller wirklichen oder möglichen Theile eines Dinges aus, all aber nur die sämmtlichen Individua einer Art. Das Gehör merkt es daher leicht, wenn beyde Wörter zur Ungebühr mit einander verwechselt werden. Herodes ließ alle Kinder zu Bethlehem tödten und an ihren ganzen Gränzen, Matth. 2, 16. für: an allen ihren Gränzen. Ich wette zum voraus, um dieses ganze Geld, für: um alles dieses Geld. In beyden Fällen sollen bloß die sämmtlichen Individua bezeichnet, nicht aber als ein einziges Ding vorgestellet werden. 2) Figürlich. (a) Für völlig, das Beysammenseyn aller Grade der innern Stärke zu bezeichnen. Es ist mein ganzer Ernst. Sie haben meinen ganzen Beyfall. Ich fühle die ganze Verzweifelung, mit der du kämpfest. S. Gänzlich. (b) Mit dem Nebenbegriffe der Größe, dieses Ganze als etwas Großes, als etwas Wichtiges vorzustellen. Es gibt ganze Völker, welche an gewissen Vergnügungen durchaus keinen Geschmack finden. Sie hat in der ganzen halben Stunde ihr Gesicht nicht Ein Mahl verändert, Gell. Ich merke, daß noch ganze Jahre zu diesem Glücke nöthig sind, ebend. Oft sahen wir uns nur zu ganzen Stunden an, ebend. Ihr Jungfraun deckt mit immer grünen Zweigen Mit einem ganzen Lorbeerhain Den Weg; Raml. Wenn das Hauptwort, zu welchem ganz gehöret, ein Zahlwort bey sich hat, so kann das Beywort so wohl vor als nach diesem stehen. Er ist ganze vierzehen Tage, oder vierzehen ganze Tage ausgeblieben. Im gemeinen Leben pflegt man alsdann für ganze gern ganzer zu sagen. Ich ging zwey ganzer Tage um das Haus herum. Vier ganzer Tage, oder ganzer vier Tage. Die Frau zwo (zwey) ganzer Stunden auf ihre Kleider warten zu lassen? Gell. II. Als ein Hauptwort dasjenige Ding zu bezeichnen, welches erwächst, wenn man dessen sämmtliche wirkliche oder mögliche Theile zusammen nimmt; wo denn dieses Hauptwort, wie andere Hauptwörter dieser Art, wie ein Beywort abgeändert wird. Der menschliche Körper ist ein aus unzählig vielen Theilen zusammen gesetztes Ganze (Ganzes), Sulz. Die Einheit oder das Ganze setzt nothwendig die Vielheit der Theile voraus, ebend. Viele Dinge machen alsdann ein Ganzes, wenn ein Subject da ist, das aus dem gemeinschaftlichen Beytrage aller Theile entsteht, deren jeder zur Bildung des Subjects das seinige thut, ebend. Sein Gemählde ist nicht schön, in welchem die übel verbundenen Theile kein Ganzes machen. Im Ganzen, alle zu einer Sache gehörigen Theile genommen, oder betrachtet. Unsre Lebensart ist, im Ganzen genommen, besser, als mancher Milzsüchtiger sie beschreibet. Opitz gebraucht dieses Hauptwort im weiblichen Geschlechte: diese große Ganze, was wir Welt nennen. III. Als ein Nebenwort, wo es in den meisten Fällen eine Fortsetzung der zweyten Hauptbedeutung des Beywortes ist. 1. Für völlig, eine Sache nach allen Graden ihrer innern Stärke zu bezeichnen. Wenn du mich verlassen willst, so solltest du mich doch nicht ganz verlassen. Dem Geschäfte, das er erwählet, ganz zu leben, Gell. Überlassen sie sich doch nicht ganz ihren Schmerzen. Ich bin ganz der Ihrige. Rechnen die ganz auf mein Herz. Sich dem Studiren ganz ergeben. So ganz sollen wir sie verlieren, diese einzige Tochter? Less. Der Feige, er hat nicht das Herz ganz ein Bösewicht zu seyn. Er ist nicht ganz ohne Grund argwöhnisch. Ingleichen bey Nebenwörtern, ihre Bedeutung zu verstärken und zu erhöhen. Ich war ganz allein. Die Sache ist mir ganz genau bekannt. Das will ganz etwas anders, besser etwas ganz anders sagen. Ich habe ganz ein ander Wildbret auf der Spur, Less. besser, ein ganz anderes. Ganz gewiß. Es ist ganz gewiß. Sie hat es ihm ganz gewiß mit Fleiß gesagt. Ganz verändert, ganz blind seyn. Ganz und gar nicht. Laßt euch von des Priesters Hand ganz still zusammen geben, Gell. Sie haben ganz Recht, daß sie sich darüber beklagen. Die Ohrgehenke stehen ihr ganz vortrefflich wohl, Gell. Ich habe ihn ganz wohl gekannt. Zur Verstärkung einer Vereinigung ist es, allein genommen, im Hochdeutschen ungewöhnlich, ob man es gleich im Oberdeutschen auf diese Art gebraucht. Zur Sache ganz nicht gehörige Ausflüchte. Ist einer gar zu gach, so kömmt er ganz nicht ein, Opitz. Unfallo der hatte ganz kein rast, Theuerd. Kap. 61. Ich weiß ganz von keiner Angst und Qual, Opitz. Ein Hochdeutscher gebraucht in diesen Fällen entweder ganz und gar oder auch gar allein. Hierher gehöret auch der Gebrauch der Neuern, dieses Nebenwort in der edlen Schreibart mit Hauptwörtern zu verbinden, den höchsten, oder doch einen hohen Grad des Prädicates zu bezeichnen. Ich würde ganz Heiterkeit seyn, wenn nicht eine Betrachtung mich mit Schmerz erfüllete. Er ist ganz Gluth, ganz liebenswerthe Flamme, ganz Leben, Schleg. Ein Schäfer aus der goldnen Zeit Ganz Ruhe, ganz Zufriedenheit, Gell. 2. Für ziemlich, einen mittelmäßigen Grad der innern Stärke zu bezeichnen, in der vertraulichen Sprechart. Er ist ein ganz feiner Mensch, Gell. Er ist mir immer ganz artig vorgekommen. Das gefällt mir ganz wohl. Es mag ein ganz hübsches Buch seyn. Sie soll ein ganz gutes Herz haben. Ich habe mich ganz gut dabey befunden. Zuweilen verliert sich auch dieser Nachdruck, und ganz wird zu einem bloßen Füllworte. Ich weiß nicht, es fängt mich ganz an zu hungern. Ich erstaune ganz. Sie sind ja ganz bestürzt.

Anm. Dieses Wort kommt bey den ältesten Alemannischen Schriftstellern nur selten vor. Integro numero heißt bey dem Kero alonges ruabo, und die ganze Woche anolkiu uuelicha. Wachter leitet es von cunctus, Frisch aber von geendet her; allein, da Ottfried, bey welchem es allem Anscheine nach zuerst vorkommt, es beständig für gesund gebraucht, so scheinet es vielmehr zu genesen, bey dem Ulphilas ganisan, zu gehören. In der Monseeischen Glosse wird kaneizzit uurtun durch conficiebantur übersetzt. S. Genesen. Die Niedersachsen gebrauchen statt dieses Wortes heel, welches gleichfalls gesund, unbeschädigt bedeutet; S. Heil. Das Dänische gandske und Schwed. ganska scheinen von dem Hochdeutschen gänzlich entlehnet zu seyn.


Gänzen (W3) [Adelung]


Gänzen, verb. reg. act. von dem vorigen Worte ganz, welches aber nur in den Zusammensetzungen ergänzen und zergänzen üblich ist; S. dieselben.


Ganzhüfner (W3) [Adelung]


Der Ganzhüfner, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. im Sächsischen Churkreise, ein Hüfner, welcher eine ganze Hufe besitzet, im Gegensatze des Halbhüfners. S. Ganzlöhner.


Gänzlich (W3) [Adelung]


Gänzlich, adj. et adv. welches für das Bey- und Nebenwort ganz üblich ist, so fern dasselbe für völlig stehet, eine Sache nach allen Graden der innern Stärke zu bezeichnen. Daß bey seinem Vater gänzlich beschlossen war, u. s. f. 1 Sam. 20, 33. Und Salomo - folgte nicht gänzlich dem Herrn, 1 Kön. 11, 6. Ihr Herz scheinet so gänzlich in ihrer Gewalt zu seyn, daß nicht ein Seufzer sie verräth, Sonnenf. Ich bin gänzlich der Meinung, daß u. s. f. Sich gänzlich auf jemanden verlassen. Eine gänzliche Niederlage. Der gänzliche Un- tergang einer Stadt. Ich lebe der gänzlichen Hoffnung. Sie empfing ihn in der gänzlichen Meinung, daß u. s. f. Hofmannsw.

Anm. In diesem Verstande kommt gantzleich schon bey dem Stryker vor. Die Oberdeutschen hängen nach ihrer Art noch ein unnöthiges en an, gänzlichen. Ehedem war dafür auch allenklich und elliklich üblich.


Ganzlöhner (W3) [Adelung]


Der Ganzlöhner, des -s, plur. ut nom. sing. im Österreichischen, ein Unterthan, welcher so viele Güter hat, daß er die Robath oder Frohne mit vier Pferden oder Ochsen verrichten kann, und in andern Gegenden ein Anspänner, Pferdebauer, Pferdner, Ganzhüfner u. s. f. heißt; zum Unterschiede von dem Halblöhner und Viertellöhner, S. Löhner.


Ganzpacht (W3) [Adelung]


Der Ganzpacht, des -es, plur. die -pächte, im gemeinen Leben, diejenige Art des Pachtes, wo der Pachter alle Einkünfte genießet; zum Unterschiede von dem Halbpachte.


Ganzvogel (W3) [Adelung]


Der Ganzvogel, des -s, plur. die -vögel, S. Krammetsvogel.


Gar (W3) [Adelung]


Gar, adj. et adv. welches eigentlich zubereitet, fertig bedeutet, und am häufigsten als ein Nebenwort gebraucht wird. 1. Eigentlich, zubereitet, fertig; wo es doch nur noch in einigen Lebensarten und Handwerken vorkommt. Gares Eisen, im Hüttenbaue, welches seine völlige Zubereitung erhalten hat. Die leicht flüssigen Eisensteine am Harze geben gares Eisen. Das Kupfer gar machen, es völlig rein und schmeidig machen; S. Gare, Garbruch, Garfeuer, Gareisen u. s. f. Gares Salz, das Salz gar sieden, fertiges Salz, es fertig sieden, in den Salzwerken. Die Kohlen werden im Meiler gar, wenn sie so viel gebrannt werden, als nöthig ist. Gares Leder, bey den Gärbern, gegärbtes, zubereitetes Leder. Das Leder gar machen, unter welchem Ausdrucke man so wohl überhaupt die ganze Zubereitung der rohen Häute zu Leder, als auch in engerer Bedeutung die Zubereitung der gehaarten, geläuterten und gebeitzten Felle mit Alaun, Kalk oder andern ähnlichen Mitteln, begreift. Am häufigsten von den Speisen, in den Küchen und bey den Bäckern, wo es im Hochdeutschen nur als ein Nebenwort, bey den Niedersachsen aber auch als ein Beywort üblich ist. Das Essen ist noch nicht gar, hat noch nicht genug gekocht. Das Fleisch, das Brot, der Fisch ist gar. Ich bin noch nicht gar mit ihm, mit der Sache, sagt man auch wohl im gemeinen Leben, für, ich bin noch nicht mit ihm fertig, noch nicht mit ihm zu Stande. Die Arbeit ist gar, ist fertig, im Oberdeutschen. 2. Figürlich, wo es doch nur in Gestalt eines Nebenwortes gebraucht wird. 1) Das Prädicat nach seinem ganzen Umfange, ingleichen nach allen Graden seiner innern Stärke zu bezeichnen, für völlig, ganz, gänzlich; wo es zugleich den Ton hat. Es waren nicht gar zehen Thaler. Es sind noch nicht gar vier Wochen, daß ich ihn gesehen habe. Ein Narr schüttet sein Herz gar aus. Als sie nun das Kraut gar abfressen wollten, Amos 7, 2. Die guten löblichen Sitten that er gar ab, 2 Maccab. 4, 11. Nun bin ich gar dahin, Klagel. 3, 54. Seine Hand gar von einem abziehen. Er hat alles gar aufgegessen. Es ist gar aus mit ihm, S. Garaus. Im Hochdeutschen wird es in diesem Verstande gemeiniglich mit dem Worte ganz verbunden, indem die meisten Fälle, wo gar allein gebraucht wird, im Oberdeutschen am üblichsten sind. Sie haben es ganz und gar verdorben. Das Kleid ist ganz und gar zerrissen. Besonders stehet es in dieser Bedeutung vor den Verneinungen, ihre Bedeutung zu verstärken. Er ist gar nicht reich, gar nicht groß, gar nicht berühmt u. s. f. Das ist ja gar nicht viel. Gar niemand will es haben. Dazu gehört ja gar keine Großmuth. Das habe ich gar nicht befürchtet. Ich weiß von gar keiner Beleidigung. Er wird gar nicht lange ausbleiben. Ich habe gar nichts bekommen. Das habe ich gar nicht gewußt. Auch hier zuweilen mit dem Worte ganz. Er ist ganz und gar nicht ehrgeitzig. Sind sie denn ganz und gar nicht zu beruhigen? 2) Einen hohen Grad der innern Stärke des Prädicates zu bezeichnen, für sehr; in welcher Bedeutung es des Tones beraubt ist, außer wenn so vorher gehet, da es denselben hat. Es wird in dieser Bedeutung am liebsten andern Nebenwörtern vorgesetzet. Ich bekomme ihn gar selten zu sehen. Ich habe ihm gar viel zu danken. Das hat uns gar sehr vergnügt. Er ist gar oft hier. Er kam gar bald. Es ist gar schwer zu sagen. Er ist gar arm, gar gelehrt. Reden sie nicht so gar zuversichtlich. Es geschiehet dir gar recht. Ja Phillis, daß du schöner bist, Gesteh' ich dir gar gerne zu, Weiße. Etwas gar genau betrachten. Eine Sache gar hoch schätzen. Es ist Schade, daß er so gar karg ist. Er ist so gar alt noch nicht. Es ist nicht so gar lange, daß er bey mir war. Zuweilen auch vor Beywörtern. Er ist ein gar gelehrter Mann. Es ist gar wenigen nützlich. Besonders wird es, so wie all, gern den Superlativen der Nebenwörter vorgesetzet, und hat alsdann zugleich den Ton. Es ist gar zu groß, allzu groß. Es ist mir gar zu theuer. Seine Gütigkeit ist nur gar zu merklich. Das Stehen wird mir gar zu sauer werden, Gell. Ihr Beyfall ist mir gar zu kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören sollte, ebend. Ich kenne ihn nur gar zu wohl. Ich bleibe gar zu gern in meiner Gelassenheit, sehr gern. Er ist nicht gar zu groß, nicht sehr groß. Es stehet nicht gar zu ordentlich hier aus, nicht sehr ordentlich. Ich bin dir gar zu gut, im gemeinen Leben für sehr gut. 3) Eine Steigerung zu bezeichnen, wo es gleichfalls den Ton hat. Die Freundschaft, die so leicht Parteylichkeit des Herzens und wohl gar Selbstliebe wird, Gell. Es ist vielleicht gar eine verirrte Prinzessinn. Sie sagte, sie hätten Unrecht, wo sie nicht gar noch mehr sagte. Er mißfällt mir nicht, vielleicht gefällt er mir gar, Gell. Hat sie etwa gar meine Untreue erfahren? Ich glaube, sie wollen mich gar unterrichten. Ey warum nicht gar? Du sollst in einem Nu befreyet von Beschwerden, Ja gar ein großer König werden, Willam. Zuweilen auch mit der Partikel so. Er hat ihn sogar geschlagen. Er kam sogar zu mir in das Haus. Er trauet sogar seinem Bruder nicht.

Anm. 1. Da dieses Wort hauptsächlich zur Verstärkung der Bedeutung besonders der Partikeln dienet, denen es vorgesetzet ist, so wird der Sinn der Rede gar sehr verändert, je nachdem man dessen Stelle verändert. Z. B. Ich kann es gar nicht wohl thun; ich kann es nicht gar wohl thun; ich kann es gar wohl nicht thun; ich kann es wohl gar nicht thun. Im ersten Fall gehöret es zur ersten, in den beyden folgenden zur zweyten, und im letzten zur dritten figürlichen Bedeutung.

Anm. 2. Gar, Nieders. gaar, Ital. guari, Franz. gueres, ist das alte garo, karo, welches bey dem Ottfried und Notker fertig, zubereitet, bedeutet. S. Charfreytag. Indessen gebraucht schon Ottfried garo und jaralich für völlig, gänzlich und Boxhorns Glosse garawo für beynahe. Im Schwed. bedeutet göra, und im Isländ. giora, noch jetzt zubereiten, thun, machen. Die Latein. gero, paro, und cereo, welches in den ältesten Zeiten Roms für creo üblich war, scheinen damit genau verwandt zu seyn. S. Gärben, welches gleichfalls hierher gehöret. Bey den Wallachen bedeutet gerbu ich koche.


Garaffel (W3) [Adelung]


* Die Garaffel, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Benedicten-Krautes, Geum L. verderbt aus dem alten Lateinischen Nahmen Caryophyllata.


Gararbeit (W3) [Adelung]


Die Gararbeit, plur. inus. in dem Hüttenbaue, diejenige Arbeit, da die Kienstöcke auf dem Garherde zur Gare gebracht werden.


Garaus (W3) [Adelung]


Das Garaus, indeclin. plur. car. ein im gemeinen Leben aus den Wörtern gar aus zusammen gezogenes Hauptwort. Einer Sache das Garaus machen, ihr ein Ende machen. Das Garaus mit einem spielen, ihn zu Grunde richten. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es im männlichen Geschlechte üblich, der Garaus, und zu Nürnberg bedeutet es die letzte Stunde des Tages und der Nacht, und figürlich auch das Ende einer jeden Sache.


Garbe (W3) [Adelung]


1. Die Garbe, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -n, ein Wort, welches in verschiedenen Nahmen der Kräuter vorkommt, dergleichen z. B. Schafgarbe, Gänsegarbe, Gänserich, wilde Garbe, rother Steinbrech, Garbe oder Garben, Kümmel, Feldkümmel u. s. f. sind. In der Monseeischen Glosse heißt die Schafgarbe Garuua, und im Engl. Yarrow. Da alle diese Kräuter eine Menge gespaltener und gekerbter Blätter haben, so scheinet dieses Wort zu kerben zu gehören. S. das folgende und Kerbel. Indessen kann auch das Lat. Herba, Wallach. Jarba, Kraut, mit in Betrachtung gezogen werden.


Garbe (W3) [Adelung]


2. Die Garbe, plur. die -n, in der Feldwirthschaft, ein Arm voll abgeschnittener und zusammen gebundener Getreidehalmen, so lange sie noch nicht gedroschen sind. Garben binden. Das Getreide in Garben binden. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Feuerwerkskunst, viele Bränder, welche aufrecht in einer Runde neben einander gestellet sind. An einigen Orten, besonders Oberdeutschlandes, ist die Garbe an einem geschlachteten Ochsen das Stück vom Halse bis unter die Schultern. Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Notker Garba, im Tatian im Diminut. Gerbilin, wo es für Bündlein stehet, in Lipsii Glosse Garivo, wo es eine Hand voll bedeutet, im Nieders. Garve, im Engl. Garbe, im Franz. Gerbe, im mittlern Lat. Garba, Jarba, Geliba, Gelima, im Bretagnischen Kerbe, im Schwed. kerfwe. Dieterich von Stade leitet es von gerben, zubereiten; Hickes vom Angels. ripan, garipan, einernten, Rudbeck von kerfwa, kerben, schneiden, Wachter vom Angels. gripa, greifen, Frisch von gar, Ihre von acervus, andere von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Stroh, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Frucht, und Scheller auf eine sehr seltsame Art von gar reif her. Unter allen diesen Ableitungen scheinet Rudbecks noch die wahrscheinlichste zu seyn. Im Schwed. ist karfwa, im Angels. georfan, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schneiden. S. Kerben und Scheren.


Gärbeeisen (W3) [Adelung]


Das Gärbeeisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Lohgärbern, ein Eisen, die Häute zu beschaben, welches auch Salzeisen genannt wird.


Gärbehaus (W3) [Adelung]


Das Gärbehaus, des -es, plur. die -häuser. 1) In einigen Gegenden das Haus, oder die Werkstätte eines Ledergärbers; die Gärberey. 2) Im Niedersächs. wo dieses Wort auch Gärhuus lautet, die Sacristey. S. Gärbekammer.


Gärbehobel (W3) [Adelung]


Der Gärbehobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Böttchern, ein Hobel, womit sie die Fässer inwendig, an den Böden, wo die Kimme eingestrichen werden soll, rund hobeln.


Gärbekammer (W3) [Adelung]


Die Gärbekammer, plur. die -n, in einigen so wohl Ober- als Niederdeutschen Gegenden eine Benennung der Sacristey an einer Kirche, weil sich die Priester in derselben zu gärben, d. i. anzukleiden und zu dem Gottesdienste zuzubereiten pflegen; das Gärbehaus, im mittlern Latein, Paratorium. S. Gärben.


Gärbeliren (W3) [Adelung]


Gärbeliren, verb. reg. act. welches nur im Bergbaue üblich ist, den Eisenstein auf dem Rennherde mit hölzernen Hämmern zusammen in eine Masse schlagen, und ihn dadurch zur Schmelzung vorbereiten; von gärben, zubereiten.


Gärbemühle (W3) [Adelung]


Die Gärbemühle, plur. die -n, in den Mühlen einiger besonders Oberdeutschen Gegenden, ein Gang, der so zugerichtet ist, daß das Korn nur aus der Hülse heraus gedrückt, nicht aber zu Mehl gequetschet wird. S. Gärben 4.


Garben (W3) [Adelung]


Garben, verb. reg. act. welches nur bey den Bäckern einiger Gegenden, z. B. in Leipzig, üblich ist, den rohen und zu Brot geformten Teig in den Ofen schieben, damit er plötzlich eine braune Rinde bekomme; welches in Niedersachsen gasseln heißt. Vermuthlich ist es durch eine gröbere Aussprache aus dem folgenden gärben entstanden.


Gärben (W3) [Adelung]


Gärben, verb. reg. act. zubereiten, zurichten; in welcher allgemeinen Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist, wo man es nur noch in einigen besondern Fällen gebraucht. 1) Von der Zubereitung der rohen Häute durch beitzende Mittel, welches eine Beschäftigung verschiedener Leder- und Fellbereiter, besonders aber der Gärber ist. Das Leder gärben. Häute, Felle mit Kalk, mit Alaun, mit Lohe gärben, welches auch selbige gar machen, genannt wird. Figürlich ist jemanden gärben, oder ihm die Haut, den Buckel gärben, in den niedrigen Sprecharten, ihn wacker ausprügeln. Sie (die Heiden) wurden all gegerbet, daß ihnen geschah gar weh; mit Blut ward da geserbet u. s. f. heißt es schon in dem Heldenbuche, S. 193. S. Gärber. 2) Bey verschiedenen Metallarbeitern, ein Metall glatt und glänzend machen, es poliren, bruniren. Eine Kupferplatte garben, bey den Kupferstechern. S. Gärbestahl. 3) In den Stahlhütten wird der rohe und durch das Schmelzen zubereitete Stahl gegärbt, wenn er durch mehrmahliges Glühen und Zertheilen in kleinere Stücke in reinen Stahl verwandelt wird, welches nach einer verderbten Aussprache an einigen Orten auch würben heißt. 4) In einigen Gegenden ist das Gärben auch eine Art der Zubereitung des Speltes auf der Mühle, da derselbe nicht gemahlen, sondern das Korn ganz aus den Hülsen heraus gedrücket wird. S. Gärbemühle. Das Hauptwort die Gärbung ist nicht üblich.

Anm. So fern dieses Wort besonders von der Zubereitung des Leders gebraucht wird, lautet es im Nieders. garven, im Angels. gearwian, im Dän. garve, im Schwed. garfwa, im Pohln. garbuie. In der allgemeinen Bedeutung des Bereitens, Zubereitens, kommt es in den ältesten Schriftstellern sehr häufig vor. Bey dem Kero lautet es in derselben karauuen, im Isidor chigarauuan, garuuan, bey dem Notker gareuuin, bey dem Ottfried garauuan, der statt dessen auch das Zeitwort garan, Dän. giöre, Schwed. göra, machen, verfertigen, hat, S. Gar. Garetun sie sin muaz, sie bereiteten ihm die Mahlzeit. Sich gärben, kommt für sich ankleiden, sich schmücken, in den mittlern Zeiten, und unter andern in dem Schwabenspiegel mehrmahls vor; S. Gärbekammer. Gigeruua für Politur, Polirung, findet sich schon in dem alten Gedichte auf den heil. Anno. In allen diesen Fällen stammet es von gar her, welches in einigen alten Mundarten auch garw, garb lautet. S. dasselbe. Das mittlere Lat. garnire, das Franz. garnir, und Ital. guarnire, zubereiten, anordnen u. s. f. wird selbst von dem du Fresne, von unserm garen, gärben, abgeleitet. Im mittlern Lateine bedeutet Affactia das Gärben des Leders, und die Werkstätte des Gärbers, affactare das Leder gärben, und Affactator einen Gärber, gleichfalls von dem allgemeinern Worte facere, machen. Die Niedersachsen gebrauchen auf ähnliche Art von der Zubereitung des Leders auch töwwen, tauen; denn taujan ist bey dem Ulphilas gleichfalls machen. Das Lat. Corium, Leder, Franz. Cuir, im Gascognischen Ker und Quer, scheinet zu unserm gar und gärben zu gehören. Übrigens gehet dieses Zeitwort in einigen Gegenden irregulär; gegorben, für gegärbt. Gemeiniglich schreibt man es mit seinen Ableitungen und Zusammensetzungen im Hochdeutschen mit einem e, gerben; welches sich entschuldigen lässet, weil ä und e in tausend andern Fällen mit einander abwechseln. Ich habe das ä vorgezogen, um es seinem Stammworte so nahe als möglich zu behalten.


Garbenband (W3) [Adelung]


Das Garbenband, des -es, plur. die -bänder, in der Landwirthschaft, dasjenige Seil von Stroh, womit die Garben gebunden werden.


Garbenbinder (W3) [Adelung]


Der Garbenbinder, des -s, plur. ut nom. sing. Fäm. die Garbenbinderinn, plur. die -en, der oder die auf dem Felde das abgeschnittene Getreide in Garben bindet.


Garbenkrähe (W3) [Adelung]


Die Garbenkrähe, plur. die -n, ein Nahme der Mandelkrähe, weil sie sich gern unter den Garben und Getreidemandeln aufzuhalten pfleget. S. Blaukrähe.


Garbenzehnte (W3) [Adelung]


Der Garbenzehnte, des -n, plur. die -n, derjenige Zehnte, welcher gleich auf dem Felde von den Garben oder Mandeln gegeben wird, und auch der Mandelzehnte oder Zugzehnte heißt; zum Unterschiede von dem Dorf- Sack- oder Scheffelzehnten, wo statt der zehnten Garbe ein gewisses Maß Getreide gegeben wird.


Gärber (W3) [Adelung]


Der Gärber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher die rohen Thierhäute gärbet, und sie dadurch zu allerley Arten des Gebrauches geschickt macht. S. Gärben 1. Dessen Gattinn, die Gärberinn, plur. die -en. S. Lohgärber, Rothgärber, Weißgärber. Im Oberdeutschen wird ein Gärber auch Ircher, Iricher, im Nieders. aber Tauer, Holl. Touwer, Engl. Tawer, genannt. S. Gärben, Anm.


Gärberbaum (W3) [Adelung]


Der Gärberbaum, des -es, plur. die -bäume, S. Färberbaum.


Gärberey (W3) [Adelung]


Die Gärberey, plur. die -en. 1) Die Beschäftigung, Lebensart eines Gärbers; ohne Plural. 2) Dessen Werkstätte.


Gärberlohe (W3) [Adelung]


Die Gärberlohe, plur. von mehrern Arten, die -n, die Lohe, deren sich die Gärber zur Zubereitung der Häute bedienen; im Nieders. Riff. S. Lohe.


Gärberstrauch (W3) [Adelung]


Der Gärberstrauch, des -es, plur. die -sträuche, ein Strauch, wovon eine Art bey Montpellier, die andere aber in dem südlichen Amerika wächset; Coriaria L. Beyde Arten werden wie der Sumach oder Färberbaum zur Zubereitung des Leders gebraucht.


Gärberwolle (W3) [Adelung]


Die Gärberwolle, plur. inus. diejenige Wolle, welche der Gärber von den Schaffellen ausraufet.


Gärbestahl (W3) [Adelung]


Der Gärbestahl, des -es, plur. die -stähle, ein unten herzförmig gebildetes Stück polirten Stahles, an einem Stiele, dessen sich verschiedene Metallarbeiter bedienen, ihre Arbeiten zu poliren und glänzend zu machen; der Brunirstahl. S. Gärben 2.


Gärbestube (W3) [Adelung]


Die Gärbestube, plur. die -n, bey den Alaungärbern, die heiße Stube, in welcher die Felle mit Talg getränket werden, und welche auch die Bähestube heißt.


Gärbottich (W3) [Adelung]


Der Gärbottich, S. Gährbottich.


Garbräter (W3) [Adelung]


Der Garbräter, des -s, plur. ut nom. sing. S. Garkoch.


Garbruch (W3) [Adelung]


Der Garbruch, des -es, plur. die -brüche, in den Schmelzhütten, ein Bruch, welchen der Garmacher in das Kupfer macht, wenn er mit dem Gareisen in dasselbe stößet, dessen Gare zu erkennen.


Garbrühe (W3) [Adelung]


Die Garbrühe, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -n, bey den Weißgärbern; die in dem Garfasse befindliche Alaunbrühe, worin die gehaarten, geläuterten und gebeitzten Häute ihre völlige Zubereitung bekommen.


Gard (W3) [Adelung]


Gard, in verschiedenen eigenthümlichen Nahmen der Örter, S. Garten, Anm.


Garde (W3) [Adelung]


Die Garde, plur. die -n, aus dem Franz. Garde, welches wiederum von dem Deutschen wahren und warten abstammet. 1) Ein Haufen zur Beschützung der Person eines großen Herren bestimmter Soldaten. Die Leibgarde, die Leibwache. Eine Garde von tausend Mann. Ein Soldat von der Garde. Die adelige Garde, wenn sie aus lauter Edelleuten bestehet. Bey dem Kaisersberg lautet dieses Wort Gwardey, bey dem Dasypodius Gewardi, der auch einen solchen einzelnen Trabanten Gewardiknecht nennet. 2) Bey der ehemahligen Verfassung des Deutschen Kriegeswesens war die Garde ein Haufen nach dem Kriege von einem Fürsten abgedankter Soldaten, welche unter dem Vorwande, neue Kriegesdienste zu suchen, im Lande herum streiften und allerley Gewaltthätigkeiten begingen. Einzelne Glieder eines solchen Haufens wurden daher in den vorigen Jahrhunderten häufig Gardeknechte, Gartknechte, Gartenknechte, Gardenbrüder, u. s. f. genannt. Da sie sich dabey vornehmlich auch auf das Betteln legten, so hieß die Garde, der Gart u. s. f. oft auch so viel als die Betteley. Auf der Garde herum laufen, betteln gehen. Auf der Garde betreten werden. Nert sich mit raub, mord, peut und gart, H. Sachs. S. das folgende.


Garden (W3) [Adelung]


Garden, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches im Hochdeutschen nunmehr veraltet ist, ehedem aber, so wohl im Ober- als Niederdeutschen häufig für betteln gebraucht wurde. Herum gartendes müßiges Gesindel kommt noch jetzt im Österreichischen vor. Im Niedersächsischen wurde das Marodiren ehedem Garding, Gardung, Gardering genannt. S. Garde 2.


Garderobe (W3) [Adelung]


Die Garderobe, plur. die -n, das Franz. Garderobe, dasjenige Zimmer, in welchem die Kleidungsstücke einer vornehmen Person verwahret werden; ingleichen diese sämmtlichen Kleidungsstücke selbst.


Gardine (W3) [Adelung]


Die Gardine, plur. die -n, ein Vorhang, besonders in Niedersachsen, Holländ. Gordyne, Dän. Gardine, Schwed. Gardin, Engl. Curtain, Ital. Cortina, im mittlern Lat. Cortina; vermuthlich durch Zusammenziehung von dem alt Franz. Couvertine, eine Decke, Ital. Copertina, von couvrir, bedecken, obgleich du Fresne eine andere minder wahrscheinliche Ableitung angibt.


Gardrichter (W3) [Adelung]


Der Gardrichter, des -s, plur. ut nom. sing. eine vor nicht langer Zeit abgeschaffte obrigkeitliche Person auf der Insel Rügen, die auch Gardvogt hieß, und so viel als ein Burggraf oder Burgrichter war. Er hatte den Vorsitz in der Gardvogtey, deren Gerichtsbarkeit sich über alle diejenigen Personen und Güter erstreckte, welche nicht unmittelbar unter der Landvogtey oder unter den städtischen und adeligen Gerichten standen. Das Gebieth dieser Vogtey hieß auch der Garten. Alles von dem alten Gard, eine Burg, ein Schloß. S. Garten


Gardseer-Öhl (W3) [Adelung]


Das Gardseer-Öhl, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, die reineste, feineste und süßeste Art Baumöhl, welche aus den ganz reifen Früchten fast von selbst kommt, oder doch bey einem sehr gelinden Pressen zuerst heraus fließet. Es kommt von dem Gard-See oder Garten-See, Lago di Garda, in Italien, und wird im gemeinen Leben auch Garzeröhl, Carceröhl genannt.


Gardvogt (W3) [Adelung]


Der Gardvogt, die Gardvogtey, S. Gardrichter.


Gäre (W3) [Adelung]


Die Gäre, S. Gähre.


Gare (W3) [Adelung]


1. Die Gare, plur. inusit. das Hauptwort von dem Bey- und Nebenworte gar. 1) Der Zustand, da eine Sache gar, d. i. fertig, zubereitet, zu einem gewissen Gebrauche geschickt ist, in verschiedenen einzelnen Fällen. Die Gare der Häute bey den Gärbern. In den Pfeifen-Manufacturen ist die Gare der Grad des Brennens, den die Pfeifen haben müssen, wenn sie zum Gebrauche geschickt seyn sollen. Die Kohlenmeiler haben die rechte Gare, wenn sie genau gebrannt haben. Das Kupfer hat seine Gare, in den Schmelzhütten, wenn es gehörig gereiniget ist. Das Erz hat seine Gare, wenn es genug geröstet worden; S. Garerz. In der Bienenzucht bedeutet die Gare des Weisers dessen Mündigkeit, da er zur Zeugung geschickt wird; ingleichen das Werkzeug, vermittelst dessen er seine Eyer leget. Ein solcher zur Zeugung fähiger Weiser wird alsdann garig genannt. Die Gare der Sohle, im Salzwesen, wenn sie gehörig gesotten hat. S. Gar und Gärben. 2) Bey den Weißgärbern ist eine Gare Häute, eine Zahl von 24 Häuten, so viel nehmlich auf Ein Mahl gar gemacht, oder in die Garbrühe gesetzt werden.


Gare (W3) [Adelung]


2. Die Gare, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -n, in dem Feldbaue verschiedener Gegenden, der Dünger oder Mist. Geil und Gare, der Dünger.

Anm. Dieses Wort erhält noch das Andenken des veralteten Gor, Hor, Koth, Mist, welches auch in der Monseeischen Glosse Gor lautet. S. Garstig und Hornung.


Gareisen (W3) [Adelung]


Das Gareisen, des -s, plur. ut nom. sing. in den Schmelzhütten ein langes spitziges Eisen, welches der Garmacher in das Schwarzkupfer stößet, um zu sehen, ob es seine Gare habe. S. Garbruch.


Gareiß (W3) [Adelung]


Gareiß, Gareisel, ein Fisch, S. Karausche.


Gären (W3) [Adelung]


Gären, S. Gähren.


Garenne (W3) [Adelung]


Die Garenne, plur. die -n, aus dem Franz. Garenne. 1) Ein zur Zucht und Hägung der Kaninchen angelegter Ort; ein Kaninchengehäge. 2) Ein Ort in fließenden oder stehenden Wassern, wohin die Fische ihre Zuflucht nehmen, und wo sie in großer Anzahl gefangen werden; eine Fischweide. Im mittlern Lat. Garanna, Garenna, Warenna, von dem Deutschen wahren, bewahren, hägen.


Garerz (W3) [Adelung]


Das Garerz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Hüttenwesen, Erz, welches genugsam geröstet ist.


Garfaß (W3) [Adelung]


Das Garfaß, des -sses, die -fässer, S. Garbrühe.


Garfeuer (W3) [Adelung]


Das Garfeuer, des -s, plur. inus. in dem Hüttenbaue, ein starkes Flammenfeuer, bey welchem das Kupfer gar und geschmeidig gemacht wird.


Garherd (W3) [Adelung]


Der Garherd, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein Herd außerhalb des Garofens, wo das Metall gar, d. i. fein, geschmelzet und gereiniget wird.


Garig (W3) [Adelung]


Garig, adj. et adv. S. 1 Gare 1.


Gariner (W3) [Adelung]


Der Gariner, des -s, plur. ut nom. sing. S. Garnele.


Garknecht (W3) [Adelung]


Der Garknecht, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Arbeiter, der unter der unter der Aufsicht des Garmachers das Kupfer gar schmelzet.


Garkoch (W3) [Adelung]


Der Garkoch, des -es, plur. die -köche, ein Koch, bey welchem allezeit gar gekochte oder gebratene Speisen für Geld zu haben sind; im Nieders. ein Garbräter. S. Garküche.


Garkönig (W3) [Adelung]


Der Garkönig, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, 1) das auf der Kapelle stehende Kupfer, wenn das Schwarzkupfer auf gares Kupfer probiret wird. 2) Die kleine Scheibe Kupfer, welche zuletzt stehen bleibet, wenn die Scheiben aus den Garherden gerissen werden. S. König.


Garkrätze (W3) [Adelung]


Die Garkrätze, plur. inus. eben daselbst, die Krätze oder das Gekrätz, welches von dem Garkupfer abgehet.


Garküche (W3) [Adelung]


Die Garküche, plur. die -n, die Wohnung und Küche eines Garkoches.


Garkupfer (W3) [Adelung]


Das Garkupfer, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. im Hüttenbaue, gares, d. i. von Silber, Bley und Unarten geschiedenes Kupfer.


Garleder (W3) [Adelung]


Das Garleder, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. Leder, welches von dem Weißgärber gar gemacht, oder gegärbet worden, und sonst auch weißgares Leder genannt wird; zum Unterschiede von dem lohgaren Leder und Rauchleder. S. Weißgar. Bey den Krainerischen Wenden ist Jerh weißes gegärbtes Leder.


Garley (W3) [Adelung]


Der Garley, des -es, plur. car. eine Art Bieres in der alten Mark Brandenburg, welches von der Stadt Gardeleben, wo es gebraut wird, den Nahmen hat.


Garmacher (W3) [Adelung]


Der Garmacher, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Hüttenbaue, ein Arbeiter, der das Schwarzkupfer gar macht, d. i. von allen fremdartigen Dingen reiniget.


Garn (W3) [Adelung]


Das Garn, des -es, plur. die -e. 1) Einfache gesponnene Fäden von Flachs, Wolle oder Baumwolle; ohne Plural, außer von mehrern Arten oder Quantitäten. Garn spinnen. Flächsenes Garn, wollenes, baumwollenes Garn. In engerer Bedeutung wird flächsenes oder hänfenes Garn nur schlechthin Garn genannt. S. Garnweber. 2) Ein aus gezwirntem oder zusammen gedrehten Garne gestricktes Netz so wohl bey den Fischern, als bey den Jägern. Das Garn aufstellen. Wild in das Garn treiben. Einen Wald mit Garnen umstellen. Daher die im gemeinen Leben entlehnten figürlichen Redensarten: jemanden im Garne haben, in seiner Gewalt; einem ins Garn gehen, sich von ihm fangen, hintergehen lassen, ingleichen, ihm in sein Gehäge gehen; einen aus dem Garne lassen, u. s. f. In engerm Verstande nennen die Fischer nur die großen Netze, welche gezogen werden, und nicht sackförmig gestrickt sind, Garne, zum Unterschiede von den Watten, Schleppsäcken u. s. f. Dagegen pflegen die Jäger nur die Netze von schwachen Fäden, welche zum höchsten neun Fäden haben, Garne, die von stärkern aber Netze zu nennen. 3) Der zweyte Magen der wiederkauenden Thiere, vielleicht wegen einiger Ähnlichkeit mit einem Fischer- oder Jägergarne. Bey einigen führet er auch den Nahmen der Mütze.

Anm. So fern dieses Wort ein Gespinst bedeutet, lautet es bey dem Ottfried Garno, im Nieders. Garen, im Dän. und Schwed. Garn, im Angels. Gearn, im Engl. Yarn. Ihre leitet es von dem Holländ. gaeren, gittern, gattern, her; allein es gehöret mit mehrerm Rechte zu dem alten garen, bereiten, Engl. to gare; S. Gar und Gärben.


Garnbaum (W3) [Adelung]


Der Garnbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Webern, der hinterste Baum an dem Weberstuhle, auf welchen das Garn, das die Kette oder den Aufzug ausmacht, gewunden wird; der Kettenbaum.


Garnbier (W3) [Adelung]


Das Garnbier, des -es, plur. inus. in Westphalen, diejenige Tonne Bier, welche verarmte Landleute, oder diejenigen, denen eine ungewöhnliche Ausgabe bevorstehet, den Dorfeinwohnern zum Besten geben, wofür sie ein in Garn bestehendes Geschenk erhalten.


Garnele (W3) [Adelung]


Die Garnele, plur. die -n, eine Art kleiner Krebse in der Ost- und Westsee ohne Scheren, mit vielen Füßen; Cancer Crangon L. Im Holländ. heißt dieser Krebs Gaerner und Garnaerd, im Nieders. Garnaat, Granat, in andern Gegenden Garnadt, Gernaat, Gariner u. s. f. Franz. Chevrette, Man verwechselt sie oft mit den Krabben.


Garngabel (W3) [Adelung]


Die Garngabel, plur. die -n, bey den Jägern, Gabeln mit zwey Zacken, die Garne damit zu stellen; die Garnstange.


Garnhandel (W3) [Adelung]


Der Garnhandel, des -s, plur. inus. der Händel mit gesponnenem Garne. Daher der Garnhändler, des -s, plur. ut nom. sing. der mit solchem Garne handelt.


Garnhaspel (W3) [Adelung]


Der Garnhaspel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Haspel, das gesponnene Garn von den Spuhlen zu winden; die Garnweife. Ingleichen, bey den Webern, ein Haspel, den Aufzug auf den Garnbaum zu wickeln.


Garnison (W3) [Adelung]


Die Garnison, plur. die -en, aus dem Franz. Garnison, der zur Vertheidigung oder Bewachung einer Stadt in derselben befindliche Haufe Soldaten; die Besatzung, ehedem die Huthknechte, die Huth. An einem Orte in Garnison stehen, von Soldaten, wenn sie zu der Besatzung dieses Ortes gehören. Daher die Garnison-Kirche, der Garnison-Prediger u. s. f.


Garnklotz (W3) [Adelung]


Der Garnklotz, des -es, plur. die -klötze, bey den Lichtziehern, ein Klotz, das zu Dachten verarbeitete Garn darauf zu klopfen.


Garnleute (W3) [Adelung]


Die Garnleute, sing. inus. in der Fischerey, diejenigen Leute, welche das Garn ziehen.


Garnmasche (W3) [Adelung]


Die Garnmasche, plur. die -n, eine von den Maschen oder Löchern, welche durch das Stricken in einem Netze oder Garne entstehen; die Masche.


Garnmeister (W3) [Adelung]


Der Garnmeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fischer der mit Garnen oder großen Netzen fischet.


Garnsack (W3) [Adelung]


Der Garnsack, des -es, plur. die -säcke, bey den Fischern, ein wie ein Sack oder Schlauch gestricktes Garn, welches zwey Einkehlen hat, und aufgestellet wird; der Garnschlauch, die leichte Watte, Franz. Verveux, Verviers.


Garnschlauch (W3) [Adelung]


Der Garnschlauch, des -es, plur. die -schläuche, S. das vorige.


Garnstange (W3) [Adelung]


Die Garnstange, plur. die -n, S. Garngabel.


Garnstock (W3) [Adelung]


Der Garnstock, des -es, plur. die -stöcke, bey den Seidenbereitern, ein aufgerichteter Stock mit Zapfen, worauf die gesponnen und gefärbten Seidenstränen nach dem Färben wieder in Ordnung gebracht werden; Franz. Trasisoir.


Garnstricker (W3) [Adelung]


Der Garnstricker, des -s, plur. ut nom. sing. der Garne für die Fischer und Jäger stricket.


Garnstück (W3) [Adelung]


Das Garnstück, des -es, plur. die -e, bey den Spinnerinnen und Webern eine Anzahl Fäden gesponnenen Garnes von 20 Fitzen; welche auch eine Sträne, ingleichen ein Stück genannt wird. S. Fitze und Stück.


Garnweber (W3) [Adelung]


Der Garnweber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Weber, der flächsenes oder hänfenes Garn verwebet; ein Leinweber. S. Garn 1.


Garnweife (W3) [Adelung]


Die Garnweife, plur. die -n, S. Garnhaspel.


Garnwinde (W3) [Adelung]


Die Garnwinde, plur. die -n, eine Winde, das gehaspelte Garn in Knäuel zu winden. Nieders. eine Krone, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt.


Garnzug (W3) [Adelung]


Der Garnzug, des -es, plur. die -züge, bey den Fischern, der Fischfang mit den Zuggarnen.


Garofen (W3) [Adelung]


Der Garofen, des -s, plur. die -öfen, in dem Hüttenbaue, eine Grube von dem Gebläse, worin das Kupfer gar gemacht wird.


Garpfanne (W3) [Adelung]


Die Garpfanne, plur. die -n, eben daselbst, große eiserne Pfannen, in welchen das Garkupfer nochmahls geschmelzet, und dadurch völlig gereiniget wird.


Garprobe (W3) [Adelung]


Die Garprobe, plur. die -n, eben daselbst, diejenige Probe, worin untersucht wird, wie viel gares, d. i. reines Kupfer in einer Quantität Erz enthalten ist.


Garsalz (W3) [Adelung]


Das Garsalz, des -es, plur. inus. in den Salzwerken, gares, d. i. wohl gekochtes, gehörig gesottenes Salz.


Garscheibe (W3) [Adelung]


Die Garscheibe, plur. die -n, in dem Hüttenbaue, Garkupfer in Gestalt einer Scheibe.


Garschlacken (W3) [Adelung]


Die Garschlacken, sing. inus. eben daselbst, Schlacken, welche bey dem Garmachen des Kupfers erfolgen; Seigerschlacken.


Garspäne (W3) [Adelung]


Die Garspäne, sing. inus. eben daselbst, diejenigen Kupfertheilchen, welche an dem Gareisen hängen bleiben, wenn man dasselbe in das geschmelzte Kupfer stößet.


Garstig (W3) [Adelung]


Garstig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in der vertraulichen Sprechart üblich ist. 1. Eigentlich, kothig, beschmutzt. Sich garstig machen, sich besudeln. Garstige Hände haben. Garstiges, unreines, trübes, Wasser. Eine garstige, schmutzige, Arbeit. Es ist garstiges Wetter, kothiges, schmutziges. 2. Figürlich. 1) Verdorben, von Fett und Fettwaaren, doch nur im Oberdeutschen; ranzig. Garstiger Speck, garstige Butter. Das Öhl riecht, schmeckt garstig. In dieser Bedeutung scheinet es beynahe aus dem Nieders. galstrig, ranzig, verderbt zu seyn, welches wiederum von geil abstammet. S. Geil. 2) Ungestaltet, häßlich, von widriger Bildung. Ein garstiges Gesicht. Sie ist nicht gar garstig, sie sieht erträglich aus. Pfuy, sagte man, das garstige Thier (der Esel)! Es brüllt, daß uns die Ohren klingen, Lichtw. 3) Schändlich, den guten Sitten im hohen Grade zuwider. Garstige Reden, Zoten. Garstige Bilder, garstige Bücher, ein garstiges Lied. So auch die Garstigkeit.

Anm. Frisch leitet dieses Wort von dem Holländ. Kroos, Koth, andere von gären, und einem veralteten Hauptworte Garst, die Hefen, her. Allein es gehöret mit mehrerm Rechte zu dem veralteten Gor, Koth. S. 2 Gare und Hornung. Bey den Krainerischen Wenden heißt garstig gerd, die Niedersachsen aber gebrauchen dafür auch lelik, lelk, in Baiern leidlich, Franz. laid, Engl. lewd. Übrigens sprechen viele Hochdeutsche das st in diesem Worte irrig wie scht aus, welchen Laut es auch Bürste, Durst, Wurst u. s. f. hat.


Garstück (W3) [Adelung]


Das Garstück, des -es, plur. die -e, in den Salzwerken, ein Stück fertiges, oder gar gekochtes Salz.


Gärte (W3) [Adelung]


Die Gärte, S. Gerte.


Garten (W3) [Adelung]


Garten, verb. reg. act. betteln, S. Garden.


Garten (W3) [Adelung]


Der Garten, des -s, plur. die Gärten, Diminut. das Gärtchen, Oberd. Gärtlein, ein Wort, welches überhaupt einen eingeschlossenen verwahrten Platz bedeutet, und besonders folgende Arten desselben bezeichnet. 1) * Einen Zaun, ein Gehäge; eine im Deutschen völlig veraltete Bedeutung, in welcher doch das Schwed. Gard und Dän. Giärde, ein Zaun, und gaerda, Dän. giärde, zäunen, noch üblich find. Schon das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und Angels. Gearde, bedeutete einen Zaun, und im Hebr. und Punischen ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einzäunen. S. Gaden, Gatter, Gerte, Gurt, Gürtel, Hürde u. s. f. Im Wendischen ist gradim noch jetzt einzäunen, und Gard ein Stacketenwerk. 2) * Einen mit einem Zaune, mit einer Hecke, oder auf ähnliche Art eingeschlossenen Ort; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, wovon aber in den ältern Sprachen eine Menge Beyspiele vorkommen. Dahin gehören das Lat. Cohors, Chors, ein eingeschlossener Ort, Engl. Yard, das mittlere Lat. Curtis, Dän. Gaard, ein Hof, das mittlere Lat. Girata, Gordus, Gortium, Gortus, eine Fischweide, Garenne, und hundert andere mehr. 3) * Besonders, einen befestigten Ort, ein Schloß, eine Burg, einen Pallast, eine Stadt; eine Bedeutung, welche in den fremden Sprachen gleichfalls sehr häufig ist, ungeachtet sie im Deutschen auch unter die veralteten gehöret. Das Pohln. Grod, Ruß. Gorod, Böhm. und Wend. Hrod, Hrad, Schwed. Gard, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Chald. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und hundert andere bedeuten theils eine Burg, theils eine Stadt. Dahin gehören gleich- falls die vielen Nahmen der Städte und Schlösser in und außer Deutschland, welche sich auf gard endigen, z. B. Stuttgard, Belgard, Stargard, u. s. f. S. Gardrichter. 4) * Ein Haus, welche Bedeutung das Goth. Gards und Dän. Gaard hat. Aus der Deutschen Sprache gehöret hierher das an Höfen übliche Wort Zehrgarten, das Vorrathshaus oder Gewölbe von dem zu den Bedürfnissen des Hofes gehörigen Gemüse, Fleische und Fischen zu bezeichnen, dessen Aufseher der Zehrgärtner genannt wird. 5) Ein mit einem Zaune, oder einer Hecke eingefaßtes oder befriedigtes Stück Acker, Nieders. ein Kamp, und wenn es Graseland ist, eine Wörde, Wuurte. In diesem Verstande ist ein Eichelgarten oder Eichelkamp, ein zum Anfluge junger Eichen eingehägtes Stück Feldes. S. Gartenfeld, Gartenrecht, Gartine und Wörde. 6) In der engsten und üblichsten Bedeutung, ein befriedigtes Stück Landes, worin allerley Gewächse so wohl zum Nutzen, als zum Vergnügen gebauet werden. Einen Garten hinter dem Hause haben. Einen Garten anlegen. Ein Baumgarten, Obstgarten, Küchengarten, Kohlgarten, Lustgarten, Blumengarten, Grasgarten, Irrgarten u. s. f. In dieser Bedeutung lautet es bey dem Kero Cartin, bey dem Ottfried Garton, bey dem Willeram Garto, im Nieders. Garden, Garen, im Holländ. Gaerde, im Engl. Garden, im Wallis. Gardd, im Franz. Jardin, im Ital. Giardino, im Lat. Cors, cortis, Hortus, im mittlern Lat. Gardum, Goretus, im Wallach. Garatina, im Pohln. Ogrod u. s. f. 7) * Eine Gegend, ein Gebieth, ein Land; eine nur noch in einigen verwandten Sprachen übliche Bedeutung, wohin das alte Schwed. Gard, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Gegend, und das Angels. Gearde, die Erde, der Weltkreis, gehören. Auf der Insel Rügen heißt das Gebieth der ehemahligen Gardvogtey noch jetzt der Garten; S. Gardrichter.

Anm. Das hohe Alter dieses Wortes und die vielen demselben dem Klange noch ähnlichen Wörter machen dessen Ableitung schwer, wo nicht unmöglich. So fern es einen Zaun bedeutet, kann es zu Gerte und Hürde gerechnet werden; so fern mit demselben auf die Verwahrung gesehen wird, kann es zu wahren, warten, bewahren, Franz. garder, gehören; wäre der Begriff des Umkreises, des Bezirkes, der herrschende, so würde es zu Gurt, Girgillus, Girare u. s. f. gehören; würde vornehmlich auf den Begriff eines Platzes gesehen, so müßte es mit Erde, Schwed. Jörd, verwandt seyn; anderer Ableitungen zu geschweigen. Übrigens lautet dieses Wort, wenn es hortus bedeutet, in einigen Gegenden der Garte, ein Garte ohne Wasser, Es. 1, 30, und in andern scheinet es gar weiblichen Geschlechtes zu seyn. Die Gärte, wo nur Wolfs- und Schirlingskraut zu holen, Gryph. Ich lieb ein falsches Licht, das geile Flammen heget, Und in die Gärte führt, ebend. In welcher letztern Stelle es aber einen Sumpf, Morast, zu bedeuten scheinet, in welchen Falle es zu einem andern Stammworte gehören würde.


Gartenampfer (W3) [Adelung]


Der Gartenampfer, des -s, plur. inus. S. Spinat.


Garten-Anemone (W3) [Adelung]


Die Garten-Anemone, plur. die -n, eine Art Anemonen mit blätterigem Stamme und geschwänzten Samen, welche bey uns in Gärten gebauet wird; aber in Italien und an dem Rheine wild wächset; Anemone hortensis L.


Gartenapfel (W3) [Adelung]


Der Gartenapfel, des -s, plur. die -äpfel, Äpfel, welche in den Gärten gezogen werden; zum Unterschiede von den wilden oder Holzäpfeln.


Gartenäppich (W3) [Adelung]


Der "Gartenäppich", des -es, plur. inus. S. "Petersilie".


Gartenarbeit (W3) [Adelung]


Die Gartenarbeit, plur. die -en, die zur Bestellung eines Gartens nöthige Arbeit.


Gartenbau (W3) [Adelung]


Der Gartenbau, des -es, plur. Inus. 1) Der Bau, d. i. Die Bestellung und Unterhaltung eines Gartens. 2) Die Wissenschaft, einen Garten bequem und nützlich anzulegen und zu unterhalten; die Gartenkunst.


Gartenbeet (W3) [Adelung]


Das Gartenbeet, des -es, plur. die -e, ein Beet in einem Garten; zum Unterscheide von einem Ackerbeete.


Gartenbiene (W3) [Adelung]


Die Gartenbiene, plur. die -n, zahme Bienen, welche in Gärten gehalten und gepfleget werden; zum Unterschiede von den Feld- oder Waldbienen. S. Gartenhonig.


Gartenbirn (W3) [Adelung]


Die Gartenbirn, plur. die -en, Birnen, welche in Gärten gezeuget werden; zum Unterschiede von den wilden oder Holzbirnen.


Gartenblume (W3) [Adelung]


Die Gartenblume, plur. die -n, Blumen, welche in Gärten gezeuget werden; zum Unterschiede von den Feldblumen, Waldblumen, u. s. f.


Gartenbohne (W3) [Adelung]


Die Gartenbohne, plur. die -n, überhaupt alle Bohnen, welche in Gärten gezeuget werden. In engerer Bedeutung eine Art großer Bohnen; zum Unterschiede von den Feld- und Futterbohnen.


Gartenbuch (W3) [Adelung]


Das Gartenbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, welches die Wissenschaft des Gartenbaues lehret.


Garten-Cichorie (W3) [Adelung]


Die Garten-Cichorie, plur. inus. S. Gartenwegewarte.


Garten-Cypresse (W3) [Adelung]


Die Garten-Cypresse, plur. die -n, eine Benennung der Stabwurz, S. Gertwurz.


Garten-Cypreßkraut (W3) [Adelung]


Das Garten-Cypreßkraut, des -es, plur. inus. S. Meerwermuth.


Gartendistel (W3) [Adelung]


Die Gartendistel, plur. die -n, eine Benennung, welche in einigen Gegenden die Artischocke, Cynara L. führet; S. dieses Wort.


Gartenerbsen (W3) [Adelung]


Die Gartenerbsen, sing. inus. Erbsen, welche in Gärten gezeuget werden, und auch Stabelerbsen, Stängelerbsen heißen; zum Unterschiede von den Felderbsen.


Gartenerde (W3) [Adelung]


Die Gartenerde, plur. von mehrern Arten, die -n, eine zum Gartenbaue dienliche Erde. In weiterer Bedeutung wird auch wohl die obere Erdschicht des Erdbodens, die Gewächserde, Dammerde, die Gartenerde genannt.


Gartenfeld (W3) [Adelung]


Das Gartenfeld, des -es, plur. die -er, in der Landwirthschaft, ein Stück Feldes, welches Gartenrecht hat, und daher nach des Eigenthümers Belieben genutzet werden kann; Gartenland, ein Jahrfeld, weil es alle Jahre bestellet wird, zum Unterschiede von dem Artfelde. S. Gartine.


Gartenfrosch (W3) [Adelung]


Der Gartenfrosch, des -es, plur. die -frösche, eine Art Frösche, welche sich auf der Erde, und besonders in den Gärten aufhält, der Landfrosch, Grasfrosch; zum Unterschiede von dem Laub- und Wasserfrosche.


Gartenfrucht (W3) [Adelung]


Die Gartenfrucht, plur. die -früchte, eine jede Frucht, welche in Gärten gebauet wird, zum Unterschiede von den Feldfrüchten; im Oberd. Krätzerey, Krätzwerk.


Gartengeräth (W3) [Adelung]


Das Gartengeräth, des -es, plur. inus. ein Collectivum, alles zum Gartenbaue nöthige Geräth zu bezeichnen.


Gartengewächs (W3) [Adelung]


Das Gartengewächs, des -es, plur. die -e, ein jedes Gewächs, welches in Gärten gebauet wird; zum Unterschiede von den Feldgewächsen.


Gartengras (W3) [Adelung]


Das Gartengras, des -es, plur. inus. 1) Gras, welches in Gärten wächset. 2) Gras, welches auf Reinen, Dämmen, Wiesenrändern, und in Büschen wächset, und nicht gehauen, sondern geschnitten wird; zum Unterschiede von dem Wiesengrase.


Gartenhaue (W3) [Adelung]


Die Gartenhaue, plur. die -n, eine Haue, oder kleiner Karst, zum Gebrauch in den Gärten.


Gartenhaus (W3) [Adelung]


Das Gartenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein jedes Haus an oder in einem Garten, zum Behuf des Gartenbaues oder der Gartenlust. S. Lusthaus.


Gartenhonig (W3) [Adelung]


Das Gartenhonig, des -es, plur. inus. das Honig von den Gartenbienen; zum Unterschiede von dem Beutenhonige oder Waldhonige.


Gartenhuhn (W3) [Adelung]


Das Gartenhuhn, des -es, plur. die -hühner. 1) Eine in einigen Gegenden übliche scherzhafte Benennung eines mit Semmel, Eyern u. s. f. gefüllten und gekochten Kohlhauptes, welches an andern Orten ein Krauthahn genannt wird. 2) Eine Art Zinshühner, vielleicht, weil sie von einem Garten gegeben werden.


Gartenkerbel (W3) [Adelung]


Der Gartenkerbel, des -es, plur. inus. der gewöhnliche zahme Kerbel, der in den Gärten gebauet wird; zum Unterschiede von dem Dammkerbel, Spanischen Kerbel u. s. f.


Gartenkirsche (W3) [Adelung]


Die Gartenkirsche, plur. die -en, die gewöhnliche in den Gärten befindliche Kirsche; zum Unterschiede von den Weichseln, Zwergkirschen, Vogelkirschen u. s. f. Prunus Cerasus vulgaris L.


Gartenknecht (W3) [Adelung]


Der Gartenknecht, des -es, plur. die -e, ein Gehülfe des Gärtners, der die niedrigen in einem Garten vorfallenden Arbeiten verrichtet.


Gartenkraut (W3) [Adelung]


Das Gartenkraut, des -es, plur. die -kräuter, ein jedes Kraut, oder jede Pflanze, welche in Gärten gebauet wird; zum Unterschiede von den Feldkräutern, Waldkräutern u. s. f.


Gartenkresse (W3) [Adelung]


Die Gartenkresse, plur. inus. eine Art Kresse, welche in Gärten gebauet wird, und deren Vaterland unbekannt ist; Lepidum lativum L. zum Unterschiede von der Brunnenkresse und wilden Kresse.


Gartenkröte (W3) [Adelung]


Die Gartenkröte, plur. die -n, S. Feldkröte.


Gartenkümmel (W3) [Adelung]


Der Gartenkümmel, des -s, plur. inus. der zahme Kümmel, welcher in den Gärten gebauet, und dessen Samen in den Küchen gebraucht wird; Kramkümmel, Fischkümmel, Römischer Kümmel, zum Unterschiede von dem Feldkümmel, Wiesenkümmel und schwarzen Kümmel.


Gartenkunst (W3) [Adelung]


Die Gartenkunst, plur. inus. die Kunst, einen Garten so wohl zum Nutzen, als auch zum Vergnügen geschickt anzulegen und zu unterhalten; die Gärtnerkunst, im gemeinen Leben die Gärtnerey.


Gartenland (W3) [Adelung]


Das Gartenland, des -es, plur. die -länder. 1) Land, welches als ein Garten gebauet wird, oder zu einem Garten bestimmt ist. 2) In der Feldwirthschaft, ein Stück Landes, welches Gartenrecht genießet; Gartenfeld.


Gartenlaube (W3) [Adelung]


Die Gartenlaube, plur. die -n, eine Laube in einem Garten.


Gartenleiter (W3) [Adelung]


Die Gartenleiter, plur. die -n, eine Leiter hinten mit einer Stütze, zum Gebrauche in den Gärten; die Baumleiter, Stützleiter.


Gartenlinsen (W3) [Adelung]


Die Gartenlinsen, sing. inus. große, Wälsche Linsen, welche in den Gärten gebauet werden; zum Unterschiede von den Feldlinsen.


Garten-Lotus (W3) [Adelung]


Der Garten-Lotus, plur. inus. eine Art des Lotus oder Schotenklees, der in Gärten gebauet wird; zum Unterschiede von dem wilden Lotus.


Gartenlust (W3) [Adelung]


Die Gartenlust, plur. inus. der Genuß eines Gartens als eine Lust, d. i. als ein Vergnügen, betrachtet.


Gartenmark (W3) [Adelung]


Das Gartenmark, des -es, plur. inus. S. Sellerie.


Gartenmaßliebe (W3) [Adelung]


Die Gartenmaßliebe, plur. inus. eine Art der Maßlieben mit gefüllten Blumen, welche in den Gärten gebauet wird; Bellis hortensis L. zum Unterschiede von der wilden.


Gartenmeise (W3) [Adelung]


Die Gartenmeise, plur. die -n, S. Aschmeise.


Gartenmeister (W3) [Adelung]


Der Gartenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Klöstern, einer von der Brüdern, welcher die Stelle eines Gärtners vertritt.


Gartenmelde (W3) [Adelung]


Die Gartenmelde, plur. inus. eine Art der Melde, mit einem aufrechten krautartigen Stamme, und dreyeckigen Blättern, welche in der Tatarey wild wächset, bey uns aber in den Gärten gebauet wird; Atriplex hortensis L. zum Unterschiede von der wilden Melde.


Gartenmesser (W3) [Adelung]


Das Gartenmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein krummes Messer in Gestalt einer kleinen Sichel, dessen sich die Gärtner zum Beschneiden der Bäume bedienen; das Baummesser.


Gartenmohn (W3) [Adelung]


Der Gartenmohn, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, diejenigen Arten Mohn, welche bey uns in den Gärten gezeuget werden, und zum Theil das Opium geben; Papaver somniferum L. zum Unterschiede von dem wilden oder Feldmohn.


Gartenmünze (W3) [Adelung]


Die Gartenmünze, plur. inus. diejenigen Arten der Münze, welche bey uns in Gärten gebauet werden, dergleichen die Brausemünze, Frauenmünze und Spitzmünze find; zum Unterschiede von den wilden Arten.


Gartennelke (W3) [Adelung]


Die Gartennelke, plur. die -n. 1) Alle Arten der Nelken, welche bey uns entweder in den Gärten, oder auf den Feldern wild wachsen; Dianthus L. zum Unterschiede von den Gewürznelken. 2) Im engern Verstande, diejenigen Arten, welche in den Gärten gezogen werden; zum Unterschiede von den Feldnelken.


Gartennessel (W3) [Adelung]


Die Gartennessel, plur. inus. eine Benennung der Römischen Nessel, welche in Gärten gepflanzt wird; zum Unterschiede von der wilden oder Heiternessel.


Gartenpallast (W3) [Adelung]


Der Gartenpallast, des -es, plur. die -palläste, ein Pallast an einem Garten, oder zum Behuf der Gartenlust.


Gartenraute (W3) [Adelung]


Die Gartenraute, plur. inus. eine Art der Raute, welche bey uns in Gärten gebauet wird, und zu der Ruta graveolens L. gehöret; zum Unterschiede von der Bergraute.


Gartenrecht (W3) [Adelung]


Das Gartenrecht, des -es, plur. inus. in der Landwirthschaft, das Recht, ein Stück Landes einzuzäunen oder einzuhägen, oder es doch so nutzen, als wenn es eingezäunet wäre. Ein Stück Landes, welches Gartenrecht hat, darf nicht von dem Viehe anderer behüthet werden, und wer das Gartenrecht auf seinen Feldern hergebracht hat, kann selbige alle Jahre nach Belieben bestellen; daher solche Felder auch Jahrfelder genannt werden, zum Unterschiede von den Artfeldern. Eine Wiese, welche Gartenrecht hat, wird auch eine Hägewiese genannt. S. Garten 1 und 5.


Gartenröthling (W3) [Adelung]


Der Gartenröthling, des -es, plur. die -e, oder das Gartenrothschwänzchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art der Röthlinge oder Rothschwänzchen, welche in hohlen Bäumen brüten; Motacilla Phoenicurus L. zum Unterschiede von der Stadtröthlingen, welche in den Häusern nisten


Gartensaal (W3) [Adelung]


Der Gartensaal, des -es, plur. die -säle, ein Saal in einem Gartenhaufe. Ingleichen ein offener mit Alleen eingefaßter Platz in einem Garten.


Gartensäge (W3) [Adelung]


Die Gartensäge, plur. die -n, eine kleine Säge, Äste und Zweige von den Bäumen abzusägen; die Baumsäge.


Garten-Saturey (W3) [Adelung]


Die Garten-Saturey, plur. inus. eine Art der Saturey, Welche in Languedoc und Italien wild wächset, bey uns aber nur in den Gärten angetroffen wird; Satureia hortensis L.


Gartenscharlach (W3) [Adelung]


Der Gartenscharlach, oder Gartenscharley, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden eine Benennung der Römischen Sal- bey, Salvia officinalis L. S. Scharley und Scharlachkraut.


Gartenschnecke (W3) [Adelung]


Die Gartenschnecke, plur. die -n. 1) Eine Art der Schnecken mit gewundenen Schalen, welche sich in den Gärten und Wäldern aufhalten; Erdschnecken, zum Unterschiede von den See- und Wasserschnecken. 2) Die nackte Schnecke ohne Haus, mit einem länglichen Körper, welche sich an feuchten Orten in den Gärten und auf den Äckern aufhält, und auch Wegeschnecke genannt wird, Limax L.


Gartenschwamm (W3) [Adelung]


Der Gartenschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Benennung des Champignons, wenn man sie in Gärten bauet.


Gartenspargel (W3) [Adelung]


Der Gartenspargel, des -s, plur. inus. der Spargel, welcher in Gärten gebauet wird; zum Unterschiede von dem wilden Spargel.


Gartenspinne (W3) [Adelung]


Die Gartenspinne, plur. die -n, die größte Art der Spinnen, welche ein künstliches Gewebe in der freyen Luft, besonders in den Gärten macht, und auch Kreuzspinne genannt wird; zum Unterschiede von der Haus- Feld- und Kellerspinne.


Gartenwalze (W3) [Adelung]


Die Gartenwalze, plur. die -n, eine Walze, die Gänge in den Gärten damit eben und fest zu machen.


Gartenwanze (W3) [Adelung]


Die Gartenwanze, die -n, S. Baumwanze.


Gartenwegewarte (W3) [Adelung]


Die Gartenwegewarte, plur. die -n, die Wegewarte oder Cichorie, so fern sie in Gärten gebauet wird, welche sich nur durch die tiefern Einschnitte der Blätter von der wilden unterscheidet; Garten-Cichorie, Intybus Cichorium L.


Gartenwurz (W3) [Adelung]


Die Gartenwurz, plur. inus. S. Gartenkraut.


Gartenzehnte (W3) [Adelung]


Der Gartenzehnte, des -n, plur. die -n, der Zehnte, der von Gärten und Gartengewächsen, besonders so fern sie auf Gartenfeldern erbauet werden, gegeben wird.


Garthafer (W3) [Adelung]


Der Garthafer, des -s, plur. inus. S. Gertwurz.


Gartheil (W3) [Adelung]


Das Gartheil, S. Gertenkraut.


Gartine (W3) [Adelung]


Die Gartine, plur. die -n, eine in der Gegend von Könnern übliche Benennung einer Art Äcker, vermuthlich solcher, welche Gartenrecht haben; Gartenfelder. In einer gerichtlichen Nachricht von 1773 wurden des Ackermanns-Grundstücke, bestehend in einem Busche, einer Gartine auf der Pernener Mark und 12 Morgen Acker feil gebothen. Im mittlern Lat. bedeutet Gardinum, Gardinium mehrmahls einen Garten, Cortina aber einen Hof. S. Garten 5. und Gartenfeld.


Gartkraut (W3) [Adelung]


Das Gartkraut, plur. inus. S. Gertenkraut.


Gärtner (W3) [Adelung]


Der Gärtner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gärtnerinn, plur. die. die -en, der Aufseher oder Besitzer eines Gartens. 1) Der Aufseher eines Magazins der Eßwaaren an den Höfen, S. Garten 4. und Zehrgärtner. 2) An einigen Orten werden auf den Dörfern, diejenigen Hintersättler, welche keinen Acker, wohl aber ein Stück Garten haben, von dessen Ertrage sie sich nähren, Gärtner genannt, und dadurch von den übrigen Häuslern unterschieden. Am häufigsten bezeichnet dieses Wort, 3) einen Menschen, der den Gartenbau verstehet, und einem Garten vorgesetzet ist. Daher der Baum- oder Obstgärtner, Blumengärtner, Kunstgärtner, Lustgärtner, Kohlgärtner, Hofgärtner u. s. f.

Anm. In dieser letzten Bedeutung lautet es bey dem Ottfried Gartari, im Tatian Garter, von Gart für Garten, in der Monseeischen Glosse Gartinare, im Nieders. aber Gärner.


Gärtnerey (W3) [Adelung]


Die Gärtnerey, plur. inus. im gemeinen Leben; die Gartenkunst.


Gärtnerkunst (W3) [Adelung]


Die Gärtnerkunst, plur. inus. S. Gartenkunst.


Garve (W3) [Adelung]


Garve, Feldkümmel, S. Karbe.


Garzeröhl (W3) [Adelung]


Das Garzeröhl, S. Gardseer-Öhl.


Gas (W3) [Adelung]


Das Gas, subst. indecl. plur. doch nur von mehrern Arten, die Gas, ein erst in den neuern Zeiten wieder gangbar gewordenes Wort, eine Art Dämpfe, oder einen sehr feinem elastischen flüssigen Körper zu bezeichnen, welcher sich bey den meisten Gährungen und Auflösungen aus den Körpern entwickelt, von der Lust noch verschieden, übrigens aber eben so unsichtbar ist, als sie. Der ältere von Helmont soll dieses barbarische Wort zuerst gebraucht, und es aus dem Hebräischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bewegt werden, aus einander ziehen, entlehnet haben; wenn er es nicht vielmehr aus dem Holländ. Geest, Geist, verstümmelt hat; denn sein Ahnherr Paracelsus nannte eben diese seinen Dämpfe Spiritus sylvestres, wilde Geister. So viel ist gewiß, daß er als ein Schwärmer und Alchymist der ersten Größe mehr ähnliche Nahmen ausgehecket hat, dunkele und verworrene Begriffe auf eine eben so dunkele Art auszudrucken; daher es zu wünschen wäre, daß unsere Naturkundige ein schicklicheres Wort, welches nicht so sehr das Gepräge der Alchymie an sich hätte, ausfündig machten. Boyle, Hales und andere verdiente Physiker, welche diese Dämpfe genauer untersuchten, nannten sie Luft, fixe Luft, Luftsäure, brennbare Luft, Salpetersäure, Salpeterluft u. s. f. andere belegten sie mit dem Nahmen der Dämpfe; und ich glaube, man hätte dabey bleiben können, da doch alle diese Substanzen luftartig sind, und die Beysätze fix, mephitisch, brennbar u. s. f. sie hinlänglich unterscheiden. Helmont, der sich immer hinter dunkele Wörter versteckte, nannte auch die gemeine Luft Gas, und bestimmter Gas ventosum, zum deutlichen Beweise, daß seine Begriffe von dieser nicht klärer waren, als von jener.


Gäschen (W3) [Adelung]


Gäschen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches den Schall nachahmet, welchen ein flüssiger Körper im Aufbrausen macht, und im gemeinen Leben auch jeschen, gischen lautet. Das Bier gäscht, wenn es gähret, noch mehr aber, wenn es eingeschenket wird, und einen brausenden Schaum aufstößet. Figürlich auch zuweilen von einem ähnlichen Schalle andrer Körper. Da gischt er, schäumt und schnaubt, sagt Opitz von einem Pferde.

Anm. Dieses Wort ist mit gähren genau verwandt, und, so wie jenes, eine Nachahmung des Schalles. Gesende most ist schon im Willeram gährender Most. Bey dem Ulphilas ist geysa anhetzen, im Schwed. gäsa gähren, und im Isländ. ysa, aufbrausen. Das Hebr. und Lappländ. Gasch, Gaski, ein Wasserfall, und Franz. Cascade, scheinen einen ähnlichen Ursprung zu haben. S. Gähren, Geist und das folgende.


Gäscht (W3) [Adelung]


Der Gäscht, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e. 1. Die gährende Bewegung in einem flüssigen Körper. Welches Pulver mit sauren Geistern in einen Jast gerathen, Bluntschli, ein Zürchischer Schriftsteller. Noch mehr aber, 2. der Schaum von aufbrausenden flüssigen Körpern, besonders in folgenden zwey Fällen. 1) Die Oberhefen, oder Spundhefen des Bieres, die bey der Gährung oben ausgestoßen werden, und auch der Gischt, die Gahre oder Gohre, Nieders. Jest, Gäst, Jescht, heißen, Engl. Yest, im mittlern Lat. Gesta, Gestum; zum Unterschiede von den Stellhefen, Unterhefen, Bodenhefen oder der Bärme. 2) Der Schaum auf dem eingeschenkten Biere, im Schwed. Gast, im Angels. Gyst, im Engl. Yeast, Yest, im Isländ. Jastr, im Nieders. auch Riem und Mood (Muth). Anm. Im Böhmischen bedeutet Gisska, und Gicha, die Brühe, im Wend. aber Jesa den Zorn. S. das vorige und Geist.


Gäse (W3) [Adelung]


Die Gäse, plur. die -n, eine Art Fische, S. Alant.


Gäspe (W3) [Adelung]


Die Gäspe, plur. die -n, ein nur im gemeinen Leben übliches Maß trockner Dinge, eine doppelte hohle Hand voll zu bezeich- nen, nehmlich so viel, als man in den beyden zusammen gehaltenen hohlen Händen fassen kann. Eine Gäspe Mehl. Vier Gäspen Erbsen.

Anm. Dieses Wort lautet im gemeinen Leben auch Gespe, Göspe, Geuspe, in Franken Gäyse, im Oberd. Gaup, Gauf, Gaufel, im Nieders. Göspe, im Dän. Gove, Göve, im Engl. Gavel, im Languedoc Gavel, Franz. Javelle, Javeau, im mittlern Lat. Jumella, Junchada, Hapsus. Frisch leitet es von geben her; allein das Schwed. gäspa, Angels. gasp, Isländ. geispa, gähnen, welches ohne Zweifel wiederum von gaffen, öffnen, aufthun, herstammet, gibt ein weit besseres Stammwort ab. Die Lat. cavus, capsa, capere u. s. f. verdienen damit verglichen zu werden. In Franken werden die Dachfenster Gaupen genannt, und bey dem Pictorius und Dasypodius ist der Gauf die Höhle in der Mitte der Hand oder des Fußes. S. Gaffen und Offen.


Gassatim (W3) [Adelung]


Gassatim, adv. welches im Scherze nach dem Muster der Lateinischen Nebenwörter, besonders des barbar. stellatim, gebildet ist, und nur im gemeinen Leben gebraucht wird, wo es auch gassaten lautet. Gassatim gehen, auf den Gassen ohne Geschäfte herum gehen, besonders des Nachts. Es kommt unter andern auch in der Straßburg. Polizeyordn. S. 85 vor.


Gasse (W3) [Adelung]


Die Gasse, plur. die -n, Diminut. das Gäßchen, Oberd. das Gäßlein, überhaupt, ein Weg, auf welchem man gehet; doch nur noch in folgenden besondern Fällen. 1) Ein auf beyden Seiten mit Häusern bebauter Weg in einer Stadt, einem Flecken, und zuweilen auch in einem Dorfe. Eine breite, eine enge, eine lange Gasse. Auf der Gasse, oder auf den Gassen herum laufen. Es geschahe auf öffentlicher Gasse. Den Wein über die Gasse hohlen, aus einem andern Hause. Wein, Bier über die Gasse verkaufen, in andere Häuser. In, oder auf der langen Gasse wohnen, d. i. an derselben. In engerm Verstande werden zuweilen die breitern Gassen Straßen, die engern aber Gassen genannt. Die Stadt Lößnitz hat keine Straßen, sondern nur Gassen. 2) In einem Lager, der Raum zwischen den Gezelten, weil er vornehmlich zum Gehen bestimmt ist. 3) Der lange schmale Raum zwischen zwey Reihen Menschen, besonders bey den Soldaten. S. Gassenlaufen. 4) In den Bienenstöcken, die Zwischenräume zwischen den Scheiben. 5) Eine Rinne, S. Glättgasse.

Anm. In der ersten Bedeutung lautet dieses Wort bey dem Willeram und Notker Gazzo, im Wend. Hassa, im Ungar. Vtza. Im Tatian aber ist Giozo eine Meerenge, im Ital. Chiasso eine Gasse ohne Ausgang, ein Sack, und im Lappländ. Autza ein schmales Thal zwischen zwey Hügeln. Die Niedersachsen und damit verwandten Sprachen haben statt des Zischlautes, wie in andern Fällen ein t, Dän. Gade, Holländ. Gat, Nieders. Gate, Schwed. Gata, Engl. an einigen Orten Gate, bey dem Ulphilas Gatvo, welche aber in weiterer Bedeutung oft eine jede Durchfahrt, besonders eine Meerenge, eine Öffnung, ein Loch, bedeuten. Wachter leitet es von dem Isländ. gasa, laufen, her; allein er hätte immer bey dem Deutschen gehen stehen bleiben können, von welchem das Isländ. nur das Frequent. ist. das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet gleichfalls eine Gasse, und dieß leitet man gemeiniglich von dem Syr. und Äthiop. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, cinxit, circumdedit, her.


Gasseln (W3) [Adelung]


* Gasseln, verb. reg. act. welches nur im Niedersächsischen üblich ist, den zu Brot geformten rohen Teig in den heißen Ofen schieben, damit er plötzlich eine braune Rinde bekomme; welches in Obersachsen garben heißt, S. dieses Wort. Das Bret, worauf man den Teig in den Ofen schiebet, heißt die Gassel.


Gassenbettler (W3) [Adelung]


Der Gassenbettler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gassenbettlerinn, plur. die -en, Bettler und Bettlerinnen, welche die Vorübergehenden auf den Gassen um ein Almosen ansprechen.


Bei Adelung findet man:


Der "Gassenhauer", des -s, plur. ut nom. sing. ein schlechtes Lied, welches von dem Pöbel auf allen Gassen gesungen wird; ein Gassenlied. Ingleichen die Melodie eines solchen auf allen Gassen bekannten Liedes.

Anm. Die letzte Hälfte dieses Wortes ist noch dunkel. Frisch leitet sie von dem "Hauen" oder "Wetzen" der Studenten auf den Gassen her. Die Dänische Benennung "Gadevise" ist deutlicher, eine "Gassenweise", oder "Gassenlied". Im Schwedischen heißt ein solcher Gassenhauer "Slagdaenga", und in Schonen "Hadaenga". Ihre leitet diesen nahmen von S. "Legenda" her, obgleich "daenga" "schlagen", "stoßen" bedeutet. Die Französische Benennung, "Vaudeville", soll zu Franz I Zeiten aufgekommen seyn, da Olivier Basselin, ein Walkmüller zu Vire in der Nieder-Normandie, sie erfunden. Man habe sie daher "Vaux-de-Vire" genannt, weil sie in dem "Vallee zu Vire" oder "Vaux zu Vire" gesungen worden, zum Unterschiede von der "Villanelle", einem "Dorfliede". Das Spanische "Passa-calla" ist gleichfalls ein "Gassenhauer". Matthesius sagt in der Joachimsthalischen Chronik: "1546 unter dem Organisten Nickel Haldeck sind die Gassenhauer aus der Kirche kommen."


Gassenhauptmann (W3) [Adelung]


Der Gassenhauptmann, des -es, plur. die Gassenhauptleute, in den Städten, ein verpflichteter Bürger, der die Aufsicht über die Polizey in dem ihm angewiesenen Viertel hat; an einigen Orten ein Gassenmeister. Vielleicht, weil sie ehedem vornehmlich die Erhaltung der öffentlichen Ruhe auf den Gassen zu besorgen hatten.


Gassenhure (W3) [Adelung]


Die Gassenhure, plur. die -n, eine Hure, welche ihr Gewerbe auf den Gassen treibt.


Gassenkehrer (W3) [Adelung]


Der Gassenkehrer, des -s, plur. ut nom. sing. geringe Leute, welche die Gassen in den Städten zu gewissen Zeiten kehren.


Gassenkoth (W3) [Adelung]


Der Gassenkoth, des -es, plur. inus. der Koth von den Gassen; der Gassenschlamm.


Gassenlaterne (W3) [Adelung]


Die Gassenlaterne, plur. die -n, diejenigen Laternen, womit die Gassen einer Stadt zur Nachtzeit erleuchtet werden; Straßenlaternen.


Gassenlied (W3) [Adelung]


Das Gassenlied, des -es, plur. die -er, Diminut. das Gassenliedchen, S. Gassenhauer.


Gassenlaufen (W3) [Adelung]


Das Gassenlaufen, des -s, plur. car. bey den Soldaten, diejenige Strafe, da der Verbrecher zwischen zwey Reihen Soldaten laufen muß, und von ihnen mit Ruthen gehauen wird, welches im gemeinen Leben Spießruthen laufen genannt wird. Zum Gassenlaufen verurtheilet werden. Etwas mit Gassenlaufen bestrafen. Schwed. Gatulopp. S. Gasse 3.


Gassenmeister (W3) [Adelung]


Der Gassenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gassenhauptmann.


Gassenrinne (W3) [Adelung]


Die Gassenrinne, plur. die -n, die vertiefte Rinne in dem Pflas=ter einer Gasse, durch welche das Regenwasser und die Unreinigkeiten ablaufen; im gemeinen Leben die Gosse, Niedersächsisch Putte.


Gassenschleuse (W3) [Adelung]


Die Gassenschleuse, plur. die -n, eine Schleuse oder verdeckter Canal auf den Gassen, das Wasser und die Unreinigkeiten aus den Häusern abzuleiten.


Gassenstadt (W3) [Adelung]


* Die Gassenstadt, plur. die -städte, eine große weitläufige Stadt, welche viele Gassen hat; ein ungewöhnliches Wort, welches nur 4 Mos. 22, 39 vorkommt.


Gassentreter (W3) [Adelung]


Der Gassentreter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gassentreterinn, plur. die -en, eine müßige Person, welche ohne Geschäfte beständig auf den Gassen hin und wieder gehet; ein Pflas=tertreter.


Gassentroß (W3) [Adelung]


Der Gassentroß, des -sses, plur. car. niedriges, müßiges Volk, welches sich immer auf den Gassen finden läßt.


Gassenvogt (W3) [Adelung]


Der Gassenvogt, des -es, plur. die -vögte, eine anständige Benennung der Bettelvögte, weil sie die Gassen von den Bettlern reinigen.


Gassenwitz (W3) [Adelung]


Der Gassenwitz, des -es, plur. car. niedriger Witz, so wie er unter dem gemeinen Volke auf den Gassen angetroffen wird.


Gaßler (W3) [Adelung]


Der Gaßler, des -s, plur. ut nom. sing. in Schlesien, besonders zu Breslau, eine Benennung der Dorffleischer, welche nur kleines Vieh schlachten dürfen, weil sie auf den Gassen feil haben müssen. S. Fleischer.


Gäst (W3) [Adelung]


Der Gäst, des -es, plur. inus. S. Gäscht.


Gast (W3) [Adelung]


Der Gast, des -es, plur. die Gäste, eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechtes, welche bey einer andern speiset, entweder gegen Bezahlung, oder aus Freundschaft, Gefälligkeit u. s. f. 1) Eigentlich. So werden Personen, welche in öffentlichen Herbergen oder an andern Orten für Geld speisen, Gäste, Tischgäste genannt. Auch Personen, welche jemand bey feyerlichen Gelegenheiten, oder aus Freundschaft mit einer Mahlzeit bewirthet, sind Gäste. Gäste bitten. Die Gäste sind nicht gekommen. Seyn sie heute mein Gast, speisen sie heute bey mir, oder auf meine Kosten. Ungebethene Gäste. Ein Hochzeitsgast, der zum Hochzeitsschmause geladen ist. In dieser Bedeutung ist auch das Schwed. Gast, Isländ. Gestur, Angels. und Dän. Gest, Holländ. und Nieders. Gast, Engl. Guest, Böhm. Host, und Pohln. Gose üblich. Ja Ottfried gebraucht schon Gesto in derselben. S. Gaste. 2) In weiterer Bedeutung, eine fremde Person, welche von einer andern aufgenommen und mit der nöthigen Bequemlichkeit versehen wird, es geschehe nun für Bezahlung oder aus Gefälligkeit. Der Wirth hat viele Gäste. Wir bekommen heute Gäste. Treulich an den Gästen thun, dieses ist ein Lob der Gastfreyheit, 3 Joh. 5. Schon Kero nennet einen solchen Gast Kesteo und Kasto. In andern Sprachen aber bedeutet es active auch Wirth, der andere aufnimmt, die das mittlere Lat. Hostis in den Briefen des heil. Bernhards, das Franz. Hote, das Ital. Hoste. Auch das mittlere Lat. Gistum, Herberge und Bewirthung, scheinet hierher zu gehören. 3) In noch weiterer Bedeutung, werden diejenigen, welche bey andern arbeiten lassen, bey ihnen kaufen, oder sich sonst ihres Dienstes bedienen, im gemeinen Leben häufig Gäste genannt. Gäste setzen, bey den Schenkwirthen, und in den Trinkhäusern. Mahlgäste, die bey einem Müller mahlen lassen, Backgäste, die bey einem Bäcker backen lassen, Salzgäste, welche in einem Salzwerke Salz kaufen, Badegäste, die sich des Badens, Brunnengäste, die sich des Gesundbrunnens an einem Orte bedienen u. s. f. Schon in den alten Florentinischen Statuten bey dem Carpentier heißt es: Hostis, id est ille, pro quo laborat aliqua bona. 4) * In noch weiterer Bedeutung, ein Fremder, ein Ausländer, in welcher schon Gast bey den Ulphilas vorkommt. Auch das Lat. Hostis bedeutete, wie bekannt ist, anfänglich nichts anders, als einen Ausländer. Tugend soll glesten Den Frunden und den Gesten, Burkhard v. Hohenfels. Denn wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir, wie unsere Väter alle, 1 Chron. 30, 15. Diese haben bekannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind, Ebr. 11, 13. Warum stellest du dich, als wärest du ein Gast im Lande? Jer. 14, 18. So seyd ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger - und Gottes Hausgenossen, Ephes. 2, 19. In der Ordnung der Tuchmacherinnung zu Zeit heißen die fremden Krämer Gäste, und in den Rechten wurde ehedem derjenige für einen Gast gehalten, der über eilf Meile weit her war. Auch die Schutzverwandten in den Städten, oder Einwohner, welche nicht Bürger waren, wurden Gäste genannt. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung nunmehr veraltet, außer daß sie noch in einigen der folgenden Zusammensetzungen vorkommt; im Niedersächsischen aber ist sie üblicher. Nach einer noch weitern Figur bedeutete dieses Wort ehedem auch jemanden, der einer Sache beraubt war. Durch das er ern ist ein Gast, Stryker. 5) In der weitesten Bedeutung, eine jede Person; doch nur mit Beywörtern, und im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens. Er ist ein fetter, ein reicher Gast, ein begüterter Mann. Ein schlauer Gast, ein schlauer Mann. Ein lustiger Gast, ein lustiger Mensch. Anm. Man könnte dieses Wort von goan, gehen, Gau, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ableiten, und alsdann würde die vierte Bedeutung die erste und eigentliche seyn. Allein, da in diesem Worte und dessen Ableitungen und Zusammensetzungen der Begriff des Speisens doch immer der herrschende ist, so scheinet es mit mehrerm Rechte zu Kost, Speise, essen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, speisen, bewirthen, zu gehören; wenn man nicht annehmen will, daß in unserm heutigen Gast zwey ehedem ganz verschiedene Wörter zusammen geflossen sind, da denn auch die in dem Salischen Gesetze vorkommenden Wisogast, Bodogast, Salegast, Windegast, der Fränkische Arbogast, das Ungar. Gazda, ein Herr, Hausvater u. s. f. mit in Anschlag kommen könnten. Übrigens wird dieses Wort in den vier ersten Bedeutungen von beyden Geschlechtern gebraucht, indem man so wohl zu einem Frauenzimmer, als zu einer Mannsperson sagt, seyn sie heute mein Gast, u. s. f. In einigen der folgenden Wörter scheinet Gast für Kost, Köste zu stehen, S. Gaste, Gastgeber, und Kost.


Gastbar (W3) [Adelung]


* Gastbar, adj. et adv. welches im Hochdeutschen ungewöhnlich ist, ehedem aber für gastfrey gebraucht wurde. Die Gastbarkeit kommt bey dem Opitz für Gastfreyheit vor.


Gastbecher (W3) [Adelung]


Der Gastbecher, des -es, plur. ut nom. sing. bey den ehemahligen Schmausereyen, der große Becher, welchen man den Gästen zur freundschaftlichen Bewillkommung zutrank; der Willkommen.


Gastbett (W3) [Adelung]


Das Gastbett, des -es, plur. die -e, ein Bett, welches für Gäste bestimmt ist, so wohl in Gasthöfen, als auch für freundschaftlich Besuchende.


Gaste (W3) [Adelung]


Die Gaste, plur. inus. ein Wort, welches nur noch mit dem Vorworte zu, ohne Artikel, in einigen R. A. gebraucht wird, wo es so viel als einen Schmaus, oder eine Mahlzeit bedeutet. Jemanden zu Gaste laden oder bitten. Sich selbst zu Gaste bitten, ungeladen als ein Gast kommen. Zu Gaste gehen, bey einem zu Gaste kommen. Jemanden zu Gaste haben, ihn bey sich bewirthen. Er ist zu Gaste, bey einem Gastmahle. Raguel lud alle seine Nachbaren und Freunde zu Gast, Job. 8, 21. Und die Jüden sieben Tage zu Gast haben sollte, 3 Macc. 6, 28. Frisch glaubt, daß dieses Wort das vorige Gast sey, und daß zu Gaste so viel bedeute, als daß jemand ein Gast sey. Allein es scheinet hier vielmehr mit dem Nieders. Köste, im Epirotischen Gosty, ein Schmaus, eine feyerliche Mahlzeit, überein zu kommen. S. Koste und Gastgeber.


Gastelknecht (W3) [Adelung]


Der Gastelknecht, des -es, plur. die -e, bey den Handwerkern, ein Knecht des ganzen Handwerkes, welcher das Handwerk zusammen fordert, und auch Stubelknecht genannt wird.


Gasterey (W3) [Adelung]


Die Gasterey, plur. die -en, ein Schmaus, ein Gastmahl, eine feyerliche Mahlzeit, zu welcher man Gäste ladet. Eine Gasterey anstellen, ausrichten. Zu einer Gasterey gehen. Einer Gasterey beywohnen.


Gastfreund (W3) [Adelung]


Der Gastfreund, des -es, plur. die -e, ein Fremder, welchen man als einen Gast bewirthet. Und Waffen fielen nieder, Da wo mein Gastfreund stand, Raml. S. Gastfrey.


Gastfreundschaft (W3) [Adelung]


Die Gastfreundschaft, plur. inus. die Freundschaft gegen Fremde, so fern sie sich durch liebreiche und unentgeldliche Aufnahme und Bewirthung derselben äußert.


Gastfreundschaftlich (W3) [Adelung]


Gastfreundschaftlich, -er, -ste, adj. et adv. in der Gastfreundschaft gegründet. Jemanden gastfreundschaftlich aufnehmen.


Gastfrey (W3) [Adelung]


Gastfrey, -er, -este, adj. et adv. 1) Bereit, fremde und reisende Personen unentgeldlich aufzunehmen und zu bewirthen, eine in den ehemaligen Zelten, da es noch keine öffentliche Herbergen und Gasthöfe gab, sehr nöthige und hoch geschätzte Tugend. Seyd gastfrey unter einander ohne Murmeln, 1 Petr. 4, 9. Ein Bischof soll gastfrey seyn, Tit. 1, 6 2) Bereit, andere unentgeldlich mit Speise und Trank zu bewirthen. Ein gastfreyer Mann, der gern und oft Gäste hat. In beyden Fällen bedeutet frey freywillig, unentgeldlich.


Gastfreyheit (W3) [Adelung]


Die Gastfreyheit, plur. inus. die Eigenschaft, da man gastfrey ist; bey dem Opitz die Gastbarkeit.


Gastgeber (W3) [Adelung]


Der Gastgeber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gastwirth, der Gäste, d. i. Fremde, für Geld beherberget und speiset; im Oberd. ein Gastgeb, Dän. Gastgiver, Giästgiver. Fämin. die Gastgeberinn. Gast scheinet auch hier für Kost, Nahrung zu stehen. S. Gaste und Gasthalter.


Gastgeboth (W3) [Adelung]


Das Gastgeboth, des -es, plur. die -e, ein großes Gastmahl, ein feyerliches Schmaus, wozu man Gäste biethet, d. i. ladet. Ein Gastgeboth ausrichten, halten, anstellen. Im Nieders. Gastebade, Gastebod, im Fries. Gestebode, Dän. Giästebud, Schwed. Gastabud. Ehedem auch Hochzeit, siehe dieses Wort.


Gastgericht (W3) [Adelung]


Das Gastgericht, des -es, plur. die -e, an einigen Orten, ein zum Besten der Gäste, d. i. Fremden, angeordnetes Gericht, welches sich in nöthigen Fällen auch außerordentlich versammelt, und die von Fremden wider Einheimische vorgebrachten Klagen kurz und summarisch untersucht und entscheidet. An manchen Orten, z. B. zu Leipzig, haben dergleichen Gerichte nebst einer weitern Ausdehnung auf alle Handelssachen auch den Nahmen der Handelsgerichte bekommen. S. Gastrecht.


Gasthalter (W3) [Adelung]


Der Gasthalter, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, eine anständige Benennung eines Gastwirthes, der auch wohl ein Gastmeister, Gastgeber, und wenn man ihm ein vornehmes Ansehen geben will, ein Gastherr genannt wird. Fämin. die Gasthalterinn.


Gasthaus (W3) [Adelung]


Das Gasthaus, des -es, plur. die -häuser. 1) Das Haus eines Gastgebers oder Gasthalters, ein öffentliches Haus, in welchem Gäste oder Reisende für Geld aufgenommen und verpflegen werden; in den niedrigen Sprecharten ein Wirthshaus. Schon in dem Tatian Gasthus, im Angels. Gysthus, bey dem Ottfried Gastuuissi. 2) Zuweilen auch ein Speisehaus, ein Haus, wo man für Geld zwar gespeiset, aber nicht beherberget wird. 3) In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden auch ein Hospital, in welchem Pilgrimme, Arme und Kranke aufgenommen und verpfleget werden.


Gastherr (W3) [Adelung]


Der Gastherr, des -en, plur. -en. 1) S. Gasthalter. 2) Zuweilen auch der Herr des Gastgebothes, der ein Gastgeboth oder Gastmahl ausrichtet.


Gasthof (W3) [Adelung]


Der Gasthof, des -es, plur. die -höfe, ein großes Gasthaus, in der ersten Bedeutung, wo Reisende, besonders von Stande, für Geld aufgenommen und anständig bewirthet werden S. Hof.


Gastiren (W3) [Adelung]


Gastiren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist. 1) Ein Gastmahl ausrichten, schmausen. 2) Ein Gastwirth seyn, Gäste für Geld beherbergen und speisen. S. Gastung.


Gastkammer (W3) [Adelung]


Die Gastkammer, plur. die -n, eine für Gäste, d. i. Fremde, die man beherberget, bestimmte Kammer, so wohl in Gasthäusern, als bey Privatpersonen.


Gastkleid (W3) [Adelung]


Das Gastkleid, des -es, plur. die -er, ein feyerliches Kleid, welches man nur anleget, wenn man zu Gaste gehet.


Gastmahl (W3) [Adelung]


Das Gastmahl, des -es, plur. die, im gemeinen Leben, die Gastmähler, eine feyerliche Mahlzeit, zu welcher man Gäste einladet, ein Schmaus. Ein Gastmahl halten, anstellen, ausrichten. Zu einem Gastmahle gehen. Ehedem Höfelung, so wie höfeln für schmausen üblich war; im Österr. eine Ladschaft, im Nieders. eine Köste. S. Gaste.


Gastmeister (W3) [Adelung]


Der Gastmeister, des -s, plur. ut nom. sing. 1) S. Gasthalter. 2) In den Klöstern ein Mönch, der die Aufnahme und Bewirthung der Fremden besorget; Hospitalaris, Hospitarius.


Gastmutter (W3) [Adelung]


Die Gastmutter, plur. die -mütter, in einigen Hospitälern, diejenige Frau, welche die Pilgrimme, Kranken oder Armen, pfleget und besorget. S. Gasthaus 3.


Gastordnung (W3) [Adelung]


Die Gastordnung, plur. die -en, eine den Gastwirthen von der Odrigkeit vorgeschriebene Verordnung dessen, was sie bey Aufnahme und Bewirthung der Fremden zu beobachten haben.


Gastpredigt (W3) [Adelung]


Die Gastpredigt, plur. die -en, eine Predigt, welche ein fremder Geistlicher, als ein Gast an einem Orte hält.


Gastrecht (W3) [Adelung]


Das Gastrecht, des -es, plur. inus. in einigen Städten, ein schleuniges und summarisches Recht, welches man den Fremden wider die Einheimischen angedeihen lässet, und, weil es vornehmlich zum Besten der Handlung angeordnet ist, auch das Handelsrecht, Kaufrecht genannt wird. S. Gastgericht.


Gaststube (W3) [Adelung]


Die Gaststube, plur. die -n, eine für Gäste bestimmte Stube, ja wohl in Gast- als Privathäusern; in der anständigern Sprechart ein Gastzimmer. In engerer Bedeutung werden in den Gasthäusern nur diejenigen Stuben, in welchen die geringen Gäste sich beysammen aufhalten, Gaststuben genannt; zum Unterschiede von den für Vornehmere bestimmten Zimmern.


Gastung (W3) [Adelung]


Die Gastung, plur. die -en, im gemeinen Leben einiger Gegenden. 1) Ein Gastmahl, eine Gasterey. 2) Eine Haushaltung, wo Gäste für Geld beherberget und bewirthet werden. Eine Gastung haben, halten. Von dem veralteten Zeitworte gasten, wofür jetzt gastiren üblich ist.


Gastungsrecht (W3) [Adelung]


Das Gastungsrecht, des -es, plur. die -e, das Recht, eine Gastung zu halten, d. i. Gäste für Geld zu beherbergen und zu bewirthen.


Gastweise (W3) [Adelung]


Gastweise, adv. als ein Gast, in Gestalt eines Gastes. Die Beroither - wohneten daselbst gastweise, 2 Sam. 4, 3, als Fremdlinge.


Gastwirth (W3) [Adelung]


Der Gastwirth, des -es, plur. die -e, ein Wirth, welcher Reisende für Geld aufnimmt, und mit Speise und Trank versorget. Fämin. die Gastwirthinn. S. Gastgeber und Gasthalter.


Gastzimmer (W3) [Adelung]


Das Gastzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Gaststube.


Gäten (W3) [Adelung]


Gäten, verb. reg. act. im Gartenhaue und der Landwirthschaft, das Unkraut zwischen den guten Pflanzen ausreißen, oder ausziehen. Einen Weinberg, Einen Garten gäten. In dem Felde gäten. Das Korn gäten oder gäten lassen. Das Gäten vornehmen.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Willeram jetan, bey dem Winsbeck jeten, im Dithmars. jüden, im Schwed. gäta, im Fries. wiöden, bey den Niedersachsen weiden, im Angels. weodian, im Engl. to weed, in der Oberpfalz fretten. Die Abstammung ist noch unbekannt, denn von Gasse, Nieders. Gatt, wie Frisch glaubt, kommt es wohl gewiß nicht her. Vielleicht sind das Oberdeutsche gäten und Niedersächsische weiden nur verschiedene Aussprachen eines und eben desselben Wortes, da es denn zu Weide gehören würde. Die Niedersächsischen Hochdeutschen sprechen es gemeiniglich jäten, die Meißner und Oberdeutschen aber deutlich gäten aus. S. Geitz 1 und Geitzen 2.


Gäter (W3) [Adelung]


Der Gäter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gäterinn, plur. die -en, Personen, die dazu bestellt sind, die Feld- und Gartenfrüchte zu gäten.


Gätgras (W3) [Adelung]


Das Gätgras, des -es, plur. inus. im Feld- und Gartenbaue, das ausgegätete Gras und Unkraut.


Gäthacke (W3) [Adelung]


Die Gäthacke, oder Gäthaue, plur. die -n, eben daselbst, eine Hacke oder Haue, womit das Unkraut, besonders in den Weinbergen ausgegätet wird.


Gätlich (W3) [Adelung]


+ Gätlich, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Niedersachsens, üblich ist, bequem, was isch schickt, seinem Endzwecke gemäß ist. Eine gätliche Wohnung. Es schickt sich ganz gätlich. Ingleichen, mittelmäßig. Ein gätlicher junger Mensch, von mittlerer Größe. Nieders. gaadlik, schon bey dem Ulphilas getils, gatilha, von gatten, Nieders. gaden.


Gatte (W3) [Adelung]


Der Gatte, des -n, plur. die -n, ein durch das Band der Ehe mit einer andern verbundenen Person, in Rücksicht auf dieselbe, der Ehegatte. So heißt so wohl der Mann der Gatte der Frau, als auch diese der Gatte des ersten. Allein in der anständigen und edlern Schreibart gebraucht man in dem letztern Falle lieber das weibliche die Gattinn, plur. die -en. Figürlich sind beyde Wörter in der anständigern und dichterischen Schreibart auch von Thieren üblich. Die Turteltaube trauert einsam und beweinet den verlornen Gatten. S. Ehegatte. Nieders. Gade. In dem Fragmente eines alten Gedichtes auf den Krieg Carls des Großen bey dem Schilter bedeutet Gate socium. S. das folgende.


Gatten (W3) [Adelung]


Gatten, verb. reg. act. welches überhaupt vereinigen, verbinden bedeutet, aber nur in einigen Fällen gebraucht wird. 1) Für vereinigen, verbinden überhaupt; doch nur zuweilen in der dichterischen Schreibart. Wenn schwarze Laster sich mit gleichen Lastern gatten, Hag. 2) Dinge, von einer Art einander fügen; in welchem Verstande es doch nur im Oberdeutschen für das Hochdeutsche sortiren üblich ist. Die Waaren gatten. Die Hochdeutschen haben dieses Zeitwort veralten lassen, aber dessen Hauptwort Gattung beybehalten. S. dasselbe. 3) Sich gatten, sich paaren, sich zur Fortpflanzung vermischen, doch nur von den Thieren in der anständigen Schreib- und Sprechart.

Anm. Das Nieders. gaden. gaen, ist nur in dem zusammen gesetzten begaden üblich. Bey dem Ulphilas ist gaiddja sich schicken, sich gatten, und im Schwed. bedeutet sig gadda sich versammeln, haufenweise zusammen kommen, welches mit dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - das eben diese Bedeutung hat, sehr genau überein kommt. Es scheinet das Frequent. von gehen zu seyn, wie schon bey dem Worte Begatten gezeiget worden. Bey dem Ulphilas kommt iddja noch in der eigentlichen Bedeutung für, er ist gegangen, vor. S. die folgenden Wörter.


Gatter (W3) [Adelung]


Das Gatter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werk aus über einander, oder kreuzweise mit einander verbundenen, oder auch verschränkten Stäben, im gemeinen Leben. Ein eisernes Gatter vor einem Fenster. Ein Gatter in einem Zaune, vor einem Garten, ein gegittertes Thor. In den Zinnhütten sind die Gatter gitterweise gegossene Stücken Zinn. In den Schneidemühlen ist das Gatter die Rüstung, zwischen deren Ständern die Säge eingespannet ist. Auf den Obersächsischen Schiffen, welche nach Hamburg fahren, wird das Steuerruder zuweilen ein Gatter genannt, vermuthlich wegen einiger Ähnlichkeit oder ihrer ehemahligen Bauart. Anm. Gatter, Nieders. Gadder, stammet unmittelbar von gatten her, so fern es verbinden überhaupt bedeutet. Indessen ist es in dieser Form doch schon sehr alt. Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet zäunen, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Zaun, eine Mauer. Im mittlern Lat. ist Caderum, Ital. Catarata, ein Gatterthor, und Gaderes, Gades, die Gränze, vermuthlich so fern sie durch einen Zaun bezeichnet wird. S. Garten. In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Gatter, und alsdann hat es in der Mehrheit die Gattern. Gatter und Gitter sind bloß in der Mundart und Würde unterschieden; jenes ist mehr in der gemeinen, so wie dieses in der edlern und anständigen Sprechart üblich, obgleich in einigen besondern Fällen, wie in Fallgatter, Gatterthor u. s. f. jenes auch in der anständigen Sprechart beybehalten wird.


Gattergeld (W3) [Adelung]


Das Gattergeld, des -es, plur. von mehrern Summen, die -er, S. Gatterzins.


Gattergülden (W3) [Adelung]


Der Gattergülden, des -s, plur. ut nom. sing. S. eben daselbst.


Gatterhaube (W3) [Adelung]


Die Gatterhaube, plur. die -n, eine netzförmige Haube von Seide, Gold oder Silber, welche in einigen Gegenden, z. B. zu Salzburg, von dem weiblichen Geschlechte zur Zierde getragen, und auch einer Bundhaube genannt wird.


Gatterherr (W3) [Adelung]


Der Gatterherr, des -en, plur. die -en, derjenige, welcher Gatterzinsen einzunehmen hat. S. Gatterzins.


Gattern (W3) [Adelung]


1. Gattern, verb. reg. act. welches unmittelbar von Gatter abstammet, gatter- oder gitterförmig machen. Das Zinn gattern, in den Zinnhütten, es erst der Länge, und dann der Quere nach auf ein Blech gießen, um es hernach zusammen rollen zu können. S. Gatter und Gittern, welches letztere der anständigen Sprechart gemäßer ist.


Gattern (W3) [Adelung]


2. Gattern, verb. reg. welches ein neues Frequentativum von gatten zu seyn scheinet. es ist 1) ein Activum, versammeln; doch nur im Nieders. gaddern, und in dem zusammen gesetzten vergattern, w. f. Im Angels. ist gaderian, gadran, verbinden, und im Engl. to gather sammeln. 2) Ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, lauernd hin und her gehen, auf etwas lauern, es zu beschleichen suchen, in den niedrigen Sprecharten. Er gattert darauf, wie ein Vogel auf eine Nuß. S. auch Aufgattern, Ausgattern, Ergattern.


Gatterschaft (W3) [Adelung]


Die Gatterschaft, plur. inus. in einigen Gegenden, die Eigenschaft eines Grundstückes, nach welcher es Gatterzinsen zu entrichten verbunden ist.


Gatterthor (W3) [Adelung]


Das Gatterthor, des -es, plur. die -e, ein Thor, welches aus einem durchsichtigen Gatterwerke bestehet.


Gatterthür (W3) [Adelung]


Die Gatterthür, plur. die -en, eine solche Thür.


Gatterwerk (W3) [Adelung]


Das Gatterwerk, des -es, plur. die -e. 1) Die Verbindung mehrerer Stäbe in Gestalt eines Gatters oder Gitters, in der anständigen Sprechart das Gitterwerk; ohne Plural. 2) Ein jedes in Gestalt eines Gitters verfertigtes Ding.


Gatterzins (W3) [Adelung]


Der Gatterzins, des -es, plur. die -en, an einigen Orten, z. B. um Nürnberg, eine Art von Zins, welcher noch außer dem Grundzinse gegeben wird, und auch Afterzins, Nachzins, Gattergeld, Gattergülden, Herrengulden, genannt wird. "Zins, Gatterzins oder Nachzins werden genennet, die, so auf ainem Gut nach den Aigenzinßen bekent oder verschrieben sind," heißt es in der Nürnb. Reformat. von 1564. Ehedem gaben auch in Sachsen die auf den Dörfern wohnenden Handwerker Gatterzinsen, wofür nachmahls das Schutzgeld eingeführet wurde. An einigen Orten sind es Getreidezinsen, welche ein auswärtiger Herr bekommt, der sie aber in Person einfordern muß. Vielleicht von gattern, Angels. gadern, Engl. to gather, sammeln, einsammeln.


Gatterzinsmann (W3) [Adelung]


Der Gatterzinsmann, des -es, plur. die -leute, derjenige, welcher Gatterzinsen zu geben verbunden ist.


Gattinn (W3) [Adelung]


Die Gattinn, plur. die -en, S. Gatte.


Gattung (W3) [Adelung]


Die Gattung, plur. die -en, von dem Zeitworte sich gatten, so fern es ehedem sich zusammen schicken bedeutete, Dinge, welche sich zusammen schicken, welche einander ähnlich sind, Dinge Einer Art, als ein Collectivum. Das ist eine dauerhafte Gattung Zeug. Eine andere Gattung von Waaren, im gemeinen Leben Sorte. Es gibt verschiedene Gattungen von Äpfeln. In diesem Verstande ist Gattung so viel wie Art, mehrere einander ähnliche einzelne Dinge zu bezeichnen. allein in engerm und mehr philosophischen Verstande, werden nur ähnliche Arten eine Gattung genannt; so wie ähnliche Gattungen ein Geschlecht, ähnliche Geschlechter aber ein Reich heißen. In diesem Verstande sind die Thiere die Gattung, welche die vierfüßigen Thiere, Vögel, Fische u. s. f. als Arten unter sich begreift. S. Art. In der Sprachkunst ist die Gattung der Zeitwörter dasjenige, was die Lateiner Genus nennen. Die thätige Gattung, das Activum, die leidende, das Passivum, die mittlere, das Neutrum. In der weitesten Bedeutung wird es im gemeinen Leben zuweilen für Art und weise gebraucht. Auf diese Gattung, auf diese Art. Im Nieders. Gadung. Bey dem Ottfried ist Gatilingo ein Verwandter, und im Angels. Geddung die Ähnlichkeit.


Gätze (W3) [Adelung]


1. Die Gätze, plur. die -n, oder der Gätzen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Oberdeutsche Benennung eines Geschirres zum Schöpfen, einer Gelte. Mit einem Gätzen Wasser schöpfen, Bluntschli. Im mittlern Lat. ist Gatus eine Art Schiffe, Gussa, Ital. Guscio, eine Hülse, Gutta, Gota, Gotta, ein Canal, S. Katze 8.


Gau (W3) [Adelung]


* Der oder das Gau, des -es, plur. die -e, oder -en, ein in dem Hochdeutschen Sprachgebrauche größten Theils veraltetes Wort. 1) Das Land, im Gegensatze der Stadt. Auf dem Gau wohnen, auf dem Lande, bey dem Altenstaig. Die Bäcker und Metzger im Würtembergischen gehen auf das Garn, wenn sie ihr Brot auf dem Lande verkaufen, oder auf das Land nach Vieh reisen. Eine Gäutaferne ist im Österreichischen eine Dorfschenke. 2) Ein Thal, wovon Frisch Beyspiele anführet. 3) Eine Landschaft, eine Provinz, ein Gebieth; in welcher Bedeutung dieses Wort in den mittlern Zeiten sehr häufig vorkommt, wo Deutschland und dessen Provinzen in viele Gaue vertheilet waren, deren jeder Vorgesetzten hatte, welcher gemeiniglich ein Graf hieß. Eine Menge eigenthümlicher Nahmen der Örter haben dieses Wort noch aufzuweisen, so wie es in dem ehemahligen Alemannien noch häufig in der Bedeutung eines Districtes, Landstriches üblich ist.

Anm. Dieses alte Wort, welches auch Gäu geschrieben und gesprochen wird, kommt mit dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und Chald. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Thal, und dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Erde, genau überein. Bey dem Ulphilas lautet es Gauje, im Holl. Gaw, Goy, Goo, im Fries. Gau, im Nieders. Gohe, Göe, bey dem Ottfried Gouuo, im mittlern Lat. Gobia. S. Gauding, Gaugericht, Gaugraf u. s. f.


Gauch (W3) [Adelung]


1. * Der Gauch, des -es, plur. die -e, oder Gäuche, oder des -en, plur. die -en, ein nur im Oberdeutschen übliches Wort. 1) Ein junger unbärtiger Mensch, im verächtlichen Verstande; Ital. Cucco. Daher die ersten Haare des Bartes, die Milchhaare, im Oberdeutschen auch der Gauch, ingleichen Gauchfedern, Gauchhaare genannt werden. 2) Ein Narr; im Hochdeutschen ein Geck. Der unuuise und der gouch uuerdent verloren, Notk. Ir goucha, ihr Narren, ebend. Ich wer ein gouch wolt ich mich der entsagen, Graf Rud. von Niuwenburg. Wie würden Dorf und Städte Voll loser Jauchen seyn! Opitz. Kaisersberg gebraucht auch das Fämin. die Gäuchinn, für eine Närrinn. 3) Ein Blendwerk, ein Gespenst. 4) Die Spanische Fliege, oder der grüne stinkende Käfer mit langen Füßen, der in den Apotheken gebraucht wird; Meloe vesicatorius L. S. Gaukeln und Geck, welche im Hochdeutschen von diesem Worte abstammen.


Gauch (W3) [Adelung]


2. * Der Gauch, des -es, plur. die -e, oder des -en, plur. die -en, eine Oberdeutsche Benennung verschiedener Vögel, deren Geschrey durch dieses Wort nachgeahmt wird. 1) Am häufigsten des Guckgucks. Ein Gauch singt gauchgauch dick und lang, Wie jeder Vogel sein Gesang, Kaisersb. Im Engl. heißt dieser Vogel Gawk, im Angels. Gaec. Siehe Guckguck. 2) Der Krähe; im Alemann. Cauha, im Engl. Chough. 3) Der Dohle; im Nieders. Kayke, Franz. Gay. S. Dohle. 4) Des Uhuhes, der im Oberdeutschen auch Auf und Gauf genannt wird. S. Uhu.


Gauchblume (W3) [Adelung]


Die Gauchblume, plur. die -n, S. Guckgucksblume und Bergkresse.


Gauchhafer (W3) [Adelung]


Der Gauchhafer, des -s, plur. inus. S. Taubhafer.


Gauchheil (W3) [Adelung]


Das Gauchheil, des -es, plur. inus. eine größten Theils Oberdeutsche Benennung einer Pflanze, welche auf den Brachäckern wild wächset, und auch rother Meierich, Zeisigkraut, Frauenblume, Katzenfuß, Katzenpfötlein, Hühnerbiß, und rother Hühnerdarm genannt wird; Anagallis arvensis L. Sie hat den Nahmen Gauchheil, wegen der Heilkräfte, welche man ihr von Alters her wider die Wuth, Melancholie und Blödsinnigkeit zugeschrieben hat; daher sie von einigen auch Geckenheil Grundheil, heil aller Welt, Wuthkraut, Verstandkraut u. s. f. genannt wird. Ihrer Kräfte wider den Biß toller Hunde wird unter andern auch im Reinecke Fuchs, Th. 2, Kap. 24, gedacht Weil sie in Augenkrankheiten gleichfalls heilsam seyn soll, heißt sie bey einigen auch Augenblüthe.


Gauchklee (W3) [Adelung]


Gauchklee, des -es, plur. inus. S. Buchampfer.


Gaudieb (W3) [Adelung]


Der Gaudieb, des -es, plur. die -e, eine im gemeinen Leben übliche Behendigkeit eines listigen, verschlagenen Diebes, der mit Behendigkeit zu stehlen weiß.

Anm. Dieses Wort kommt in dieser Bedeutung nicht von Gau, ein Land, sondern von dem noch im Nieders. üblichen gau, hurtig, geschwinde, listig, her, welches bey dem Ottfried gow und gaw lautet, und zu dem Hochdeutschen Jähe gehöret; weil man mit diesem Worte alle Mahl den Begriff der List, der Geschwindigkeit verbindet. Nieders. Gaudeef, Dän. Gaudiv. S. Gauner. In Lübeck heißt ein solcher Gaudieb auch Handkengau, der schnell mit den Händen ist. S. Jähe. So fern aber Gaudieb in Schwaben, dem Frisch zu Folge, einen Landdieb bedeutet, der Land und Leute bestiehlt, kommt es allerdings von Gau, ein Land, her.


Gauding (W3) [Adelung]


Das Gauding, des -es, plur. die -e, ein noch in einigen Gegenden übliches Wort, ein Ding, d. i. Gericht, über einen gewissen Gau oder District zu bezeichnen; ein Gaugericht. In Bremen wird das öffentliche peinliche Halsgericht das Göding oder Güding genannt. So fern Gau auch der Stadt entgegen gesetzt wird, und alsdann oft ein Dorf bezeichnet, kommt Gauding auch an einigen Orten von einem Dorfgerichte vor.


Gaugericht (W3) [Adelung]


Das Gaugericht, des -es, plur. die -e, wie das vorige, ein Gericht so wohl über einen ganzen Gau, als auch auf dem Gaue, d. i. auf dem Lande, zum Unterschiede von dem Stadtgerichte; in beyden Fällen nur noch in einigen Gegenden.


Gaugraf (W3) [Adelung]


Der Gaugraf, des -en, plur. die -en, gleichfalls nur noch in einigen Gegenden. 1) Ein Graf oder Richter über einen Gau, d. i. über einen gewissen District. Dergleichen sind die Gaugrafen in dem Ravensbergischen, welche das Gau- oder Hochgericht ausmachen. Weil ein solches Gericht die hohe Gerichtbarkeit ausübet, so wird ein Gaugraf an einigen Orten, z. B. in der Grafschaft Mark, auch ein Hochgraf genannt. S. Gau 3. 2) Ein Richter auf dem Lande, in einem Dorfgerichte, ein Dorfschulze; in welchem Verstande dieses Wort in einigen Niedersächsischen Gegenden noch sehr üblich ist.


Gaugrafschaft (W3) [Adelung]


Die Gaugrafschaft, plur. die -en, der District oder das Gebieth, worüber ein Gaugraf gesetzt ist, in beyden Bedeutungen dieses Wortes.


Gaukel (W3) [Adelung]


* Der Gaukel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches possenhafte Stellungen des Leibes, wunderliche Bewegungen, und lächerliche Geberden, zuweilen auch die Hexerey und ähnliche Arten der Verblendung bedeutet. Im Hochdeutschen sind dafür Gaukeley, Gaukelpossen, Gaukelspiel, Gaukelwerk üblicher. Im Oberd. lautete es ehedem auch Göchel, Geuchel, im mittlern Lat. Jocale, Jocalus. Disin zeichen tout er mit coukele, haec signa in Beelzebub facit, Notk. Das disu Welt ein gouggelist, Winsb. Nu sich der werlte Gochel an Wie si ir Volger triegen kan, Winsb. S. das folgende.


Gaukeley (W3) [Adelung]


Die Gaukeley, plur. die -en, wie das vorige, so wohl lächerliche und geschwinde Bewegungen des Leibes, als auch die dadurch gewirkte Verblendung. Allerley Gaukeleyen machen, possierliche Bewegungen. Es ist nur Gaukeley, Verblendung. Bey einigen auch Gauklerey, als wenn es unmittelbar von Gaukler abstammete. Nieders. Göchelije. Schwed. Kockleri.


Gaukelhaft (W3) [Adelung]


Gaukelhaft, -er, -este, adj. et adv. dem Gaukel oder einer Gaukeley ähnlich. Gaukelhafte Possen, Bewegungen.


Gaukelicht (W3) [Adelung]


Gaukelicht, adj. et adv. wie das vorige, im gemeinen Leben. Gaukelichte Bewegungen.


Gaukellicht (W3) [Adelung]


Das Gaukellicht, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Licht von schlechtem Talge, oder von dem Bodensatze des Talges, zum hin und wieder gehen im Hause; in Schlesien eine Gaukel, an andern Orten ein Küchenlicht, in Pommern eine Schleppkatze. In der ersten Hälfte dieses Wor- tes hat Gaukel noch seine erste ursprüngliche Bedeutung der Bewegung.


Gaukeln (W3) [Adelung]


Gaukeln, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. Lächerliche Bewegungen, possenhafte Stellungen, wunderliche Geberden machen. Ingleichen, durch seltsame Bewegungen des Leibes, durch Geschwindigkeit, andere verblenden. Aus der Tasche gaukeln. S. Gaukler. 2) Als ein Activum, durch solche Bewegungen verursachen. Einem etwas in die Tasche gaukeln; es ihm aus der Hand gaukeln.

Anm. Im Nieders. lautet dieses Wort göcheln und kukeln, im Engl. to juggle, im Holländ. ieuchelen, im Oberdeutschen auch kocheln, keucheln und geucheln. Gouccaltuomum wird in der Monseeischen Glosse durch magicis übersetzt, ohne Zweifel nur, so fern die Zauberey auf einer geschwinden Verblendung beruhet. Das Lat. Jocus, Jocari und mittlere Lat. Jocale, Jocalus sind genau damit verwandt, aber nicht als Stammenwörter, sondern als Seitenverwandte eines ältern allgemeinen Stammes, welcher ohne Zweifel das Wort jähe, gähe, geschwind, im Oberd. gach, ist. Von diesem Worte bedeutete gaukeln eigentlich schnell bewegen, hüpfen, fallen u. s. f. S. Gaukellicht und Gaukler. Noch Kaisersberg gebraucht übergaukeln theils für überhüpfen, theils für stürzen. S. Schaukeln, welches bloß durch Vorsetzung des Zischlautes aus diesem Worte entstanden ist.


Gaukelpossen (W3) [Adelung]


Die Gaukelpossen, plur. inus. Possen, unnütze und possenhafte Bewegungen, so fern sie auf der Geschwindigkeit beruhen.


Gaukelspiegel (W3) [Adelung]


Der Gaukelspiegel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Spiegel, worin man vermittelst gewisser Blendwerke abwesende oder unbekannte Dinge zu zeigen vorgibt; der Zauberspiegel.


Gaukelspiel (W3) [Adelung]


Das Gaukelspiel, des -es, plur. die -e, ein Spiel, welches bloß auf der Geschwindigkeit der Bewegung beruhet, eine Verblendung.


Gaukeltasche (W3) [Adelung]


Die Gaukeltasche, plur. die -n, die Tasche eines Gauklers.


Gaukelwerk (W3) [Adelung]


Das Gaukelwerk, des -es, plur. die -e, wie Gaukeley und Gaukelspiel. Das Gaukelwerk der schwarzen Kunst, Weish. 17, 7.


Gaukler (W3) [Adelung]


Der Gaukler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gauklerinn, plur. die -en. 1. Eigentlich, eine Person, welche allerley geschwinde Bewegungen macht. In diesem Verstande heißt nur noch in Schlesten einer, der mit dem Lichte unvorsichtig hin und wieder gehet, ingleichen einer, der durch allerley unnütze Bewegungen den Schein des Lichtes hindert, ein Gaukler oder Greckler. S. Gaukeln,

Anm. und Gaukellicht. 2. In engerer und der im Hochdeutschen üblichsten Bedeutung, der allerley schnelle und possenhafte Bewegungen macht. In diesem Verstande werden die Seiltänzer und Taschenspieler unter dem Nahmen der Gaukler begriffen. Auch vorgegebene Zauberer, so fern ihre Kunst auf der Geschwindigkeit der Bewegung und der dadurch bewirkten Verblendung beruhet, verdienen diesen Nahmen, den sie auch von Alters her wirklich führen. Bey dem Ottfried lautet dieses Wort Gougular, bey dem Notker Goucler, bey dem Apherdiau Keuchler, in der Jülich. Polizeyordnung Geuchler, im Angels. Geogelere, im Nieders. Göcheler, im Dän. Gogler, im Schwed. Gycklare, im Franz. Jongleur, im Engl. Juggler, im Ital. Giocoliere, im Pohln. Kuglarz, im Böhm. Keyklir, im mittlern Lat. von Carls des Großen Zeit an Cauculator, Cauclearius, Jocularius, Jocarius u. s. f. Alles von gaukeln, so fern dieses Wort schnell hin und her bewegen bedeutet. 3. Figürlich, in der Naturgeschichte der Neuern, 1) ein Käfer, mit einem Zangenbisse und hinten abgestumpften Flügelbecken, der den Kopf bald zwischen die Schultern hinein ziehet, bald wieder heraus steckt, daher er auch von andern der Harlekin genannt wird; Hister L. 2) Eine Pflanze, welche in Virginien, Canada und Peru wächset; Mimulus L.


Gauklerisch (W3) [Adelung]


+ Gauklerisch, adj. et adv. welches in der niedrigen Sprechart für gaukelhaft üblich ist.


Gaul (W3) [Adelung]


Der Gaul, des -es, plur. die Gäule, ein jedes Pferd. Einem geschenktem Gaule muß man nicht in das Maul sehen, welches Sprichwort auch in der Spanischen, Italiänischen und Französischen Sprache üblich ist. Ehedem wurde dieses Wort besonders von den starken Pferden gebraucht, deren man sich im Kriege und in den Turnieren bediente, zum Unterschiede von den Rossen und Gurren, d. i. den gemeinen Ackerpferden; wovon Frisch einige Beyspiele anführet. Flemming nennt noch die Sonnenpferde Feuergäule. Ihre Gäule schreye, Jer. 8, 16. Im Hochdeutschen ist es gemeiniglich nur von mittelmäßigen und schlechten Pferden üblich, und gebraucht man es ja für ein Pferd überhaupt, so geschiehet es nur im Scherze. Daher ein Ackergaul, Karrengaul, Müllergaul u. s. f. Anm. Gaul und das Lat. Caballus, Ital. Caballo, sind genau mit einander verwandt; ja es scheint daß Gaul ehedem ein allgemeiner Nahme gewesen, den mehrere größere Thiere geführet. Ein Eber heißt in einigen Handschriften des Schwabenspiegels Vrgaul, und noch jetzt wird er bey den wilden Schweinen ein Keiler genannt, S. dieses Wort.


Gaumen (W3) [Adelung]


Der Gaumen, des -s, plur. ut nom. sing. oder ohne Ableitungssylbe, der Gaum, des -es, plur. die -e, die obere fleischige Wölbung des Mundes, von den Zähnen an, bis an den Schlund. Da ihre Zunge an ihrem Gaumen klebte, Hiob. 29, 10.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Raban Maurus Giuma, bey dem Notker Giumo und Giumen, im Dänischen Gumme, im Schwed. Gom, im Isländ. Gomur, im Angels. Goma, im Engl. the Gumms, im Lappländ. Koulme. Wächter leitet es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Geschmack, her; allein es scheinet vielmehr zu dem alten gia, aufsperren, zu gehören, von welchem Worte auch gähnen, gaffen u. s. f. abstammen, welche bloß in den Ableitungslauten verschieden sind. Der Gaumen ist nur bey einer weiten Öffnung des Mundes sichtbar, und im Dänischen heißt daher auch Gane der Gaumen. S. Gahnen. Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, absorpsit, das alte Latein. Goma, Gumia, ein gefräßiger Mensch, und das bey dem Kero, Ottfried und andern befindliche Cauma und Gaumo, eine Mahlzeit, sind genau damit verwandt, obgleich Ihre das letztere von dem Schwed. gamman, die Freude, abstammen lässet. Die Niedersachsen und Holländer nennen den Gaumen Bön, Boen, d. i. den Boden. das alte noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Gaum, Achtung, Sorgfalt, Aufmerksamkeit, gaumen, beobachten, aufmerken, hüthen, Gaumer, ein Aufseher, Curator, Procurator, scheinet nur zufälliger Weise mit unserm Gaumen überein zu stimmen.


Gaumenbein (W3) [Adelung]


Das Gaumenbein, des -es, plur. die -e, in der Zergliederungskunst, Beine, welche zwischen dem obern Kinnbacken und dem Keilbeine liegen, und den hintersten Theil von dem Gewölbe des Gaumens ausmachen; Ossa palati.


Gaumendrüse (W3) [Adelung]


Die Gaumendrüse, plur. die -n, eben daselbst, diejenigen Drüsen unter der Haut des Gaumens, welche dem Meerhirsensamen an Größe gleichen; Glandulae palatinae.


Gauner (W3) [Adelung]


Der Gauner, des -s, plur. ut nom. sing. in den gemeinen Sprecharten, ein Spitzbube, ein listiger geübter Betrieger. Er ist von einem alten Gauner angeführet worden. Du bist zwar ein Gauner, Less.

Anm. Im Schwed. bedeutet Gan eine Art der Zauberey; im mittlern Lat. ist Egaunnum, Engannum, Ingenium, im Span. Enganno, im Franz. Engan, Betrug, und engannare, ingeniare, betriegen. Alles, wie es scheinet, von dem alten noch im Nieders. üblichen gau, geschwinde; S. Gaudieb.


Gaupe (W3) [Adelung]


* Die Gaupe, plur. die -n, in Franken, ein Fenster in einem Dache ohne Glas, mit einem Laden; im Nieders. eine Luke. S. Gäspe, und Kappfenster.


Gautschbret (W3) [Adelung]


Das Gautschbret, des -es, plur. die -er, bey den Papiermachern, ein Bret, worauf das aus Formen genommene Papier gelegt, und unter die große Presse gebracht wird, das Wasser aus den noch nassen Bogen zu pressen. S. das folgende.


Gautschen (W3) [Adelung]


Gautschen, verb. reg. act. eben daselbst, die Bogen aus der Form nehmen, und auf das vorhin gedachte Bret legen.

Anm. Dieses alte sonst veraltete Wort bedeutet eigentlich legen, und ist zugleich die Mutter oder Tochter des Franz. coucher, welches bey den Französischen Papiermachern gleichfalls von dieser Verrichtung üblich ist. Ehedem wurde auch eine Sänfte eine Gautsche genannt. S. Kutsche, welches gleichfalls hierher gehöret.


Gautscher (W3) [Adelung]


Der Gautscher, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, derjenige Gesell, der die von dem Büttgesellen geschöpften Bogen Papier auf den Filz leget; Franz. Coucheur.


Gautscherstuhl (W3) [Adelung]


Der Gautscherstuhl, des -es, plur. die -stühle, eben daselbst, ein vorn offener Kasten, in welchem der Gautscher von der Butte stehet.


Gazelle (W3) [Adelung]


Die Gazelle, plur. die -n, eine Art Afrikanischer Ziegen mit kurzen Hörnern, welche oben und unten geringelt, in der Mitte aber gebogen sind; Caper cornubus teretibus dimidiatoarcuatis annulatis L. Tragus strepsiceros Klein. Sie soll der Oryx der Alten seyn. Der Nahme ist aus dem Arab. Algazel, welches eine Libysche Ziege bedeutet.


Gazette (W3) [Adelung]


Die Gazette, plur. die -n, aus dem Franz. Gazette und Ital. Gazetta, in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, eine gewöhnliche Benennung der gedruckten Zeitungen. Der Nahme stammet aus Venedig her, wo man zu Anfange des 17ten Jahrhunderts eine wöchentliche Sammlung der merkwürdigsten Neuigkeiten aller Arten zu drucken anfing, und sie wie eine Kaufmannswaare jedes Stück für eine Gazetta, eine damahls übliche Scheidemünze, verkaufte, wovon denn die Zeitungen selbst den Nahmen der Gazetten bekamen.


Ge- (W3) [Adelung]


Ge-, eine Sylbe, welche verschiedenen Redetheilen vorgesetzet wird, und bald eine gewisse bestimmte Bedeutung, bald aber auch keine, wenigstens keine jetzt noch bekannte, hat, in welchem letztern Falle sie aus dem Oberdeutschen Hauchlaute entstanden zu seyn scheinet. Die Redetheile, welche diese Vorsylbe annehmen, sind: I. Zeitwörter, wo 1. Diese Sylbe einer Menge derselben vorgesetzet wird, ohne daß ihre Bedeutung dadurch eine beträchtliche Veränderung erlitt. Dergleichen Zeitwörter sind z. B. gebären, gebrauchen, gebrechen, gebühren, gedeihen, gedenken, gedulden, gefallen, gefrieren, gefristen, gehaben, gehorchen, gehören, gelangen, geleben, gelieben, geleiten, geliefern, gelingen, geloben, gelüsten, gemahnen, genesen, genießen, gereden, gereichen, gereuen, gerinnen, geruhen, geschehen, geschweigen, geschwellen, gesegnen, gestatten, gestehen, getrauen, getrösten, gewohnen, geziemen u. s. f. Daß das ge in allen diesen und andern ähnlichen Zeitwörtern eine bloß müßige Oberdeutsche Verlängerung ist, welche aus der hauchenden Mundart der mittlern Alemannen ihren Ursprung hat, erhellet auch daraus, weil alle obige Zeitwörter ehedem nur in ihrer einfachen Gestalt üblich waren, und es in einigen, besonders Niederdeutschen Mundarten, noch sind, ohne daß ihrer Bedeutung oder ihrem Nachdrucke etwas abginge. Für gelüsten sagt der Niedersachse lüsten, für gebühren bören, für gedeihen digen, für gehören hören u. s. f. Selbst im Hochdeutschen sind für gebrauchen, gedenken, geleiten, gefrieren, gefristen, geleben u. s. f. auch nur die einfachen brauchen, denken, leiten u. s. f. üblich, ob man gleich in den spätern Zeiten zuweilen beyde Formen zu unterscheiden gesucht hat. Die Oberdeutsche Mundart setzet dieses ge- noch einer Menge anderer Zeitwörter vor, welche im Hochdeutschen nur in der einfachen Form üblich sind; z. B. ginennen, gizellen, giresten, giduan, gisingen gisehen, gilernen u. s. f. bey dem Ottfried, für nennen, zählen, rasten, thun, singen, sehen, lernen; gereden, gelachen, gesagen, und tausend andere bey den Schwäbische Dichtern: gedünken, genahen, geseyn, gelesen u. s. f. im Theuerdank; gelösen, gespüren, gedienen, gehelfen, gestillen, gesagen, u. s. f. bey dem Opitz und neuern Oberdeutschen Schriftstellern. Ja man wird fast kein einziges einfaches Zeitwort finden, welches nicht in einer oder andern Oberdeutschen Gegend mit dieser müßigen Verlängerung üblich wäre. 2. Von dieser hauchenden Verlängerung scheinet das Augmentum ge- in dem Mittelworte der vergangenen Zeit und den damit zusammen gesetzten Zeitwörter der Hoch- und Oberdeutschen ein Überbleibsel zu seyn. Dieses Augmentum bekommen nicht nur die einfachen Zeitwörter, sondern auch diejenigen, welche mit Nennwörtern, Beywörtern und trennbaren Vorwörtern zusammen gesetzet sind. Ich habe gesungen; wir werden geliebt; ein geehrter Freund; die Spitze ist abgebrochen; er hat übel hausgehalten. Bey den zusammen gesetzten Zeitwörtern bekommt es gemeiniglich seine Stelle in der Mitte unmittelbar vor dem Zeitworte. Gerechtfertiget, gerathschlaget und noch einige andere setzten es voran. Die Zeitwörter auf -iren, sie mögen nun aus fremden Sprachen entlehnet, oder nach fremder Art aus einheimischen Wörtern gebildet seyn, und die wo der Ton auf dem Verbo, nicht aber auf der Partikel ruhet, bekommen es nicht. Buchstabiret, haseliret, er wurde durchbohret, man hat uns hinterbracht, er hat es vollendet. Doch machen einige mit miß und un zusammen gesetzte Zeitwörter, ingleichen afterreden, eine Ausnahme; S. diese Wörter. Dieses im Hochdeutschen nunmehr unentbehrliche Augment, welches in den angezeigten Fällen nicht weggelassen werden kann, ist in übrigen Mundarten nicht so notwendig. Die Niedersächsische kennet es gar nicht, und verschiedene Oberdeutsche Gegenden lassen es im gemeinen Leben, wenigstens in vielen Fällen, häufig weg. Ich bin kommen, sie haben gessen, er hats geben, wir sind gangen, er ist reich worden, er hats than u. s. f. Selbst im Hochdeutschen wird es zuweilen von den Dichtern verbissen. Mir ist kein Wunsch mehr übrig blieben, Gell. Hat mir die Sprache wiederbracht, Gottsch. Aber freylich mit einem merklichen Übelklange. II. Hauptwörter. Auch hier ist das ge- 1. Eine bloß müßige Verlängerung,. welche von der Oberdeutschen Liebe zum Hauche und zu eingebildeten Nachdrücken ihren Ursprung hat. Dergleichen sind, das Genick, das Gebieth, die Geburt, das Gefängniß, die Geberde, das Gedächtniß, der Gebrauch, das Gebrechen, das Gebräude, das Geboth, das Gebiß, das Geäß, der Gehülfe, das Geschäft, das Geschenk, das Geschöpf, das Gesenk, das Gesicht, das Gespräch, das Gespinst, das Gestell, das Gesuch, das Gestift, das Gemählde, das Gedicht, das Gebinde, das Gebläse, das Gefühl, das Gehäge, das Gehau, der Geruch, der Geschmack, das Gewölbe, der Gebauer, die Gebreite, die Geduld, die Gewalt u. s. f. Viele dieser Wörter kommen unstreitig von der vergangenen Zeit ihrer Zeitwörter her, und da wäre das ge ein Überbleibsel des Augmentes; daß es aber auch nicht eigentlich wesentlich ist, erhellet daraus, daß alle diese Wörter auch ohne diese Sylbe gefunden werden, und viele im Niedersächsischen nicht anders üblich sind. Der Niedersachse sagt Dechtniß, Bruuk, Brek, Broue, Both, Bit, Hülpe, Hete u. s. f. für Gedächtniß, Gebrauch, Gebrechen, Gebräude, Geboth, Gebiß, Gehülfe, Geheiß. Selbst im Oberdeutschen findet man Bieth, Burt, Fankniß, Berde, Heiß, Schoß, Walt u. s. f. für Gebieth, Geburt, Gefängniß, Geberde, Geheiß, Geschoß, Gewalt. Indessen finden sich im Oberdeutschen noch weit mehrere dieser zusammen gesetzten Wörter, welche im Hochdeutschen nur in ihrer einfachen Form üblich sind. Gizungi, Ottfr. für Zunge; Gespor, Gethat, Theuerd. für Spur, That; Geschau für Schau, Geschrift für Schrift, Gebahn für Bahn, Gebürsch für Bürsche, Gemark für Mark, Geschloß für Schloß, Geschmuck für Schmuck, Gestück für Stück, Gezeit für Zeit u. s. f. 2. Nicht so gedankenleer ist dieser Sylbe, wenn sie dazu gebraucht wird, Collectiva und Iterativa zu bilden. 1) Collectiva, eine Versammlung mehrerer Dinge Einer Art zu bezeichnen, da denn das Ge- dem Individuo vorgesetzet wird, diese Mehrheit anzudeuten. Dergleichen sind das Geflügel, Gebein, Geschmeiß, Getreide, Geschmeide, ein Gebett Betten, das Geleucht, Gerüst, Gescheide, Geschiebe, Geschirr, Gesinde, Gestein, Geweih, u. s. f. Die Selbstlauter a, o und u, werden dabey in ä, ö, und ü verwandelt. Gewürm, Gewölk, Geblüt, Gewässer, Gesträuch, Gebäu, Gebrüder, Gebüsch, Gedärm, Gefäß, Gehäuse, Gehölz, Gehörn, Getäfel, Geäder, Gebälk, Gebläse, alles was zum Blasen gehöret, Gekrätz, Gekröse, Gemäuer, Gemüth, Gepäck, Gesäme, Gewürz u. s. f. von Wurm, Wolke, Blut, Wasser u. s. f. Der Selbstlaut e aber gemeiniglich in i oder ie. das Gebirge von Berg, (nicht Gebürge,) Gestirn von Stern, Gefilde von Feld, Gefieder von Feder, Geschwister von Schwester. Alle diese Collectiva sind ungewissen Geschlechtes, werden großen Theils nur in der einfachen Zahl gebraucht, und bedürfen am Ende keines e, wenn nicht die Beschaffenheit des letzten Mitlautes ein e euphonicum nothwendig macht. Daher sagt man nicht richtig das Geblüte, Gewölke, Gehölze, sondern Geblüt, Gewölk, Gehölz; wohl aber Gesinde, Geschiebe, Gebinde, Gebirge, Gescheide, Gekröse, Gehäuse, weil die Aussprache der Endconsonanten b, d, g, s, ohne dieses e härter werden würde. Doch behalten auch diejenigen, welche von Fämininis gebildet werden, die sich auf e endigen, dieses Image + ihr e: das Gerinne, Gerippe, (nicht so richtig Geripp,) Gebräme. Siehe E. 2) Iterativa, eine öftere Wiederhohlung einer und eben derselben Sache, oder die Fortdauer einer Handlung anzudeuten. Alle diese Wörter werden aus Infinitiven mit Wegwerfung des n gebildet, leiden keinen Plural, sind gleichfalls Neutra, gehören aber größten theils in die niedrige Sprechart. Das Gebammel, Gebelfer, Gebeiße, Gebelle, Gebettel, Gebrumme, Gedehne, Gedresche, Gesindel, Geflatter, Gestifter, Gefluche, Gefrage, Geklatsche, Geklingel, Gelache, Gelaufe, Gemurmel, Geplapper, Gepolter, Geprahle, Gerede, Gerumpel, Gesage, Geschmiere, Geschnatter, Gesumse, Geweine, Gezanke u. s. f. Ja im gemeinen Leben pflegt man aus allen Zeitwörtern dergleichen Iterativa zu bilden, wenn man die mehrmahlige Wiederhohlung oder die Fortdauer einer Sache auf eine verächtliche Art bezeichnen will. Es würde eine unnöthige Weitläufigkeit seyn, alle diese Wörter in der Folge besonders anzuführen; zumahl da sie schon gesagt worden, größten Theils niedrig sind. Es werden also nur einige der gangbarsten beygebracht werden können. In einigen Wörtern dieser Art wird auch das e des Infinitivs weggelassen, wie in Gebrüll, Geheul u. s. f. für Gebrülle u. s. f. und diese scheinen älter zu seyn, haben keinen verächtlichen Nebenbegriff und können auch in der edlen Schreibart gebraucht werden. So bestimmt die Bedeutung der Sylbe ge- in diesen beyden Arten der Wörter ist, so sind doch viele hin und wieder auch ohne dieselbe üblich. Für Getreide sagt man im Oberdeutschen auch Traid, für Gebirge Pyrg, für Geschwätz Schwatz, für Geräusch im Nieders. Rusk. Ge scheint in dieser collectiven Bedeutung mit dem Lat. co, con und cum aus Einer Quelle herzufließen, und schon Ulphilas gebraucht ga als ein Merkmahl der Verbindung. Garaznans sind bey ihm Nachbarn, von Razn, das Haus; Gasinthja die Begleitung, das Gesinde, von Sinth, der Weg; Gadailans die Theilhaber, von Dail, Theil u. s. f. Die Niedersachsen und die mit ihnen verwandten Nordischen Völker haben einen besondere Art, die öftere Wiederhohlung einer Handlung durch die Wiederhohlung des Zeitwortes selbst zu bezeichnen. Dergleichen sind das Schwed. Pickpack, das Gepacke, Hwiskwask, das Gewäsche, Snicksnack, das Geschnacke, Willerwalla, das Gemühle, Tissltassl, im Engl. Title-tatle, das Gemurmel, und das Hochdeutsche Fickfack und Mischmasch. S. diese Wörter. III. Bey- und Nebenwörter, wo das ge wiederum die müßige Alemannische Verlängerung ist. Gebirgig, im Oberd. bürgig; geschwinde, im 13ten Jahrhunderte swind; genau, Nieders. nau, Angels. hneaw; gerecht für recht; gemach, Nieders. mak; genäschig, näschig; gelinde, im Theuerd. linde. So auch gefräßig, gehässig, gedrange, geheim, gelehrig, gelenk, gemein, geraum, geringe, geschlank, gestrenge, gesund, getreu, getrost, gewahr, gewiß u. s. f. Anm. Diese Sylbe ge hat in allen den Fällen, wo sie gebraucht wird, niemahls den Ton. Oben ist schon gesagt worden, daß sie, außer wenn sie Collectiva und Frequentativa bildet, aus dem Oberdeutschen Hauche entstanden ist. Dieser Hauch wurde nicht alle Mahl durch ge, sondern oft nur durch ein bloßes g angedeutet. Ein solches unbedeutendes bloß hauchende g nahm seine Stelle gern vor den Wörtern, welche sich mit l, n und r anfangen, dergleichen im Glaube, gleich, Glück, Glied, Glimpf, gleiten, glühen, Glocke, Gnätz, Gnade, Grind, Graf, Gränze, Grütze, Gras, greifen u. s. f. angetroffen wird, welche Wörter die Niedersachsen noch zum Theil ohne diesen Hauch haben; löven für glauben, Love für Glaube, Lied für Glied, lik für gleich. In andern ist er in ein k übergegangen, wie in Klepper, klug, kratzen, Knote, knicken, knacken u. s. f.


Geäder (W3) [Adelung]


Das Geäder, des -s, plur. car. ein Collectivum, die sämmtlichen Adern in einem thierischen oder andern Körper zu bezeichnen. Der Marmor hat ein schönes Geäder. Auch figürlich, die Verzierungen an einem Gitterwerke zwischen den Städten und Stangen, aus erhabenem und getriebenem Bleche.


Geäfter (W3) [Adelung]


Das Geäfter, des -s, plur. car. bey den Jägern, die Aftern des Hirsches und deren Eindruck in dem Boden. Siehe Afterklaue.


Geäß (W3) [Adelung]


Das Geäß, oder Geätz, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, 1. eigentlich, dasjenige, was dem Wildbrete und dem Geflügel zum Futter dienet; ohne Plural. Dem Geäße nachziehen. auf das Geäß gehen. 2. Figürlich. 1) Der Ort, wo der Hirsch mehrmahls zur Weide kommt. 2) Das Maul bey dem Roth- und Rehwildbrete.


Geback (W3) [Adelung]


Das Geback, oder Gebäck, des -es, plur. die -e, so viel als man auf Ein Mahl bäckt; in der Lausitz die Bäcke, im Nieders. ein Backels. Ein Geback Mehl. Ein Geback Brot, welches bey den Bäckern auch ein Ofen voll, ingleichen ein Schuß genannt wird.


Gebahn (W3) [Adelung]


Das Gebahn, des -es, plur. car. bey den Jägern, besonders Oberdeutschlandes, der Koth der wilden Thiere, die Losung, das Gelos; vermuthlich, weil er die Bahn, d. i. den Weg, eines Thieres zeiget.


Gebälk (W3) [Adelung]


Das Gebälk, des -es, plur. die -e. 1) Eigentlich, die sämmtlichen Balken eines Gebäudes; als ein Collectivum und ohne Plural. Das Gebälk eines Hauses, eines Schiffes. 2) Figürlich, der oberste Theil in einer Säulenordnung, welcher die Enden des Gebälkes vorstellet.


Gebammel (W3) [Adelung]


Das Gebammel, oder Gebaumel, des -s, plur. car. im gemeinen Leben, ein anhaltendes Bammeln oder Baumeln.


Gebände (W3) [Adelung]


Das Gebände, des -s, plur. ut nom. sing. mehrere Bande oder Bänder einer Art, im gemeinen Leben. S. Gebinde.


Gebärde (W3) [Adelung]


Die Gebärde, S. Geberde.


Gebaren (W3) [Adelung]


* Gebaren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und am häufigsten als ein Reciprocum gebraucht wird. Sich gebaren, sich betragen, nicht bloß von den Geberden, sondern auch von allen sittlichen Handlungen des Menschen. Im Hochdeutschen ist es veraltet, außer das es von den Kanzelleyen noch zuweilen im Andenken erhalten wird. Und hiebey allenthalben so, daß jedermann völlig zufrieden seyn könne, gebaret werden solle, heißt es in einem Anschlage des Rathes zu Leipzig vom 22sten Jul. 1771.

Anm. Bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern kommt dieses Wort auch ohne Reciprocum vor. Er geparte als er lebte, Stryker, er betrug, geberdete sich, als wenn er lebte. Da enkan ich niht gedulteklichen zuo gebaren. Reinmar der Alte. Geselklich well wir mit euch geparn, umgehen, Theuerd. Kap. 100. Im Nieders. lautet es beren. Es stammet von dem alten bären, tragen her. S. Geberde, und Frischens Wörterbuch v. Baren.


Gebärerinn (W3) [Adelung]


Die Gebärerinn, plur. die -en, eine weibliche Person, welche ein Kind gebieret, oder geboren hat; ein im Hochdeutschen wenig gebräuchliches Wort. Zittern ist sie ankommen, Angst wie einer Gebärerinn, Ps. 48, 7. Ich höre ein Geschrey, als einer Gebärerinn, Jer. 4, 31. Die Gottes Gebärerinn, eine in der Römischen Kirche übliche Benennung der Jungfrau Maria.


Gebärmutter (W3) [Adelung]


Die Gebärmutter, S. Bärmutter.


Gebärstuhl (W3) [Adelung]


Der Gebärstuhl, des -es, plur. die -stühle, ein Stuhl, auf welchem gebärenden Weibern die Geburt erleichtert wird; der Geburtsstuhl.


Gebäude (W3) [Adelung]


Das Gebäude, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Gebäudchen, von dem Zeitworte bauen, so fern es aedificare bedeutet, ein nach den Regeln der Baukunst eingeschlossener Raum. In diesem allgemeinern Verstande werden ein großes Faß, ein Schiff und andere Kunstwerke dieser Art Gebäude ge- nannt. In engerm und üblicherm Verstande ist es ein solcher nach den Regeln der Baukunst eingeschlossener Raum, in welchem man gewisse Verrichtungen gemächlich vornehmen kann. ein großes, kleines, geräumiges Gebäude. Die Kirche ist ein herrliches Gebäude. Ein eingefallenes Gebäude. Das Hintergebäude, Nebengebäude, Vordergebäude, Hauptgebäude, u. s. f. Es ist ein allgemeiner Ausdruck, dessen besondere Arten durch die Wörter Haus, Kirche, Stall, Scheuer, u. s. f. ausgedruckt werden. Im Bergbaue nennet man die Zugänge, welche die Bergleute in das Gebirge hinein arbeiten, um zu den Gängen zu gelangen, gleichfalls ein Gebäude, ein Berggebäude, oder Grubengebäude; da denn dieses Wort oft den Gang selbst bedeutet, auf welchem man arbeitet, mit allen dazu gehörigen Öffnungen in der Erde. Ein höfliches Gebäude, welches viel Erz hat. Ein Gebäude auflassen, aufgeben, ihm den Rücken kehren, eine Grube verlassen. Auf ähnliche Art wird die Wohnung des Bibers bey den Jägern, und das Werk in einem Bienenstocke, welches sonst auch das Gewirk heißt, das Gebäude genannt. in weiterer Bedeutung führet diesen Nahmen ein jeder Körper in Ansehung der Verbindung oder auch des Verhältnisses seiner Theile. Das Weltgebäude. Man zergliedere das Gebäude einer Blume, Gell. Anm. Im gemeinen Leben lautet dieses Wort oft nur Bau, in Niedersachsen Baute, ingleichen Gebau, Gebäu, in welcher letzten Gestalt es mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Daß du dich auf deine Gebäue verlässest, Jer. 48, 7. Das herrliche Gebäu ist verstöret, Zachar. 11, 2. So ferne bauen wohnen bedeutet, findet sich Gebuuueda und Gebueda für Wohnung schon bey dem Notker.


Gebauer (W3) [Adelung]


Das Gebauer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Bauer, d. i. ein Käfich, ein Behältniß für Vögel, von bauen, wohnen. Bey dem Notker sind Gebiureda Gegenden, Länder, und Gebur ein Nachbar. Im Albanischen ist Kibur, und im Wallachischen Kibure, das Grab. S. das Bauer.


Gebe (W3) [Adelung]


Gebe, adj. et adv. was gegeben, oder ausgegeben werden kann, in Verbindung mit dem Worte gänge. Gäng und der gebe Münze, welche im Handel und Wandel üblich ist. Gäng und gebe Waaren, übliche Waaren. S. Gänge. Anm. Schon im Schwabensp. wird genge und gaebe vom Gelde gebraucht. In den spätern Zeiten findet man dafür auch gänge und genehm; im mittlern Lat. dativus. Das Nieders. geeve, bedeutet theils leidlich, mittelmäßig wohl, theils aber auch frisch, gesund, untadelhaft. Von untauglichen Waaren und Münzen ist in eben dieser Mundart auch ungeeve üblich. Auch im Schwed. sagt man gäf oder gängse.


Gebefall (W3) [Adelung]


Der Gebefall, des -es, plur. die -fälle, ein von den ältern Deutschen Sprachlehrern gebrauchtes Wort, das Lat. Dativus auszudrucken, und die dritte Endung der Nebenwörter zu bezeichnen, welche Schottel und andere die Gebeendung nennen. Ickelsamer nennet sie den Geber, Aichinger den Fall des empfahenden, Gottsched die dritte Endung, und Klopfstock die Abzweckung.


Gebein (W3) [Adelung]


Das Gebein, des -es, plur. inus. oder, und zwar noch häufiger, die Gebeine, sing. inus. 1. Eigentlich, als ein Collectivum, die sämmtlichen Beine eines thierischen Körpers. Er wird ihre Gebeine zermalmen, 4 Mos. 24, 8. Und verbrannte die Gebeine der Priester auf den Altären, 2 Chron. 34, 5. Mein Gebein hänget an meiner Haut, Hiob. 19, 20. 2. Figürlich. 1) Die Glieder des menschlichen Leibes, deren vornehmster Theil die Knochen sind, in der höhern Schreibart. Ich sahe sie, (mir zittern die Gebeine,) Raml. 2) Der ganze Leib, in welcher Bedeutung es in der Deutschen Bibel sehr häufig ist. 3) Besonders der Leichnam eines Verstorbenen und dessen Überrest, in der edlern Schreibart. wenn eigennützige Schmeicheley, mit thränenleeren Augen ein prachtiges Denkmahl über die Gebeine des vergessenen Todten aufrichtet.

Anm. Bey dem Notker Gebein, im Tatian Gibeini, bey dem Stryker Gibain, im Nieders. Gebeenke.


Gebelfer (W3) [Adelung]


Das Gebelfer, des -s, plur. car. ein wiederhohltes, anhaltendes Belfern, im gemeinen Leben.


Gebell (W3) [Adelung]


Das Gebell, des -es, plur. car. ein anhaltendes, wiederhohltes Bellen. Daß zugleich die großen Hund' erwachen, Und durch das ganze Haus ein stark Gebelle machten. Haged.


Geben (W3) [Adelung]


Geben, verb. irreg. ich gebe, du gibst, er gibt, Conjunct. ich gebe; Imperf. ich gab, Conjunct. ich gäbe; Mittelw. gegeben; Imperat. gib. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum, welches die dritte Endung der Person erfordert. 1. Eigentlich, darreichen, in die Hand reichen, als ein allgemeiner Ausdruck, der das Eigenthum an und für sich unentschieden lässet, von der körperlichen Überreichung. Gib mir das Buch. Einem zu trinken geben. Seinem Freunde die Hand geben. ich habe ihm das Geld schon gegeben. Geld für die Waare, Waare für Waare geben. Ich habe zehen Thaler dafür gegeben. So viel gebe ich nicht dafür. Steuern und Gaben geben. Den Bedienten ihren Lohn Geben. Einem etwas in die Hand geben. Ich habe zehen Thaler darauf gegeben, als ein Angeld. Den Zehenten geben. Einem ein Geschenk, etwas zum Geschenke geben. Den Armen ein Almosen geben. Dem Viehe sein Futter, dem Gläubiger ein Pfand geben. Unser täglich Brot gib uns heute. Einem etwas unter den Fuß geben, figürlich, es ihm heimlich anrathen, ihm heimlich Nachricht davon ertheilen. Ich kann es dafür, für den Preis, nicht geben, nicht weggeben. Wenn geben für angeben stehet, so wird statt des Datives der Person die Präposition an gebracht. Von dem Gewinste fünf von Hundert an das Waisenhaus geben. Ich habe den Brief an deinen Bruder gegeben. In weiterer Bedeutung auch von andern Arten, sich einer Sache zu entledigen. Die Speisen wieder von sich geben, durch das Erbrechen. Besonders wenn die Sache einem andern übertragen wird. 2. Figürlich, wo dieses Wort in sehr vielen Fällen und oft mit allerley Nebenbegriffen gebraucht wird, davon die vornehmsten etwa seyn möchten. 1) Unentgeldlich geben, schenken. Er gibt nicht gerne. Einen Ball, einen Schmaus geben, auf seine Kosten veranstalten. Seine Habe den Armen geben. 2) Das Eigenthum, oder den Gebrauch einer Sache einem andern übertragen. Einem ein Land zu regieren geben. Einem seine Tochter zur Frau geben. Dem Kinde einen Nahmen geben. 3) Mittheilen, auch von unkörperlichen Dingen. Einem einen guten Rath, einen Anschlag, gute Lehren, heilsame Ermahnungen geben. Einem Unterricht in den schönen Wissenschaften geben. Einem eine Stunde auf dem Claviere geben, d. i. stundenweise Unterricht auf dem Claviere ertheilen. Sie gab ihm einen Kuß. Einem einen Verweis, einen Schlag, eine Ohrfeige, derbe Prügel geben. Er gab mir einen Wink mit den Augen. Einem Nachricht von etwas geben. Gott hat dir vielen Verstand gegeben. Einem ein Amt geben. Einem Macht, Gewalt, Recht z etwas geben. 4) Hervor bringen, entstehen lassen, die Ursache einer Wirkung seyn, in vielen mehrentheils bereits eingeführten Fällen, die man nicht nach Gutdünken vermehren darf. Einem lose Worte geben, lose Worte gegen ihn hervor bringen. Ich habe ihm die besten Worte von der Welt gegeben. So viel ich euch auch gute Worte gab, Gell. Geben sie mir die Ehre ihres Besuchs. Ich gebe mir die Ehre. Er weiß sich ein rechtes Ansehen zu geben. Gib mir immer den erquickenden Trost, daß ich dich bald freudiger wieder sehen werde, Weiße. Gott gebe es! Gott gebe, daß ich ihn wieder sehe! Einem Hause Licht geben. Dem Hause zehen Ellen Tiefe geben. Er kann keinen Laut von sich geben. Einem etwas zu thun, zu rathen geben. Er gab mir keine Antwort. Einen Leibeigenen frey geben. Gelegenheit, Anlaß zu etwas geben. Einem ein Ärgerniß geben, eine unrechtmäßige Handlung vornehmen, welche zu Veranlassung solcher Handlungen bey andern eingerichtet ist. Ein gegebenes Ärgerniß, zum Unterschiede von einem genommenen. Seinen Kindern eine gute Erziehung geben. Alles das gibt mir kein Vergnügen. Dem Holze eine Gestalt geben. Die Wollust, welche der Wein gibt, rauschet schnell vorüber. Das wird einen artigen Spaß geben. Einem etwas zu lesen, zu verstehen, zu erkennen, zu vernehmen geben. Ein Wort gab das andere, veranlassete das andere. Gott, gib uns einen sanften Regen. Gott, ist es, der uns Frieden geben muß. Seinen Segen zu etwas geben. Rechenschaft von etwas geben. Einem ein gutes Beyspiel geben. Sich eine fromme Miene geben, sie annehmen. Und so in vielen andern Fällen mehr, welche aus dem Gebrauche erlernet werden müssen. 5) Verstatten. Einem Erlaubniß zu etwas geben. Ich will ihm noch acht Tage Frist, Bedenkzeit geben. Ich habe ihm Zeit genug dazu gegeben. Dem Sauerteige Zeit zur Gahre geben. Einem Gehör geben, ihn anhören. 6) Sein Wort von sich geben, sich wörtlich zu etwas anheischig machen. Sie hat endlich ihr Ja von sich gegeben. Einem sein Wort geben, ihm etwas feyerlich versprechen. Einem seine Stimme geben, für ihn, zu seinem Besten stimmen. Ich habe meine Einwilligung noch nicht dazu gegeben. Seine Gedanken von sich geben, sie andern bekannt machen. Er kann es nicht von sich geben, kann seine Gedanken andern nicht verständlich machen. 7) Sich Mühe geben, Mühe anwenden. Ich weiß nicht, warum ich mir seinetwegen so viele Mühe gebe, Gell. Er gibt sich viel Mühe um dich, ebend. Geben sie sich keine Mühe, mir die Gefahr geringe zu machen. Acht geben, aufmerksam seyn. Geben sie Acht, es wird alles gut gehen. 8) Einem Recht, Unrecht geben, sagen, daß er Recht, Unrecht habe. Geben sie ihm nur in allem Recht, so haben sie Ruhe vor ihm. Ich gebe ihr funfzig Jahr, ich behaupte, vermuthe, daß sie funfzig Jahre alt ist. Ich gebe ihm höchstens noch zwanzig Jahr, glaube, daß er höchstens noch zwanzig Jahre leben könne. Etwas verloren geben, es für verloren halten. Einem alle Schuld geben, behaupten, daß er alle Schuld habe. 9) Sich zufrieden geben, zufrieden werden, sich beruhigen. Gib dich nur über deinen Irrthum zufrieden. Ich werde mich nicht eh zufrieden geben, Als bis diesen Wunsch erfüllt, Gell. Sich bloß, seine Schwäche sehen lassen, sich verrathen. 10) Sich geben, nicht mehr Widerstand leisten, nachgeben. Sie wird sich schon noch geben. Sie zankten sich noch lange Zeit, und weil sich keiner wollte, u. s. f. Lichtw. Das wird sich schon geben, wird schon vorüber gehen, unsern Wünschen gemäß erfolgen. Das gibt sich schon von sich selbst. Das Tuch gibt sich, läßt sich dehnen, gibt nach. Dahin gehöret auch die im gemeinen Leben übliche figürliche R. A. er wird es schon näher geben müssen, er wird schon biegsamer werden, von seinen Forderungen schon nachlassen müssen. 11) Ein Französisches Wort durch ein Deutsches geben, d. i. übersetzten. Dieses Wort kann nicht so gegeben, d. i. übersetzt, oder durch ein anderes erkläret, werden. Ich will es kurz geben, ausdrucken. Das war sehr gut gegeben. 12) Verfertigen, besonders von Schriften, ausfertigen; in welchem Verstande das Mittelwort gegeben noch zuweilen der Zeit der Ausfertigung einer Schrift, Vorrede oder Briefes beygefüget wird. Gegeben zu Berlin den 4. May 1774, d. i. geschrieben. Daher das Datum eines Briefes oder einer Schrift im Oberdeutschen auch die Gabe genannt wird. 13) Zwey Personen zusammen geben, im gemeinen Leben, sie copuliren, ehelich verbinden. Laßt euch - - von des Priesters Hand - - Ganz still zusammen geben, Gell. II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben; in den meisten Fällen gleich falls mit dem Accusativ, obgleich das Verbum im Passivo nicht gebraucht werden kann. 1) Die Bäume geben gute Balken, wenn gute Balken daraus bereitet werden können. Die Garben geben dieses Mahl wenig Getreide. Die Bäume geben vieles Obst. Frisches Getreide gibt mehr Mehl als das alte. S. Ergiebig. 2) Abgeben, d. i. seyn oder seyn können; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche noch im Oberdeutschen üblich ist. Er gibt einen guten Soldaten. Er hat einen artlichen Poeten gegeben., Opitz. Die Kinder sollen Waisen geben, Sein Weib im Wittwenstande leben, ebend. S. Abgeben. 3) * Die Flucht geben, das Reißaus geben, die Flucht nehmen, ergreifen; zwey im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Ausdrücke, wovon der erste in der Deutschen Bibel vorkommt. 4) Er gibt nichts auf meine Worte, läßt sich nicht dadurch bewegen, achtet sie nicht, folget ihnen nicht. Die nichts durchaus auf dein Gesetz geben, Opitz. Er gibt nichts, weder auf mich, noch auf meine Befehle. Also gibst du auf meine Treue und Beständigkeit gar nichts? Weiße. Auf diese Tugend habe ich niemahls viel gegeben. ebend. ich habe sie niemahls sehr geschätzet. 5) Geschehen, entstehen, im gemeinen Leben, und nur in einigen Fällen; auch nur als ein unpersönliches Zeitwort. Was gibt es? was gehet vor? was für ein Lärm ist entstanden? Es hat einen rechten Zank gegeben, im gemeinen Leben. Sagen sie mir doch, was es gegeben hat. Was gibts denn für ein Geschrey? Es wird gewiß wieder etwas geben, es wird gewiß wieder ein Streit, ein Lärm entstehen. Gibts nichts Neues? Was gibts Neues? S. Begeben. 6) Da seyn, vorhanden seyn; als ein Impersonale. Künste, bey denen es Grundsätze und wissenschaftliche Regeln gibt. Es gibt der gottlosen Leute zu viel, Gell. Der Gegenstände, die zum äußern Glücke gehören, gibt es eine große Anzahl, ebend. Ach, gibt es für mich noch einen heitern Himmel und eine sanfte Luft? Weiße. O klage nicht, es gibt noch edle Seelen, Gell. Dahin gehören auch die R. A. mit einigen Gerundiis. Hier gibt es was zu lachen, was zu sehen, was zu verdienen, was zu gewinnen u. s. f. hier findet sich, oder ist etwas zu lachen, zu sehen u. s. f. 7) Erhellen machen. Das gibt schon die gesunde Vernunft, läßt sich aus der gesunden Vernunft begreifen. Sein Gesicht gibt es schon, daß er ein Betrieger ist. Der Augenschein gibt es. Der Brief gibt es, aus dem Briefe erhellet es.

Anm. Statt des Hauptwortes die Gebung, ist das Abstractum die Gabe, ingleichen das Geben üblich. Das Geben hat kein Ende. Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero keban, im Imperat. kib, im Isidor gheban, in der ersten Person des Präsens ghibu, im Tatian ih gibu, bey den Ottfried im Imperf. ih gap, im Nieders. geven, im Holländ. gheven, im Angels. gifan, im Engl. to give, im Dän. give, im Schwed. gifwa, im Isländ. gifva, bey dem Ulphilas giban, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es stammet ohne Zweifel von dem alten Gaff, die hohle Hand her, welches noch im Oberd. Gaufe lautet; S. Gäspe. Da die meisten verwandten Sprachen in der ersten Sylbe ein i haben, so rühret es daher, daß auch im Hochdeutschen die zweyte und dritte Person des Präsens du gibst, er gibt, und der Imperativus gib lautet. Ja im Österreichischen sagt man auch in der ersten Person des Präsens ich gib. Es fragt sich nur, ob dieses i geschärft, oder ob es gedehnt ist, und in diesem letztern Falle giebst, giebt, gieb geschrieben und gesprochen werden müsse. Für das ie scheinet die Regel zu streiten, daß das gedehnte e, welches in geben wirklich vorhanden ist, auch in ein gedehntes i oder ie verwandelt werden müsse, so wie man von sehen du siehest, von stehlen du stiehlst, von befehlen du befiehlst sagt. Allein, daß diese Regel nicht allgemein ist, erhellet auch aus den Zeitwörtern treten und nehmen, welche gleichfalls ein gedehntes e haben, und doch ein geschärftes i bekommen, du trittst, er nimmt. Diese Regel entscheidet hier also nichts. Über dieß hat die alte Form giben, oder gibben, von welcher gibst, gibt und gib Überbleibsel sind, in den meisten verwandten Sprachen ein kurzes i, wie das Schwed. und Isländ. gifva, das Engl. und Dän. give. Da nun auch die meisten und richtigsten Mundarten in den jetzt gedachten Fällen, alle aber im Imperative ein kurzes i deutlich hören lassen, so sehe ich nicht ein, warum man bey den wenigen gedehnten Mundarten, welche giebst und giebt schreiben und sprechen, folgen wollte, ungeachtet sich auch Gottsched für diese letztere erklärete.


Geber (W3) [Adelung]


Der Geber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Geberinn, plur. die -en, der oder die einem andern etwas gibt. Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb, 2 Cor. 9, 7. Wir sollen die Gaben Gottes nach der Absicht ihres weisen Gebers anwenden. Der Geber unsers Lebens, d. i. Gott, Gell. So auch in den Zusammensetzungen Gesetzgeber, Rathgeber, Gastgeber u. s. f. Siehe auch Gebefall.


Geberde (W3) [Adelung]


Die Geberde, plur. die -n. 1) Überhaupt, die Bewegung des Leibes, oder einzelner Theile desselben, in Ansehung ihrer sittlichen Beschaffenheit. Bäuerische, sittsame Geberden. Ein Vernünftiger merket den Mann an seinen Geberden, Sir. 19, 26. Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Geberden, Luc. 17, 20. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, die Bewegung der Gesichtszüge, und diese Gesichtszüge selbst, die Mienen. Unschuld lächelt sanft auf ihren Wangen, voll Anmuth ist jede Geberde, Geßn. 3) Figürlich wird es collective so wohl im Singular, als auch im Plural, zuweilen von der ganzen Gesichtsbildung, ja von der ganzen äußern Gestalt gebraucht. Seine ganze Geberde verstellete sich. Da ergrimmete Cain sehr, und seine Geberde verstellte sich, 1 Mos. 4, 6. Christus ward an Geberden als ein Mensch erfunden, Phil. 2, 7, an äußerer Gestalt.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Willeram Gebare, Gebaere, bey den Stryker Gepere und Geberde, im Nieders. Gebeer, im Angels. Gebaer, im Dän. Gebärde, im Schwed. Gebärd, Atbaerd. Es ist eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. Gestus, und stammet mit gebaren, von dem alten bären, tragen, ab, daher es in einigen Nieder- und Oberdeutschen Gegenden ohne ge - auch nur Beere, Berde, Perde lautet. Eine Handgebeer ist im Nieders. eine Bewegung mit der Hand, Mundgebeer mit dem Munde. Ottfried gebraucht dafür Giuurti, von führen, oder bühren, sich betragen, aufführen. S. Gebaren und Bahre.


Geberden (W3) [Adelung]


Geberden, verb. reg. act. welches nur als ein Reciprocum üblich ist, sich geberden, Geberden machen, so wohl von den Gesichtszügen, als von den Bewegungen des Leibes, doch nur in Ansehung ihrer sittlichen Beschaffenheit, und mehrentheils im nachtheiligen Verstande. Er geberdete sich sehr übel. Sich lächerlich, albern geberden. Sie mag sich nun geberden, wie sie will, so hat sie doch nichts an dem Gewinste zu fordern, Gell. Daher die Geberdung.

Anm. Im Nieders. sich beeren. Das veraltete einfache berden kommt ohne Reciprocation als ein Neutrum noch Es. 61, 10 vor; wie eine Braut in ihrem Geschmeide berdet.


Geberdenkunst (W3) [Adelung]


Die Geberdenkunst, plur. inus. die Kunst, welche lehret, seine Gedanken durch anständige Geberden zu erkennen zu geben; Hypocritica.


Gebeth (W3) [Adelung]


Das Gebeth, des -es, plur. die -e, Diminut. das Gebethchen, Oberd. Gebethlein. 1. Die Handlung des Bethens, oder der Unterredung mit Gott, in allen drey Fällen der folgenden Bedeutung; ohne Plural. Sich zum Gebethe wenden. Von dem Gebethe aufstehen. Sein Gebeth thun, verrichten. Das wörtliche Gebeth, zum Unterschiede von dem Gebethe des Herzens. 2. Diese Unterredung mit Gott selbst, ingleichen die Worte und Ausdrücke, aus welchen sie bestehet. 1) In der engsten Bedeutung, die Begehrung einer Wohlthat von Gott; die Bitte. Sage ihm, daß diese sterbenden Lippen für sein Wohl die letzten Gebethe stammeln. Daß er mit Gebethen Kam vor ihn getreten, Opitz. 2) Die beständige Richtung des Gemüthes zu Gott, oder die Fertigkeit, alles von Gott zu begehren, welches in der Theologie das beständige Gebeth genannt wird. 3) In der weitesten Bedeutung, eine jede Unterredung, oder Beschäftigung des Gemüthes mit Gott; in welchem Falle die Bitte, oder das Gebeth in der engsten Bedeutung, die Anbethung, Danksagung, das Lob Gottes u. s. f. Arten desselben sind. Das Gebeth des Herren, das Vater unser u. s. f. Anm. Bey dem Kero Pet und Kepet, bey dem Willeram Gebete, bey dem Ottfried Gibet. Der Plural lautet im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, auch Gebether; S. - Er.


Gebethbuch (W3) [Adelung]


Das Gebethbuch, des -es, plur. die -bücher, Diminut. das Gebethbüchlein, ein Buch, welches Formeln oder Vorschriften zu Gebethen in verschiedenen besondern Fällen enthält; im gemeinen Leben das Bethbuch.


Gebethe (W3) [Adelung]


Das Gebethe, des -s, plur. car. ein mehrmahliges, anhaltendes Bethen, in verächtlichem Verstande. Ist das nicht ein Gebethe!


Gebethsformel (W3) [Adelung]


Die Gebethsformel, plur. die -n, die Formel oder die Vorschrift eines Gebethes.


Gebett (W3) [Adelung]


Das Gebett, des -es, plur. die -e, so viel Stücke einzelner Betten, als zu einem vollständigen Federbette gehören. Sechs Gebette Betten.


Gebettel (W3) [Adelung]


Das Gebettel, des -s, plur. car. ein anhaltendes, wiederhohltes Betteln oder Bitten, im verächtlichen Verstande.


Gebieth (W3) [Adelung]


Das Gebieth, des -es, plur. die -e. 1. Der Zustand, da man andern zu gebiethen hat; ohne Plural. Das Gebieth über ein Land bekommen. Unter dem Gebiethe der Herrschaft Genua stehen. Noch mehr aber 2. derjenige Bezirk, worin jemand zu gebiethen hat, Diminut. Das Gebiethchen, Oberd. Gebiethlein. 1) Eigentlich. Das Gebieth einer Stadt. Das Türkische, Mailändische, Venetianische Gebieth. Alexander wurde im Verhältnisse kleiner, wie seine eroberten Gebiethe größer wurden. 2) Figürlich. Das Gebieth der Beredsamkeit und Dichtkunst erstreckt sich weiter, als das Gebieth der übrigen Künste. Das unermeßliche Gebieth der unkörperlichen Welt.


Gebiethen (W3) [Adelung]


Gebiethen, verb. irreg. act. ( S. Biethen,) seinen Willen als Herr bekannt machen, befehlen. Die Obrigkeit gebiethet. Wir gebiethen alles Ernstes, im Oberd. für, mit allem Ernste. Über andere zu gebiethen haben. Frieden gebiethen, gebiethen, daß man Frieden halte. Man hat der Moral der Religion den Vorwurf gemacht, daß sie die Freundschaft nicht gebiethe, Gell. Er spricht, als wenn er hier zu gebiethen hätte. Ein gebiethender Herr. S. Hochgebiethend. Noah that, was ihm Gott geboth. Ach, ich kann meiner Sorge nicht mehr gebiethen! Dusch, habe sie nicht in meiner Gewalt, kann sie nicht mäßigen. Gebiethe deinem Zorn; er steht so sanften Blicken, Wie deine, wenig an, Weiße. Ein Fürst, der sich gebeuth, Ist mehr als Salomon in seiner Herrlichkeit, Haged. Und wenn in dieser Nacht Gott über mich gebeuth, Gell. d. i. wenn er mein Ende in dieser Nacht beschließet. Kann ich meinem Herzen gebiethen, daß es nicht mehr schlägt? Weiße.

Anm. Bey dem Kero kepeotan, bey dem Ottfried gibiaten, im Nieders. gebeen, im Schwed. bjudan, bey dem Ulphilas bjudan, im Engl. to bid. Auch im Oberd. war dieses Wort ehedem in der einfachen Form ohne die Verlängerung ge sehr üblich. S. Biethen I. Für herrschen gebraucht es schon Ottfried; thaz ubar sie gebiete. Gebiethen und befehlen sind ziemlich gleich bedeutend; ist ja ein Unterschied vorhanden, so liegt er in der Würde beyder Wörter, indem befehlen im Hochdeutschen mehr im gemeinen Leben, gebiethen aber mehr in der höhern und edlen Schreibart üblich ist. S. Biethen.


Gebiether (W3) [Adelung]


Der Gebiether, des -s, plur. ut nom. sing. in der edlen Schreibart, der andern zu gebiethen hat, ein Herr, Befehlshaber. Ein Gebiether den Völkern, Es. 55, 4. Gott unser oberster Herr und Gebiether, Gell. Dein künftiger Gebiether, Eheherr. Unglücklicher, der schon von Hoffnung trunken Des Oceans Gebiether ist, Raml. Man wählte sich Gebiether, um so erst frey zu seyn, Dusch. S. Gebiethiger.


Gebietherinn (W3) [Adelung]


Die Gebietherinn, plur. die -en, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche uns zu gebiethen hat. Rom ward die Gebietherinn der Welt. Liebste Gebietherinn, sagt die Kammerfrau zu ihrer Frau in einem Wienerischen Schauspiele. In der anständigen Schreibart gebraucht man dieses Wort auch von einer geliebten Person, das Franz. Maitresse auszudrucken. So sang schon Walther von Klingen: Frowe min gebieterinne. Und an einem andern Orte: Teilte min gebieterinne Mir ir minnecliche minne So wer al min truren hin.


Gebietherisch (W3) [Adelung]


Gebietherisch, -er, -te, adj. et adv. 1) Als ein Gebiether, auf eine gebiethende Weise, im verächtlichen und nachtheiligen Verstande, von Personen, die nicht zu gebiethen befugt sind. Ich halte sie für etwas eitel, stolz und gebietherisch, Gell. Eine Nation, die bey dem gebietherischen Winke eines herrschsüchtigen Ministers zittert. Die Demuth entziehet dem Verdienste das Gebietherische der Miene, des Tones und der Sprache, das in Gesellschaft so beschwerlich fällt, Gell. 2) Unumschränkt, in der edlen Schreibart. Die gebietherische Macht ihrer Reitze.


Gebiethiger (W3) [Adelung]


Der Gebiethiger, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes und nur noch in einigen Ritterorden übliches Wort, einen Befehlshaber, einen Officier zu bezeichnen, der andern zu gebiethen hat. Ehedem auch Biethiger, im Nieders. Biedeger, für Comthur, oder Commendator. S. Commenthur.


Gebinde (W3) [Adelung]


Das Gebinde, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Anzahl mehrerer mit einander verbundener Stücke Einer Art. So ist bey den Spinnerinnen das Gebinde eine Zahl von 20, an einigen Orten auch von 40 Fäden, von der Länge des Umfanges des Haspels, oder von 4 Ellen; welches Gebinde an andern Orten auch eine Fitze heißt. Zwanzig Gebinde machen eine Haspel oder Zahl, drey Haspeln eine Sträne, und vier Stränen ein Stück. In der Zimmermannskunst machen zwey durch Riegel und Streben mit einander verbundene Säulen ein Gebinde. Ein Haus von sechs Gebinden. In Böhmen ist das Gebinde ein Maß flüssiger Dinge, welches zwey Kannen hält. 2) Die bestimmte Größe gebundener oder zusammen gebundener Dinge; ohne Plural. Auf einem Acker muß einerley Gebinde seyn, die Garben müssen gleich groß gebunden werden. So auch von Fässern. Eine Tonne schmal Gebinde. S. das Band 1. 3).


Gebirge (W3) [Adelung]


Das Gebirge, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Reihe mehrerer mit einander verbundenen Berge. Auf den Gebirge hat man ein Geschrey gehöret, Matth. 2, 18. Ein hohes, steiles Gebirge. Das Gebirge nimmt seinen Anfang an dem Meere. Das Schweizerische Gebirge. 2) Bey den Bergleuten, bey welchen eine jede taube Erd- oder Steinart Berg genannt wird, führet ein jedes Gestein, es mag schon gebrochen seyn, oder noch in seiner natürlichen Lagerstätte liegen, den Nahmen des Gebirges; in welchem Falle der Plural ungewöhnlich ist. Gemeines Gebirge, Bruchsteine. Schieferiges Gebirge, Schiefersteine. Gebreches Gebirge, eine mürbe, weiche Steinart. In eben diesem Verstande heißt es schon im Theuerdank ohne vorgesetztes ge, Kap. 69: Das Pyrg was faul und het kein Hab.

Anm. Bey dem Ottfried Gibirgi, im Tatian Gibirgu, bey dem Willeram Gebirgo. Es kommt von Berg her, vermittelst der gewöhnlichen Verwandlung des e in i; wie in Werk, wirken, sterben, du stirbst, Feld, Gefilde, geben, gib, Recht, Gericht u. s. f. Daher es wider die Sprachähnlichkeit ist, wenn einige dieses Wort Gebürge schreiben und sprechen.


Gebirgamsel (W3) [Adelung]


Die Gebirgamsel, plur. die -n, ein Nahme, welchen an einigen Orten auch die Bergamsel führet; S. dieses Wort.


Gebirger (W3) [Adelung]


Der Gebirger, des -s, plur. ut nom. sing. der Bewohner eines Gebirges; ein Gebirgischer.


Gebirghirsch (W3) [Adelung]


Der Gebirghirsch, des -es, plur. die -e, ein Hirsch, welcher sich nur in gebirgigen Gegenden aufhält, und auch ein Birghirsch, und verderbt Burghirsch genannt wird.


Gebirgig (W3) [Adelung]


Gebirgig, -er, -ste, adj. et adv. Gebirge habend. Eine gebirgige Gegend. Die Schweiz ist sehr gebirgig.


Gebirgisch (W3) [Adelung]


Gebirgisch, adj. et adv. im gemeinen Leben, auf dem Gebirge befindlich, aus dem Gebirge gebürtig. Das gebirgische Städtchen. Gebirgische Bauern, aus dem Gebirge. S. Gebirger.


Gebirgmaus (W3) [Adelung]


Die Gebirgmaus, plur. die -mäuse, S. Bilchmaus.


Gebiß (W3) [Adelung]


Das Gebiß, des -sses, plur. die -sse. 1) Das Werkzeug, womit man beißet, das Maul und die Zähne. So pfleget man im gemeinen Leben das Maul eines Hundes und aller vierfüßigen Raubthiere das Gebiß, in einigen Gegenden auch nur das Biß, zu nennen. Auch von einer Person, welche schöne Zähne hat, sagt man im Scherze, sie habe ein schönes Gebiß. 2) Das eiserne Mundstück eines Zaumes, weil die Pferde darauf beißen, und in weiterer Bedeutung auch wohl alles Eisenwerk an einem Pferdezaume. Einem Pferde das Gebiß anlegen.

Anm. In dieser letzten Bedeutung lautet es im Nieders. Bit, im Theuerdanke Biß, im Dän. Bidsel, im Engl. Bit, im Angels. Bitole, Gebaete, im Holländ. Ghebit. Notker nennet ein Gebiß Cham brittil, und den Zaum prittil, wovon das Franz. Bride, Engl. Bridle, abstammet.


Gebläse (W3) [Adelung]


Das Gebläse, des -s, plur. ut nom. sing. in den Hüttenwerken, die zu einem Ofen gehörigen Blasebälge mit ihrer Zurüstung. das Gebläse anlassen. Das Gebläse stehet still. Etwas vor das Gebläse bringen. S. Blasen.


Geblok (W3) [Adelung]


Das Geblok, des -es, plur. inus. das anhaltende oder wiederholte Blöken des Rindviehes und der Schafe. S. Blöken.


Geblümt (W3) [Adelung]


Geblümt, -er, -este, adj. et adv. das Mittelwort von dem veralteten Zeitworte blümen, mit Blumen versehen. Geblümte Zeuge, in welche Blumen gewirket sind.

Anm. Willeram gebraucht gebluomet für blühend. Die Zeitwörter blumen und blümen bedeuten ehedem blühen, und figürlich auch beschönigen. Desselben Lob was weyt geplümt, heißt es in einer andern Bedeutung im Theuerdanke. Siehe verblümt.


Geblümte (W3) [Adelung]


Das Geblümte, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden, alles was die Bienen zu ihrer Nahrung eintragen, welches in andern Gegenden auch die Nutzung genannt wird; ohne Zweifel, weil sie es von den Blumen sammeln.


Geblüt (W3) [Adelung]


Das Geblüt, des -s, plur. car. die ganze Masse des in einem Körper befindlichen Blutes. Ein böses, verdorbenes Geblüt haben. Figürlich auch nahe Verwandtschaft, Blutsfreundschaft. Zu nahe in das Geblüt heirathen. Von königlichem Geblüte herstammen. Die Prinzen vom Geblüte, in Frankreich, welche mit dem regierenden Könige nahe verwandt sind. Ingleichen die Gesinnung. Das gibt freylich kein gutes Geblüt, d. i. keine freundschaftliche Gesinnung.


Geboth (W3) [Adelung]


Das Geboth, des -es, plur. die -e. 1. Von dem Zeitworte biethen oder gebiethen, befehlen, der Befehl, die Verordnung eines Höhern. Geboth und Verboth von jemanden annehmen müssen, seiner Gerichtbarkeit unterworfen seyn. S. Hülfsgeboth, Strafgeboth. Am häufigsten gebraucht man dieses Wort von den Befehlen und Gesetzen Gottes. Die zehen Gebothe Gottes, die zehen Verordnungen des göttlichen Sittengesetzes. Wider das sechste Geboth sündigen. Doch sagt man auch, einem Gebothe stehen, ihm gehorchen müssen, seiner Herrschaft unterworfen seyn. Unserer herrschenden Leidenschaft müssen alle andere zu Gebothe stehen. In dieser Bedeutung lautet es bey Kero Kepoto und Pibot, bey dem Ottfried Gibot, im Nieders. Bot, Bade, in Schwaben Bot, im Dän. und Schwed. Bud. Im Isidor ist Chipot, die Herrschaft. S. 1. Both. 2. Von biethen, offerre, die Handlung des Biethens, und die Summe, welche man biethet. Ein Geboth auf etwas thun. Ein schlechtes Geboth. Zehen Thaler sind dafür schon ein hohes Geboth. In den gemeinen Mundarten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes nur schlechthin Both, S. dasselbe. 3. Von biethen, einladen, in dem zusammen gesetzten Worte Gastgeboth, S. dasselbe.


Gebothsbrief (W3) [Adelung]


Der Gebothsbrief, des -es, plur. die -e, in einigen Oberdeutschen Gegenden, der schriftliche Befehl eines Höhern, oder einer Gerichtsherrschaft; ein Mandat.


Gebräme (W3) [Adelung]


Das Gebräme, des -s, plur. ut nom. sing. der Rand eines Dinges, besonders der Saum oder Aufschlag eines Kleides. Die Flittern, die Gebräme, die Schnürlein, Es. 3, 20. Ich will die deine Gebräme aufdecken unter dein Angesicht, Nahum 3, 5. In dieser allgemeinen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo es nur noch von dem Rande von Peizwerk um verschiedene Kleidungsstücke gebraucht wird. S. 2 die Brame.


Gebräu (W3) [Adelung]


Das Gebräu, S. Gebräude.


Gebrauch (W3) [Adelung]


Der Gebrauch, des -es, plur. die -bräuche, von dem folgenden Zeitworte gebrauchen. 1) Die Anwendung einer Sache zu seinen Bedürfnissen; ohne Plural. Ich hebe es zum künftigen Gebrauche auf. Das Geld können sie zu ihrem freyen Gebrauche anwenden, Gell. Den Gebrauch von etwas haben. Die Sache ist durch langen Gebrauch verderbt worden. Gebrauch von etwas machen. Ich werde von dieser Nachricht keinen Gebrauch machen. 2) Der mehrmahlige Gebrauch eines Dinges, die mehrmahlige Wiederhohlung einer willkürlichen Sache; auch ohne Plural. Dieses Wort, diese Art Kleider ist nicht mehr im Gebrauche, wird nicht mehr gebraucht. In Pohlen sind die langen Kleider im Gebrauche, in Deutschland die kurzen. Crispin hat es im Gebrauche, alle Jahre Ein Mahl zur Ader zu lassen. 3) Diejenigen willkürlichen Dinge selbst, welche von einem oder mehrern mehrmahls wiederhohlet werden, so fern sie dadurch gewisser Maßen die Kraft eines Gesetzes erhalten. Es ist hier Gebrauch, die Kinder in der Kirche zu taufen. Die hiesigen Gebräuche sind mir unbekannt. Gute, böse Gebräuche. Neue Gebräuche aufbringen. Kirchengebräuche. 4) Das dadurch erwachsende Gesetz, das Herkommen; ohne Plural. Der Gebrauch bringt es so mit sich. Nach Landesgebrauch. Der Gebrauch will, daß man seine Freunde betraure. Den Kirchengebrauch beobachten.

Anm. In den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes ist dafür nur das einfache Brauch üblich; S. dasselbe.


Gebrauchen (W3) [Adelung]


Gebrauchen, verb. reg. act. 1) Zu seinen Bedürfnissen nöthig haben; wofür doch jetzt das einfache brauchen üblicher und schicklicher ist. S. dasselbe. 2) Zu seinen Bedürfnissen anwenden. Arzeney gebrauchen. Ich habe dieses Buch schon lange gebraucht. Sich zu den unerlaubten Absichten eines andern gebrauchen lassen. Allerley Mittel gebrauchen. Die Sache ist schon zu sehr gebraucht. Dieß Wort wird nicht mehr gebraucht. Ernst gebrauchen. Im Oberd. auch mit der zweyten Endung. Einer Brille gebrauchen. Der Welt gebrauchen. Gebrauchst du deiner Zeit, so hast du gnug gelebt, Cron. Ingleichen als ein Reciprocum, mit der zweyten Endung der Sache; doch nur in einigen Fällen. Sich seines Rechtes gebrauchen. Sich einer Gelegenheit gebrauchen. Sich seiner Augen und Ohren gebrauchen. Schon bey dem Willeram gebruchan. S. Brauchen.


Gebräuchlich (W3) [Adelung]


Gebräuchlich, -er, -ste, adj. et adv. was häufig gebraucht wird, was im Gebrauche, dem Gebrauche, der Gewohnheit gemäß ist, üblich. Dieses Wort ist hier nicht gebräuchlich. Eine überall gebräuchliche Redensart. Das Gesetz ist zwar gut, aber bey uns nicht gebräuchlich. Es ist hier gebräuchlich, daß man seinen Freunden am Neujahrstage Glück wünschet. S. Bräuchlich.


Gebräuchlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gebräuchlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie gebräuchlich ist.


Gebräude (W3) [Adelung]


Das Gebräude, des -e, plur. ut nom. sing. so viel als auf Ein Mahl gebrauet wird. Ein Gebräude Bier. Die Gebräude sind nicht aller Orten gleich. In Berlin hält ein Gebräude Bier 9 Kufen, oder 18 Faß, oder 36 Tonnen; in Leipzig hält es 16, und in Dresden 24 Faß. Im gemeinen Leben ein Gebräu, in Niedersachsen ein Brau.


Gebrause (W3) [Adelung]


Das Gebrause, des -s, plur. car. ein anhaltendes, wiederhohltes Brausen; im Oberd. Gebräuse. Entsprießt ein reicher Brunn mit siedendem Gebräuse, Hall.


Gebrech (W3) [Adelung]


Gebrech, -er, -ste, adj. et adv. im gemeinen Leben, besonders im Bergbaue, mürbe, aber doch weniger als zerbrechlich. Ein gebreches Gestein, welches leicht zu erbrechen ist. Dän. gebräk.


Gebreche (W3) [Adelung]


Das Gebreche, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein wiederhohltes, anhaltendes Brechen, im gemeinen Leben und ohne Plural. 2) Der Ort, wo die wilden Sauen gebrochen oder gewühlet haben, bey den Jägern. 3) Der Rüssel an den Schweinen, welcher auch der Wurf genannt wird, gleichfalls bey den Jägern.


Gebrechlich (W3) [Adelung]


Gebrechlich, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in der dritten, und in einigen Fällen der zweyten Bedeutung des vorigen Wortes üblich ist. Ein gebrechlicher Mensch, der entweder ein Gebrechen des Leibes hat, oder auch vor Alter schwach und unvermögend ist. Gebrechlich an einem Fuße, 3 Mos. 21, 19. Ist das Dankopfer blind, oder gebrechlich, u. s. f. Kap. 22, 22. In engerm Verstande werden lahme, und mit einem Bruche behaftete Personen gebrechlich genannt. Nieders. breklik, bey dem Ottfried bruzig.


Gebrechlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gebrechlichkeit, plur. die -en. 1) Der Zustand, da ein Ding gebrechlich ist; ohne Plural. Die Gebrechlichkeit des Alters. 2) Gebrechlich in der zweyten und dritten Bedeutung dieses Wortes. Weibliche Gebrechlichkeiten, die Schwachheiten des weiblichen Geschlechtes. Die gegenwärtige Zeit ist voll Gebrechlichkeit, 4 Esr. 4, 27. Der Schwachen Gebrechlichkeit tragen, Röm. 15, 1. Bey dem Ottfried Bruzi.


Gebreite (W3) [Adelung]


Die Gebreite, plur. die -n, in der Landwirthschaft Meißens und Thüringens, ein breites Stück Feldes von unbestimmter Größe, welches aber breiter als ein Gelänge, d. i. über vier Ruthen breit ist; S. Gelänge. Eine Gebreite von sieben Ackern. Ein Stück von den herrschaftlichen Gebreiten. Ein Gebreitchen ist nur in der Länge von einer Gebreite unterschieden, hat aber übrigens eben dieselbe Breite. S. Breite.


Gebrüder (W3) [Adelung]


Die Gebrüder, sing. inus. mehrere Brüder zusammen genommen, als ein Collectivum. Die Gebrüder Richter. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch für das einfache Brüder. Sie sind Gebrüder, d. i. Brüder. In der ersten Bedeutung kommt dieses Wort schon in dem Schwabenspiegel vor.


Gebrüll (W3) [Adelung]


Das Gebrüll, des -es, plur. car. ein anhaltendes, oder wiederhohltes Brüllen. Das frohe Gebrüll der Herden, Geßn.


Gebrumme (W3) [Adelung]


Das Gebrumme, des -s, plur. car. im gemeinen Leben, ein anhaltendes, wiederhohltes Brummen.


Gebühr (W3) [Adelung]


Die Gebühr, plur. die -en. 1) Die Pflicht, sie sey von welcher Art sie wolle, eine jede Verbindlichkeit, welche man zu erfüllen schuldig ist; ohne Plural. Seine Gebühr beobachten, thun. Über die Gebühr arbeiten, mehr als man zu thun schuldig ist. Nach Gebühr opfern, 1 Chron. 24, 31. Nach Standes Gebühr, wie es sich nach eines jeden Stande schickt, oder wie man es einem jeden Stande schuldig ist. Wider die Gebühr trinken, unmäßig. Wenn die Truppen ihre Gebühre leisten. In engerer Bedeutung, dasjenige, was man einem andern zu leisten schuldig ist, oder was der andere als eine Schuldigkeit von uns fordern kann. Einem um die Gebühr, oder für die Gebühr arbeiten, für den gebührenden Lohn. Einem seine Gebühr geben. Die Gebühr auf dem Rathhause bezahlen. Im Österreichischen ist die Gebühr dasjenige, was der Miliz zu ihrer Unterhaltung gereichet wird. In dieser zweyten Bedeutung ist es auch häufig im Plural ohne Singular üblich. Der Obrigkeit ihre Gebühren bezahlen. Die Pfarrgebühren, was man dem Pfarrer zu bezahlen hat. Schreibegebühren, der Schreibelohn. Gerichtsgebühren, Arztgebühren, Amtsgebühren u. s. f. Schon bey dem Ottfried ist mit giuurti, auf eine gebührliche, anständige Art. S. das folgende.


Gebühren (W3) [Adelung]


Gebühren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur als ein unpersönliches Zeitwort, oder doch nur in der dritten Person üblich ist, den Pflichten oder Rechten aller Art, dem Wohlstande, den Umständen gemäß seyn. 1) Überhaupt, mit dem Reciproco sich. Er handelte, wie es sich gebühret. Nicht weiter von sich halten, denn sichs gebühret zu halten, Röm. 12, 3. Er bleibt länger aus, als es sich gebühret. Es hätte sich gebühret, daß du zuerst zu ihm gegangen wärest. Ingleichen mit der dritten Endung der Person. Eim Herrn gepurt Das er Kriegshendel wissen soll, Theuerd. Kap. 76. Dir gebühret es, dahin zu gehen. Dem Ältesten gebühret zu reden. Es gebühret dir nicht zu räuchern, 2 Chron. 26, 18. Er handelt so, als es einem ehrlichen Manne gebühret. In welchem Verstande auch das Mittelwort gebührend üblich ist. Sich gebührend betragen. Gebührender Maßen. Die gebührende Strafe leiden. Die gebührende Größe haben, die gehörige Größe. Der gebührende Richter, judex competens, vor welchen die Sache dem Rechte nach gehöret. 2) Eine Sache als ein Recht fordern können, und sie einem andern als eine Pflicht schuldig seyn, da denn dieses Wort auf beyde Personen gehen kann, mit der dritten Endung der Person. Gib ihm, was ihm gebühret, was er mit Recht fordern kann, oder was dir gebühret, was du ihm zu geben schuldig bist. Ehre, dem Ehre gebühret, Röm. 13, 7. Dir gebühret die Majestät, 1 Chron. 30, 11. Dieses Amt gebühret mir. Einem Arbeiter gebühret sein Lohn. So auch das Mittelwort gebührend. Den Arbeitern ihren gebührenden Lohn geben. Einem die gebührende Ehre erweisen

Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Ottfried giburren; so mir giburren mohta, welches mir gebühren möchte. Im Nieders. gebören. Ehedem war auch nur das einfache buren, puren, in diesem Verstande üblich, welches indem Nieders. bören, in dem Schwed. böra, in dem Isländ. byria und Dän. bore, noch vorhanden ist. Wachter leitet es von dem alten Byr, Bur, eine Stadt, ab. Allein es gehöret ohne Zweifel zu gebahren, und mit demselben zu dem alten bären, tragen, sich betragen, sich aufführen. Ehedem wurde es auch sehr häufig für geschehen, sich zutragen, gebraucht, in welchem Verstande kipurin schon bey dem Kero vorkommt. Thirs uuirs ni giburie, damit dir nichts Ärgers widerfahre, Ottfr. Das Nieders. bören und gehören hat diese Bedeutung auch noch.


Gebührlich (W3) [Adelung]


Gebührlich, -er, -ste, adj. et adv. wie es sich gebühret, in beyden Bedeutungen des Zeitwortes. 1) Dem Rechte, der Billigkeit, dem Wohlstande, den Umständen gemäß. Gebührlich von einem reden. Sich gebührlich betragen. Ein gebührliches Verhalten. Die gebührliche Größe. Auf die gebührliche Weise. 2) Was man einem andern zu leisten schuldig ist, oder was wir von einem andern als ein Recht fordern können. Einem die gebührende Ehre erweisen. Im Nieders. börlik.


Gebund (W3) [Adelung]


Das Gebund, des -es, plur. die -bünde, Diminut. das Gebündchen, Oberd. das Gebündlein, ein in den gemeinen Mundarten für das einfache Bund, fasciculus, übliches Wort. Ein Gebund Stroh. Bey den Buchbindern sind die Gebünde diejenigen Schnüre, worauf ein Buch geheftet wird.


Gebündestahl (W3) [Adelung]


Der Gebündestahl, des -es, plur. inus. S. Bürdestahl.


Gebürsch (W3) [Adelung]


Die Gebürsch, plur. inus. in einigen Oberdeutschen Gegenden, die Jagd, der Jagddistrict, für das einfache Bürsch, S. dasselbe.


Geburt (W3) [Adelung]


Die Geburt, plur. die -en, von dem Zeitworte gebären. 1. Der Zustand, da eine Person oder ein Thier weiblichen Geschlechtes gebäret, ingleichen der Zustand, da ein Kind oder Thier geboren wird, da denn dieses Wort so wohl von der Mutter, als von der Frucht gebraucht wird; größten Theils ohne Plural. 1) Eigentlich. In der Geburt begriffen seyn. Die Mutter starb in der Geburt. Das Kind blieb in der Geburt. Das Fest der Geburt Christi. Eine schwere Geburt haben. Von mehrern einzeln Fällen gebärender Personen gebraucht man auch den Plural. Eine Arzeney in schweren Geburten. 2) Figürlich. (a) Die Abstammung, das Geschlecht, so fern gewisse Eigenschaften von den Ältern auf die Kinder fortgepflanzet werden. Ein Edelmann von Geburt, ein geborner Edelmann. Er ist von vornehmer Geburt, von vornehmen Ältern geboren. Ein Mensch von niedriger Geburt. Nicht Erbrecht noch Geburt, das Herz macht groß und klein, Haged. (b) Der Anfang, die Entstehung einer Sache. Man muß die bösen Begierden in der Geburt ersticken. Wie sorgfältig sollte man seyn, den Fehler in seiner ersten Geburt zu bestrafen, ehe er unglücklich Gewohnheit wird! Gell. (c) Die weibliche Scham, in einigen Gegenden. 2. Die geborne oder zur Geburt bestimmte Frucht, doch nur in einigen Fällen. Eine unzeitige Geburt, welche nach dem Laufe der Natur zu früh geboren wird. Sich die Geburt abtreiben. Daher die Erstgeburt, Mißgeburt, Nachgeburt, Wundergeburt u. s. f.

Anm. Im Isidor Chiburdi, bey dem Ottfried Giburt, bey dem Notker Gepurt und Burt, im Nieders. Boord, im Angels. Gebyrte und Beorth, im Engl. Birth, im Holländ. Gheboorte, im Dän. Geburt, im Schwed. Börd. Notker gebraucht dieses Wort auch für Geschlecht, Bolk. Um der zwey End-Consonanten willen sollte der Ton in diesem Worte eigentlich geschärft seyn, wie es auch die Schlesier sprechen; allein weil es von gebären abstammet, so ist er gedehnt, nach dem Beyspiele von Art, Arzt, Bart, Bort, Krebs u. s. f.


Gebürtig (W3) [Adelung]


Gebürtig, ad. et adv. der Geburt nach herstammend. Aus Frankreich, Berlin gebürtig seyn. Im Nieders. bördig. Opitz gebraucht dieses Wort Ein Mahl für befindlich: Darinnen Schwefel auch gebürtig pflegt zu seyn. S. Bürtig.


Geburtregister (W3) [Adelung]


Das Geburtregister, des -s, plur. ut nom. sing. das Geschlechtsregister, ein im Hochdeutschen wenig bekanntes Wort, welches Esr. 2, 62; Nehem. 7, 64; 3 Esr. 5, 39 vorkommt.


Geburtsadel (W3) [Adelung]


Der Geburtsadel, des -s, plur. car. derjenige Adel, welcher durch die Geburt erlanget wird, der Erbadel, Standesadel; zum Unterschiede von dem Brief- oder Buchadel.


Geburtsbrief (W3) [Adelung]


Der Geburtsbrief, des -es, plur. die -e, ein Brief, d. i. Urkunde oder Schein, daß jemand ehrlich und frey geboren ist; ehedem der Mannrechtsbrief.


Geburtsfehler (W3) [Adelung]


Der Geburtsfehler, des -s, plur. ut nom. sing. ein angeborner Fehler.


Geburtsgeile (W3) [Adelung]


Die Geburtsgeile, plur. die -n, in der Zergliederungskunst, die zur Zeugung nöthigen Geilen bey dem männlichen Geschlechte; die Hoden. Auch bey dem weiblichen Geschlechte führen zwey runde Theile an den Seiten der Bärmutter, die so genannten Eyerstöcke, diesen Nahmen. S. Geile.


Geburtsglied (W3) [Adelung]


Das Geburtsglied, des -es, plur. die -er, in der anständigen Sprechart, das zur Fortpflanzung seines Geschlechts nöthige Glied, bey beyden Geschlechtern.


Geburtshelfer (W3) [Adelung]


Der Geburtshelfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arzt, welcher dem weiblichen Geschlechte in der Geburt Hülfe leistet; der Hebarzt, Franz. Accoucheur.


Geburtshülfe (W3) [Adelung]


Die Geburtshülfe, plur. inus. die Hülfe, welche gebärenden Weibern geleistet wird; Nieders. der Kinderfangst.


Geburtsjahr (W3) [Adelung]


Das Geburtsjahr, des -es, plur. die -e, das Jahr, in welchem man geboren ist.


Geburtsliste (W3) [Adelung]


Die Geburtsliste, plur. die -n, das Verzeichniß derjenigen, welche das Jahr über an einem Orte geboren sind.


Geburtsmahl (W3) [Adelung]


Das Geburtsmahl, des -es, plur. die -mahle, oder -mähler, S. Muttermahl.


Geburtsort (W3) [Adelung]


Der Geburtsort, des -es, plur. die -örter, der Ort, wo man geboren, aus welchem man gebürtig ist.


Geburtsschmerzen (W3) [Adelung]


Die Geburtsschmerzen, sing. inus. die Schmerzen, welche eine gebärende Person in der Geburt empfindet; das Kreißen. In Geburtsschmerzen liegen.


Geburtsstadt (W3) [Adelung]


Die Geburtsstadt, plur. die -städte, die Stadt, in welcher man geboren ist.


Geburtsstuhl (W3) [Adelung]


Der Geburtsstuhl, S. Gebärstuhl.


Geburtsstunde (W3) [Adelung]


Die Geburtsstunde, plur. die -n, die Stunde, in welcher man geboren ist.


Geburtstag (W3) [Adelung]


Der Geburtstag, des -es, die -e, der Tag, an welchem man geboren ist. Seinen Geburtstag feyern.


Gebüsch (W3) [Adelung]


Das Gebüsch, des -es, plur. die -e. 1) Ein Ort, der mit Buschwerk, d. i. Sträuchen oder Unterholz bewachsen ist. Ingleichen mehreres an einem Orte befindliches Unterholz. Sich in das Gebüsch verdecken. 2) Einzelne Sträuche oder Büsche; doch größten Theils nur im Oberdeutschen. Sanfte Entzückungen - lispeln ihm aus jedem Gebüsche, Geßn. S. Busch.


Geck (W3) [Adelung]


1. Der Geck, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, die Nath der Hirnschale bey dem Ohre an den Kalbs- und Schöppsköpfen. Den Geck stechen, diese Nath mit dem Messer öffnen. Einem den Geck stechen, figürlich, ihn zum Besten haben, seiner Einfalt spotten. Anm. Peucer versichert, daß auch die Fischohren oder Kiefer bey den Sachsen der Geckel genannt würden. Gemeiniglich leitet man dieses Wort von dem folgenden ab, weil ein Unvorsichtiger sich bey dem Stechen des Geckes leicht in die Finger steche. Allein es ist vermuthlich ein altes Stammwort, welches überhaupt eine Spalte oder Öffnung bedeutet hat, und zu dem Oberdeutschen Gauf, die hohle Hand, gehöret, indem die Blase- und Hauchlaute mehrmahls in einander übergehen; S. Gäspe. In Oberschwaben werden in den Steinbrüchen die Zwischenräume zwischen den Schieferplatten Gechtinen genannt.


Geck (W3) [Adelung]


2. Der Geck, des -en, plur. die -en, bey einigen auch des -es, plur. die -e, ein alberner, thörichter Mensch, ein Narr. Lassen sie den alten Gecken gehen. Jedes neue Kopfzeug und jedes neue Gesicht bringt einen Geck in Bewegung, Zimmerm.

Anm. Im Nieders. Geck, im Holländ. Gheek, im Dän. Giäk, im Engl. Geck, im Schwed. Geck, im Isländ. Gick, alle in der Bedeutung eines Narren. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort Gauch, bey den Schwäbischen Dichtern Gouch, Guoch, Giege, und gehöret mit demselben zum Geschlechte des Latein. Jocus; S. Gauch und Gaukeln. Das Hochd. schäkern ist durch Vorsetzung des Zischlautes davon hergeleitet.


Geck (W3) [Adelung]


3. Der Geck, des -en, plur. die -en, eine Art Ostindischer und Afrikanischer nackter Eidechsen mit hohen Füßen, weiten langen Gehörgängen, und fünf Zehen, von welchen es wiederum verschiedene Arten gibt; Geckus L. Er wird auch Gecko genannt, welches der Ostindische Nahme dieses Thieres zu seyn scheinet.


Geckelkraut (W3) [Adelung]


Das "Geckelkraut", des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, eine Benennung des "Spindelbaumes", "Evonymus Europaeus L." S. dieses Wort.


Gecken (W3) [Adelung]


Gecken, verb. reg. act. im gemeinen Leben einiger Gegenden, vexiren. Jemanden gecken oder ausgecken, seiner Schwachheit spotten; Nieders. geckscheren. In einigen Gegenden auch als ein Neutrum, sich als einen Geck betragen.


Geckenheil (W3) [Adelung]


Das Geckenheil, des -es, plur. car. S. Gauchheil.


Geckerey (W3) [Adelung]


Die Geckerey, plur. die -en, alberner Scherz; ingleichen höhnender Spott, im Dän. Giäkkerie.


Geckhaft (W3) [Adelung]


Geckhaft, -er, -este, adj. et adv. einem Gecken ähnlich. So auch die Geckhaftigkeit.


Gecko (W3) [Adelung]


Der Gecko, plur. ut nom. sing. S. 3. Geck.


Gedacht (W3) [Adelung]


Gedacht, S. Gedenken.


Gedächtniß (W3) [Adelung]


Das Gedächtniß, des -sses, plur. inus. von dem Zeitworte gedenken oder denken. 1) Das Andenken, die Erinnerung an eine vergangene Vorstellung oder Begebenheit. Das thut zu meinem Gedächtnisse. Etwas in frischem Gedächtnisse haben. König August glorwürdigsten Gedächtnisses. Dein verstorbener Bruder seligen Gedächtnisses. Ich habe es noch im frischen Gedächtnisse. Etwas zum ewigen Gedächtnisse aufschreiben. Seines Nahmens Gedächtniß stiften. 2) Das Mittel der Wiedererinnerung oder des Andenkens, ein Denkmahl; nur in einigen Fällen. Ein Ehrengedächtniß. Eines Gedächtniß ausrotten, dasjenige vernichten, was sein Andenken erhalten könnte. 3) Das Vermögen, sich gehabter Begriffe wieder bewußt zu seyn; die Erinnerungskraft. Etwas in das Gedächtniß fassen. Ein gutes, ein glückliches ein scharfes, ein starkes Gedächtniß, wenn man sich bey allem wohl besinnen kann, daß wir es vor diesem schon empfunden haben. Ein schlechtes, ein schwaches Gedächtniß. Das Gedächtniß verlieren, um sein Gedächtniß kommen. Etwas im Gedächtnisse behalten. Das Gedächtniß stärken. Etwas seinem Gedächtnisse einverleiben oder einprägen. Etwas aus dem Gedächtnisse lassen, es vergessen.

Anm. Im Nieders. nur Dechtniß. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist dieses Wort weiblichen Geschlechtes. Zu ewiger Gedechtniß, heißt es unter andern in dem 1514 gedruckten Deutschen Livius. Aber Übereilung ist es, wenn man daraus die Regel folgern will, daß dieses Wort in den beyden ersten Bedeutungen weiblichen, in der dritten aber ungewissen Geschlechtes ist. S. - Niß.


Gedächtnißbein (W3) [Adelung]


Das Gedächtnißbein, des -es, plur. die -e, in der Zergliederungskunst, das Bein des Hinterhauptes, welches dreyeckig und gemeiniglich sehr dick, bey dem großen Loche aber, durch welches das Rückenmark hinab steiget, sehr dünn ist; Os occipitis.


Gedächtnißfehler (W3) [Adelung]


Der Gedächtnißfehler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fehler, welcher aus Mangel oder Schwäche des Gedächtnisses begangen wird.


Gedächtnißkunst (W3) [Adelung]


Die Gedächtnißkunst, plur. inus. die Kunst, die Kraft des Gedächtnisses zu erweitern, besonders wenn solches vermittelst der Einbildungskraft geschiehet; Ars mnemonica.


Gedächtnißmünze (W3) [Adelung]


Die Gedächtnißmünze, plur. die -n, eine Münze zum Andenken einer merkwürdigen Begebenheit; eine Denkmünze, Medaille.


Gedächtnißrede (W3) [Adelung]


Die Gedächtnißrede, plur. die -n, eine Rede, welche zum Andenken eines Verstorbenen, einige Zeit nach der Leichenrede gehalten wird. Ist es eine Predigt, so heißt sie Gedächtnißpredigt.


Gedächtnißtag (W3) [Adelung]


Der Gedächtnißtag, des -es, plur. die -e, ein Tag, der dem feyerlichen Andenken einer Sache gewidmet ist. Die Feste sind jährliche Gedächtnißtage großer Wohlthaten Gottes.


Gedackt (W3) [Adelung]


Gedackt, adj. et adv. welches das alte Mittelwort des Zeitwortes decken, für gedeckt ist, und noch in dem Orgelbaue gebraucht wird, die mit einem Deckel verschlossenen Orgelpfeifen zu bezeichnen. Grob gedackt, ein sechzehenfüßiges, mittel gedackt, ein achtfüßiges, klein gedackt oder still gedackt, ein vierfüßiges Register solcher Pfeifen. S. Decken und Gedeck 3.


Gedanke (W3) [Adelung]


Der Gedanke, des -n, plur. die -n, bey einigen auch der Gedanken, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte denken. 1. Eigentlich und überhaupt, eine jede Vorstellung von einer Sache. In Gedanken seyn, in tiefen Gedanken stehen, auch wenn man sich dieser Vorstellungen nicht deutlich bewußt ist. In engerer Bedeutung verstehet man unter diesem Ausdrucke nur die mit Bewußtseyn verknüpften Vorstellungen. 1) Absolute. Es fallen mir allerley Gedanken ein. Seine Gedanken nicht beysammen haben, zerstreuet seyn. Fasse dich, sammle deine Gedanken, so viel wie möglich ist, Less. Etwas ohne Gedanken thun, ohne Richtung seiner Gedanken auf den gehörigen Gegenstand. Das ist mir nicht in die Gedanken gekommen. Sich der Gedanken entschlagen. Sich etwas in Gedanken vorstellen. Seinen Gedanken Audienz geben, im gemeinen Leben, allerley Vorstellungen nachhängen. Voller Gedanken seyn. In Gedanken seyn, in tiefen Gedanken sitzen, so an etwas denken, daß man sich und anderer Dinge außer sich nicht bewußt ist; im Nieders. mymern, welches mit dem Lat. memorari verwandt ist. Warum stehest du denn so in tiefen Gedanken? Er saß tief in Gedanken. Mein ganzer Gedanke bist du, Weiße. Von ihm zeugt jeder Gedanke unsrer Seele, Gell. Der große Gedanke, Gott regieret und ordnet die allgemeinen und besondern Schicksale der Menschen - ist göttliche Beruhigung des Herzens in Unfällen und Leiden, Gell. Er ist ein recht sanfter Mann, dem noch nie der Kopf von einem Gedanken weh gethan hat, Weiße. Ein lebhafter, starker, kühner, glänzender, körnichter, feiner Gedanke. 2) In Rücksicht auf einen besondern Gegenstand, mit dem Vorworte an. Es sey Krankheit, es sey Verlust der Güter dieses Lebens, - der Gedanke an die göttliche Vorsehung vermindert ihr Schmerzhaftes, Gell. Zuweilen auch mit der zweyten Endung. Diesen Gedanken seiner Unschuld - gäbe er für keine Welt, ebend. 2. Figürlich, mit verschiedenen Nebenbegriffen, theils in weiterer, theils in engerer Bedeutung. 1) Vom den mit einem Urtheile verbundenen Vorstellungen; am häufigsten im Plural. (a) Für Meinung. Er stand in den Gedanken, daß ich die Erbinn des Testamentes wäre. Ich war in den Gedanken, daß er heute nicht kommen würde. Er hat sehr hohe Gedanken von sich. Sie wäre es nach meinen Gedanken wohl werth. Jemanden auf bessere Gedanken bringen, ihm eine bessere Meinung beybringen. Wir haben einerley Gedanken. Jemanden seine Gedanken eröffnen. Auf andere Gedanken kommen. (b) Für Vermuthung. Wie können sie doch auf die Gedanken fallen? Ihr stetes Bethen und Singen bringt mich fast auf die Gedanken, daß sie nicht fromm ist, sondern nur fromm scheinen will, Gell. Ich komme fast auf die Gedanken, daß sie ihn nicht leiden kann. Sich arge, böse Gedanken von jemanden machen. Besonders von der Vermuthung einer unangenehmen Sache, für Argwohn. Wenn ich argwöhnisch wäre, so könnte ich mir allerhand Gedanken machen, Gell. 2) Von der Vorstellung einer abwesenden oder vergangenen Sache, für Erinnerung, Andenken; doch nur in einigen Fällen und im Plural. Ich will mir Sylvia aus den Gedanken schlagen, Gell. Sich Gedanken über etwas machen, darüber bekümmert seyn. 3) Von einer ganzen Reihe zusammen hängender Vorstellungen, für Betrachtung, und deren schriftlicher Aufsatz. Die letzten Gedanken sind immer reifer als die ersten. Ich hatte allerley Gedanken darüber. Sterbensgedanken. Gedanken über den zwischen Rußland und der Pforte geschlossenen Frieden. 4) Von der Vorstellung einer künftigen Sache als wahrscheinlich, auch nur im Plural; besonders von einer angenehmen, für Hoffnung. Er macht sich die Gedanken, er werde das Amt erhalten. Seine Gedanken sind ihm fehlgeschlagen. In ihren Gedanken ist sie schon gnädige Frau. 5) Von der Vorstellung einer Absicht, für Entschließung, Vorhaben; gleichfalls nur im Plural. Friedensgedanken, Kriegesgedanken haben. Ich gehe mit den Gedanken um zu verreisen. Diese Gedanken sind mir vergangen. Gott erhalte ihn bey diesen Gedanken! Bleib bey den Gedanken, du wirst wohl dabey fahren, Gell. In der Deutschen Bibel wird es auch mehrmahls von sinnlichen Begierden gebraucht. 6) Die ersten Ideen, welche der Künstler auf das Papier entwirft, in der Zeichenkunst und Mahlerey.

Anm. Dieses Wort lautet um das Jahr 790 Gidachtdi, gleichsam Gedächte, aber schon bey dem Kero Kedanc, Kidancha, bey dem Ottfried Githang, bey dem Willeram Gedank, im Angelsächsischen Gedhanc. Im Isidor bedeutet Chidanc den Verstand. Das einfache Dank, welches auch noch in dem Schwedischen Thanke und Niedersächsischen Dank vorhanden ist, ist auch im Oberdeutschen nicht selten. Die Nacht hett er manchen Dannck Theuerd. Kap. 68. In solchen Dannkchen reyt er weg, ebend. Ottfried gebraucht dafür auch Thahti. In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, ist dieses Wort weiblichen Geschlechtes, die Gedanke. S. Denken und Gedenken.


Gedankenbein (W3) [Adelung]


Das Gedankenbein, des -es, plur. die -e, in der Zergliederungskunst, die Beine des Vorderhauptes oder des Wirbels, welche von andern die Seitenbeine, Vernunftbeine, Nervenbeine oder Bogenbeine genannt werden; Ossa Bregmatis.


Gedankenleer (W3) [Adelung]


Gedankenleer, -er, -ste, adj. et adv. ohne Gedanken, und in engerer Bedeutung ohne wichtige, ohne vernünftige, oder doch ohne die zur Sache gehörigen Gedanken, ohne Nachdenken. Gedankenleer ist sie wie du. Ein gedankenleeres Gedicht, welches keine dichterische Gedanken hat.


Gedankenleere (W3) [Adelung]


Die Gedankenleere, plur. inus. der Zustand einer Person oder Sache, da sie gedankenleer ist.


Gedankenlos (W3) [Adelung]


Gedankenlos, -er, -este, adj. et adv. wie gedankenleer. Eine gedankenlose Andacht. Der Mystiker, der sich in gedankenlosen Entzückungen mit der Gottheit auf das genaueste verbunden glaubt, Zimmerm.


Gedankenlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Gedankenlosigkeit, plur. inus. der Zustand einer Person oder Sache, da sie gedankenlos ist, die Gedankenleere. Ich stand in Gedankenlosigkeit da.


Gedankenstrich (W3) [Adelung]


Der Gedankenstrich, des -es, plur. die -e, eine Benennung desjenigen orthographischen Zeichens, welches in einem oder mehrern Querstrichen bestehet, und vornehmlich in folgenden Fällen gebraucht wird. 1) Als ein Zeichen eines abgebrochenen Gedanken, bey welchem der Leser das übrige hinzu denken soll. Sie sind für mich ein zweyter Vater, und ich werde niemahls vergessen, daß - Halten sie ein, erwiderte er, u. s. f. Ja du sollst - hier starb der Hund, Gell. 2) Abgebrochene, oder nicht genau zusammen hängende Theile einer Rede zu bezeichnen. Doch - verstummet schwache Saiten - Trauret - Doris hört euch nicht - 3) Als ein Zeichen der Aufmerksamkeit vor derjenigen Wörtern, auf welchen ein besonderer Nachdruck liegen soll. Ich bin ein Lamm, der Schäfer Freude, Ein zartes Lamm, und - ohne Räude, Kretschmann. Wohlan; so zeuch, und - brich den Hals! ebend. 4) Als ein Auslassungszeichen, wenn man ein oder mehrere Worte, ja ganze Sätze auslässet. Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt - denselben werde ich mir sehen, u. s. f. Hiob 19, 25, 27. 5) Als ein Einschließungszeichen. Den jeder Patriot am liebsten da belauschte, Wo - wie ihr aus dem Dante wißt - Papst Anastas für seine Sünden büßt, Wagner. In allen diesen Fällen wird die Häufung dieser Striche dem Leser nur zu oft unangenehm und ekelhaft. In manchen Schriften findet man dafür auch wohl doppelte Striche - - oder Punkte ...


Gedärm (W3) [Adelung]


Das Gedärm, des -es, plur. inus. oder die Gedärme, sing. inus. die Sammlung aller Därme in einem Körper, als ein Collectivum. Schmerzen in dem Gedärme haben. Das Reißen in den Gedärmen. Das dünne Gedärm, welches zunächst am Magen liegt, zum Unterschiede von dem dicken. In den niedrigen Sprecharten die Kaldaunen; von kleinen Thieren und Fischen in Niedersachsen das Küt; von dem Wildbrete das Gescheide. S. Darm.


Gedeck (W3) [Adelung]


Das Gedeck, des -es, plur. die -e. 1) Dasjenige, womit eine andere Sache gedeckt oder bedeckt wird, besonders dasjenige, womit ein Gebäude gedeckt wird. 2) Für das Französische Couvert. Die Tafel bestand aus drey Gedecken, sie war für zwölf Personen gedeckt. 3) So viel leinenes Tischzeug, als zum Einmahligen Decken erfordert wird. Ein Gedeck bestehet aus einem Tischtuche und einer beliebigen Anzahl Servietten. 4) In den Orgeln, ein Register gedeckter oder gedackter Pfeifen. S. Gedackt.


Gedeihen (W3) [Adelung]


Gedeihen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn zu sich nimmt; Imperf. ich gedieh; Mittelw. gediehen; Imperf. gedeih. 1. Eigentlich, der Ausdehnung, dem äußern Umfange nach größer werden, von Menschen und Thieren. Star isset viel, aber er gedeihet nicht dabey, er wird nicht genähret, nimmt nicht zu. Das Vieh gedeihet vortrefflich. Ingleichen für nähren, mit der dritten Endung der Person. Grobe Kost gedeihet den Handarbeitern besser als Leckerbissen. Er isset viel, aber es gedeihet ihm nicht, es gereicht ihm nicht zur Nahrung, er nimmt dabey nicht zu. 2. Figürlich. 1) Wachsen, S. Gediegen. 2) Der Zahl nach zunehmen, ingleichen an äußerm Wohlstande zunehmen. Die Kinder der Ehebrecher gedeihen nicht, Weish. 3, 16. Ein Bienenstock gedeihet, wenn er an Volk und Werk zunimmt, wofür man in Niedersachsen auch wudeln und faseln gebraucht. Unrecht Gut gedeihet nicht. 3) Gerathen, einen erwünschten Wachstum und Fortgang haben. Das Getreide würde gediehen seyn, wenn die Witterung nicht so naß gewesen wäre. Der Flachs ist vortrefflich gediehen. Das wird dir nicht gedeihen. Seine Anschläge gedeihen nicht. Gott must das Gedeihen zu unserer Arbeit geben. Im Mecklenburg jahren. 4) Ausschlagen, zum Nutzen oder Schaden gereichen. Das wird zu deinem Verderben gedeihen. Das gedeihet ihm zur Ehre, zum Spotte, zur Schande. Sagen sie, wie gedieh mir Lamm dieser Trost? Hermes. Es ist ihm übel gediehen, bekommen. In dieser und den beyden folgenden Bedeutungen fängt es an im Hochdeutschen seltener zu werden. 5) Kommen, gerathen. Dadurch nemens an narung ab, gedeyhen an den bettelstab, S. Sachs. Die Sache ist auf das Äußerste gediehen. Laß mich nicht unter die gedeyen, Wo stolz Frevel sich befindt, Opitz Ps. 140. Herr ich bitte, laß mein Schreyen Für dein treues Ohr gedeyen, ebend. Ps. 86. 6) Werden, entstehen. Wenn die redlichsten Absichten zu weiter nichts führen, als zu einem lächerlichen Zwecke, so gedeihet niemahls ein Verdienst daraus, Abt. 7) * Bleiben, fortdauern; eine im Hochdeutschen ganz veraltete Bedeutung. Ihre Gemeine soll vor mir gedeyen, Jer. 30, 20. Ihr Same wird für dir gedeyen, Ps. 102, 29. Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Ottfried kedihen, bey dem Stryker gedeichen, bey dem Notker gediehen, und zwar in den meisten der obigen Bedeutungen. Das einfache deihen kommt bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern noch häufiger vor. Bey dem Ottfried lautet es thihan, wo es wachsen, zunehmen, zum Nutzen gereichen, bedeutet. Das Nieders. digen, diggen, das Goth. teihan, das Schwed. taga, das Isländ. tia, und das Angels. thean haben das verlängernde ge gleichfalls nicht. Es stammet von dicht und dick her. In Hamburg bedeutet deyen und uthdeyen, aufquillen, und bey dem Notker ist Diehseme die Frucht. S. Dicht, Gediegen, Taugen und Teig. Die Schreibart gedeyen, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt, ist veraltet.


Gedeihen (W3) [Adelung]


Das Gedeihen, des -s, plur. car. der Infinitiv des vorigen Zeitwortes, als ein Hauptwort gebraucht, die Zunahme, der Wachstum, so wohl an körperlichem Umfange, als auch an einem jeden äußern Wohlstande. Gott gibt das Gedeihen, 2 Cor. 3, 6, 7. Ingleichen der glückliche Erfolg einer Handlung. In den gemeinen Mundarten das Gedeig, Gedik, im Nieders. die Dege, so wie Undege daselbst Abnahme bedeutet. Ehedem war auch Gedey in diesem Verstande üblich. Dieweil Mann und Weib auf gleichen Gedey und Verderb ihrer Güter sitzen, heißt es in der Danziger Willkühr.


Gedeihlich (W3) [Adelung]


Gedeihlich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Was das Gedeihen oder die Zunahme an körperlichem Umfange befördert. Fische sind keine gedeihliche Speise, nähren schlecht. Das Stroh wird dieses Mahl zur Viehfütterung nicht recht gedeihlich seyn. Ein gedeihlich Naß, Logau, ein fruchtbarer Regen. 2) Heilsam, erwünscht, glücklich. Einem alles gedeihliche Wohlergehen anwünschen. Seine Sache ist es nicht, in der Geschwindigkeit eine gedeihliche Antwort zu finden. So auch die Gedeihlichkeit.


Gedenken (W3) [Adelung]


Gedenken, verb. irreg. act. ( S. Denken,) welches in allen den Bedeutungen gebraucht wird, in welchen dieses einfache Zeitwort üblich ist. 1. Eigentlich, Vorstellungen mit Bewußtseyn haben; so wohl 1) absolute, wo doch denken im Hochdeutschen üblicher ist. Ich gedachte, vielleicht ist keine Gottesfrucht an diesen Orten, 1 Mos. 20, 11; und so in vielen andern Stellen mehr. Im Oberd. sagt man auch häufig, ich gedenke mir, für: ich denke bey mir selbst. Unfallo gedacht ihm, Theuerd. Als auch, 2) in Rücksicht auf einen besondern Gegenstand, mit dem Vor- worte an. Woran gedenken sie? Wenn er sein Wort Ein Mahl gegeben hat, so ist an keinem Widerruf zu gedenken, so ist kein Widerruf zu hoffen. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung. Gedenk ich deiner Treu, Günth. 2. Figürlich, mit verschiedenen Nebenbegriffen. 1) Für dafür halten, glauben, vermuthen, wo das einfache denken im Hochdeutschen gleichfalls üblicher ist. Ich gedachte, ich möchte vielleicht sterben müssen, 1 Mos. 26, 9. 2) Sich eine vergangene oder abwesende Sache vorstellen, für erinnern. Bey Menschen Gedenken, so lange Menschen denken, d. i. sich erinnern können. Der Gegenstand bekommt am häufigsten das Vorwort an. Ich wollte wünschen, daß sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, Gell. Die Haut schauert mir noch, wenn ich daran gedenke. Ich gedenke nicht mehr daran. Du sollst an mich gedenken. Ingleichen mit dem Nebenbegriffe der thätigen Erweisung dieser Erinnerung, besonders in der biblischen Schreibart. Gedenke, daß du den Sabbath heiligest. Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend. Im Oberdeutschen sehr häufig auch mit der zweyten Endung der Sache. Gedenke meiner, wenn dirs wohl geht, 1 Mos. 40, 14. Des Herrn gedenken, Es. 46, 9; und so in vielen andern Stellen mehr. 3) Erwähnen; in welcher Bedeutung es häufiger gebraucht wird, als das einfache denken, und alsdann die zweyte Endung der Sache bekommt. Eines im Besten gedenken. Eines in seinem Gebethe gedenken. Eines in allen Ehren gedenken. Dessen nicht zu gedenken. Er gedenkt der Freundschaft mit keinem Worte. Sein werd' in aller Welt gedacht, Gell. Zuweilen auch mit der vierten Endung. Ich wills nicht mehr gedenken. In eben diesem Verstande wird auch das Mittelwort gedacht von Dingen gebraucht, deren man vorher Erwähnung gethan hat. Er ließ sich den gedachten Antrag gefallen. Obgedacht, mehrgedacht, in den Kanzelleyen, wofür in denselben, besonders im Oberdeutschen, auch wiederhohlt, mehrbemeldet, ermeldet, erhohlt, gleich erhört, oberzählt, obangezogen, vorangeregt, vorangedeutet, vorentworfen, eröstert, erdeutet, vorersagt, besagt, hierobig, erst erwähnt, oft berührt u. s. f. üblich sind. 4) Nachdenken, überlegen; wo doch im Hochdeutschen denken üblicher ist. 5) Hoffen. Gedenken sie mit ihrer Braut eine zufriedene Ehe zu führen? Gell. Wir gedenken alle alt zu werden, Sir. 8, 7. 6) Vorhaben, Willens seyn. Ich gedenke eine Reise zu thun. Wo gedenken sie hin? Ihr gedachts böse mit mir zu machen, 1 Mos. 50, 20. Sie gedachten mich zu erwürgen, Richt. 20, 5; und so in andern Stellen mehr, wo es in dieser Bedeutung auch einige Mahl mit den Vorwörtern über und wider vorkommt. 7) Einem etwas gedenken, den Beleidiger die Folgen des Andenkens an eine Beleidigung empfinden lassen, sich dafür künftig an ihm rächen. Ich will es ihm schon noch gedenken. Ich gedenke es dir gewiß. In welchem Verstande das einfache denken nicht gebraucht wird.

Anm. Schon bey dem Ottfried githenkan. S. das einfache Denken. Statt der im Oberdeutschen üblichen Zusammensetzungen, Gedenkmahl, Gedenkpfennig, Gedenkspruch, Gedenkzeichen, Gedenkzettel u. s. f. sind im Hochdeutschen die einfachern Denkmahl, Denkpfennig u. s. f. gewöhnlicher.


Gedeyen (W3) [Adelung]


Gedeyen, S. Gedeihen.


Gedicht (W3) [Adelung]


Das Gedicht, des -es, plur. die -e, Diminut das Gedichtchen, von dem Zeitworte dichten, doch von dessen vier Bedeutungen im Hochdeutschen nur in folgenden zwey Fällen. 1) Eine Erdichtung, ein in der Einbildung zusammen gesetztes Ding, welches man nicht also empfunden hat, ein Mährchen. Diese Erzählung ist ein bloßes Gedicht. S. 2 Dichten 3. 2) Eine vollkommen sinnliche Rede, in den schönen Künsten. Ein Gedicht machen, verfertigen. Schade, daß sie das Gedichtchen nicht vollendet haben. Ein geistliches, weltliches, verliebtes Gedicht u. s. f. Ein Heldengedicht, Hirtengedicht, Trauergedicht u. s. f. Im Dän. Digt, im mittlern Lat. Dictamen. S. 2 Dichten 4. 5).


Gediegen (W3) [Adelung]


Gediegen, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes gedeihen nach einer härtern Aussprache ist, für gediehen. Es bedeutet dicht, derb, besonders im Bergbaue. Gediegenes Gold, gediegenes Silber, gediegenes Zinn u. s. f. welches in reiner Gestalt von der Natur hervor gebracht worden, zum Unterschiede von dem Erze, oder vererzten Metallen, welche mit allerley fremdartigen Theilen vermischt sind; gewachsenes Gold, gewachsenes Silber, weil das Zeitwort deihen und gedeihen ehedem auch für wachsen gebraucht wurde. Böhm. dygnowito. Ein Leuchter von gediegenem Silber, von massivem Silber, der durchaus von Silber ist. Nieders. klamm, Dän. gedien. Bey dem Ottfried bedeutet githiganaz vollkommen.


Gedinge (W3) [Adelung]


1. Das Gedinge, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte dingen, der Vertrag über den Preis einer Waare oder einer Arbeit. Ein Gedinge über eine Arbeit machen, einem eine Arbeit im Ganzen verdingen, zum Unterschiede des Tagelohnes. Der Arbeitslohn im Gedinge, zum Unterschiede des Tagelohnes. Wegen des Hufschlages mit dem Schmid ein Gedinge machen, ihm denselben auf ein ganzes Jahr verdingen. Im Bergbaue bedeutet dieses Wort besonders einen Vertrag auf Gewinn und Verlust, und die auf solche Art verdungene Arbeit. Sein Gedinge redlich auffahren, die verdungene Arbeit redlich verrichten. Sein Gedinge abgeben, sie vollenden.

Anm. Ehedem bedeutete dieses Wort noch: 1) Einen jeden Vertrag, er sey von welcher Art er wolle; bey dem Notker Gedinge, bey welchem auch dingan einen Vertrag machen, sich vergleichen bedeutet. 2) Eine Bedingung, in welchem Verstande es noch zuweilen im Oberdeutschen vorkommt. 3) Eine gedungene oder gemiethete Sache, in welcher Bedeutung es Apost. Gesch. 28, 30, von einer gemietheten Wohnung gebraucht wird. Paulus blieb zwey Jahr in seinem eigenen Gedinge. 4) Gehalt, Renten. Ein jährliches Gedinge, Leibrenten, im Oberdeutschen. S. Leibgedinge. 5) Die Hoffnung, in welchem Sinne der Giding, Keding, gidingan, hoffen, bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern häufig sind. 6) Eine Anwartschaft, Expectanz, bey dem Besold. 7) Das Gericht, die Gerichtsstelle, die Gerichtbarkeit. S. Ding und Dingen. Das e am Ende ist das e euphonicum, ohne welches das g wider die Aussprache wie ein gelindes k lauten würde.


Gedinge (W3) [Adelung]


2. Das Gedinge, des -s, plur. car. ein wiederhohltes oder anhaltendes Dingen oder Handeln, im verächtlichen Verstande. Ist das nicht ein Gedinge.


Gedingearbeit (W3) [Adelung]


Die Gedingearbeit, oder Gedingarbeit, plur. die -en, eine im Ganzen verdungene Arbeit, besonders im Bergbaue.


Gedingebuch (W3) [Adelung]


Das Gedingebuch, des -es, plur. die -bücher, ein Rechnungsbuch über die Gedingearbeit, im Bergbaue.


Gedingegeld (W3) [Adelung]


Das Gedingegeld, des -es, plur. von mehrern Summen, die -er, der verglichene Lohn für eine verdungene Arbeit, besonders im Bergbaue.


Gedingegezäh (W3) [Adelung]


Das Gedingegezäh, des -es, plur. die -e, das Werkzeug eines Gedingehäuers, im Bergbaue. S. Gezäh.


Gedingehäuer (W3) [Adelung]


Der Gedingehäuer, oder Gedingehäuer, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Bergmann, der auf Gedinge, d. i. mit dem Geschwornen auf Gewinn und Verlust arbeitet, zum Unterschiede von einem Lohnhäuer.


Gedingestufe (W3) [Adelung]


Die Gedingestufe, plur. die -n, im Bergbaue, ein Zeichen, welches von dem Geschwornen bey der Verdingung in das Gestein gehauen wird. S. Stufe.


Gedoppelt (W3) [Adelung]


Gedoppelt, adj. et adv. welches mit dem einfachen doppelt einerley Bedeutung hat. Ein gedoppelter Faden. Gedoppelt gestraft werden. Gedoppelten Lohn bekommen. Aber gedoppelt glücklich ist, der sein Glück mit einer Gattinn theilt, Geßn. Seit du der Segen meiner Hütte bist, seitdem ist mir alles mit gedoppelter Anmuth geschmückt, ebend.


Gedränge (W3) [Adelung]


Gedränge, in den breitern Mundarten gedrange, -r, -ste, adj. et adv. gedrängt, nahe an einander oder an andere Körper gedrückt. Wir sitzen sehr gedränge, enge an einander. Der Stämpel muß sehr gedränge in die Pumpe gehen. Dann lehret ihn die Noth schmal und gedrangeliegen, Günth. Nieders. drange, klamm. Im Oberdeutschen auch für enge. Ein gedranger Ort, eine gedrange Stube. S. Drängen.


Gedränge (W3) [Adelung]


Das Gedränge, des -s, plur. inus. 1. Ein mehrmahliges oder anhaltendes Drängen. Es war ein außerordentliches Gedränge. 2. Ein Haufe mehrerer Menschen oder Thiere, welche einander drängen. 1) Eigentlich. In das Gedränge kommen, gerathen, in einen solchen Haufen gerathen. Sich aus dem Gedränge machen. Es wurden verschiedene Menschen in dem Gedränge verwundet. 2) Figürlich. (a) Dem Gedränge der Stadt entweichen. Edle Seelen entdecken einander mitten in dem Gedränge der Welt, Gell. (b) Es ist nicht viel Gedränge nach der Waare, sie wird nicht begierig gesucht. (c) Noth, Verlegenheit. In das Gedränge kommen, gerathen. Im Gedränge stecken.

Anm. Bey dem Ottfried Githrengi, bey dem Notker Gedrange, bey dem Stryker Gedranc, im Nieders. Drang, im Engl. Throng. S. Drang und Drängen.


Gedritt (W3) [Adelung]


Gedritt, adj. aus drey Einheiten oder Theilen bestehend. Eine gedritte Zahl. Ein Gedrittes. Der gedritte Schein, in der Astrologie, derjenige Gestirnstand, wenn die Planeten 120 Grade von einander entfernt sind, welcher Stand durch ein Dreyeck - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bezeichnet wird; Trigonum oder Trinum. Ein Gedrittes haben, im Picket, drey Blätter von einer Farbe. S. Gefünft, Gesechst, Geviert.


Geduld (W3) [Adelung]


Die Geduld, plur. car. von dem Zeitworte dulden. 1) Das Beharren, das Verbleiben an einem Orte. Er hat an keinem Orte lange Geduld. Einen kleinen Augenblick Geduld! d. i. ein wenig gewartet! Von der veralteten Bedeutung des Zeitwortes dulden, da es warten, verharren bedeutete, bey dem Ottfried gidualen, im Schwed. tola; S. Gedulden 1. 2) Die tugendhafte Mäßigung seiner Traurigkeit oder seines Unwillens in unangenehmen Empfindungen, besonders in einem hohen Grade derselben. Etwas mit Geduld ertragen. Man muß Geduld haben. Eines Geduld prüfen. Die Geduld verlieren. Die Gelassenheit wird in großen und langwierigen Übeln zur Geduld, Gell. 3) Die Liebe gegen andere, in so fern sie Fehler zu Gute hält, und deren Bestrafung aufschiebet; die Langmuth. Geduld mit einem haben, Nachsicht gegen ihn gebrauchen. Haben sie Geduld mit einem armen unerfahrnen Mädchen. Eines Geduld mißbrauchen. Etliche Tage mit seinem Schuldner Geduld haben. 4) Der Schutz vor der Witterung, im gemeinen Leben einiger Gegenden. Ein Baum stehet in der Geduld, wenn er an einem Orte stehet, wo ihn die Winde nicht treffen. Dieß Zimmer liegt in der Geduld, wenn es vor Wind und Wetter gedeckt ist.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Kero Kidult, bey dem Notker Gedult, im Angels. Gethyld, Kidhult und Tholemotnesse, im Dän. Gedult. Ehedem war auch das einfache Dult sehr üblich, welches bey dem Ulphilas Thaulaini, und bey dem Ottfried Thulti lautet. Es stammt von dulden her, welches das Intensivum von dem veralteten dolen ist. S. Dulden. Die dieses Wort mit einem harten t, Gedult schreiben, folgen der härtern Oberdeutschen Mundart, welche auch das Zeitwort dulten oder tulten schreibt und spricht.


Gedulden (W3) [Adelung]


Gedulden, verb. reg. reciproc. Geduld haben, in den drey ersten Bedeutungen des Hauptwortes. 1) Mit Gelassenheit an einem Orte verharren. Gedulden sie sich doch noch einen Augenblick hier. Ingleichen mit Gelassenheit warten. Nun, nun, gedulden sie sich immer, es wird am längsten gewähret haben. Gedulden sie sich nur bis um vier Uhr. 2) Widerwärtigkeit, Schmerzen mit Mäßigung ertragen. Gedulden sie sich; es wird noch alles gut werden. 3) Nachsicht gegen die Fehler anderer haben, doch nur von der Nachsicht, welche man gegen einen säumigen Schuldner hat, im gemeinen Leben. Ich habe mich schon zu lange geduldet.

Anm. Bey dem Kero kedulten, bey dem Ottfried gidualen wo es aber auch für das einfache dulden gebraucht wurde. Noch jetzt sagt man im Oberdeutschen, alles gedulden, für dulden, leiden.


Geduldhahn (W3) [Adelung]


Der Geduldhahn, des -es, plur. die -hähne, im Hildesheimischen, ein Hahn oder Huhn, welches von Eheleuten, welche keine Kinder zeugen, dem Pfarrer jährlich gegeben werden muß, damit er wegen des Abganges an den Taufgebühren mit ihrer Schwachheit Geduld habe.


Geduldig (W3) [Adelung]


Geduldig, -er, -ste, adj. et adv. Geduld habend, in der Geduld gegründet; in den drey ersten Bedeutungen des Hauptwortes. Die Predigt geduldig auswarten. Alle Schmerzen geduldig ertragen. Bey allem geduldig seyn. Sprichw. Geduldiger Schafe gehen viel in Einen Stall. In der dritten Bedeutung der Nachsicht, wird es am häufigsten nur von Gott gebraucht, besonders in der biblischen Schreibart.

Anm. Im Nieders. duldig, bey dem Ottfried thultig, bey dem Kero dultig und kedultlihho, wovon das veraltete geduldiglich noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt. Im Oberdeutschen ist statt desselben auch gedultsam, dultsam, gedultmüthig, Angels. tholemod, und für Geduld auch Geduldigkeit, Geduldsamkeit, Dultmüthigkeit, Nieders. Leidsamkeit üblich.


Gedunsen (W3) [Adelung]


Gedunsen, S. Dunsen.


Geere (W3) [Adelung]


Die Geere, der Keil, Falte, Wachsscheiben u. s. f. S. Gehre.


Geest (W3) [Adelung]


* Die Geest, plur. inus. in Niedersachsen, besonders in Schleswig und Holstein, hohes oder erhabenes Land, welches daher sandig, trocken und unfruchtbar ist; Geestland, die Heide, im Gegensatze der Marsch oder des Marschlandes.

Anm. Dalin leitet dieses Wort, welches in Ostfrießl. Gaste, in andern Niedersächsischen Gegenden aber Göst, Göse lautet, von dem alten Göya, die Erde, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, her, Popowitsch aber hält die Abstammung für ungewiß. Allein es gehöret wohl ohne Zweifel entweder zu dem Dithmarsischen gose, Schwed. gist, Wallis. gwyste, und Nieders. güst, trocken, unfruchtbar, oder auch zu dem Lat. vastus, und Deutschen wüst; zumahl da im mittlern Lat. auch Gastum so wohl ein unfruchtbares Land, als auch den Brachacker bedeutet. S. Güst. Geestknabbe, ist in Niedersachsen ein Schaf vom hohen Geestlande; ein Heideschaf.


Geestland (W3) [Adelung]


Das Geestland, des -s, plur. die -länder, S. die Geest.


Geestvogtey (W3) [Adelung]


* Die Geestvogtey, plur. die -en, in Schleswig und Holstein, eine Vogtey auf der Geest, im Gegensatze der Marschvogtey.


Gefahr (W3) [Adelung]


Die Gefahr, plur. die -en, die nahe Möglichkeit eines Übels, und dieses mögliche Übel selbst. In Gefahr kommen, gerathen. In Gefahr seyn, sich in Gefahr befinden. Gefahr laufen, in Gefahr seyn oder gerathen. Sich in Gefahr begeben. Jemanden in Gefahr setzen, bringen, stürzen. Der Gefahr entgehen. Die Gefahr abwenden. Es ist Gefahr dabey, die Sache ist mit Gefahr verbunden. Es hat keine Gefahr, es ist keine Gefahr vorhanden. Mit ihm hat es keine Gefahr, er befindet sich in keiner Gefahr. Außer aller Gefahr seyn. Auf deine Gefahr will ich es wagen. Der Mensch hat an seinem Gesichte den wachsamsten Hüther wider die Gefahren des Lebens, Gell. Konntest du anders denn nichts, denn schwarze Gefahren verlangen? Zach. So viel Gefahren, mit denen ihr ihn ringen saht, Raml.

Anm. Statt dieses Wortes ist das einfache Fahr lange Zeit üblich gewesen, und im Nieders. ist noch Vare gewöhnlich. Bey dem Ottfried lautet es Fara, bey den Schwäbischen Dichtern Var, im Schwed. Fara, im Dän. Far, im Engl. Fear, im Holländ. Vaer. Es war ehedem von einem weitern Umfange der Bedeutung, welchen es in den verwandten Sprachen noch hat, und druckte eigentlich die Furcht, figürlich aber auch dasjenige aus, was Furcht erwecket, nehmlich Gefahr, ingleichen Hinterlist im gesellschaftlichen Leben, und die darauf gesetzte Strafe, für welche verschiedene Bedeutungen im Hoch- und Oberdeutschen die Wörter Furcht, Gefahr, Gefährde eingeführet worden; S. dieselben, ingleichen Befahren. Das einfache Fahr kommt noch in der Deutschen Bibel vor, S. Fahr. Das Lat. Periculum gehöret seiner ersten Hälfte nach gleichfalls hierher. So sehr der Plural dieses Wortes, wenn es das mögliche Übel bezeichnet, der Sache selbst und der Sprachähnlichkeit gemäß ist, so hat man doch lange Bedenken getragen, denselben zu gebrauchen, bis er endlich in den neuern Zeiten allgemeiner geworden ist.


Gefährde (W3) [Adelung]


Die Gefährde, plur. die -n, eine im Hochdeutschen größten Theils veraltete Oberdeutsche Form des vorigen Wortes. 1) * Gefahr; in welchem Verstande es im Hochdeutschen nicht mehr gebraucht wird. Wer das nicht wahrnimmt, kommt in Gefehrd seiner Gesundheit, Ryff im Spiegel der Gesundheit. Ein Wucher bringet nicht Gefährde Den Wirthe treiben mit der Erde, Logau. 2) Arglist, vorsetzlicher Betrug im gesellschaftlichen Leben. So kommt Faru und Fara schon bey dem Ottfried vor, und das Nieders. Vare hat noch eben dieselbe Bedeutung. Unfallo redt das mit geferdt, mit Arglist, Theuerd. Kap. 55. Und wer euch antast mit geferde; S. Sachs. In diesem Verstande wird es noch in den Rechten gebraucht. Treulich und ohne Gefährde, ist eine bekannte Clausel in allen Verträgen. Der Eid für die Gefährde, der Eid, daß man in dieser Sache keine wissentliche Ungerechtigkeit begehe, daß man eine gerechte Sache zu haben glaube, Juramentum calumniae, im mittlern Lateine auch Juramentum de Vara, Nieders. der Vareed, Voreed, Schwed. Fared. In beyden Fällen kommt bey dem Opitz und ältern Schriftstellern auch das kürzere Gefähr vor; S. Ungefähr.


Gefahrdeich (W3) [Adelung]


Der Gefahrdeich, des -es, plur. die -e, in den Niedersächsischen Marschländern, ein Deich, vor welchem sich kein Vorland, sondern nur Wasser befindet, der daher der Gefahr mehr ausgesetzt ist als andere.


Gefährden (W3) [Adelung]


Gefährden, verb. reg. act. im gemeinen Leben und den Rechten, in Gefahr stürzen, wie das einfache fährden. Ich bin dabey nicht gefährdet, keiner Gefahr ausgesetzet. Sich selbst gefährden, im Oberd. sich in Gefahr stürzen. Schon bey dem Ottfried bedeutet gifaren schaden. S. Fährden.


Gefahre (W3) [Adelung]


Das Gefahre, plur. car. ein wiederhohltes oder anhaltendes Fahren, im gemeinen Leben. Es ist ein beständiges Gefahre auf der Gasse.


Gefährlich (W3) [Adelung]


Gefährlich, -er, -ste, adj. et adv. Gefahr bringend, mit Gefahr verbunden. Es ist hier sehr gefährlich zu reisen. Gefährlich krank seyn. Eine gefährliche Krankheit. Einen gefährlichen Fall thun. Die Sache ist gefährlich. Aller Aufschub ist gefährlich. Bey diesen gefährlichen Zeiten. Sie machen es auch gar zu gefährlich. In der Deutschen Bibel noch mehrmahls fährlich, S. dieses Wort.

Anm. Im Nieders. värlik, im Dän. farlig, im Schwed. farlich. Schon das Angels. faerolic bedeutete außerordentlich, daher noch der große Haufe gefährlich groß, gefährlich schön, für vorzüglich groß, vorzüglich schön sagt. Im Schwabensp. ist geverlig arglistig, mit Gefährde.


Gefährlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gefährlichkeit, plur. die -en. 1) Die Eigenschaft einer Sache, da sie gefährlich ist; ohne Plural. Die Gefährlichkeit eines Anschlages, eines Unternehmens, eines Ortes. 2) Die gefährliche Sache selbst, die Gefahr. Bevorstehende Gefährlichkeiten, 4 Esr. 9, 8. S. Fährlichkeit.


Gefahrlos (W3) [Adelung]


Gefahrlos, -er, -este, adj. et adv. der Gefahr beraubt, mit keiner Gefahr verbunden. So auch die Gefahrlosigkeit.


Gefährt (W3) [Adelung]


Das Gefährt, des -es, plur. die -e, ein nur im gemeinen Leben übliches und von Fahrt und Fährte gebildetes Wort. 1) Ein Fuhrwerk, ein Wagen; in welchem Verstande es besonders am Ober-Rheine gebraucht wird. 2) Die Spur. So gebrauchen die Jäger dieses Wort für Fährte, die Spur des Wildes zu bezeichnen. Im Bergbaue ist das Gefährt die Spur eines Ganges oder einer Erzader, besonders die Kluft zwischen derselben und dem tauben Gesteine. Dem Gange auf das Gefährt kommen.


Gefährte (W3) [Adelung]


Der Gefährte, des -n, plur. die -n, Fämin. die Gefährtinn, plur. die -en, von dem Zeitworte fahren, reisen, eine Person, welche in Gesellschaft einer andern einerley Reise verrichtet, ein Gesellschafter auf der Reise. 1. Eigentlich. Jemanden zum Gefährten haben. Einen zum Gefährten annehmen. Er ist mein Gefährte. 2. Figürlich. 1) Der durch das Band der Freundschaft, durch einerley Umstände des Lebens mit dem andern verbunden ist. So mancher Jüngling - hat an dem Freunde den muthigen und eifrigen Gefährten gefunden, der ihn ohne Umwege zur Wohlfahrt führet, Gell. Es ist seine liebe treue Gefährtinn, Ehegattinn. 2) Ein Ding, welches neben einem andern zugleich da ist, dasselbe begleitet. Die Mittelmäßigkeit ist eine Gefährtinn der Ruhe. Im Bergbaue heißt ein Gang, der neben dem Hauptgange streichet, dessen Gefährte.

Anm. In diesem Verstande kommt schon bey dem Ottfried Gifert, und bey dem Stryker Geverte vor, von Fahrt, die Reise. Samansindo, von Sind, der Weg, bedeutet bey dem Ottfried gleichfalls einen Gefährten, S. Gesinde. Das männliche Geschlecht der Gefährte wird zuweilen auch als ein Commune von einer Gefährtinn gebraucht.


Gefahrzins (W3) [Adelung]


Der Gefahrzins, des -es, plur. die -e, ein Zins, der, wenn er nicht zur bestimmten Zeit abgetragen wird, den Verlust des Zinsgutes nach sich ziehet. S. Fahrzins 1.


Gefäll (W3) [Adelung]


Das Gefäll, des -es, plur. die -e, in der dritten Hauptbedeutung des einfachen Fall, die Höhe zu bezeichnen, um wie viel ein flüssiger Körper fällt, d. i. um wie viel er an einem Orte dem Mittelpuncte näher ist als an dem andern. Der Fluß hat auf hundert Ruthen vier Fuß Gefäll. Das Gefäll finden. Bey den Mühlen bezeichnet es die Höhe des Wasserfalles vor dem Mahlgerinne. Hohe Gefälle erfordern oberschlächtige Mühlen. Im Hüttenbaue ist es der obere Theil des Planherdes. In weiterer Bedeutung ist in der Erdmeßkunst das Gefäll die Höhe, um welche ein jeder gegebener Ort tiefer liegt als ein anderer; welche Höhe vermittelst der Wasserwage gefunden wird. In Niedersachsen sind die Gefälle diejenigen Gegenden, wo die Bienen ihre Nahrung finden, in welchem Verstande es aber vermuthlich für Gefilde stehet. In dem alten Gedichte aus Carln den Großen bey dem Schilter bedeutet Gevelle schon den Fall. S. Fall 3, und Fallen.


Gefälle (W3) [Adelung]


Die Gefälle, sing. inus. dasjenige was von einem Grundstücke fällt, dessen Ertrag, die Einkünfte von demselben, und in engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, die Abgaben, welche man dem Grundherren oder der Obrigkeit von einem Gute oder von einer Sache entrichtet; Herrengefälle. Die Gefälle entrichten. In einigen Oberdeutschen Gegenden ehedem nur Velle. Vor diesem bedeutete es auch eine Erbschaft, die einem andern an- oder zufällt, und war alsdann auch in der einfachen Zahl üblich. S. Angefäll.


Gefallen (W3) [Adelung]


Gefallen, verb. irreg. neutr. ( S. Fallen,) welches das Hülfswort haben erfordert, als gut, den Umständen gemäß empfunden werden, diese Empfindung, welche ein geringerer Grad des Vergnügens ist, erwecken. Es gefällt ihm hier sehr wohl. Der Aufenthalt an diesem Orte gefällt mir sehr. Das will mir nicht gefallen. Das hat mir an ihm nicht gefallen wollen. Diese Aufführung gefallt mir gar nicht von ihnen, Gell. Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle, ebend. Der Endzweck der schönen Künste ist, zu gefallen. Wenige Leute haben die Gabe, in einem langen Umgange zu gefallen. Von Person hat sie mir gefallen. Wir nennen alle Gegenstände schön, die der Einbildungskraft oder dem Verstande unmittelbar gefallen, Sulz. Das kleine Mädchen, das zu gefallen sucht, folgt einem natürlichen Triebe, den man nicht genug ausbilden kann. Schön, edel, mild, zu stolz durch Künste zu gefallen, Und doch von Hochmuth fern gefällt der Jüngling allen, Weiße. Sich etwas gefallen lassen, seinen Beyfall dazu geben, sich demselben nicht widersetzen. Ich lasse mir alles gefallen. Ich lasse mir die Wahl meines Mündels sehr wohl gefallen, Gell. Ich bitte, daß sie sich es bey uns gefallen lassen, daß sie mit Beyfall, mit Zufriedenheit bey uns verharren. Also wollen sie sich gefallen lassen und noch ein Jahr bey uns bleiben? Wie es ihnen gefällt, gut dünkt. Kommen sie, wenn es ihnen gefällt. Nun das gefällt mir! ein ironischer Ausdruck einer mit Unwillen begleiteten Verwunderung.

Anm. Bey dem Notker bedeutet kevallen sich schicken, convenire, welches die eigentliche Bedeutung dieses Wortes zu seyn scheinet. Das einfache fallen hatte ehedem mit gefallen einerley Bedeutung, wie unter andern auch aus dem Worte Mißfallen erhellet, und das Dän. falden und Schwed. falla hat selbige noch, daher Ihre es auch zu dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - rechnet. Im Nieders. ist statt dessen auch liken, bey den alten Franken licon und lichan, Engl. to like, ingleichen mönten, üblich.


Gefallen (W3) [Adelung]


Der Gefallen, des -s, plur. inus. 1) Die Empfindung, daß eine Sache gut, den Umständen gemäß ist. Gefallen an etwas haben, oder tragen. Es wird mir ein großer Gefallen geschehen, wenn u. s. f. Thun sie mir zu Gefallen, d. i. thun sie, was mir gefällt und um mir zu gefallen, so wie man auch sagt, mir zu Liebe, mir zur Ehre, mir zum Verdrusse. Einem zu Gefallen, nach Gefallen reden, reden wie es ihm gefällt. Mir zu Gefallen mögen sie es thun oder lassen, d. i. meinetwegen, es geschiehet mir kein Gefallen, sie mögen es thun oder lassen. Mir zu Gefallen mag sie noch länger leben. Ingleichen für Gutdünken. Nach seinem Gefallen handeln. Die biblische Wortfügung seines Gefallens, wie es ihm gefällt, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2) Dasjenige, was diese Empfindung erwecket. Einem einen Gefallen thun. Sie werden mir einen großen Gefallen thun wenn u. s. f. Einem einen Gefallen erweisen. In andern Fällen wird es in dieser Bedeutung nicht gebraucht.

Anm. Im Dänischen Gefal. Im Oberdeutschen ist dieses Wort ungewissen Geschlechtes, das Gefallen, in welchem es auch noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, und alsdann scheinet es unmittelbar der Infinitiv des vorigen Zeitwortes zu seyn. S. Mißfallen.


Gefällig (W3) [Adelung]


1. Gefällig, adj. et adv. von fallen, cadere, was da fällt, doch nur in einigen figürlichen Bedeutungen. Das Geld, die Zinsen sind gefällig, zahlbar, die Zahlungszeit derselben ist vorhanden. S. Fällig. Das Fest ist morgen gefällig, fällt auf den morgenden Tag.


Gefällig (W3) [Adelung]


2. Gefällig, -er, -ste, adj. et adv. von dem Hauptworte Gefallen. 1) Gefallen empfindend, doch nur als ein Nebenwort. Wenn es ihnen gefällig ist, wenn es ihnen gefällt, gut dünket. Ist es ihnen gefällig, mit zu gehen? Wo dieses Wort im gesellschaftlichen Umgange als ein feinerer Ausdruck für wollen gebraucht wird. 2) Gefallen erweckend. Was Gott gefällig ist. Ein Gott gefälliges Opfer. Sich bey jedermann gefällig machen. Einem gefällig werden. So verliert die Raupe ihre berstende Hülle und nimmt die Gestalt eines gefälligen Sommervogels an, Gell. Einen gefälligen Handel treffen, der uns gefällt. 3) Geneigt, andern Gefallen zu erweisen, ihnen zu gefallen. Ein sehr gefälliger junger Mensch. Er ist überaus gefällig. Ich will ihn nicht durch mein gefälliges Stillschweigen in seiner Thorheit bestärken. Sonnenf. Gefällig sucht in meinem Blick Er jeden Wunsch zu spähen, Weiße. In gevelligemo zite heißt bey dem Notker zu bequemer Zeit.


Gefälligkeit (W3) [Adelung]


Die Gefälligkeit, plur. die -en. 1) Die Neigung, sich andern gefällig zu machen, ihnen das möglichste Vergnügen zu erwecken; ohne Plural. Die Demuth tritt mit Gefälligkeit und Leutseligkeit in das gesellschaftliche Leben ein, Gell. 2) Dasjenige, was andern gefällt, besonders gefällige Dienstleistungen, der Gefallen. Einem eine Gefälligkeit erweisen. Er hat mir sehr viele Gefälligkeiten erwiesen.


Gefangen (W3) [Adelung]


Gefangen, adj. et adv. welches eigentlich das Participium des Zeitwortes fangen ist, und am häufigsten von Personen gebraucht wird, die man in seine Gewalt bekommen hat, und in enger Verwahrung hält. Jemanden gefangen nehmen. Ihn gefangen legen, oder setzen, an einem festen Orte genau verwahren. Jemanden gefangen halten, gefangen wegführen. Sich gefangen geben. Gefangene Soldaten, Kriegsgefangene. Er ist mein Gefangener. Einen Gefangenen los geben, los lassen. Im Kriege gefangen werden, oder zum Gefangenen gemacht werden, oder gefangen gemacht werden. Es sind in der letzten Schlacht wenig Gefangene gemacht worden. Figürlich, seine Vernunft gefangen nehmen, in der biblischen Schreibart, sie in den von der Religion ihr vorgeschriebenen Schranken erhalten.

Anm. Im Isidor chifangan, bey dem Notker kefangen, bey dem Stryker ein Gevehen. Im Tatian heißt ein Gefangener Norbendigo. S. Fangen.


Gefangenhüther (W3) [Adelung]


Der Gefangenhüther, des -s, plur. ut nom. sing. der die Gefangenen hüthet, oder bewacht.


Gefangenschaft (W3) [Adelung]


Die Gefangenschaft, plur. inus. der Zustand, da man gefangen ist, oder ein Gefangener ist. Sein Leben in der härtesten Gefangenschaft zubringen. In die Gefangenschaft gerathen. Nieders. Venkenschup, Dän. Fangenskab.


Gefangenwärter (W3) [Adelung]


Der Gefangenwärter, des -s, plur. ut nom. sing. der die Gefangenen wartet, oder sie bedienet.


Gefänglich (W3) [Adelung]


Gefänglich, adj. et adv. gefangen. Einen Verbrecher gefänglich einziehen. Jemanden gefänglich annehmen, als einen Gefangenen. Einen gefänglich halten. Als ein Beywort ist es im Hochdeutschen nur in der R. A. üblich: zur gefänglichen Haft bringen, gefangen setzen.


Gefängniß (W3) [Adelung]


Das Gefängniß, des -sses, plur. die -sse. 1) Der Zustand, da man ein Gefangener ist, die Gefangenschaft. Das Babylonische Gefängniß. In dieser Bedeutung, in welcher es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt, ist es noch hin und wieder im Oberdeutschen, nicht aber im Hochdeutschen üblich, außer wenn es eine Strafe bezeichnet. Ein Verbrechen mit ewigem Gefängnisse bestrafen. 2) Der feste Ort, in welchem ein Beklagter in enger Verwahrung gehalten wird. Jemanden in das Gefängniß setzen, führen. Im Gefängnisse sitzen. Aus dem Gefängnisse entfliehen.

Anm. In der ersten Bedeutung lautet es schon im Schwabenspiegel vanknüzze, im Dän. Fängsel, und Fangehuus. Im Oberdeutschen ist es in beyden Bedeutungen weiblichen Geschlechts, welches auch in Luthers Bibel in vielen Stellen aus ältern Oberdeutschen Übersetzungen beybehalten worden, obgleich in andern Stellen auch das ungewisse Geschlecht vorkommt. Es haben einige daraus die Regel machen wollen, daß es in der ersten Bedeutung weiblichen, in der zweyten aber nur ungewissen Geschlechtes sey; eine Regel, die höchst willkürlich, und im Hochdeutschen noch über dieses unnöthig ist, weil es in der Bedeutung der Gefangenschaft wenig mehr gebraucht wird. Siehe -Niß. Übrigens haben die Gefängnisse an verschiedenen Orten besondere Nahmen, welche zum Theil auf besondern Umständen beruhen. Dergleichen sind Frohnfeste, Temnitz (im Böhm. ist Dymnice, Temnost, die Dunkelheit, S. Dämmern,) Gilnitz, Transt, Keuche, Kotter, Gras, Grashaus u. s. f. S. Kerker.


Gefängnißstrafe (W3) [Adelung]


Die Gefängnißstrafe, plur. die -n, das Gefängniß als eine Strafe betrachtet.


Gefäß (W3) [Adelung]


Das Gefäß, des -es, plur. die -e. 1. Von dem Zeitworte fassen, derjenige Theil eines Werkzeuges, womit man dasselbe anfasset; doch am häufigsten nur von diesem Theile eines Degens. Das Gefäß eines Degens, das Degengefäß. Das Gefäß eines Schwertes, Kappieres, Dolches u. s. f. Von andern Werkzeugen sind die Wörter Heft, Griff, Stiel, Handhabe u. s. f. üblich. 2. Von dem Worte Faß, in seiner weitesten Bedeutung, ein jedes hohles Werkzeug, einen anderen Körper in demselben aufzubehalten. 1) Als ein Collectivum, mehrere zu ähnlichem Gebrauche bestimmte Gefäße zu bezeichnen; ohne Plural. Daß die Summa alles Silbers am Gefäß (an den Schüffeln, Schalen und Löffeln) betrug u. s. f. 4 Mos. 7, 85. Gold zu allerley Gefäße eines jeglichen Amtes, 1 Chron. 29, 14. In welcher Gestalt es im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. 2) Von einzelnen Werkzeugen dieser Art. Ein Trinkgefäß, Küchengefäß. Braugefäße, welche zum Brauen des Bieres nöthig sind, Kirchengefäße, welche in den Kirchen gebraucht werden, Weingefäße, allerley Fässer zu Aufbehaltung des Weines, Schiffsgefäße, allerley Arten von Fahrzeugen u. s. f. Goldene, silberne, irdene, hölzerne Gefäße. In der Zergliederungskunst sind die Gefäße in den thierischen Körpern Röhren, durch welche eine flüssige Materie beweget wird; dahin die Blutgefäße, Milchgefäße, Wassergefäße u. s. f. gehören. Übrigens ist dieses Wort ein allgemeiner Ausdruck, der eine Menge besonderer Arten unter sich begreift, welche größten Theils auch besondere Nahmen haben. S. Faß und Geschirr.

Anm. Es scheinet, daß dieses Wort ehedem auch ein Schloß bedeutet habe. In einer Österreichischen Urkunde von 1363 in Steyerers Hist. Alberti II. S. 365 geschiehet der vier Gefäß, Gries, Ambras, St. Martinsberg und Stain zur Stöllen, Meldung.


Gefaßt (W3) [Adelung]


Gefaßt, S. Fassen.


Gefecht (W3) [Adelung]


Das Gefecht, des -es, plur. die -e, das Fechten oder Streiten mehrerer mit Waffen gegen einander. Es kam zwischen den Truppen zu einem Gefechte. Sich in ein Gefecht einlassen. Sich zum Gefechte anschicken. Der Feind suchte das Gefecht zu vermeiden. Im Gefechte bleiben. In ein Gefecht gerathen. Ein Seegefecht, Stiergefecht, Hahnengefecht. Man gebraucht dieses Wort so wohl als einen allgemeinen Ausdruck, als auch, und zwar am häufigsten, nur von dem Streite zwischen kleinern Haufen, indem von einem wichtigen Streite zwischen zwey großen Heeren Schlacht und Treffen üblicher sind.

Anm. Schon im Isidor Chifegt. Bey dem Kero kommt das einfache Fehti, und bey dem Ottfried Fehta in eben diesem Verstande vor, wohin auch das Nieders. Fechte, das Engl. Fight, das Schwed. Fegd gehören.


Gefechtflagge (W3) [Adelung]


Die Gefechtflagge, plur. die -n, auf dem Schiffe, eine Flagge, mit welcher das Zeichen zum Gefechte gegeben wird, und welche gemeiniglich roth ist.


Gefege (W3) [Adelung]


Das Gefege, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein anhaltendes oder wiederhohltes Fegen, im gemeinen Leben und ohne Plural. 2) Bey den Jägern, die Haut, welche der Hirsch von dem neu gewachsenen Gehörne abfeget, oder abschläget; der Bast. S. Fegen.


Geffer (W3) [Adelung]


Geffer, S. Keffer.


Gefieder (W3) [Adelung]


Das Gefieder, des -s, plur. inus. ein Collectivum von dem Worte Feder. 1) Mehrere Federn. Das Gefieder eines Vogels. Das Gefieder eines Bettes, im Oberdeutschen, welches daselbst auch das Ingefieder genannt wird. Das Gefieder eines Pfeiles. Ingleichen figürlich, das Gefieder oder Ingefieder, die stählernen Federn in einem Schlosse, oder Uhrwerke, gleichfalls nur im Oberdeutschen. 2) Mit Federn versehene Thiere, Vögel, das Geflügel. Er sah um sich das horchende Gefieder, Und selbst die Meisterinn der Lieder, Bock. In welcher letztern Bedeutung thaz Geuidere schon bey dem Stryker, und Geuithere in dem alten Fragmente aus Carln den Großen bey dem Schilter vorkommt.


Gefiedert (W3) [Adelung]


Gefiedert, S. Fiedern.


Gefilde (W3) [Adelung]


Das Gefilde, des -s, plur. ut nom. sing. in der edlen und dichterischen Schreibart der Hochdeutschen, ein ebner, flacher Theil der Erdkugel, von beträchtlicher Größe, wie Feld 1, besonders so fern er zum Ackerbau gebraucht wird. Das Gefilde Moab, 4 Mos. 22, 1. Der Herr machet die Gefilde Zions wie einen Garten des Herrn, Es. 51, 2. Seyd immer gesegnet, Gefilde! Nicht lange mehr wird mein dunkelnder Blick euch durchirren! Geßn. Die Gefilde, wodurch der Esse Gießbach rinnt, Raml. Wo dieses Wort auch zuweilen als ein Collectivum im Singular von mehrern Feldern gebraucht wird.

Anm. Schon bey dem Notker Kefildi, der es einer bergigen Gegend entgegen setzet. S. Feld.


Geflatter (W3) [Adelung]


Das Geflatter, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Flattern.


Geflecht (W3) [Adelung]


Das Geflecht, des -es, plur. die -e. 1) Ein geflochtenes Ding, Flechtwerk. Jetzt drückte sie das Geflecht der goldenen Haare zurechte, Geßn. 2) Ein Geschwür auf der Haut, S. Flechte 1. 1.


Gefletz (W3) [Adelung]


Das Gefletz, des -es, plur. die -e, S. Flötz.


Geflicke (W3) [Adelung]


Das Geflicke, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Flicken, ingleichen, die Verrichtung des Flickens; im gemeinen Leben. Ein elendes Geflicke.


Geflissen (W3) [Adelung]


Geflissen, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort von dem veralteten Zeitworte fleißen oder gefleißen ist, Fleiß anwendend. Geflissen seyn, sich befleißen oder befleißigen. Denn sie werben Geld, und sind geflissen darauf, Bar. 3, 15. Ich habe mich geflissen, gnädig und sanft zu regieren, St. Esth. 1, 2. Denn auf dein Recht und seinen guten Grund, Verlaß ich mich und bin darnach geflissen, Opitz, Ps. 119. Welche Wortfügung mit dem Vorworte nach doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Im Oberdeutschen kommt es auch mit der zweyten Endung des Hauptwortes vor. Der Mann ist seiner Dienste emsig geflissen. Dienstgeflissen, beflissen andern zu dienen.

Anm. S. Fleißen und Befleißen. Gevlizan kommt für befleißigen so wohl in dem Lege Ludov. et Lothar. von 480, als auch bey dem Ottfried vor. Geflissen ist so wie beflissen das Particip. Passivi, und wird mit dem Zeitworte seyn dennoch in thätigem Verstande gebraucht, welches es mit vielen andern Mittelwörtern dieser Art gemein hat. S. Beflissen und Bedient.


Geflissenheit (W3) [Adelung]


Die Geflissenheit, plur. inus. die geflissene, oder mit Fleiß verbundene Bemühung, die Beflissenheit. Er arbeitet mit großer Geflissenheit. Die Übungen des Gewissens müssen mit einer vorsetzlichen Geflissenheit geschehen. S. Beflissenheit.


Geflissentlich (W3) [Adelung]


Geflissentlich, adj. et adv. mit Fleiß, mit Vorsatz. Ein geflissentliches Verbrechen, welches mit Fleiß begangen worden. Ein geflissentlicher Selbstmörder. Er hat es geflissentlich gethan. Das t vor der Endsylbe lich ist das t euphonicum, welches sich auch in ordentlich und vielen andern befindet. S. T.


Geflister (W3) [Adelung]


Das Geflister, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Flistern. Nieders. Gemuster.


Gefluche (W3) [Adelung]


Das Gefluche, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder mehrmahliges Fluchen.


Gefluder (W3) [Adelung]


Das Gefluder, des -s, plur. ut nom. sing. im Berg- und Hüttenbaue, ein breites Gerinne, wodurch das Wasser laufen kann; ein Fluder. S. dieses Wort.


Geflügel (W3) [Adelung]


Das Geflügel, des -s, plur. inus. oder die Geflügel, sing. inus. ein Collectivum, mehrere mit Flügeln versehene Thiere zu bezeichnen, Federvieh, Federwildbret; Flügelwerk, im Oberdeutschen das Geflüg. Geflügel halten, Federvieh. Das Waldgeflügel, Hausgeflügel, Feldgeflügel, Wassergeflügel, Raubgeflügel. Opitz nennet an einem Orte die Engel auf eine sehr seltsame Art, das himmlische Geflügel.


Geflügelt (W3) [Adelung]


Geflügelt, S. Flügeln.


Gefolge (W3) [Adelung]


Das Gefolge, des -s, plur. inus. ein Haufe mehrerer folgender Personen, Franz. Suite, von suivre, folgen. Der König hatte ein großes Gefolge bey sich. Der Kaiser reiset mit einem kleinen Gefolge. Auch figürlich. Das Laster mit allem seinem schädlichen Gefolge, Gell. S. Folgen. Im Oberd. ist ingefolge, oder im Gefolg, für zu Folge sehr häufig, S. 3 Folge 1. 5). Das e am Ende ist das e euphonicum, ohne welches das letzte g wie ein gelindes k lauten müßte.


Gefrage (W3) [Adelung]


Das Gefrage, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Fragen. Dem Himmel sey Dank, daß das ewige Gefrage einmahl ein Ende hat.


Gefräß (W3) [Adelung]


+ Das Gefräß, des -es, plur. die -e, ein nur in den niedrigen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes übliches Wort. 1) Die Nahrung, so wohl für Menschen als Thiere, ohne Plural; mit einem andern eben so niedrigen Ausdrucke, der Fraß. 2) Das Maul und dessen Bildung, so wohl bey Menschen als Thieren, die Fresse.


Gefräßig (W3) [Adelung]


Gefräßig, -er, -ste, adj. et adv. unmäßig im Essen, in der harten Sprechart. Der Hecht ist ein sehr gefräßiges Thier. S. Fräßig.


Gefräßigkeit (W3) [Adelung]


Die Gefräßigkeit, plur. inus. die Neigung zum Fressen, oder zum unmäßigen Essen; bey dem Hans Sachs die Fraßheyt. S. Fräßigkeit.


Gefresse (W3) [Adelung]


Das Gefresse, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Fressen, in den niedrigen Sprecharten. Das Gefresse nimmt auf den Kirmsen kein Ende.


Gefreund (W3) [Adelung]


Gefreund, adj. et adv. in den gemeinen Mundarten, besonders Oberdeutschlandes, befreundet, verwandt. Mit einem gefreund seyn.


Gefreund (W3) [Adelung]


Der Gefreund, des -es, plur. die -e, Fämin. die Gefreundinn, plur. die -en, ein gleichfalls nur in den gemeinen, besonders Oberdeutschen, Mundarten übliches Wort, einen Freund oder eine Freundinn zu bezeichnen, so fern dadurch Verwandte verstanden werden. Meine Brüder, die meine Gefreunde sind, nach dem Fleisch, Röm. 9, 3. Deine Gefreundinn ist schwanger, Luc. 1, 36.


Gefreundet (W3) [Adelung]


Gefreundet, adj. et adv. auch nur in den gemeinen Mundarten, für befreundet, verwandt. Als ihre Nachbarn und Gefreundten hörten u. s. f. Luc. 1, 58. Wir sind gefreundet, wir sind verwandt. Von dem veralteten Zeitworte freunden oder gefreunden.


Gefreyte (W3) [Adelung]


Der Gefreyte, S. 1 Freyen.


Gefrieren (W3) [Adelung]


Gefrieren, verb. reg. neutr. ( S. Frieren,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Mit dem Hülfsworte seyn, durch die Kälte seiner Flüssigkeit beraubt, in Eis verwandelt werden. Das Wasser ist gefroren. Der Wein gefriert nicht leicht. Gefrorner Wein. Das Quecksilber zum Gefrieren bringen. Gefrornes, bey den Conditorn, durch die Kunst in Eis verwandelte Säfte aller Art zur Abkühlung. 2) Mit dem Hülfsworte haben, und als ein Impersonale, zum Gefrieren bringen, in Eis verwandeln. Es gefrieret stark. Es wird diese Nacht nicht gefrieren. Anm. Eigentlich ist dieses Wort das durch das Oberdeutsche ge ohne Noth verlängerte Zeitwort frieren. Gefrieren wird in einigen Oberdeutschen Gegenden auch wirklich in allen Fällen für frieren gebraucht. Einige Neuere haben im Hochdeutschen den Unterschied eingeführet, frieren nur für Frost empfinden, in den übrigen Fällen aber gefrieren zu gebrauchen. Indessen wird dieser Unterschied doch in den Zusammensetzungen abfrieren, ausfrieren u. s. f. noch von niemanden beobachtet. S. Frieren. Im Oberdeutschen ist Gefröre Frost oder Frostwetter.


Gefüge (W3) [Adelung]


Das Gefüge, des -s, plur. inus. 1) * Von Fug, so fern es ehedem die Bequemlichkeit oder das Bedürfniß bedeutete. Sein Gefüge thun, seine Nothdurft verrichten, im Oberdeutschen. 2) Die sämmtlichen an einem Körper befindlichen Fugen, und figürlich auch der innere Bau, die Zusammensetzung eines Körpers, als ein Collectivum, besonders im Bergbaue. Das spathige Gefüge gewisser Eisensteine. Steinkohlen, welche dicht und fest in ihrem Gefüge sind. 3) * Das Schicksal, die Fügung; doch nur im Oberdeutschen, S. Fug und Fuge.


Gefüge (W3) [Adelung]


Gefüge, -r, -ste, adj. et adv. oder gefügig, -er, -ste, was sich leicht fügen, d. i. biegen lässet, im gemeinen Leben. Gefüges oder gefügiges Blech. Im Oberd. auch figürlich, bequem. Ist ieman der das nide Das ist ein so gefuger schade, Den ich - vil gerne lide, Reinmar der Alte. Ingleichen, geschickt, erfahren. Ein gefüger Mann, ein erfahrner Mann, im Heldenbuche. S. Fug. Das Zeitwort sih gifuahan, sich fügen, bequemen, kommt bey den Ottfried vor.


Gefühl (W3) [Adelung]


1. Das Gefühl, des -es, plur. inus. oder die Gefühle, sing. inus. ein nur bey den Jägern übliches Wort, als ein Collectivum, das Rauchwerk, und diejenigen Thiere zu bezeichnen, welche nutzbares Rauchwerk geben. Es hat in dieser Gegend viel Gefühl. Es ist ein von Fell verderbtes Collectivum, eigentlich Gefell.


Gefühl (W3) [Adelung]


2. Das Gefühl, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte fühlen. 1. Das Vermögen zu fühlen, d. i. sich desjenigen bewußt zu seyn, was Veränderungen in unserm Leibe verursacht, wenn körperliche Dinge ihn, oder er sie berühret, oder das Vermögen, sich körperliche Dinge durch Berührung, vermittelst der Nervenwärzchen in der Haut vorzustellen; ohne Plural. 1) Eigentlich. Durch harte Arbeit verlieren die Hände das Gefühl. Grobe Körper haben selten ein feines Gefühl. Die in der Haut vertheilten Nervenwärzchen sind die Werkzeuge des Gefühls. 2) Figürlich, das Vermögen, lebhaft zu empfinden, oder auch überhaupt zu empfinden. Eine harte Seele, welche alles Gefühl des Elendes anderer verloren hat. Das Gefühl des Schönen, des Edlen. Ein feines Gefühl für die Ehre haben. 2. Die durch Berührung der Nervenwärzchen hervor gebrachte Empfindung selbst. 1) Eigentlich. Das habe ich am Gefühle, ich kann es fühlen. Das Gefühl der Schmerzen. In weiterer Bedeutung auch, obwohl nur selten, von einer jeden durch die Sinne gewirkten Empfindung. Erkenntniß muß und kann nur vom Gefühl beginnen, Dusch. 2) Figürlich, eine jede lebhafte Empfindung, und im weiterm Verstande auch eine jede Empfindung. Ein lebendiges Gefühl alles dessen, was gut, recht, wahr, löblich und billig ist, Cram. So bald ein stärkeres Gefühl das Gefühl der Liebe des Vaterlandes schwächt. An der Seite eines rechtschaffenen Freundes fühlen, daß man glücklich ist, und dieses Gefühl mit ihm theilen, welche Anmuth im Glücke! Gell. Der Muth ist ein glückliches Gefühl der gespannten Kräfte seines Körpers. Die Demuth kann nicht ohne Gefühl der Liebe ihres Schöpfers Statt finden, Gell. Das moralische Gefühl, die Empfindung dessen was gut und böse ist. Der Plural ist auch in dieser Bedeutung bisher ungewöhnlich gewesen, ungeachtet die Sache selbst ihn wohl verstattet. Einige Neuere haben ihn daher in den Gang gebracht. Gedanken über den Werth der Gefühle im Christenthum. Kunstvolle aber seelenvolle Melodien, aus welchen schöne Gefühle athmen, Wiel. Im Nieders. nur Föle, Följe.


Gefühllos (W3) [Adelung]


Gefühllos, -er, -este, adj. et adv. des Gefühles beraubt, ohne Gefühl. Ein gefühlloser Mensch. Ein gefühlloses Herz. Gegen die Vortheile der Einsamkeit gefühllos seyn.


Gefühllosigkeit (W3) [Adelung]


Die Gefühllosigkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da man gefühllos ist.


Gefühlvoll (W3) [Adelung]


Gefühlvoll, -er, este, adj. et adv. voll Gefühl, d. i. lebhafter Empfindungen. Ein gefühlvolles Herz. Ein gefühlvolles Gedicht.


Gefüllsel (W3) [Adelung]


Das Gefüllsel, S. Füllsel.


Gefünft (W3) [Adelung]


Gefünft, adj. et adv. aus fünf Einheiten oder Theilen bestehend. Die gefünfte Zahl. Ein Gefünftes. S. Gedritt.


Gefürstet (W3) [Adelung]


Gefürstet, S. Fürsten.


Gefüße (W3) [Adelung]


Das Gefüße, plur. inus. oder die Gefüße, sing. inus. bey den Jägern, die langen Riemen, woran die Fallen gehalten werden; das Collectivum von Fuß.


Gegen (W3) [Adelung]


Gegen, ein Vorwort, welches nach dem heutigen Hochdeutschen Gebrauche in allen Fällen die vierte Endung des Nennwortes erfordert, und überhaupt die Richtung eines Zustandes oder einer Bewegung nach einem Dinge bezeichnet, welche allgemeine Bedeutung auch in den besondern und figürlichen zum Grunde lieget. Es bedeutet I. Überhaupt, die Richtung eines Zustandes oder einer Bewegung nach einem Dinge, der Zustand oder die Bewegung sey nun körperlich oder nicht. 1) Die Richtung eines körperlichen Zustandes, die Lage, Stellung. Das Haus liegt gegen Morgen, gegen Abend, es hat Thüren gegen alle vier Welttheile. Ein Berg, der gegen die Wüste stehet, 4 Mos. 21, 26. Einen Altar gegen das Land Canaan bauen, Jos. 22, 11. Sie setzten sich gegen das Grab, Matth. 27, 61. Die anziehende Kraft des Magnetes gegen das Eisen. Im Oberdeutschen in dieser Bedeutung gemeiniglich mit der dritten Endung, welche Luther mehrmahls beybehalten hat. Er saß gegen der Thür des Hauses, Esth. 5, 1. Das Volk liegt gegen mir, 4 Mos. 22, 5. Es stunden drey Männer gegen ihm, 1 Mos. 18, 2. Du sollst deine Hand nicht zuhalten gegen deinem Bruder, 5 Mos. 15, 7; und so in andern Stellen mehr. Vermuthlich stammet von dieser Oberdeutschen Verbindung auch der Hochdeutsche Dativ her, wenn gegen mit dem Vorworte über verbunden wird, wenn nicht die dritte Endung hier mehr von über, als von gegen herrühret. Gegen über (nicht gegenüber,) stehen alsdann hinter dem Rennworte. Er saß mir gegen über. Er wohnt dem Rathhause gegen über. Der Mauer gegen über. Oder gegen tritt vor das Rennwort. Er saß gegen mir über, gegen dem Rathhause über, gegen der Mauer über. So auch mit dem Vorworte zu, wo gegen gleichfalls noch die dritte Endung bekommt, auch wenn das Zeitwort eine Bewegung bezeichnet, und vor dem Rennworte stehet, obgleich diese ganze Art zu reden in der edlen Schreibart unbekannt ist. Gegen der Stadt zu wohnen, nicht gegen die Stadt zu. Richte dein Angesicht gegen dem Südwind zu, Ezech. 20, 46. 2) Die Richtung einer körperlichen Bewegung auf einen Gegenstand oder nach demselben. Sich gegen Morgen, gegen Abend wenden. Die Füße gegen einen kehren. Sich gegen seinen Gönner neigen, vor ihm. Mit dem Lager gegen die Stadt rücken. Sich gegen das Gebirge wenden. Die Hand gegen jemanden ausstrecken. Der Druck des flüssigen Körpers gegen den Boden. Ist der Körper, nach welchem die Bewegung gerichtet ist, ein Ort, und wird dessen eigenthümlicher Nahme beygefüget, so ist im Oberdeutschen das kürzere gen üblich. S. Gen. In eben dieser Mundart erfordert gegen in dieser Bedeutung gleichfalls die dritte Endung. In den dannken sah er hergon Gegen im den tewerlichen Held, Theuerd. Kap. 16. Der pauer im ein zulauff nam Gegen dem edlen Helden dar, Kap. 47. Und so in allen Stellen dieses Buches. Du sollst ausgebreitet werden gegen dem Abend, 1 Moses 28, 14. Eure Garben neigten sich gegen meinen Garben, 1 Mos. 37, 7. Tritt gegen ihm an das Ufer des Wassers, 2 Mos. 7, 15; und so in hundert Stellen mehr. Im Opitz und andern Oberdeutschen Schriftstellern ist diese Wortfügung sehr häufig. 3) Figürlich, die Richtung eines unkörperlichen Zustandes, einer unkörperlichen Handlung auf einen Gegenstand und nach demselben; wo dieses Vorwort sehr häufig gebraucht wird, es mag nun die Handlung oder der Zustand dem Gegenstande angenehm seyn oder nicht. Liebe, Achtung, Ehrfurcht gegen jemanden haben. Die Liebe Gottes gegen die Menschen. Er ist freundschaftlich, feindselig gegen mich gesinnt. Sich liebreich, freygebig, geitzig, mißtrauisch gegen seine Freunde erweisen. Gegen alle Ermahnungen taub seyn. Dankbar, undankbar gegen seinen Wohlthäter seyn. Die Pflichten gegen andere ausüben. Meine ganze Seele zerfließt in Mitleiden gegen dich. Sie thut sehr freundlich gegen ihn. Ein Versehen gegen das männliche Geschlecht. Gegen seinen Nächsten auf Rache sinnen. Der Mensch, der nichts gegen seinen Schöpfer fühlt, Gell. Menschen von diesem Schlage scheinet die Abneigung gegen die Gesellschaft der Menschen eine Thorheit zu seyn, Zimmerm. Er that sehr vertraut gegen mich. Der Ungehorsam gegen die Ältern. Der Ekel gegen die Weisheit und Tugend, Gell. Solche Reden gegen eine Mutter zu führen? Seine Miene sagt mehr als nöthig ist, den Verdacht gegen ihre Tugend zu bestärken, Gell. Gleichgültig gegen etwas seyn. Drohungen gegen einen ausstoßen. Lassen sie sich nichts gegen sie merken, Gell. In dem Menschenfreunde lebt ein gütiges Verlangen, das in seiner Art gegen andre zu seyn, was Gott gegen alle ist, ebend. Der Ekel, den junge Leute gegen das Leben haben, ebend. Gott hat ein unwandelbares Mißfallen gegen das Laster, ebend. Im Oberdeutschen auch hier mit der dritten Endung. Das Angesicht Labans war nicht gegen ihm, wie gestern, 1 Mos. 31, 2. Du sollst dein Herz nicht verhärten gegen deinem armen Bruder, 5 Mos. 15, 7. Du sollst dich nicht also halten gegen dem Herrn, Kap. 18, 14. Ihr Herren thut auch dasselbige gegen ihnen, Ephes. 6, 9; und so in andern Stellen mehr. Sie hetten sich gegen den Leuten unnachbarlich erzeigt, Bluntschli, ein Zürcher. II. Mit verschiedenen Nebenbegriffen und Bildern. 1) Mit dem Nebenbegriffe des Widerstandes, der Bestreitung desjenigen Dinges, gegen welches die Bewegung gerichtet ist, für wider, so wohl in eigentlichem als figürlichem Verstande. Gegen den Wind segeln. Gegen den Strom schwimmen. Gegen Wind und Wetter bedeckt liegen. Gegen die Wand, gegen die Mauer rennen. Die Hanseestädte behaupteten die Ostsee lange Zeit gegen die Holländer. Was kann er gegen die Gewalt? Ich kann nichts gegen ihn ausrichten. Gegen eines Befehl handeln. Gegen die Regeln seines Ordens sündigen. Die Hitze wird alsdann so heftig, daß kein Mensch gegen dieselbe ausdauern kann, Zimmerm. Dinge die sich gegen unsre Erwartung zutragen. Sich gegen die Obrigkeit auflehnen, empören. Einen Anschlag gegen jemanden haben. Eine Arzeney gegen das Fieber. Sich gegen jemanden wehren. Alles streitet gegen dich. Er hat mit ihm gemeine Sache gegen mich gemacht. Jede böse Lust ist eine Empörung gegen Gott, Herm. Die Weisen des Alterthums wußten nicht, wie sie den Verstand in seiner Überzeugung gegen so viele Anfälle der Sinne und der Leidenschaften unterhalten sollten, Gell. Was können gegen das Ansehen des göttlichen Wortes alle Zweifel ausrichten? ebend. Im Oberdeutschen wiederum mit der dritten Endung. Ob jemand wider den Riß stünde gegen mir, Ezech. 22, 30. Der König gegen Mittag wird sich gegen ihm streuben, Dan. 12, 40. Da zogen gegen ihnen heraus die Schützen, Judith 6, 7. Da Judas das hörte, zog er gegen ihm und that eine Schlacht, 1 Macc. 3, 11; und so in andern Stellen mehr. Einige Sprachlehrer, denen der Reichthum einer Sprache, wenn sie einen und eben denselben Begriff mit zwey Worten ausdrucken kann, ein Ärgerniß ist, haben diese Bedeutung des Wortes gegen verworfen, und dafür wider zu gebrauchen vorgeschrieben. Besonders eifert Gottsched dagegen, aber, wie seine Gewohnheit war, ohne einigen Grund anzuführen. Andere haben Gründe angeführt, welche aber leicht beantwortet werden könnten, wenn der Raum es verstattete, und die kurz vorher angeführten Beyspiele, welchen noch viele aus Luthers Bibel beygefüget werden könnten, eine förmliche Beantwortung nicht unnöthig machten. 2) Der Vertauschung, da eine Sache wegen einer andern, zu deren Ersetzung, Vergeltung u. s. f. gegeben wird, wie das Vorwort für. Die Kriegesgefangenen gegen einander auswechseln. Waare gegen Waare, Geld gegen Waare geben. Ich verkaufe es nicht anders als gegen bare Bezahlung. Seine Freyheit gegen Bürgschaft erhalten. Seine Ehre gegen eine Kleinigkeit auf das Spiel setzen. Ich wette hundert gegen eins. Geld gegen Quittung aufnehmen. Binnen acht Tagen soll das Geld gegen den gesetzten Abzug bezahlet werden, Gell. Auch hier im Oberdeutschen mit der dritten Endung. Eine holdselige Schönheit gegen einem häßlichen Bilde verwechseln, Opitz. 3) Der Vergleichung. Gleichwie ein Tröpflein Wasser gegen das Meer: so geringe sind seine Jahre gegen die Ewigkeit, Sir. 18, 8. So man sie gegen andere Thiere hält, sind sie viel ärger, Weish. 15, 18. Die Kastanienbäume waren nichts gegen seine Zweige, Ezech. 31, 8. Reichthum halte ich für nichts gegen sie, Weish. 7, 8, 9. Eine Sache gegen die andere halten, sie mit der andern vergleichen. Die heißesten Bitten eines Freundes sind zu kalt gegen die Liebkosungen des Liebhabers. Ihr Betragen machte einen seltsamen Contrast gegen ihre Kleidung. Gegen uns bist du noch glücklich. Sempronii Vermögen ist eine Kleinigkeit gegen Caji Reichthum. Andere Leute gegen sich verachten. Der schmerzlichste Tod, was ist gegen ein Leben ohne dich? Weiße. Der nächste Grund dieser Figur liegt darin, daß gegen ehedem auch für neben gebraucht wurde, welche Bedeutung im Hochdeutschen größten Theils veraltet ist. Er stellete sich gegen mir oder mich. Luther hat auch in dieser Bedeutung mehrmahls die Oberdeutsche Wortfügung mit der dritten Endung beybehalten. Ich muß gering geachtet seyn, gegen ihr, 1 Mos. 16, 5. Gegen wem messet ihr euch? Es. 46, 5. Sie sollen klein seyn gegen andern Königreichen, Ezech. 29, 15. So wäre es doch nichts gegen deiner Wohlthat, Tob. 9, 2. Haltet ihre Schönheit gegen meiner Tugend, Opitz. Daß gegen ihnen Schnee zu gleichen sey der Tinten, ebend. 4) Der Nähe oder Annäherung, nicht weit von einem Orte oder von einem Zeitpuncte. Gegen das Ende des Blattes, des Tages. Gegen Abend fing es an zu regnen. Es gehet gegen den Morgen, es wird bald Morgen seyn. Gegen den Herbst, gegen den Frühling u. s. f. Gegen die Messe komme ich wieder. Er ist jetzt gegen (ungefähr) dreyßig Jahr alt. Der Stein liegt gegen das Ende des Ackers. Im Oberdeutschen gleichfalls mit der dritten Endung. Von dem Morgen an bis an den Abend gegen dem andern Tage, 1 Sam. 30, 17. Gegen der Wüsten, gegen dem großen Felde wohnen, Judith 2, 13; Kap. 4, 5. 5) Der Anwesenheit, Gegenwart; eine im Hochdeutschen zum Theil veraltete Bedeutung, welche noch in der Deutschen Bibel mit der dritten Endung vorkommt. Das Volk liegt gegen mir, 4 Mos. 22, 5. Es stunden drey Männer gegen ihm, 1 Mos. 18, 2. Ich kann nicht aufstehen gegen dir, 1 Mos. 31, 35. Wo im Hochdeutschen vor üblicher ist. Doch sagt man noch: Er hat etwas davon gegen mich erwähnt. Laß dich nichts gegen ihn merken. Er rühmte sich gegen ihn, daß u. s. f. Sich gegen seine Vorgesetzten über etwas beschweren. Sein Herz gegen einen Freund ausschütten. Wo außer dem Begriffe der Richtung auch noch der Begriff der Gegenwart herrschet.

Anm. 1. Dieses Vorwort lautet bey dem Kero kagan, der es auch für wegen gebraucht, in der Monseeischen Glosse gagan, bey dem Notker gagen, bey dem Willeram gegen, im Nieders. jegen und tegen, im Angels. agen, ongean, gean, im Holländ. tegen, tegens, im Dän. gien, im Schwed. gen, igen, im Isländ. gegn, wo es überall auch contra, wider, bedeutet. Es stammet vermuthlich von gehen, ehedem nur gan ab, und wurde zuweilen auch in Gen verkürzet, S. Gen.

Anm. 2. Aus dem vorigen erhellet, daß dieses Vorwort im Oberdeutschen in allen seinen Bedeutungen sehr häufig, ja fast jederzeit mit der dritten Endung verbunden wird, ob sich gleich auch einige Beyspiele von der vierten finden. Min minna ingegen dih, Willeram. Im Hochdeutschen ist hingegen zu allen Zeiten die vierte Endung am üblichsten gewesen, vermuthlich auf Veranlassung der Niedersachsen, welche die dritte und vierte Endung in ihrer Mundart nicht alle Mahl unterscheiden. Daher rühret vermuthlich auch die Ungleichheit in Luthers Deutscher Bibel, der, wenn er ältern Oberdeutschen Übersetzungen folgte, die dritte Endung behielt, und wenn er sich selbst überlassen blieb, die vierte setzte. Die ältern Sprachlehrer wußten sich in diese Ungleichheit nicht zu finden, und ersannen allerley Regeln, wenn gegen die dritte Endung, und wenn es die vierte erforderte. Frisch will es, älterer zu geschweigen, in der ersten und dritten figürlichen Bedeutung mit dem Dative, oder wie er sagt, Ablative verbunden wissen, und Aichinger folgt ihm darin, der noch die vierte figürliche Bedeutung hinzu setzt. Doch nunmehr ist es wohl entschieden, daß dieses Vorwort im Hochdeutschen alle Mahl die vierte Endung erfordert; wenigstens gebrauchen es die besten und reinsten Hochdeutschen Schriftsteller, wenn sie mit Kenntniß und Bewußtseyn schreiben, nicht anders. Indessen rühret von dem Oberdeutschen Gebrauche noch der Dativ her, mit welchem entgegen und gegen über allezeit auch im Hochdeutschen verbunden werden.

Anm. 3. Die Wörter, mit welchen gegen zusammen gesetzet wird, sind, außer den Partikeln da, ent, hin und zu, lauter Hauptwörter. Das Vorwort hat darin am häufigsten die streitig gemacht erste figürliche Bedeutung, in vielen Fällen auch die zweyte; in einigen Wörtern stehet es auch für gegen über, und in andern für neben. Im Oberdeutschen verband man es auch mit Zeitwörtern, z. B. kaganhoran, gehorchen, Kero, nach dem Lat. obaudire; kakanlauffan, entgegen laufen, ebend. gagannemman, Notker u. s. f. die aber im Hochdeutschen veraltet sind, ob sie gleich noch im Oberdeutschen zuweilen vorkommen.


Gegenanstalt (W3) [Adelung]


Die Gegenanstalt, plur. die -en, die Anstalt, welche man gegen eines andern Anstalt macht, diese dadurch zu vereiteln. Gegenanstalten machen, vorkehren.


Gegenantwort (W3) [Adelung]


Die Gegenantwort, plur. die -en, die Antwort, welche der Antwort des andern entgegen gesetzt ist; die Replik, Gegenrede.


Gegenbatterie (W3) [Adelung]


Die Gegenbatterie, plur. die -en, in der Artillerie, eine Batterie, deren Geschütz dem feindlichen entgegen gestellet ist.


Gegenbefehl (W3) [Adelung]


Der Gegenbefehl, des -es, plur. die -e, der Befehl, welcher gegen einen andern Befehl gegeben wird, wodurch ein anderer Befehl aufgehoben wird. Gegenbefehl geben.


Gegenbekenntniß (W3) [Adelung]


Das Gegenbekenntniß, des -sses, plur. die -sse, ein Bekenntniß, welches gegen, d. i. zur Entschädigung oder Sicherheit gewisser Gerechtsame ertheilet wird; die Gegenbescheinigung, Reversales.


Gegenbeleidigung (W3) [Adelung]


Die Gegenbeleidigung, plur. die -en, eine Beleidigung, wozu man durch die Beleidigung des andern bewogen wird.


Gegenbericht (W3) [Adelung]


Der Gegenbericht, des -es, plur. die -e, ein Bericht, worin ein vorher gegangener oder anderer Bericht entkräftet wird.


Gegenbescheinigung (W3) [Adelung]


Die Gegenbescheinigung, plur. die -en. 1) S. Gegenbekenntniß. 2) In den Rechten, die Bescheinigung der einen Partey, welche der Bescheinigung der andern entgegen gesetzet ist.


Gegenbeschickung (W3) [Adelung]


Die Gegenbeschickung, plur. die -en, die Beschickung, welche aus Höflichkeit wegen einer vorher erhaltenen Beschickung geschiehet. Der Gesandte hat von den andern Gesandten die Gegenbeschickung erhalten.


Gegenbesuch (W3) [Adelung]


Der Gegenbesuch, des -es, plur. die -e, ein Besuch, der in Ansehung, oder aus Höflichkeit gegen einen von dem andern erhaltenen Besuch abgeleget wird.


Gegenbeweis (W3) [Adelung]


Der Gegenbeweis, des -es, plur. die -e, ein Beweis, der dem Beweise eines andern entgegen gesetzt ist, demselben widerspricht.


Gegenbild (W3) [Adelung]


Das Gegenbild, des -es, plur. die -er. 1) Ein Bild, welches einem andern entgegen gesetzt ist, dessen Gegentheil enthält. Die Vernunft und die Narrheit, zwey allerliebste Gegenbilder! Weiße. 2) Dasjenige Ding, welches durch ein vorher gegangenes Bild ist vorgestellt worden, Antitypus, in Rücksicht auf das Vorbild. Das Heilige, so mit Händen gemacht ist, welches ist ein Gegenbild der Rechtschaffenheit, Ebr. 9, 24.


Gegenblick (W3) [Adelung]


Der Gegenblick, des -es, plur. die -e, derjenige Blick, welcher den Blicken des andern begegnet.


Gegenbuch (W3) [Adelung]


Das Gegenbuch, des -es, plur. die -bücher, das Buch des Gegenschreibers, S. dieses Wort.


Gegenchrist (W3) [Adelung]


Der Gegenchrist, des -en, plur. die -en, ein von einigen versuchter Ausdruck, das Griech. Antichrist auszudrucken, welches andere durch Widerchrist gegeben haben.


Gegen-Compliment (W3) [Adelung]


Das Gegen-Compliment, des -es, plur. die -e, ein Compliment, wodurch das vorher gegangene Compliment eines andern erwiedert wird.


Gegen-Copie (W3) [Adelung]


Die Gegen-Copie, plur. die -n, in der Mahlerey und Zeichnungskunst, eine Copie, in welcher eine andere Copie von hinten nachgezeichnet worden.


Gegend (W3) [Adelung]


Die Gegend, plur. die -en. 1) Ein beträchtlicher Theil der Erdfläche von unbestimmter Größe. Die Gegend um die Stadt. In dieser Gegend halten sich wilde Thiere auf. Das Gut liegt in einer fruchtbaren Gegend. Die Gegend um die Donau. Die Gegend an der See. O, wie reißt das Entzücken mich hin, wenn ich vom hohen Hügel die weit ausgebreitete Gegend übersehe! Geßn. In weiterer Bedeutung oft auch ein jeder Theil eines Raumes. In der vornehmsten Gegend der Stadt wohnen. Das Buch liegt in dieser Gegend, nehmlich des Tisches. 2) In der Astronomie und Geographie, derjenige Punct in der Fläche der Himmelskugel, worin sich die gerade Linie endiget, welche in Gedanken aus dem Auge mit dem Horizonte parallel gezogen wird; die Himmelsgegend, Weltgegend. In diesem Verstande hat man vier Hauptgegenden angenommen, Morgen, Abend, Mittag und Mitternacht, und 28 Nebengegenden. Aus welcher Gegend kommt der Wind?

Anm. Dieses Wort lautet im Oberdeutschen, wo es im Schwabenspiegel zuerst vorzukommen scheinet, nur Gegne, Gegene, im Nieders. Jegen, und im Dän. Ege, welches letzter zu Ecke zu gehören scheinet. Es stammet von dem Vorworte gegen ab, und bezeichnet eigentlich den Theil der Erdfläche, welcher gegen uns oder einen andern bestimmten Körper, d. i. vor demselben, lieget.


Gegendienst (W3) [Adelung]


Der Gegendienst, des -es, plur. die -e, derjenige Dienst, welcher gegen oder für den von einem andern geleisteten Dienst erwiesen wird.


Gegendruck (W3) [Adelung]


Der Gegendruck, des -es, plur. die -e, derjenige Druck, welcher einem andern Drucke entgegen gesetzet wird. Der Druck und Gegendruck der festen und flüssigen Theile im menschlichen Körper, die Action und Reaction.


Gegenfahrt (W3) [Adelung]


Die Gegenfahrt, plur. die -en, auf der Donau, die Fahrt gegen den Strom von Wien nach Regensburg, zum Unterschiede von der Hinabfahrt; die Gegenfuhre, der Gegentrieb.


Gegenfalls (W3) [Adelung]


Gegenfalls, conjunct. adversat. welche besonders den Oberdeutschen Kanzelleyen geläufig ist, in der edlen Schreibart aber nicht gebraucht wird; für widrige Falls, im Gegentheil, sonst.


Gegenforderung (W3) [Adelung]


Die Gegenforderung, plur. die -en, die Forderung, welche der Forderung eines andern entgegen gesetzet ist.


Gegenfuhre (W3) [Adelung]


Die Gegenfuhre, plur. die -n, S. Gegenfahrt.


Gegenfüßler (W3) [Adelung]


Der Gegenfüßler, des -s, plur. ut nom. sing. in der Geographie, Leute, welche auf der uns entgegengesetzte Hälfte der Erdkugel wohnen, und daher die Füße gegen uns gekehret haben; Antipodes. Bey dem Dapper, und vielleicht richtiger, Gegenfüßer.


Gegengefühl (W3) [Adelung]


Das Gegengefühl, des -es, plur. die -e, dasjenige Gefühl, welches einem andern Gefühle entgegen gesetzet wird. Die Gelassenheit lehret uns dem Gefühle des Mißvergnügens ein größeres Gegengefühl der bessern Freuden entgegen zu setzen.


Gegengeld (W3) [Adelung]


Das Gegengeld, des -es, plur. von mehrern Summen, die -er, S. Gegenvermächtniß.


Gegengeschenk (W3) [Adelung]


Das Gegengeschenk, des -es, plur. die -e, dasjenige Geschenk, welches in Betrachtung des von einem andern uns gemachten Geschenkes ihm gegeben wird; die Gegenverehrung.


Gegengewicht (W3) [Adelung]


Das Gegengewicht, des -es, plur. die -e, dasjenige Gewicht, oder diejenige Last, welche einer andern entgegen gesetzt wird, sie aufzuheben, oder zu vernichten. Einem Körper ein Gegengewicht geben. Ihm das Gegengewicht halten. Dergleichen sind die Gegengewichte an Zugbrücken, Schlagbäumen u. s. f. Ingleichen figürlich. Der Stolz ist ein gutes Gegengewicht wider die verführerische Schmeicheley der Mannspersonen, Sonnenf.


Gegengrund (W3) [Adelung]


Der Gegengrund, des -es, plur. die -gründe, ein Beweis- oder Bewegungsgrund, der andern Gründen entgegen gesetzet ist.


Gegengruß (W3) [Adelung]


Der Gegengruß, des -es, plur. die -grüße, derjenige Gruß, wodurch der Gruß eines andern erwiedert wird.


Gegengunst (W3) [Adelung]


Die Gegengunst, plur. car. diejenige Gunst, wodurch die Gunst eines andern erwiedert wird.


Gegenhall (W3) [Adelung]


Der Gegenhall, des -es, plur. die -e, der von einem festen Körper zurück geworfene Hall oder Schall; der Gegenlaut, Gegenschall, Resonantia. Für das Echo, in welchem Verstande es auch von einigen gebraucht worden, sind Wiederhall und Wiederschall üblicher.


Gegenhalt (W3) [Adelung]


Der Gegenhalt, des -es, plur. die -e, dasjenige, was einem drückenden oder bewegenden Körper widerstehet; der Widerhalt.


Gegenhaltung (W3) [Adelung]


Die Gegenhaltung, plur. inus. die Vergleichung; von dem noch im Oberdeutschen üblichen Worte gegenhalten, für dagegen halten, vergleichen; ein im Hochdeutschen wenig gebräuchliches Wort.


Gegenhändler (W3) [Adelung]


Der Gegenhändler, des -s, plur. ut nom. sing. eine im Oberdeutschen übliche Benennung eines Controleurs, der das Gegenbuch hält. S. Gegenschreiber.


Gegenhieb (W3) [Adelung]


Der Gegenhieb, des -es, plur. die -e, derjenige Hieb, der dem Hiebe eines andern entgegen gesetzet, oder zur Vergeltung eines vorher empfangenen geführet wird.


Gegenkaiser (W3) [Adelung]


Der Gegenkaiser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kaiser, welcher dem rechtmäßigen Kaiser entgegen gesetzet wird.


Gegenklage (W3) [Adelung]


Die Gegenklage, plur. die -n, in den Rechten, diejenige Klage, welche der Beklagte gegen den Kläger vor eben demselben Gerichte, und wegen eben derselben ausgeklagten Sache anstellet; die Widerklage, Reconventions-Klage, ehedem auch die Nachklage, zum Unterschiede von der Vorklage oder Conventions-Klage. Eine Gegenklage anstellen.


Gegenkläger (W3) [Adelung]


Der Gegenkläger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gegenklägerinn, plur. die -en, diejenige Person, welche eine Gegenklage anstellet; der Widerkläger.


Gegenlage (W3) [Adelung]


Die Gegenlage, plur. die -n, S. das Gegenvermächtniß.


Gegenlatte (W3) [Adelung]


Die Gegenlatte, plur. die -n, in der Zimmermannskunst, dreyeckige Hölzer zwischen den Sparren eines Daches, die Latten daran zu befestigen.


Gegenlaut (W3) [Adelung]


Der Gegenlaut, des -es, plur. die -e, S. Gegenhall.


Gegenlicht (W3) [Adelung]


Das Gegenlicht, des -es, plur. von mehrern Massen Lichtes dieser Art, die -er, in der Mahlerey, das einer Sache entgegen stehende Licht, welches ihr ein übles Ansehen gibt; Franz. Contre-jour.


Gegenliebe (W3) [Adelung]


Die Gegenliebe, plur. car. diejenige Liebe, wodurch die Liebe eines andern erwiedert wird. Liebe macht Gegenliebe.


Gegenlist (W3) [Adelung]


Die Gegenlist, plur. inus. diejenige List, welche der List eines andern entgegen gesetzet ist.


Gegenmauer (W3) [Adelung]


Die Gegenmauer, plur. die -n, diejenige Mauer, welche gegen oder neben einer andern aufgeführet wird, ihren Druck aufzuhalten, oder sie zu stützen.


Gegenmine (W3) [Adelung]


Die Gegenmine, plur. die -n, in der Belagerungskunst, diejenige Mine, vermittelst welcher man der feindlichen Mine entgegen gehet, sie zu entdecken, und zu zerstören.


Gegenort (W3) [Adelung]


Der Gegenort, des -es, plur. die -örter, im Bergbaue, ein Ort, der einem andern entgegen getrieben wird. S. Ort.


Gegenpapst (W3) [Adelung]


Der Gegenpapst, des -es, plur. die -päpste, ein Papst, der einem andern entgegen gesetzet ist, dergleichen es in den mittlern Zeiten mehrere gegeben hat; Antipapa.


Gegenpart (W3) [Adelung]


Der Gegenpart, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, derjenige, welcher einem andern entgegen gesetzet ist, das Gegentheil von demjenigen behauptet oder verlanget, was jener behauptet oder verlanget; sein Widerpart, Gegner, Gegenmann. S. Part.


Gegenpartey (W3) [Adelung]


Die Gegenpartey, plur. die -en, diejenige Partey, welche einer andern entgegen gesetzet ist, das Gegentheil der andern behauptet oder verlanget.


Gegenprobe (W3) [Adelung]


Die Gegenprobe, plur. die -n. 1) Im Bergbaue, die Probe eines dritten, um zwischen zwey streitige Proben den Ausspruch zu thun. 2) In den schönen Künsten, die Vorstellung einer Figur, welche von einer andern frisch gedruckten oder gezeichneten ist abgezogen worden; Franz. Contre-epreuve.


Gegenrechnung (W3) [Adelung]


Die Gegenrechnung, plur. die -en. 1) Diejenige Rechnung, welche eines andern entgegen gesetzet ist, oder wodurch die Rechnung eines andern ganz oder zum Theil aufgehoben wird; Ital. Scontro, Riscontro. 2) Eine Rechnung, die Rechnung eines andern darnach zu prüfen; Franz. Controlle.


Gegenrede (W3) [Adelung]


Die Gegenrede, plur. die -n. 1) Eine Rede, welche einer andern entgegen gesetzet ist, oder wegen einer andern vorher gegangenen Rede gehalten wird. 2) In den Rechten, die Einwendung des Beklagten wider die Klage des Klägers; die Gegenantwort, der Gegensatz, die Replik. 3) In weiterer Bedeutung, eine jede Entschuldigung, Ausflucht, Ausnahme, welche der Rede eines andern entgegen gesetzet ist.


Gegensatz (W3) [Adelung]


Der Gegensatz, des -es, plur. die -sätze. 1) Ein Satz oder Vortrag, der das Gegentheil eines andern Satzes in sich fasset, oder demselben entgegen gesetzet ist; das Widerspiel, Gegenspiel, Antithesis. 2) Ein jedes Ding, welches dem andern entgegen gesetzet ist, oder dessen Gegentheil ist; ingleichen der Zustand, da es dem andern entgegen gesetzet ist, ohne Plural. 3) In den Rechten auch so viel als Gegenantwort, oder Gegenrede 2. Der Gegensatz des Beklagten, Replica. Des Klägers anderer Gegensatz, Duplica. 4) In der Redekunst, eine Figur, welche verschieden lautende Nahmen entgegen stehender Begriffe in Einen gemeinschaftlichen Gesichtspunct vereinigt, durch die bemerkte Ähnlichkeit oder Verschiedenheit den Witz zu vergnügen, die Antithese; z. B. was man hat und auch nicht hat. 5) In der Dichtkunst, eine Strophe, welche einer vorher gehenden entgegen gesetzt ist; Antistrophe.


Gegenschall (W3) [Adelung]


Der Gegenschall, des -es, plur. die -e, S. Gegenhall.


Gegenschein (W3) [Adelung]


Der Gegenschein, des -es, plur. die -e. 1) Wie Gegenbescheinigung 1, oder Gegenbekenntniß, S. dasselbe. 2) Zuweilen für Wiederschein. Der Gegenschein des Feuers, repercussio. 3) In der Astrologie, der Stand eines Planeten gegen den andern im Thierkreise, wenn er 180 Grad von demselben entfernet ist; Oppositio.


Gegenschraffirung (W3) [Adelung]


Die Gegenschraffirung, plur. die -en, bey den Holzschneidern, Kupferstechern und Zeichnern, die zweyten oder dritten Züge in einer Zeichnung, oder eben diese Schnitte in Holz und Kupfer, welche die ersten durchschneiden; die Kreuzschraffierung. S. Schraffiren.


Gegenschreiber (W3) [Adelung]


Der Gegenschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. bey verschiedenen Cassen, ein vereidigter Schreiber, welcher außer dem ordentlichen Schreiber ein Rechnungsbuch führet, welches das Gegenbuch genannt wird. Er wird mit einem Französischen Worte gemeiniglich Controleur, im Österreichischen aber auch Gegenhändler oder Gegenhandler genannt.


Gegenschuld (W3) [Adelung]


Die Gegenschuld, plur. die -en, diejenige Schuld, welche ein anderer von uns zu fordern hat; die Passivschuld, zum Unterschiede von der Activschuld.


Gegenschwager (W3) [Adelung]


Der Gegenschwager, des -s, plur. die -schwäger, diejenigen Schwäger, von welchen einer des Mannes, der andere der Frauen Vater ist; im Oberd. Gegenschwäher.


Gegenseite (W3) [Adelung]


Die Gegenseite, plur. die -n, die einer andern entgegen stehende Seite eines Dinges. Die Gegenseite einer Münze, welche der Kopfseite entgegen stehet; die Rückseite, der Revers, bey einigen mit einem sehr albernen Ausdrucke die Kehrseite.


Gegenfertig (W3) [Adelung]


Gegenfertig, adj. et adv. 1) Einem andern Dinge entgegen gesetzt; doch nur im Oberdeutschen. Der gegenseitige Theil, der Gegentheil, Gegner. Der gegenseitige Satz, der Gegensatz. 2) Was jedes von zwey Dingen an sich hat, oder von jedem derselben dem andern geschiehet. Gegenseitige Neigung, welche zwey Personen gegen einander haben. Die Freundschaft schließt gegenseitige Neigungen und Dienstleistungen in sich. Das gegenseitige Verhältniß, relatio reciproca. Die Treue der ehelichen Liebe gründet sich auf das gegenseitige Versprechen, Gell. Die wahre Freundschaft setzet allezeit gegenseitige Verdienste voraus, ebend. Sich zu nennen, heißt die gegenseitige Achtung verwahrlosen.


Gegensiegel (W3) [Adelung]


Das Gegensiegel, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Siegel, welches einem andern Siegel gegen über gesetzet wird; Contrasigillum. S. Rücksiegel.


Gegensonne (W3) [Adelung]


Die Gegensonne, plur. die -n, in der Naturlehre, eine Art der Nebensonnen, wenn der Wiederschein der Sonne ihr gerade gegen über stehet; wenn z. B. die wahre Sonne in Abend stehet, und ihr Wiederschein in Morgen gesehen wird.


Gegenspiel (W3) [Adelung]


Das Gegenspiel, des -es, plur. die -e, ein Wort oder Satz, und in weiterer Bedeutung auch ein jedes Ding, welches dem andern entgegen gesetzet ist, dessen Gegentheil ist oder enthält; das Widerspiel, der Gegensatz, das Gegentheil, S. Spiel.


Gegenspruch (W3) [Adelung]


Der Gegenspruch, des -es, plur. die -sprüche, ein in einigen Oberdeutschen Gegenden für Widerspruch übliches Wort. S. dasselbe.


Gegenstand (W3) [Adelung]


Der Gegenstand, des -es, plur. die -stände. 1) * Dasjenige, was einem andern Dinge entgegen stehet, dasselbe hindert, das Hinderniß; in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist. 2) * Der Widerstand, Resistenz; ohne Plural, und nur im Oberdeutschen. 3) * Der Gegensatz, das Gegentheil; eine im Hochdeutschen gleichfalls nicht mehr gangbare Bedeutung, wo dieses Wort, 4) nur noch figürlich, ein Ding bezeichnet, auf welches eine Veränderung gerichtet ist, von welchem man etwas saget oder behauptet, und oft ein jedes Ding außer uns überhaupt. Die natürlichen Dinge sind der Gegenstand der Physik. Der Gegenstand unsers pflichtmäßigen Verhaltens muß sich so weit erstrecken, als sich der Gegenstand unserer Fähigkeiten erstreckt, Baumg. Die Übung der Pflichten ist der Gegenstand der Moral. Wir gewöhnen uns an die Gegenstände, die uns umgeben. Der Einfluß, welchen die Gegenstände der Natur auf unser Glück haben. Unrichtige Meinungen legen den Gegenständen unserer Neigungen einen falschen Wert bey, Gell. Der Gegenstände, die zum äußern Glücke gehören, gibt es eine große Anzahl, ebend. Die größere Bekanntschaft mit den Gegenständen erzeugt eine größere Kenntniß derselben, Sonnenf. Der persönliche Gegenstand, diejenige Person, von welcher etwas gesagt wird, oder auf welche eine Wirkung gerichtet ist.

Anm. In dieser letztern Bedeutung ist es erst in den neuern Zeiten angenommen worden, das Lat. Objectum auszudrucken, welches in einem alten Vocabulario von 1477 durch Wyderschyne gegeben wird. Im Oberdeutschen hingegen, wo die drey ersten Bedeutungen dieses Wortes noch gangbar sind, macht diese vierte Bedeutung oft Dunkelheit und Zweydeutigkeit, worüber sich ehedem schon P. Dornblüth beschwerete, der mit diesen Klagen den Hohn nicht verdiente, womit ihn Gottsched dafür überschüttete. Gegenstand bedeutet in dieser Bedeutung eigentlich ein Ding, welches uns gegen über stehet, und ist freylich besser als Gegenwurf und Vorwurf, welches andere dafür einführen wollen; obgleich das Wort Stand, welches in dieser Bedeutung wider den Sprachgebrauch ein Ding bedeutet, welches stehet, hier eben nicht zum Besten gewählet ist.


Gegenstellung (W3) [Adelung]


Die Gegenstellung, plur. die -en. 1) In einigen Oberdeutschen Gerichten, das Verhör zweyer Personen gegen einander, ihre Aussagen zu vergleichen; die Confrontation. 2) In der Mahlerey bey einigen, die Mannigfaltigkeit einander entgegen gesetzter Farben, Dinge und Stellungen; der Contrast.


Gegenstich (W3) [Adelung]


Der Gegenstich, des -es, plur. die -e, ein Stich, der einem andern entgegen gesetzet ist, von der andern Seite auf ihn geführet wird. Z. B. in Landesvermessungen, bey Gräben u. s. f. ein Stich mit dem Grabscheite in die Erde, welcher mit dem ersten einen Winkel macht, und den Rasen löset.


Gegenstolz (W3) [Adelung]


Der Gegenstolz, des -es, plur. car. der Stolz, welcher dem Stolz eines andern entgegen ist. Der Stolz wird am ersten mit Gegenstolz oder Verachtung bestraft, Gell.


Gegenstoß (W3) [Adelung]


Der Gegenstoß, des -es, plur. die -stöße, derjenige Stoß, welcher einem vorher gegangenen Stoße entgegen gesetzet ist.


Gegenstück (W3) [Adelung]


Das Gegenstück, des -es, plur. die -e, in den schönen Künsten, zwey Figuren von Einer Größe, welche so gestellet sind, als wenn sie sich einander betrachteten; Franz. Compagnon, le Pendant.


Gegentheil (W3) [Adelung]


Der Gegentheil, des -es, plur. die -e, diejenige Person oder diejenigen Personen, deren Behauptung oder Bemühung der unsrigen entgegen gesetzet ist, besonders in den Rechten; der Gegenpart, Gegner.


Gegentheil (W3) [Adelung]


Das Gegentheil, des -es, plur. die -e, ein Ding, welches dem andern entgegen stehet, den Gegensatz desselben enthält. Er thut alle Mahl das Gegentheil von demjenigen, was ich will. Sie zeigt sich unter zwey Gestalten, wovon die eine das Gegentheil der andern ist. Das Gegentheil behaupten. Im Gegentheile.


Gegentheilig (W3) [Adelung]


Gegentheilig, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist. Die gegentheilige Hartnäckigkeit, des Gegentheiles. S. der Gegentheil.


Gegentheils (W3) [Adelung]


Gegentheils, adv. im Gegentheile. Die war der Maus gewogen, Ihr waren gegentheils die Vögel ganz verhaßt, Haged. S. das Gegentheil.


Gegentrieb (W3) [Adelung]


Der Gegentrieb, S. Gegenfahrt. Im Gegentriebe fahren, dem Strome entgegen.


Gegentrumm (W3) [Adelung]


Das Gegentrumm, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, dasjenige Trumm; oder Stück eines Ganges, welches einem andern Stücke desselben gegen über liegt.


Gegenverehrung (W3) [Adelung]


Die Gegenverehrung, plur. die -en, S. Gegengeschenk.


Gegenverheißung (W3) [Adelung]


Die Gegenverheißung, plur. die -en, S. Gegenversprechen.


Gegenvermächtniß (W3) [Adelung]


Das Gegenvermächtniß, des -sses, plur. die -sse, ein Vermächtniß, oder eine Schenkung, welche der Ehemann oder ein anderer in dessen Nahmen der Ehegattinn wegen ihres Brautschatzes und zu dessen Sicherheit thut; die Widerlage, die Gegensteuer, die Gegenlage, das Gegengeld, Antipherna, im mittlern Lateine Incontrum.


Gegenverpflichtung (W3) [Adelung]


Die Gegenverpflichtung, plur. die -en, diejenige Verpflichtung, welche wegen oder in Ansehung einer andern Verpflichtung geschiehet.


Gegenverschreibung (W3) [Adelung]


Die Gegenverschreibung, plur. die -en, eine Verschreibung, welche wegen der Verschreibung eines andern geschiehet, und die auf solche Art verschiedene Sache.


Gegenversicherung (W3) [Adelung]


Die Gegenversicherung, plur. die -en. 1) Eine Versicherung, welche einer andern entgegen gesetzet ist. 2) Eine Versicherung, welche wegen und in Betrachtung einer vorher gegangenen Handlung gegeben wird; Reversales.


Gegenversprechen (W3) [Adelung]


Das Gegenversprechen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Versprechen, welches wegen das von einem andern uns gethanen Versprechens geleistet wird; die Gegenverheißung, Gegenzusage.


Gegen-Visite (W3) [Adelung]


Die Gegen-Visite, plur. die -n, wie Gegenbesuch.


Gegenwall (W3) [Adelung]


Der Gegenwall, des -es, plur. die -wälle, die äußerste Brustwehre an einer Festung mit einem Gange um den Graben; die Contrescarpe.


Gegenwart (W3) [Adelung]


Die Gegenwart, plur. car. 1) Der Zustand, da man durch seine eigene Substanz ohne moralische Mittelursachen, ja ohne alle Werkzeuge an einem Orte wirken kann, die Anwesenheit. Verspare es bis zu meiner Gegenwart. Er that es in meiner Gegenwart. Seine Gegenwart ist mir verhaßt. Sollte ich ihnen wegen einiger unbedeutenden Worte meine Gegenwart verbiethen? d. i. ihnen verbiethen, sich vor mir sehen zu lassen. Die Gegenwart des Geistes, oder des Gemüthes, die Fertigkeit, sich bey allen Veränderungen seiner selbst bewußt zu seyn, und sich zum Gebrauche der Kräfte seines Geistes im Stande zu befinden, welche einige neuere die Besonnenheit nennen wollen, in der Deutschen Bibel aber Nüchternheit und Wachsamkeit heißt. Er hatte nicht genug Gegenwart des Geistes, um sich geschickt aus der Sache zu ziehen. 2) In weiterer Bedeutung auch zuweilen für Existenz, Daseyn. Die Gegenwart unendlicher Eigenschaften in Gott.

Anm. Schon bey dem Ottfried Geginuuerti, im Nieders. Jagenwardighet, Tegenwardighet. Bey dem Notker ist gagenuuertan sih, sich darstellen, gegenwärtig werden. Von der letzten Hälfte dieses Wortes S. die

Anm. zu Anworten. Gegen scheint hier eine Nähe zu bezeichnen. S. Gegen II. 4, 5. Für Gegenwart gebraucht Kero Antuuarta, Ottfr. aber Nahwist, Naheseyn. Im Angels. ist anduuerdu gegenwärtig.


Gegenwärtig (W3) [Adelung]


Gegenwärtig, adj. et adv. 1: Im Stande, an einem Orte durch seine eigene Substanz unmittelbar wirken zu können. Ich war nicht gegenwärtig, als es geschahe. Die gegenwärtigen Zuschauer. 2. Figürlich. 1) Was mit uns coexistiret, oder mit dem wir coexistiren, indem wir daran denken. Eine Person oder Sache ist uns gegenwärtig, wenn sie abwesend ist, wir uns aber dieselbe lebhaft vorstellen. Die Sache war mir so gegenwärtig, daß ich meine Zunge schlechterdings nicht in meiner Gewalt hatte. Das ist meinem Gedächtnisse noch von meiner Jugend her gegenwärtig. 2) Von der Zeit, was jetzt ist, oder geschiehet, mit uns coexistiret. Die gegenwärtige Zeit, die jetzige. Im gegenwärtigen Jahre. Die gegenwärtige Noth, welche wir jetzt empfinden. Gegenwärtig (jetzt) habe ich es noch nöthig. Sein Bruder befindet sich gegenwärtig nicht hier. Im Oberdeutschen der Zeit, d. i. zu dieser Zeit.

Anm. Bey dem Kero in der ersten eigentlichen Bedeutung antuuurtan und kekakanuuurtan, bey dem Ottfried und Notker geginuertig, bey dem erstern auch in gegini, im Nieders. tegenwardig. Das verlängerte Oberdeutsche Gegenwärtigkeit für Gegenwart ist im Hochdeutschen sehr entbehrlich, ob es gleich mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt.


Gegenwehr (W3) [Adelung]


Die Gegenwehr, plur. inus. die körperliche Vertheidigung gegen oder wider den Angriff eines andern. Zur Gegenwehr greifen, 3 Macc. 1, 30. Sich zur Gegenwehr stellen, sich vertheidigen. Gegenwehr thun.


Gegenwind (W3) [Adelung]


Der Gegenwind, des -es, plur. die -e, derjenige Wind, welcher einem Schiffe entgegen wehet, folglich dessen Lauf hindert.


Gegenwirkung (W3) [Adelung]


Die Gegenwirkung, plur. die -en, die Wirkung, welche einer andern entgegen gesetzt ist; die Reaction.


Gegenwurf (W3) [Adelung]


* Der Gegenwurf, des -es, plur. die -würfe. 1) S. Gegenstand. 2) Für Einwurf, doch nur im Oberdeutschen.


Gegenzusage (W3) [Adelung]


Die Gegenzusage, plur. die -n, S. Gegenversprechen.


Gegitter (W3) [Adelung]


Das Gegitter, S. Gitter.


Gegler (W3) [Adelung]


Der Gegler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Bergfink.


Gegnen (W3) [Adelung]


Gegnen, S. Begegnen.


Gegner (W3) [Adelung]


Der Gegner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gegnerinn, plur. die -en, eine Person, welche das Gegentheil von demjenigen will oder behauptet, was wir wollen oder behaupten, welche mit uns in einer oder der andern Sache nicht einerley Meinung ist; der Gegentheil, im gemeinen Leben Gegenmann, Gegenpart. So ist der Opponent der Gegner des Respondenten, derjenige, welcher ein Amt sucht, der Gegner dessen, der um eben dasselbe Amt anhält, derjenige, welcher mit einem andern in einem Rechtshandel verwickelt ist, des letztern Gegner. Wenn man Ursache hat, harte Ausdrücke zu vermeiden, so beleget man auch wohl einen offenbaren Feind mit dem gelindern Nahmen eines Gegners. Im Oberdeutschen hat man auch das Beywort gegnerisch. Die gegnerischen Waffen, die Waffen des Gegentheils oder Feindes.


Gehäbe (W3) [Adelung]


* Gehäbe, -r, -ste, adj. et adv. welches im Hochdeutschen ungewöhnlich ist, aber noch zuweilen im Oberdeutschen vorkommt, von dem Zeitworte haben, so fern es halten bedeutet. Ein Gefäß ist gehäbe, wenn es dicht ist, keine Ritzen hat. Ein gehäbes Faß. Ingleichen für enge, fest, gedränge. Die Garben gehäbe an einander legen. Daher der Gegensatz ungehäbe, was Ritzen hat, locker ist. Für gehäbe hat man im Oberdeutschen auch die Wörter häbig, behäb, behäbig, in eben dem Verstande.


Gehaben (W3) [Adelung]


* Gehaben, verb. irreg. act. ( S. Haben,) welches im Oberdeutschen für das einfache haben gebraucht wurde, im Hochdeutschen aber veraltet ist. 1) Für haben, habere. Solche Werkzeuge muß man im Vorrathe behalten, damit, so deren eins verloren wird, daß man ein anders gehaben möge, Fronsb. 2) Sich betragen; als ein Reciprocum. Gihabet iuih baldo, gehabt, betragt euch tapfer. Kehabe dih comelicho, gehabe dich männlich, Notk. Er gehabt sich übel, stellet sich ungeberdig, geberdet sich übel. Im Niedersächsischen gebraucht man auch das einfache haben in diesem Verstande. Wie hat er sich? wie geberdet, beträgt er sich? 3) Sich befinden, dem Leibe und Gemüthe nach; auch als ein Reciprocum. Ich gehabe mih wol, Reinm. der Alte. Das ich mih wol gehabe als -e, ebend. Ich gräme mich und gehabe mich übel, Jer. 8, 21. Warum weinest du? - Und warum gehabt sich dein Herz so übel? 1 Sam. 1, 8. Gehabt euch wohl! eine veraltete Schlußformel in Briefen, welche noch Apost. Gosch. 15, 29 vorkommt. 4) Für halten. Thara gihabet iuih zua, dazu haltet euch, Ottfr. 5) Für weggehen. Gehabe dih, hebe dich weg, Willeram. In allen diesen Bedeutungen ist es jetzt im Hochdeutschen unbekannt. Im Schwedischen bedeutet Athäswa die Geberde und eine jede Art zu handeln, und hafwa sig sich betragen, wohin auch das Engl. Behaviour gehöret. S. Haben.


Gehacke (W3) [Adelung]


Das Gehacke, des -s, plur. car. 1) Ein mehrmahliges oder anhaltendes Hacken, im gemeinen Leben. 2) Das Hacken, im verächtlichen Verstande.


Gehäge (W3) [Adelung]


Das Gehäge, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein eingehägter, d. i. mit einem Hage oder Zaune umschlossener Ort, und besonders ein Bezirk, in welchem das Wildbret gehäget wird, ein Jagdrevier, wo niemand jagen darf. Ein Gehäge anrichten. Ein Fasanengehäge, Hasengehäge u. s. f. Einen Schlag ins Gehäge legen, im Forstwesen, einen Schlag oder Gehau mit Hägewischen abstecken, zum Zeichen, daß er gehäget werden soll. Einem in das Gehäge kommen, oder gehen, figürlich im gemeinen Leben, in dessen Amt greifen; ingleichen sich etwas anmaßen, worauf nur der andere ein Recht zu haben glaubt. Auch ein gehägtes Wasser, d. i. ein Bach, Fluß oder See, wo nicht ein jeder fischen darf, wird ein Gehäge genannt. S. Hag und Hägen. 2) Ein Hag oder Zaun, und in weiterer Bedeutung zuweilen eine jede Einfriedigung. Ein Gehäge um den Berg machen, 2 Mos. 19, 12, 23, wo Michaelis das Wort Gränzzug gebraucht.


Gehägeaufseher (W3) [Adelung]


Der Gehägeaufseher, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, der Aufseher über ein Gehäge der niedern Jagd.


Gehägebereiter (W3) [Adelung]


Der Gehägebereiter, des -s, plur. ut nom. sing. diejenigen Forstbedienten, welche die Gehäge oder Jagdgränzen bereiten; Hägereiter.


Gehalt (W3) [Adelung]


Der Gehalt, des -es, plur. die -e, welches für das einfache Halt im Hochdeutschen üblich ist; besonders in folgenden Fällen. 1) Der körperliche Inhalt, was ein Raum enthalten kann, ohne Plural. Ein Faß von hundert Kannen Gehalt. Ein Haus hat vielen Gehalt, bequemen Raum; im gemeinen Leben auch Gelaß. 2) Dasjenige, was ein Körper von andern Dingen enthält, was ihm von andern Dingen beygemischet ist; auch ohne Plural, außer von mehrern Arten. Den Gehalt oder Halt eines Gesundbrunnen untersuchen, was für mineralische Theile er enthält. Besonders von Erzen und Münzen, von den ihrer Masse beygemischten edlen Metallen. Der Gehalt der Erze. Eine Silbermünze von gutem Gehalte, welche die gehörige Menge Silbers enthält. Silber, welches an Gehalt zwölflöthig ist. Da dieser Gehalt, welcher auch das Korn genannt wird, eigentlich den Werth der Münzen ausmacht, so wird auch das Wort Werth in diesem Verstande gebraucht. 3) Die Besoldung. Ein Kammerdiener, ein Hofmeister, welcher hundert Thaler Gehalt bekommt. Der Gehalt einer obrigkeitlichen Person, eines Schuldieners, eines Geistlichen u. s. f. Es bezeichnet eigentlich die Summe, für welche man jemanden zu seinen Diensten hält oder unterhält, und könnte also eine allgemeine Benennung seyn. Doch gebraucht man Besoldung am häufigsten nur von vornehmen Personen oder öffentlichen Bedienten, Gehalt von geringern, und Lohn von der geringsten Art Bedienten. Einige halten das Wort Gehalt in dieser dritten Bedeutung für ein Neutrum, das Gehalt; vielleicht nur, weil es in einigen Gegenden in diesem Geschlechte üblich ist. Der Hochdeutsche Sprachgebrauch ist so wohl in dem einfachen Halt als auch in dem zusammen gesetzten Gehalt für das männliche.


Gehänge (W3) [Adelung]


Das Gehänge, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte hängen. 1. Dasjenige, was hänget, in einigen besondern Fällen. 1) Der abhängige Theil eines Berges, ja einer jeden Fläche, besonders im Bergbaue, wo man es auch das Hangende nennet. Wolt sich ab über ein gehenng Lassen, in einer dieffen eng, Theuerd. Kap. 31. 2) Die Kunststangen des Feldgestänges, wenn sie an ein Gelenke hängen, im Bergbaue, als ein Collectivum. 3) Herab hangende Zierathen, besonders in den Zusammensetzungen Ohrengehänge, Halsgehänge u. s. f. 4) Das Eingeweide, im gemeinen Leben einiger Gegenden. Das Gehänge von Schweinen. Als ein Collectivum. 5) Die herab hangenden Ohren der Jagdhunde, welche auch das Geläppe genannt werden, bey den Jägern, gleichfalls als ein Collectivum. 2. Dasjenige, woran etwas hanget. So wird bey den Jägern das Jägerzeug, woran das Hiefhorn hanget, das Gehänge genannt. S. Gehenk, welches in dieser Bedeutung üblicher ist.


Gehäse (W3) [Adelung]


Das Gehäse, des -s, plur. ut nom. sing. welches nur bey den Jägern in den Zusammensetzung Vordergehäse und Hintergehäse üblich ist, wovon jenes den vordern, dieses aber den hintern Theil eines Hasen bedeutet.


Gehässig (W3) [Adelung]


Gehässig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Haß habend, bey sich empfindend, für das veraltete hässig. Einem gehässig seyn, ihn hassen. Einem gehässig werden. Sich jemanden gehässig machen, zum Feinde. Gehässig haben sie mein Leben Mit Worten voller Gift umgeben, Opitz Ps. 109. Die längst des Sultans Geitz feind und gehässig waren, Weiße. Gehässiger Weise, feindseliger Weise. 2) In leidendem Verstande, was gehasset wird, verhaßt. Sich bey jemanden gehässig machen. Eine gehässige Sache. Anm. Das einfache hässig kommt noch bey dem Opitz vor: Der Wahrheit hässig seyn. Ehedem lautete dieses Wort auch nur gehaß. Si ist mir aneschuld gehas, Walther von Klingen. Dur das wan si der minne sint gehas, Heinrich von Veldig.


Gehässigkeit (W3) [Adelung]


Die Gehässigkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da man einer Person oder Sache gehässig ist, in beyden Bedeutung des Beywortes.


Gehau (W3) [Adelung]


Das Gehau, des -es, plur. die -e, im Forstwesen, derjenige Theil eines Waldes, wo Holz geschlagen oder gehauen wird, ingleichen, wo es geschlagen werden soll, auch, wo es ehedem geschlagen worden. Einen Wald in zehen Gehaue eintheilen. Ein junges Gehau, ein Ort, wo junges Laubholz aufliegen soll. Statt dieses Wortes ist in andern Gegenden auch Hau, Gehauig, Hauung, Hieb, Schlag, Holzschlag, Meiß, Kabel u. s. f. üblich. S. diese Wörter. Im mittlern Lateine heißt ein Gehau Capecia.


Gehäuse (W3) [Adelung]


Das Gehäuse, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches ehedem so wohl für das einfache Haus, als auch collective von mehrern Häusern gebraucht wurde. Jetzt ist es im Hochdeutschen nur figürlich von verschiedenen Arten von Behältnissen üblich, welche gewissen Dingen statt eines Hauses dienen. Das Gehäuse einer Uhr, die äußere Capsel oder Bekleidung derselben. Bey den Uhrmachern führen auch die beyden Platten, welche durch Pfeiler mit einander verbunden sind, und das Räderwerk enthalten, diesen Rahmen. Das Gehäuse oder Kerngehäuse des Kernobstes, das Kern- oder Samenbehältniß desselben, S. Gröbs. Etwas uneigentlicher heißt der massive Theil eines Degengefäßes zwischen dem Stichblatte und Griffe, welcher auch das Kreuz genannt wird, bey den Schwertfegern das Gehäuse. Es begreift die Parierstange nebst dem Bügel in sich.


Gehebe (W3) [Adelung]


Gehebe, S. Gehäbe.


Geheck (W3) [Adelung]


Das Geheck, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Nest voll Vögel, so viel Vögel als auf Ein Mahl gehecket oder ausgebrütet werden; eine Hecke, ein Flug. Besonders die Jungen einer wilden Gans oder wilden Ante; ein Zug.


Gehecke (W3) [Adelung]


Das Gehecke, des -s, plur. car. ein mehrmahliges oder anhaltendes Hecken, im gemeinen Leben.


Gehehlen (W3) [Adelung]


* Gehehlen, verb. reg. neutr. et act. welches im Hochdeutschen veraltet ist, und nur noch zuweilen in den Gerichten vorkommt. 1) In etwas gehehlen, in dasselbe einwilligen, seinen Willen, seinen Beyfall dazu geben. 2) Etwas gehehlen, Nachsicht dagegen gebrauchen, es dulden.

Anm. Dieses Wort ist durch eine verderbte Aussprache aus gehellen, oder vielmehr gehällen, entstanden; welches in ältern Oberdeutschen Schriften mehrmahls vorkommt, und auch gehorchen, mit der dritten Endung, bedeutet. Er wolte nicht gehellen ewr. Stym, in einer alten Deutschen Bibel von 1483, 3 Mos. 1, 45. Er wolte nicht gehellen den Worten Jephthä, ebendas. Richt. 2, 28. Wann du gibst die Gihellung ihrer Eyschung, ebendas. 1 Kön. 12, 7. Für Beyfall geben, einstimmen, kommt es bey dem Wurstisen, wo es gehillen lautet, mehrmahls vor; z. B. 1456: sy gehullen in der Meer, sie stimmten der Erzählung bey; und S. 1460: die Schrift gehilt uns. Das einfache helen findet sich in dieser Bedeutung bey dem Mathesius, und Gehäll für Einwilligung bey dem Hedion. Es stammet von Hall, Schall, ab, wie einstimmen von Stimme. In der Monseeischen Glosse ist gihel einstimmig. S. Einhällig. Die falsche Aussprache hat schon ehedem gemacht, daß man es von hehlen, verbergen, abgleitet hat, sonst würde man im mittlern Lateine gehehlen, Nachsicht gegen etwas brauchen, nicht durch concelare übersetzt haben.


Geheim (W3) [Adelung]


Geheim, -er, -ste, adj. et adv. verborgen, unbekannt, was verborgen ist, oder doch verborgen seyn soll; im gemeinen Leben heimlich, im Gegensatze des öffentlichen. Ein geheimer Ort. Eine geheime Treppe. Ein geheimer Gang. Eine geheime Zusammenkunft. Eine geheime Schreibart. Geheime Sünden. Eine geheime Zusammenverschwörung. Etwas vor einem andern geheim halten. Einem seine geheimsten Angelegenheiten entdecken. Suche ihr das Bekenntniß ihres geheimen Grames zu entreißen. Die willige Ergebung in die Rathschlüsse Gottes ohne geheime Ausnahmen, Gell. Die geheime Vereinigung mit Gott, unio mystica, weil sie nur allein aus der nähern Offenbarung erkannt werden kann, ihre eigentliche Art auch selbst unbegreiflich ist. Der geheime Verstand einer Rede, der nicht so wohl durch die Worte, als vielmehr durch die mit den Worten bezeichneten Sachen hervor gebracht, und auch der mittelbare Verstand genannt wird. Im engern Verstande, was nahe um den Fürsten ist, denselben und die innersten Landessachen betrifft. Daher ein geheimer Rath, oder der geheime Rath, die vornehmste Art von Räthen, welche überhaupt das, was zur Erhaltung eines Staates gehöret, besorgen; wenn anders ihre Würde nicht ein bloßer Titel ist. Das geheime Siegel, dessen sich der Fürst in seinen geheimen Ausfertigungen bedienet. Der geheime Staatsrath, geheimer Justizrath, geheimer Kammerrath u. s. f. welche von höherer Würde sind, als die ordentlichen Staatsräthe u. s. f. In geheim, auf eine geheime Art. In geheim mit jemanden sprechen. Ihr Leben ist mir in geheim erzählt worden. In geheim nachforschen. Anm. Es ist nicht ganz richtig, daß geheim nur in gutem Verstande und bloß von wichtigen Dingen, heimlich aber im entgegen gesetzten Verstande gebraucht werde. Heimlich ist mehr im gemeinen Leben, geheim aber vorzüglich in der anständigen und edlen Schreibart üblich. Viele sehen die Benennung geheimer Rath als ein zusammen gesetztes Wort an, und schreiben es Geheimerrath, welches aber unrichtig ist, weil ein Beywort, wenn es mit einem Hauptworte zusammen gezogen wird, alle Mahl eine Sylbe am Ende verlieret; Großmeister, Grobschmid, Jungfrau, Freybeuter, Dickkopf, nicht Großermeister, Groberschmid u. s. f. Wäre es eine wahre Zusammensetzung, so müßte es Geheimrath heißen, wie man Geheimbuch und Geheimschreiber sagt. Mit mehrerm Rechte kann man es, wenn es eine Würde bezeichnet, mit einem großen G schreiben; Geheimer Rath. Das d, welches so gern dem m nachschleicht, geheimd, für geheim, ist im Hochdeutschen veraltet. S. Heimlich.


Geheimbuch (W3) [Adelung]


Das Geheimbuch, des -es, plur. die -bücher, bey den Kaufleuten, ein geheimes Buch, in welches sie ihre geheimsten Angelegenheiten verzeichnen, und es daher gern vor andern verborgen halten.


Geheimniß (W3) [Adelung]


Das Geheimniß, des -sses, plur. die -sse. 1. Der Zustand, da eine Sache geheim ist; ohne Plural. Das Geheimniß höret auf, so bald mehrere um die Sache wissen. 2. Eine geheime, unbekannte Sache; vornehmlich in folgenden Fällen. 1) Ein geheimes, andern unbekanntes Kunststück oder Hülfsmittel. Das Geheimniß Gold zu machen. Ein Geheimniß (geheimes Arzeneymittel) wider das Podagra. 2) Bey den Steinsetzern und Besichtigern der Gränzen werden die unverweslichen Stücke, welche auf eine geheime und nur ihnen bekannte Art unter die Gränzsteine geleget werden, Geheimnisse genannt. 3) Was verschwiegen oder unbekannt ist oder bleiben soll. Ein Geheimniß aus etwas machen. Die Absicht seiner Reise ist noch ein Geheimniß. Ich dächte, ich machte kein Geheimniß aus meiner Liebe, Gell. Du willst Geheimnisse vor mir haben? Jemanden mit in sein Geheimniß ziehen, ihm seine geheime Angelegenheit bekannt machen. Das Geheimniß soll unter uns bleiben, es soll es außer uns niemand erfahren. Der Frevler, sollt' er wohl in mein Geheimniß dringen? Weiße. Ein Geheimniß verrathen, ausplaudern. Auch kleine und nachtheilige Umstände, von welchen, wenn sie bekannt werden sollten, Nachtheil zu befürchten ist. 4) Dinge, deren Daseyn erwiesen und bekannt ist, von denen uns aber die Art und Weise ihres Daseyns unbekannt ist. Das Geheimniß der Dreyeinigkeit. Das Geheimniß der Menschwerdung Christi. Die Verbindung der Seele mit dem Leibe gehöret zu den Geheimnissen der Natur. Welches Leben, auch das niedrigste und dunkelste, hat nicht seine Geheimnisse und Wunder? Gell.

Anm. Im Nieders. nur Heimniß, im Oberdeutschen ehedem Heimlichkeit. So wird in dem 1522 zu Basel gedruckten neuen Testamente Heimlichkeit durch Sacrament gegeben. Ehe noch das Wort Geheimniß allgemein wurde, hatte man andere Wörter, das Griech. und Lat. Mysterium auszudrucken. Notker braucht Tougene, der Übersetzer Isidors Chiruni, der Übersetzer Tatians Giruni, im Angels. Geryne, von raunen.


Geheimnißvoll (W3) [Adelung]


Geheimnißvoll, -er, -ste, adj. et adv. 1) Voll Geheimnisse, unbegreiflich. Die geheimnißvolle Wahrheit von der Dreyeinigkeit Gottes. Die geheimnißvolle Menschwerdung Christi. 2) Das Ansehen habend, als wenn man Geheimnisse, d. i. andern verborgene Dinge wüßte. Er thut sehr geheimnißvoll. Mit sehr geheimnißvollen Mienen Tritt Strephon in Crispinens Haus, Gell.


Geheimschreiber (W3) [Adelung]


Der Geheimschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. eine in einigen Oberdeutschen Gegeben übliche Benennung eines Secretärs. In eben diesen Gegenden wird auch eine Kanzelley die Geheimschreiberey, und archivalische Urkunden Geheimschriften genannt.


Geheiß (W3) [Adelung]


Das Geheiß, des -es, plur. inus. ein mündlicher Befehl, im gemeinen Leben und nur mit einigen Vorwörtern. Er hat es ohne mein Geheiß gethan. Auf wessen Geheiß ist das geschehen? Personen, die auf das Geheiß ihrer Herzen das Bündniß der Ehe schlossen.

Anm. Im 14ten Jahrhunderte noch Haiße, im Nieders. Hete. Von dem Zeitworte heißen, w. s. In einigen Gegenden ist es auch männlichen Geschlechtes, der Geheiß.


Gehen (W3) [Adelung]


Gehen, verb. irreg. ich gehe, du gehst, er geht; Imperf. ich ging; Mittelw. gegangen; Imperat. gehe oder geh. Es ist ein Neutrum, welches alle Mahl, den Fall ausgenommen, wenn es ein Reciprocum ist, das Hülfswort seyn erfordert, und überhaupt den Ort verändern bedeutet.

I. Von lebendigen Geschöpfen.

1. Eigentlich, den Ort vermittelst der Füße verändern, so wohl überhaupt, als auch zuweilen in der engsten Bedeutung von dem gewöhnlichsten Gange in Schritte, da es denn dem Laufen entgegen gesetzet ist. Langsam, geschwinde, hurtig gehen Krumm, gerade, aufrecht, gebückt gehen. Mit den Füßen einwärts, auswärts gehen. Auf den Zehen, auf den Händen gehen. An einer Krücke gehen. Auf Stelzen gehen. Leise gehen. Das Kind lernt gehen. Das Gehen wird ihm sauer. Rückwärts gehen. Irre gehen, sich im Gehen verirren. Zurück gehen. Hier kommt sie gleich gegangen, Gell. S. Kommen. Es ist hier nicht gut gehen, es geht sich hier nicht gut, d. i. e läßt sich hier nicht gut gehen. Es geht sich hier sehr glatt, oder es ist hier sehr glatt zu gehen. Er hat sich Blasen in die Füße gegangen. Ich habe mich ganz müde gegangen. Welche reciproke Arten des Ausdruckes auch in andern Fällen das Hülfswort haben erfordern. Ich bin des Gehens müde. Etwas im Gehen verrichten, gehend. In tiefen Gedanken gehen. Der Ort, wohin man gehet, oder aus welchem man gehet, wird am häufigsten durch allerley Vorwörter ausgedruckt. An seine Arbeit gehen. An den Berg, bis an das Thor gehen. Auf das Feld, auf das Land, auf das Dorf gehen. Auf das Rathhaus, auf die Post gehen. Seinem Gegner auf den Leib gehen. Auf die Jagd gehen. Auf die Seite gehen. Auf die Hochzeit, auf einem Ball gehen. Auf das Eis gehen. Auf dem Eise gehen. Einem aus dem Wege gehen. Aus dem Hause gehen. Durchs Feuer für einen gehen. Durch das Haus, durch die Thür gehen. Durchs Wasser gehen. Einem entgegen gehen. In die Stadt, in die Schule, in die Kirche, in die Komödie gehen. Mit einem gehen. Nach Hause gehen. Nach Veilchen gehen, hingehen und Veilchen hohlen wollen. Es ging jemand nach Weine, Rost. Über eine Brücke, über das Wasser gehen. Über Land, über Feld gehen. Über einem gehen, ihm zur rechten Hand gehen; auch figürlich, den Vorzug vor einer Person oder Sache haben. Darüber geht nichts. Unter die Leute gehen. Von der Arbeit gehen. Zu einem gehen. Zu Bette, zu Tische, zu Stuhle gehen. Mit zur Leiche, zu Grabe gehen. Zu Gaste gehen. Zu Schiffe gehen. Zur Stadt (in die Stadt) gehen. Zu Markte gehen. Zur Hochzeit, zum Schmause gehen. Von einem Orte zum andern gehen. Zum Gebethe gehen. Ich singe nicht für kleine Knaben Die voller Stolz zur Schule gehn, Less. Die Absicht, warum man gehet, kann in einigen Fällen auch durch den Infinitiv des andern Zeitwortes ausgedrucket werden. Betteln gehen, spazieren gehen, schlafen gehen. Andere Ausdrücke dieser Art sind nur im gemeinen Leben üblich, wie spielen gehen, melken gehen, hausiren gehen, sitzen gehen, sich setzen. Denn Schulzens Hadrian ging klagen, Lichtw. Im Französ. ist diese Wortfügung noch häufiger. Aller boire, manger, dormir, jouer u. s. f. Die Hauptwörter, welche den Raum ausdrucken, welchen man im Gehen zurück leget, und die Zeit wie lange man gehet, stehen in der vierten Endung. Eine Meile gehen. Ich bin schon über tausend Schritte gegangen. Er ist den ganzen Weg mit mir gegangen. Wir sind fast drey Stunden gegangen. Ingleichen diejenigen Hauptwörter, welche die Art und Weise des Ganges näher bestimmen. Den Schritt gehen. Einen starken Schritt gehen. Das Pferd gehet den Trab, den Galopp, den Paß. So wie auch diejenigen, welche den Weg ausdrucken, wohin auch das Wort Gang gehöret. Wir wollen den kürzesten Weg gehen. Einen andern Weg gehen. Wege des Verderbens gehen, Sprichw. 31, 3. "Den Weg aller Welt, alles Fleisches gehen", "sterben". Der Weg zu uns ist nicht so leicht zu gehen, Gell. Geh deinen Weg, geh fort, Less. Seinen Gang gehen. Den Krebsgang gehen, rückwärts gehen, und figürlich, mißlingen, fehl schlagen. Seine Straße gehen, weggehen. Du streust Rosen und Jesmin Auf die sichern Pfade hin, Die ich gehe, Weiße. Im Oberdeutschen bedient man sich dafür gemeiniglich der zweyten Endung. Thaz er ge sines sindes, Ottfr. seines Weges. Gang thines sindes, ebend. Das Weib ging hin ihres Weges, 1 Sam. 1, 19. Welches auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen nicht ungewöhnlich ist. Seines Weges gehen, fortgehen, weggehen. Gehet eurer Wege! Ich gehe meiner Wege, Gell. Gehen sie ihrer Straße, Weiße. Alle in der Bedeutung des Weggehens. Hierher gehören auch verschiedene figürliche Redensarten, wo gehen zwar seine eigentliche Bedeutung behält, der ganze Ausdruck aber doch sinnbildlich ist. Einem an die Hand, oder zur Hand gehen, ihm hülfliche Hand leisten. Er gehet sehr schwer daran, ist sehr schwer dazu zu bewegen. "Auf der Grube gehen", "bald sterben werden". Auf den Grund gehen, gründlich verfahren. Auf den Hieb, auf den Stoß gehen, hauend, stoßend fechten. Auf Leben und Tod gehen. Darauf ist nicht zu gehen, man kann sich nicht darauf verlassen. Auf Freyers Füßen gehen, im gemeinen Leben, heirathen wollen. Auf bösen Wegen gehen, Böses thun, Böses zu thun im Begriffe seyn. Mit sich zu Rathe gehen, bey sich überlegen. In sich gehen, über böse Handlungen nachdenken, Reue darüber empfinden. In sein Verderben gehen. In der Irre gehen. Nach Brot gehen, Brot zu erwerben suchen. Über einem gehen, den Rang über ihn haben. Einem um das Maul gehen, in der niedrigen Sprechart, ihm schmeicheln. Etwas mit Stillschweigen vorbey gehen, davon schweigen. Der Hirsch geht hoch, bey den Jägern, wenn er völlig verecket und gut von Leibe ist. Und andere mehr. 2. In weiterer Bedeutung, den Ort verändern, ohne die Art und Weise zu bestimmen, sich begeben, reisen; in welchem Verstande das Zeitwort auch in vielen der vorigen Arten des Ausdruckes genommen werden kann. 1) Für reisen. Mit der Post gehen. Nach Leipzig gehen. Zu Fuße gehen, seine Reise zu Fuße verrichten. Zu Felde gehen. Mit Extrapost gehen. Dein Freund ist gestern durch Leipzig gegangen. Zu Wasser gehen. Nach Italien gehen. In das Bad gehen. Einem entgegen gehen, entgegen reisen. 2) Sich begeben. Vor die Obrigkeit, an den Rath, an die Landesregierung gehen, sich mit einer Klage oder Bitte an dieselbe wenden. An den Hof gehen, sich an den Hof begeben. Davon gehen, flüchtig werden. Zu Felde gehen. In den Krieg gehen. In ein Kloster gehen. Auf die Universität gehen. Auf Reisen gehen. Zum Abendmahle gehen. Einem über sein Geld gehen, unbefugt etwas davon nehmen. Einen über sein Geld gehen lassen, ihm den Zutritt dazu verstatten. Einem aus den Augen gehen, sich von ihm entfernen. Einem unter die Augen gehen, ihm vor die Augen kommen. 3. Figürlich. 1) Mit verschiedenen Nebenbegriffen oder Auslassungen. (a) Für hingehen. Geh doch und unterhalte ihn eine kurze Zeit. Ich will gehen, und ihm unsern Vorschlag eröffnen, Gell. (b) Für fortgehen, weggehen, am häufigsten in der vertraulichen Sprechart. Ich höre es wohl, ich soll gehen, Gell. Ich habe es wohl eher gesehen, daß du hast gehen wollen, ebend. Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht hören, ebend. Einen Käufer, einen Bettler gehen lassen, unverrichteter Sache. Ich will gehen - - O gehen sie noch nicht. Geht doch, oder geht mit eurem dummen Zeuge, eine im gemeinen Leben übliche Art seinen Unwillen, sein Mißfallen und seinen Zweifel auszudrucken. Gehen sie doch! er hat mir ja nichts gethan. Einen gehen lassen, ihn nicht aufhalten; nach einer noch weitern Figur auch, ihn nicht stören, nicht anrühren, sich nicht mit ihm einlassen. 2) Machen, handeln, verfahren. In einer Sache sehr ordentlich, gründlich, bedachtsam, vorsichtig gehen. Lassen sie mich nur gehen, ich will meine Sachen schon machen, Weiße. Wie weit darf ich in dieser Sache gehen? Ein jeder ging nach seines bösen Herzens Gedanken, Jer. 11, 8; welcher biblische Gebrauch doch sonst nicht üblich ist. 3) In verschiedenen Ausdrücken bezeichnet es auch gewisse Arten des Zustandes. Müßig gehen. Schwanger gehen, schwanger seyn. Er geht mit Unglück schwanger. Aber die biblischen Ausdrücke gefangen gehen, Jer. 20, 6, für gefangen werden, und betrübt gehen, Kap. 14, 3, betrübt seyn, sind ungewöhnlich. Verloren gehen, verloren werden; auch im theologischen Verstande, nach diesem Leben verdammt werden. Einer Sache verlustig gehen, sie verlieren. Besonders die Art und Weise der Kleidung. Nackend gehen, barfuß gehen, mit bloßem Kopfe gehen. Prächtig gekleidet gehen. Sehr oft auch mit Weglassung des Mittelwortes gekleidet. Prächtig, sittsam, zerrissen, zerlumpt gehen. Im Mantel gehen. Er geht in Seide. In langen Kleidern gehen, Marc. 12, 38. Schlecht und recht gehen. Wer sich trägt, wie die Alten gingen, der ist ehrbar und sittsam, Gell. Er kann zwölf Jahre in Einem Kleide gehen. II. Von leblosen Körpern, den Ort vermöge seiner eigenen Schwere, oder vermittelst einer fremden Kraft verändern, sich bewegen, oder beweget werden. 1. Eigentlich. Der Wagen geht schnell, langsam. Es geht ein kalter Wind. Der Wind geht. Die Uhr geht nicht, sie geht zu früh, zu spät, zu langsam, zu geschwinde, sie geht richtig, unrichtig. Die Mühle geht nicht mehr. Zu Grunde gehen, untersinken. Die Thür geht in den Angeln. Der Fluß geht mit Eis, führet Eis mit sich. Der Fluß geht schnell, langsam; er geht um die Stadt, durch die Stadt. Das Wetter geht vorbey. Das Schiff geht sehr schnell. Unter Segel gehen, absegeln. Vor Anker gehen, sich vor Anker legen. Die Räder gehen. Ein Zeiger an der Uhr kann nicht so sachte gehen, Lichtw. Der Weitzen geht zu Lager, wenn er sich legt. Den Strick gehen (fahren) lassen. Es geht Blut darnach. Es gehet von ihm wie Wasser. Das Wasser geht durch die Schuhe. Das Glas vorbey gehen lassen. Der Klingebeutel, der Teller geht herum. Dahin gehören auch verschiedene figürliche ganze Redensarten. Entzwey gehen, zerbrechen. Zu Trümmern gehen. Ja sollte schon die Welt zu tausend Trümmern gehen, Opitz. Das Faß ist aus einander gegangen. Das Korn geht in die Ähren, bekommt Ähren. Das Silber durch das Feuer gehen lassen, es läutern. Es gehet alles durch seine Hände, er bekommt alles in seine Hände; und nach einer weitern Figur, er ordnet alles an, führet die ganze Aufsicht. 2. Figürlich. 1) Für abgehen. Die Post geht noch nicht, sie geht um sechs Uhr. Ingleichen für aufgehen, gähren, besonders von dem Teige. Der Teig ist zu viel gegangen. Den Teig zwey Stunden gehen lassen. 2) In sich enthalten können, dem körperlichen Raume nach. Es gehen zwey Maß in diese Flasche. Es sind über hundert Kannen in dieses Faß gegangen. Es gehen nicht mehr als hundert Karpfen in diesen Teich. Geduldiger Schafe gehen viele in einen Stall. Der Faden gehet nicht durch das Loch. Der Wagen gehet nicht durch das Thor. So viel Holz gehet nicht unter dieses Dach. Ingleichen dem Werthe, dem Maße und dem Gewichte nach. Wie viel Batzen gehen auf einen Thaler? Es gehen zwey und dreyßig Loth auf ein Pfund. 3) Klingen, von musikalischen Instrumenten, im gemeinen Leben. Die Geige geht schon. Die Orgel geht vortrefflich. Die Pfeifen gehen wie Flöten. Aus was für einem Tone geht das Stück? 4) Reichen, sich erstrecken. (a) Eigentlich. Das Kleid gehet ihm bis an die Knie. Das Wasser gehet mir bis an den Hals. Der Weg geht bis an das Thor. Er geht mir kaum bis an die Schulter. Das Dickbein gehet von dem Gesäße bis an das Knie. (b) Nach einer noch weitern Figur auch von unkörperlichen Dingen. Die Sparsamkeit muß nicht bis zur Kargheit gehen. Eine Kaltsinnigkeit, welche bis zum Abscheue gehet. Kann man sich wohl vorstellen, daß die Verblendung so weit gehen sollte? Das gehet zu weit. 5) Von der Richtung, gerichtet seyn. (a) Eigentlich. Die Thüre gehet auf die Gasse. Das Fenster geht in den Garten, auf den Hof. Die Straße geht auf Nürnberg. Die Mauer geht um die Stadt. Der Stich war durch das Herz gegangen. (b) Figürlich. (1) Wo gehet die Reise hin? Seine Meinung ging dahin u. s. f. Es gehet gegen den Morgen, gegen die Nacht. Es gehet auf zwölfe, es ist bald zwölf Uhr. Das Kind gehet jetzt in das vierte Jahr. Es gehet nunmehr in die vierte Woche, das ich ihn nicht gesehen habe. Es gehet auf die letzte, auf die Neige. Es geht mit ihm zum Ende. Ingleichen mit dem Vorworte an und dem Infinitive eines Zeitwortes, im gemeinen Leben. Es gehet an ein Fragen, an ein Spielen, an ein Lärmen u. s. f. es fängt sich ein starkes Gefrage u. s. f. an. S. An II. 1, 1). (2) Auf etwas abzielen, etwas zu seinem Endzwecke haben. Er geht allein auf seinen Nutzen. Seine Liebe geht nur auf die Schönheit des Leibes. Seine Ermahnungen gehen alle auf die Liebe. Ich merke, die Fabel geht auf mich. III. Von unkörperlichen Dingen, Begebenheiten, der Zeit, Abstractis u. s. f. Wo dieses Zeitwort. 1. In sehr vielen figürlichen Arten des Ausdruckes von solchen Dingen gebraucht wird, welchen eigentlich keine körperliche Bewegung zugeschrieben werden kann. Wenn Noth an den Mann gehet, im gemeinen Leben, wenn die Noth es erfordert. Das gehet mir sehr nahe, kränket mich, schmerzet mich. Sein Abschied ging mir sehr nahe. Es geht ze nahe mir ich muos es sagen, Heinrich von der Mure. Eigentlich, an das Herz gehen. Dem ein wib so nahem an sin herze ge, Heinrich von Morunge. Es gehet ihm zu Herzen, er empfindet es lebhaft. Das ging ihm durchs Herz, verursachte ihm die lebhafteste Empfindung. Diese entsetzlichen Dinge gehen mir durch die Seele. Den Schaden über sich gehen lassen, ihn tragen, über sich nehmen. Dieser Aufwand gehet über mein Vermögen. Der Kauf gehet zurück, es wird nichts daraus. Die Sache kann nun nicht mehr zurück gehen. Darüber geht nichts, es wird von nichts übertroffen. Gewalt geht über Recht. Die Arbeit geht ihm frisch von der Hand. Es geht noch so hin, es ist erträglich. Die Heirath geht gewiß nicht vor sich, wird nicht wirklich. Sollte der Kauf noch vor sich gehen? Mein ganzes Vermögen gehet darauf, wird dabey aufgewendet. Viel darauf gehen lassen, viel verthun. Mit der Heirath ist der größte Theil des Tages darauf gegangen, ist damit zugebracht worden. Es gehet sehr über die Zähne, die Zähne leiden dabey. Es gehet sehr über mein Vermögen, über meinen Beutel. Alles Unglück gehet über ihn. Es gehet rechtschaffen über ihn her. Eine Gesundheit herum gehen lassen. Das gehet mir von Herzen. Wenn es ihm nur von Herzen gehet. Sein Alter geht mit der Jahrzahl. Das will ihm nicht in den Kopf gehen, im gemeinen Leben. Es geht die Rede, ein Geschrey, ein Gerücht. Im Schwange gehen, üblich, gebräuchlich seyn. In Erfüllung gehen, erfüllet werden. Es soll dir zu Gute gehen, es soll dir zum Besten angerechnet werden, du sollst es gut behalten. Kein Wort aus seinem Munde gehen lassen, kein Wort sprechen. Die göttliche Vorsehung gehet auch auf einzelne Dinge, erstrecket sich über sie. Und so in tausend andern Fällen mehr. 2. Besonders von dem Fortgange, dem Erfolge der Begebenheiten, größten Theils als ein Impersonale, oder doch in der dritten Person. Gut von Statten gehen. Es wird allen gut gehen. Es wird schon gehen. Es gehet ganz gewiß. Es gehet nicht so, wie man denkt. Es gehet ihm sehr unglücklich mit seinem Sohne. Es ist mir eben so damit gegangen. Wie mans treibt, so gehts. Es geht sehr langsam mit der Sache. Er hat es mir gesagt, wie das alles gehen wird. Wenn es nach mir gehet, so muß er ein Medicus werden, Less. wenn mein Wille erreicht wird. Es soll alles nach seinem Kopfe (nach seinem Willen) gehen. Wenn es nach Verdienste gehen sollte. So geht es, wenn man nicht folgt. Es geht ihm alles nach Wunsche. Es geht der Frau unrichtig, wenn sie mißgebäret. 3. Ingleichen von den Schicksalen des menschlichen Lebens, von der Reihe der Begebenheiten, welche den Menschen und besonders dessen äußern Wohlstand betreffen; gleichfalls in unpersönlicher Gestalt. Wie geht es ihnen? Es geht ihm schlecht, übel, elend. Es kann dir niemahls wohl gehen. Auf daß es dir wohl gehe und du lange lebest auf Erden. Es mag mir gehen wie es will. Anm. Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero und Notker kan, bey dem Ottfried gan, bey den heutigen Oberschwaben gon, gan und gaun, im Nieders. gaan, im Angels. gan, im Holländ. gaen, im Engl. to go, im Schwed. ga, im Dän. gaan, im Wendischen jidem, ich gehe, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Lat. eo. Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sich erheben, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gehen, sind genau damit verwandt. Schon vor Alters war von diesem Worte ein Intensivum, wie es scheint, üblich, welches gangan lautete, bey dem Ulphilas und Ottfried gaggan (sprich gangan,) im Angels. gangan, im Schwed. ganga, von welchem unser gehen das Imperfectum und Mittelwort beybehalten hat. In einigen Oberdeutschen Gegenden lautet auch der Imperativ gang, für gehe, so wie man in andern für ich ging, im Imperf. ich gie saget. Zu diesem alten gangan gehöret auch das noch jetzt im Nieders. übliche wanken für gehen; denn die Hauchlaute und Blaselaute werden sehr oft mit einander verwechselt, und gehen selbst gehöret zu wehen, wegen, und übrigen zahlreichen Wörtern dieses Geschlechtes, welche eine Bewegung überhaupt andeuten. Schon das Franz. je vais, tu vas il va, hat statt des Hauchlautes einen Blaselaut. Im Imperfecto schreibt man es gemei- niglich gieng, welches ein Überbleibsel einer gedehnten Oberdeutschen Mundart ist, welche gi-eng in zwey Sylben spricht, bey dem Kero keanc, bey dem Ottfried giang. Allein da man im Hochdeutschen nur ein geschärftes i hören lässet, so schreibet man es richtiger ging, so wie auch in gibst, gibt, fing, hing, das ie überflüssig, ja der Hochdeutschen Aussprache nach unrichtig ist.


Gehenk (W3) [Adelung]


Das Gehenk, des -es, plur. die -e. 1) Verschiedene Arten von Zierathen, welche angehänget, oder angehenket werden; Nieders. Hängsel. Ein Ohrengehenk, Halsgehenk u. s. f. S. Gehänge. 2) Dasjenige, woran ein anderer Körper gehenket wird; besonders ein Gürtel, in und an welchen der Degen gehenket wird; das Degengehenk. S. dieses Wort und Henken.


Geheuer (W3) [Adelung]


* Geheuer, geheurer, geheuerste, adj. et adv. welches im Hochdeutschen völlig veraltet ist, aber noch in einigen Oberdeutschen Gegenden vorkommt. 1) Für zahm, sanftmüthig, wovon Frisch verschiedene Beyspiele angeführet hat, denen ich noch folgende beyfügen will. Ich sant us der aventure Wilde gedanken in diu lant Do bekam in diu gehiure Die het er dem sinne erkant, Burkhard v. Hohenfels. Darauf ir der edel Held gehewr Weyß und vernünftig antwurt gab, Theuerd. Kap. 106. Ihr muest alzeit unverdrossen sein Und euch understeen der abenthewr Nicht scheuhen, sy sein wild oder ghewr, Kap. 6. 2) Angenehm, anmuthig. Wibes name und wibes lib Diu sint bei du vil gehiure, Walter v. der Vogelweide. 3) Sicher, besonders vor Gespenstern sicher. Es ist hier nicht geheuer, ein im Oberdeutschen bekannter Ausdruck.

Anm. Auch im Isländ. ist hyr zahm, sanft, ruhig. Das Hoch- und Niederdeutsche kirre ist nur durch eine härtere Aussprache des Hauchlautes daraus entstanden. S. auch Ungeheuer.


Geheul (W3) [Adelung]


Das Geheul, des -es, plur. inus. das Heulen, eine heulende Stimme. Das Geheul der Hunde, der Wölfe. Voller Verzweifelung erhob sie ein wildes Geheul. Ingleichen ein anhaltendes, wiederhohltes Heulen, für Geheule, im gemeinen Leben.


Gehirn (W3) [Adelung]


Das Gehirn, des -es, plur. die -e. 1) Eigentlich, dasjenige weiche weiße Wesen in der Höhle der Hirnschale, welches aus zwey Kugeln bestehet, wovon die größere im engern Verstande das Gehirn, die kleinere aber das Gehirnlein oder Hirnlein genannt wird; ohne Plural, außer von mehrern Massen dieser Art. Daher die figürlichen, doch nur im verächtlichen Verstande und im gemeinen Leben üblichen Redensarten: kein Gehirn im Kopfe haben, wenig Verstandeskräfte; ein leeres Gehirn haben, wenig Einsichten, wenig Verstand haben; das kommt nicht aus seinem Gehirne, aus seiner Einsicht, von seiner Erfindung; im Gehirne nicht wohl verwahret seyn, nicht bey gesundem Verstande seyn u. s. f. weil viele das Gehirn für den Sitz und die Werkstätte der Seele halten. Er verlästert alle Sachen Die nicht sein Gehirn gebiert, Can. 2) Figürlich, ein Mensch, eine Person, in Beziehung auf seine Verstandeskräfte; doch nur im Scherze und verächtlichen Verstande. Die wahnsinnigen Gehirne, Luth.

Anm. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort nur Hirn, bey dem Stryker Hiern, im Dän. Hierne, Schwed. Hjaerne. Das Ge scheinet eine bloße müßige Verlängerung zu seyn, weil auch das einfache im collectiven Verstande von der ganzen Masse dieses Wesens gebraucht wird. Dieses ist auch im Hochdeutschen nicht ganz fremd, wenigstens bey den Dichtern nicht, und hat in der figürlichen Bedeutung nach dem Muster anderer Neutrorum im Plural auch wohl Hirner. Kluge Hirner, Haller. Manch weises Hirn hast du erheitert, singt Kästner von dem Tobak. In den Zusammensetzungen aber ist Hirn beynahe noch üblicher als Gehirn. Was die Abstammung dieses Wortes betrifft, so hat schon Frisch erkannt, daß es mit den ersten Hälften in den Latein. Wörtern Cerebrum und Cranium, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, überein komme. Bey dem Ulphilas bedeutet Huairn nicht so wohl das Gehirn, als vielmehr die Hirnschale, welche Bedeutung auch das Schwed. Hjaerne, Isländ. Huarn, und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, hat. Es scheinet daher, daß dieses Wort eigentlich zu Horn, Angels. Hyrn, gehöret, welches ehedem von einem weit größern Umfange der Bedeutung war als jetzt. S. dasselbe. Die Niedersachsen nennen das Gehirn den Brägen, Engl. Brain, Angels. Braegen, Holländ. Bregne, welches eigentlich auch dessen Behältniß, die Hirnschale, bedeutet, und in diesem Verstande mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Vorderhaupt, überein kommt.


Gehirnbruch (W3) [Adelung]


Der Gehirnbruch, S. Hirnbruch.


Gehirnhaut (W3) [Adelung]


Die Gehirnhaut, S. Hirnhaut.


Gehirnsaft (W3) [Adelung]


Der Gehirnsaft, des -es, plur. die -e, S. Nervensaft.


Gehoft (W3) [Adelung]


Das Gehoft, des -es, plur. die -e, ein vorzüglich im Niedersächsischen übliches Wort, alle zu einem Ackerhofe gehörigen Gebäude zu bezeichnen; ein Hof. Ein Dorf von dreyßig Gehöften. Im mittlern Lat. Hoffata.


Gehöhne (W3) [Adelung]


Das Gehöhne, des -s, plur. inus. ein wiederhohltes oder anhaltendes Höhnen. Als man ihr nach langem Gehöhne Den häßlichsten Ehschatz erkohr, Haged.


Gehölz (W3) [Adelung]


Das Gehölz, des -es, plur. die -e. 1) Eine Sammlung von Holz, d. i. Bäumen, ohne deren Größe zu bestimmen, ein Wald; im gemeinen Leben auch ein Holz, eine Holzung. In manchen Gegenden ist dieses Wort nur von kleinern, in andern aber nur von größern Wäldern üblich. S. Holz. 2) Das an einem Dinge befindliche Holzwerk; im gemeinen Leben und ohne Plural.


Gehör (W3) [Adelung]


Das Gehör, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte hören, den Schall empfinden. 1. Das Vermögen, die Fähigkeit, zu hören, oder den Schall zu empfinden; ohne Plural. Ein gutes, ein scharfes, ein leises Gehör haben. Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Um sein Gehör kommen, das Gehör verlieren. Die Länge und Kürze der Sylben fällt sehr deutlich in das Gehör, wird sehr deutlich empfunden, wo es aber auch die folgende dritte Bedeutung leidet. In engerem Verstande zuweilen auch ein gutes, richtiges Gehör. Wer Stimme und Gehör hat, hat Anlage zum Singen. 2. Der Zustand, da man etwas höret oder anhöret; auch ohne Plural. 1) Eigentlich, doch nur in einigen Fällen. Etwas aus dem Gehöre haben, es gehöret haben, von Hörensagen haben. Das Gehör des göttlichen Wortes, der Predigt, die Anhörung. 2) In weiterer und figürlicher Bedeutung. (a) Einem Gehör geben, ihn anhören. Den Verleumdern kein Gehör geben. Einem das Gehör versagen, ihn nicht anhören wollen. Ich kann kein Gehör bey ihm finden. Der Gesandte wurde zum Gehör gelassen, bekam Gehör, erlangte Gehör, d. i. Audienz. (b) Die Befolgung des Gehörten, die Bestimmung seines Verhaltens nach demselben. Einer Bitte Gehör geben, sie erfüllen. Gib der ver- einigten Stimme der Pflicht und Freundschaft Gehör. 3. Das Werkzeug des Gehöres, die Ohren, in welchem Verstande die Jäger die Ohren der Sauen das Gehör zu nennen pflegen.

Anm. Bey dem Kero und Notker kehoreta, auch noch jetzt in einigen Oberdeutschen Gegenden Gehörde. Die Sidel des gehördes ist gegen dem hindern teyl des Hauptes, Buch der Natur 1483. Im Tatian kommt mit einer andern Ableitungssylbe dafür Gihorness, im Isidor aber Chihlose vor, von losen, hören.


Gehorchen (W3) [Adelung]


Gehorchen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben bekommt, und die dritte Endung der Person erfordert. Einem gehorchen, den Grund seiner Handlungen aus dessen Befehle hernehmen, seine Handlungen nach dessen Befehlen bestimmen. Einem in allen Dingen, in einer Sache gehorchen. Den Gesetzen, der Wahrheit gehorchen. Eben der, der in seiner Jugend nicht gehorchen lernte, wird die Gesetze der Ordnung als Jüngling und Mann unter die Füße treten, Gell. Eines Rath gehorchen. Sprichw. 12, 15, für folgen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.

Anm. Gehorchen, Nieders. horken, ist das Intensivum des in diesem Verstande veralteten Zeitwortes gehören, welches noch bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern vorkommt. Gihore mir, Ottfr. Bey dem Notker gehorren, im Isidor chihoran, bey dem Kero nur horren. Von dem veralteten losen, hören, Schwed. lyda, kommt bey dem Ottfried auch gilossin für gehorchen vor. S. Hören, welches gleichfalls in diesem Sinne üblich ist, ingleichen Horchen.


Gehören (W3) [Adelung]


Gehören, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, auch eigentlich das durch den müßigen Hauchlaut ge verlängerte Zeitwort hören, den Schall empfinden, ist, und im Oberdeutschen so wohl in diesem Verstande, als auch figürlich für gehorchen vorkommt. Sie gaffen mit aufgesperrtem Maul als wenn sie durch das Maul gehörten, Kaisersb. Daß es auch seine Handlungen nach eines andern Befehlen bestimmen bedeutet habe, ist im vorigen Artikel gezeiget worden. In beyden Fällen ist es im Hochdeutschen veraltet, wo es nur noch, nach einer fortgesetzten Figur der letzten Bedeutung, eines Eigenthum seyn, andeutet, gleichsam seinen Befehlen zu gehören oder zu gehorchen verbunden seyn. I. Eigentlich, wo es so wohl von Personen als Sachen, mit der dritten Endung des Nennwortes gebraucht wird. Wem gehöret dieses Gut? Dieser Degen, dieses Buch, dieses Haus gehöret mir; nicht, wie in einigen Gegenden gewöhnlich ist, gehöret mein. Dieser Garten hat mir ehedem gehöret. S. Angehören und Zugehören. 2. Figürlich. 1) Eines Herrschaft, eines Befehlen, eines Urtheil unterworfen seyn, mit den Vorwörtern unter, in und vor. Als er vernahm, daß er unter Herodis Obrigkeit gehörte, Luc. 23, 7. Unter oder in ein Gericht, in das Amt gehören. Diese Sache gehöret vor einen andern Richter. Man nennet viele Dinge schön, die doch weder für (vor) die Sinne noch für (vor) die Einbildungskraft gehören, Sulz. 2) Ein Theil eines Ganzen seyn, mit dem Vorworte zu. Die zu ihrem Heer gehören, 4 Mos. 2, 9. Zu eines Geschlecht, Familie gehören. Zu einer Gesellschaft gehören. Der Mensch gehöret zu uns, zu unserer Gesellschaft. Der Schlüssel gehört zu meinem Schranke. Der Acker hat ehedem zu meinem Gute gehöret. S. Angehören. So auch, die Art einer Gattung seyn. Die Vergnügungen der Freundschaft gehören zu den süßesten moralischen Empfindungen. Diese zwey Dinge gehören zusammen. 3) Erfordert werden, be- sonders, als eine Ursache zur Hervorbringung einer Wirkung; auch mit dem Vorworte zu. Denn zu rechter Lehre gehöret die Weisheit, Sir. 14, 10. Es gehöret viel Arbeit dazu, 2 Macc. 2, 27. Zur Haushaltung gehöret viel. Dazu gehöret ja gar keine Tugend, einer Person etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht, Gell. Gehört die Tugend nicht zur Freundschaft, so sind Straßenräuber rühmliche Freunde, ebend. 4) Recht, Befugniß auf einen gewissen Platz, zu einer gewissen bestimmten Stelle haben, mit verschiedenen Vorwörtern. Diese Figur gehöret auf den Schrank. Das Geschirr gehöret in die Küche, jenes unter die Bank. Solche Speise gehöret für das Vieh. Ein solcher Vortrag gehört auf die Kanzel. Das gehöret nicht zur Sache, nicht hierher. Diese Frage gehöret in die Theologie. In England zu Hause gehören, daher gebürtig seyn. 5) Dem Rechte, der Billigkeit, dem Wohlstande gemäß seyn; als ein reciprokes Impersonale, und nur im gemeinen Leben, für, sich gebühren, geziemen. Es gehöret sich nicht, daß Kinder erwachsenen Personen widersprechen. Wie es sich gehört und gebührt. Das gehört sich, gebührt sich, nicht. Es gehört uns nicht, in die Geheimnisse der Vorsicht zu dringen. Es hätte euch gehöret, uns entgegen zu kommen. 6) Dem Rechte, der Billigkeit nachzukommen. Dem Narren gehöret die Ruthe, Sprichw. 10, 13. Dem Esel gehöret sein Futter, Sir. 33, 25. Den Vollkommnen gehöret starke Speeise Ebr. 5, 14. Die da sind von Israel, welchen gehört die Rindschaft, Röm. 9, 4. Auf Missethat gehört Strafe. Thue was dir gehöret. Dieser Titel, dieser Rang gehört uns nicht. Es gehöret Salz in die Suppe, Pfeffer an die Speise.

Anm. Noch Willeram gebraucht statt dieses Zeitwortes das einfache horen. Das Nieders. hören, Schwed. höra, Isländ. heyra und Angels. hyran, bedeutet so wohl hören, als auch gehören und sich geziemen. Wenn man dasjenige, was zu Anfange dieses Artikels gesagt worden, erwäget, und den figürlichen Bedeutungen, welche nur stufenweise von einander unterschieden sind, nachfolgt, so wird man wohl nicht in Versuchung gerathen, gehören, so fern es decere, convenire und pertinere bedeutet, mit Ihre von einem andern Stamme, und zwar von dem Isländ. hyr, zahm, sanft, ( S. Geheuer,) abzuleiten; zumahl da auch im Schwed. lyda, welches zu unserm veralteten losen gehöret, hören so wohl audire, als auch pertinere bedeutet. S. Hören.


Gehörgang (W3) [Adelung]


Der Gehörgang, des -es, plur. die -gänge, in der Zergliederungskunst, verschiedene Gänge in dem Ohre, durch welche die bewegte Luft fortgepflanzet wird und das Gehör verursacht. Der äußere Gehörgang geht schlangenweise in dem Ohre herum. Der innere wird auch die Trommelhöhle genannt.


Gehörig (W3) [Adelung]


Gehörig, adj. et adv. was gehöret, oder sich gehöret, in allen Bedeutungen des Zeitwortes. Dieses Haus ist mir gehörig. In das Amt gehörig seyn. Die in das Amt gehörigen Unterthanen. Die dazu gehörigen Bedürfnisse. Alle zu unserer Erde gehörigen Körper. Alle nicht zur Sache gehörigen Dinge. Den gehörigen Platz bekommen. Die Gehörige Strafe leiden. Zur gehörigen Stunde. Die gehörige Größe. Sich gehörig betragen. Eine Klage gehörig anbringen. Im Nieders. und Oberd. auch behörig. Bey dem Notker ist gehorig gehorsam.


Gehörkunst (W3) [Adelung]


Die Gehörkunst, die Gehörlehre, plur. inus. in der Naturlehre, eine Wissenschaft, welche lehret, wie jeder Schall vermittelst der Luft auch in einer ziemlichen Entfernung gehöret wird; Acustica. S. Akustik.


Gehörlos (W3) [Adelung]


Gehörlos, -er, -este, adj. et adv. des Gehöres beraubt, unvermögend zu hören, taub.


Gehörlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Gehörlosigkeit, plur. inus. der Mangel des Gehöres, die Taubheit.


Gehörn (W3) [Adelung]


Das Gehörn, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, die Stangen mit ihren Enden an den Hirschen und Rehböcken, welche bey den erstern auch das Geweih heißen; als ein Collectivum. Ein Hirschen von schön gehueren, Theuerd. Kap. 6.


Gehörnerve (W3) [Adelung]


Der Gehörnerve, des -n, plur. die -n, in der Zergliederungskunst, eine Nerve, welcher durch das Loch des Felsenbeines zu den Höhlen des Ohres geführet wird, und sich daselbst überall ausbreitet.


Gehorsam (W3) [Adelung]


Gehorsam, -er, -ste, adj. et adv. bereit, sein Verhalten nach den Befehlen eines andern zu bestimmen. Einem gehorsam seyn. Ein gehorsames Kind. Gehorsame Unterthanen. Ich bin ihr gehorsamer Diener.

Anm. Bey dem Willeram schon gehorsam, im Dän. und Nieders. horsam, im Schwed. hörsam, von dem alten Oberd. horen, für hören. S. Gehorchen und Hören. Isidors Übersetzer gebraucht dafür chihoric und Notker gehorig. Das ohne Noth verlängerte Oberdeutsche gehorsamlich ist im Hochdeutschen veraltet.


Gehorsam (W3) [Adelung]


Der Gehorsam, des -es, plur. car. 1) Die Bereitwilligkeit, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, sein Verhalten nach den Befehlen eines andern zu bestimmen. Einem Gehorsam leisten. Allen Gehorsam bey Seite setzen. Widerspänstige Unterthanen wieder zum Gehorsame bringen. Der Obrigkeit allen Gehorsam aufsagen, ihr den schuldigen Gehorsam versagen. Es soll gewiß an meinem Gehorsame nicht fehlen, Gell. Ich sage es ihnen, daß ich eben den Gehorsam gegen sie trage, den ich meinem Vater schuldig bin, ebend. Der Gehorsam des Glaubens, in der Deutschen Bibel, Röm. 1, 5, Kap. 16, 26, die Genehmhaltung und Bewilligung des erkannten Guten. Der thätige Gehorsam, der gegen den befehlenden, so wie der leidende gegen den beschließenden Willen eines Obern geübet wird. 2) In einigen Städten, ein Ort auf dem Rathhause, wo ungehorsame Bürger auf eine Zeit lang in Verhaft gesetzet werden, der bürgerliche Gehorsam. In den Gehorsam, oder in den bürgerlichen Gehorsam gehen, bringen, setzen. Anm. Bey dem Kero Horsami, bey dem Notker Gehorsami, bey dem Ottfried Gihorsam, im Nieders. Horsam. Die Gehorsamy kommt noch im sechzehnten Jahrhunderte vor, und in einigen Oberdeutschen Gegenden ist auch Gehorsamheit und Gehorsamkeit üblich, welche den Hochdeutschen fremd sind. Letzteres würde sich indessen doch alsdann gebrauchen, wenn man den Gehorsam, oder die Handlung selbst, von der Eigenschaft oder Fertigkeit zu unterscheiden nöthig fände. S. - Sam.


Gehorsamen (W3) [Adelung]


Gehorsamen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, Gehorsam leisten, gehorchen. Einem gehorsamen. Es fängt an im Hochdeutschen zu veralten. Bey dem Kero lautet es horsamen, bey dem Notker kehorsamen, im Angels. hyrsuman.


Gehre (W3) [Adelung]


1. Die Gehre, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden, z. B. in der Mark Brandenburg, übliches Wort, die Wachsscheiben in einem Bienenstocke zu bezeichnen, welche in Niedersachsen Mahrten, an andern Orten Waben, das Rooß u. s. f. heißen. Dieses Wort hat eine sehr deutliche Ähnlichkeit mit dem Latein. Cera und Cerae, so wie Wabe mit Favus. Da aber nicht glaublich ist, daß die Deutschen die Bienenzucht von den Italiänern sollten erlernet haben, so erhellet auch hieraus die ältere Übereinkunft dieser Sprachen, welche nur allein in einer ge- meinschaftlichen Abstammung von einer weit ältern Muttersprache ihren Grund haben kann.


Gehre (W3) [Adelung]


2. Die Gehre, plur. die -n. 1) Eine schräge Richtung, die Richtung eines Körpers, nach welcher er mit dem Horizonte einen spitzigen Winkel macht; ohne Plural, und nur bey den Werkleuten, welche dieses Wort auch Göhr, Göhre sprechen. S. Gehrung. 2) Verschiedene Arten spitziger Werkzeuge, Keile, schräge oder spitzig zulaufende Körper u. s. f. S. der Gehren.


Gehren (W3) [Adelung]


Der Gehren, des -s, plur. ut nom. sing. oder die Gehre, plur. die -n, ein altes, nur noch in den gemeinen Mundarten in mancherley Bedeutungen übliches Wort. 1. Eigentlich, ein spitziges Werkzeug, ein Pfeil, Spieß, Gabel u. s. f. welcher bereits sehr alte Gebrauch noch in verschiedenen Gegenden Ober- und Niederdeutschlandes vorhanden ist. In dem alten Fragmente eines Gedichts auf den Krieg mit den Saracenen bey dem Schilter kommt der Ger und Gar mehrmahls für einen Wurfspieß vor. In der Schweiz ist die Geere eine Gabel; mit welcher die Fische gestochen werden. Ein rothes Geereneisen mit zwey Widerhaken, Bluntschli, welche Bedeutung auch das Holländ. Gheer hat. Im mittlern Lat. bedeutet Guarrus und Garrotus, und im Franz. Garrot, die Spitze eines stechenden Werkzeuges, und im Engl. ist to gore noch jetzt stechen. Nimmt man den Übergang des r in f, und der Hauchlaute in Blaselaute als bekannt an, so wird man die Verwandtschaft dieses Wortes mit dem alten Gallischen Gesum, ingleichen mit dem Deutschen Wehr, Gewehr, vielleicht auch mit dem Nordischen Jern, Eisen, ( S. Eisen,) nicht verkennen können. S. auch Schere, Scheren und Kerben, welche gleichfalls von diesem Worte abstammen. 2. Figürlich, verschiedene schief oder spitzig zulaufende Arten von Flächen zu bezeichnen. 1) Bey den Tischlern und Zimmerleute, eine nach der Diagonal-Linie eines rechtwinkeligen Viereckes gehende Fläche oder Fuge, eine Fläche, welche mit der horizontalen Fläche einen Winkel von 45 Grad macht; wo es auch die Gehre, die Göhre, der Giern, die Göhrung lautet. S. Gehre, Gehrig, Gehrhobel, Gehrmaß und Gehrung. 2) In der Landwirthschaft einiger Gegenden, z. B. in Meißen, Thüringen und Niedersachsen, ist der Gehren ein Stück Landes, welches an einem oder beyden Enden spitzig zuläuft. Der Gehren gibt und nimmt, eine bekannte Bauerregel, welche so viel sagen will: wenn die regulären Stücke Ackers nicht die gewöhnliche und hergebrachte Breite haben ( S. Strichel, Sottel, Gerte) so ist der Gehren zu breit geackert worden, und er muß das Fehlende abgeben, und so auch umgekehrt; weil man voraussetzt, daß bey der anfänglichen Vertheilung der Grundstücke lauter reguläre Antheile von bestimmter Größe gemacht worden, da denn der irreguläre Überrest unter dem Nahmen eines Gehrens übrig geblieben. In einer Halberstädtischen Urkunde von 1179 heißt ein solcher Gehren Geroris; im Nieders. eine Gere, im Hannöverischen aber ein Gard. S. Gehrenzehnte. 3) Bey den Nähterinnen, ein dreyeckiges oder keilförmiges Stück in den Hemden, besonders in den Weiberhemden, ein Heil, Zwickel. Im Niedersächs. auch der Keil oder Zwickel in einem Strumpfe, welcher Engl. Goar oder Gore heißt. Ja im gemeinen Leben einiger Gegenden, eine jede spitzig zulaufende Fläche, ein jeder keilförmiger Streifen, wo es auch im weiblichen Geschlechte, die Gehre, üblich ist. Dahin gehöret auch dasjenige Stück Leinwand, welches unten an die Segel geheftet wird, um sie breiter zu machen, und gleichfalls ein Gehren heißt. 4) Die Falte in einem Kleide, wegen der äußern Ähnlichkeit mit einem Keile, und nach einer noch weitern Figur auch der weite Theil eines Kleides, welcher die meisten Falten wirft, oder vielleicht auch durch die in den ehemahligen langen Kleidern angebrachten Falten verursacht wurde, da es denn bald von der Schleppe, bald aber auch von dem Schooße der langen Kleider gebraucht wird, und bald die Gehre bald der Gehren lautet. Er schürzte die Geren auf und fustet sin Messer, Königshov. Wenn du einem Kinde etwas geben willst, so sprichst du zu ihm: wolan heb den Geren uf, Kaisersb. Da breitete ich meinen Geren über dich, Ezech. 16, 8. Wenn jemand heilig Fleisch trüge in seines Kleides Geren, und rührete darnach mit seinem Geren Brot, Gemüse, Wein u. s. f. Hagg. 2, 13. In welchen Stellen Luther dieses Wort aus ältern Oberdeutschen Übersetzungen beybehalten hat, indem es in einigen Gegenden Oberdeutschlandes noch jetzt üblich ist. Bey den Schwäbischen Dichtern lautet es in diesem Verstande Gere, im Ital. Gerone, Gherone, im Franz. Giron, im Holländ. Gheren, im Schwed. Gere, im mittlern Lat. Gyro und Giro. Du Fresne, Ihre und andere leiten es in diesem Verstande von Gyrus, ein Kreis, her; allein, da dieser Theil der ehemahligen weiten Kleider vermittelst der Falten so weit gemacht wurde, und diese alle Mahl spitzig zulaufen, so ist die hier angegebene Abstammung weit wahrscheinlicher. Sie wird auch dadurch bestätiget, daß im mittlern Lateine dieser Theil der Kleider mehrmahls Sagitta genannt wird, welches eine buchstäbliche Übersetzung des Deutschen Wortes Gehren ist. Subtus circa pedestunica debet esse rotunda qualitate mensurata. Sagittas vero vel gerones tantum habeat, vt iter gradientes vel superfluitate, vel parcitate non impediat, Guid. Farf. B. 2, bey dem du Fresne. Sedens - - girones quoque, vel quos quidam sagittas vocant, colligit vtrimque, Udalric. B. 2, Confuet. Cluniac, eben daselbst.


Gehrenzehnte (W3) [Adelung]


Der Gehrenzehnte, des -n, plur. die -n, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, derjenige Zehnte, welcher von einem Gehren gegeben wird. S. der Gehren 2. 2).


Gehrenziegel (W3) [Adelung]


Der Gehrenziegel, des -s, plur. ut nom. sing. schräge Ziegel, dergleichen auf Thürmen und Walbendächern gebraucht werden; im gemeinen Leben Gierenziegel.


Gehrhobel (W3) [Adelung]


Der Gehrhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, im Hobel, vermittelst dessen die Gehrung hervor gebracht wird. S. der Gehren 2. 1).


Gehrig (W3) [Adelung]


Gehrig, -er, -ste, adj. et adv. im gemeinen Leben einiger Gegenden, eine Gehre, oder schiefe Fläche habend. Gehrig geschnittene Leisten, Armzwickel u. s. f. S. 2 Gehre.


Gehrmaß (W3) [Adelung]


Das Gehrmaß, des -es, plur. die -e, bey den Holzarbeitern, ein Lineal, welches am Ende ein schiefes Bretchen unter einem Winkel von 45 Grad hat, die Gehrung darnach zu bestimmen; das Schrägemaß, im gemeinen Leben auch das Göhrmaß.


Gehrung (W3) [Adelung]


Die Gehrung, plur. die -en, bey den Holzarbeitern, die schräge, d. i. nach der Diagonal-Linie eines rechtwinkeligen Viereckes gehende Richtung, und eine solche Fläche selbst; die Gehre, nach einer verdorbenen Aussprache auch die Göhrung, Kehrung u. s. f. Ein Loch nach der Gehrung bauen, bey den Zimmerleuten. S. der Gehren 2. 1).


Gehrungskolben (W3) [Adelung]


Der Gehrungskolben, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Glasern, ein spitz zulaufender Kolben, die Ecken des Fensterbleyes damit zu verlöthen. S. der Gehren 1.


Gehülfe (W3) [Adelung]


Der Gehülfe, des -n, plur. die -n, Fämin. die Gehülfinn, plur. die -en, diejenige Person, welche einer andern hilft, d. i. derselben in gewissen Geschäften hülfliche Hand leistet. Einen Gehülfen haben, brauchen. Ohne Gehülfen hat der Herr Himmel und Erde bereitet, Es. 44, 24. Wenn ein gründlicher Verstand eine lebhafte Einbildungskraft zur Seite, ein reiches und treues Gedächtniß zur Gehülfinn hat, u. s. f. Gell. Ein Amtsgehülfe, Collega. Bey dem Notker Gehelf, im Nieders. Hülpe.


Gehwerk (W3) [Adelung]


Das Gehwerk, des -es, plur. die -e, in den Räderuhren, dasjenige Räderwerk, welches das Gehen der Uhr hervor bringet, im Gegensatze des Schlagewerkes.


Gejauchze (W3) [Adelung]


Das Gejauchze, des -s, plur. car. ein mehrmahliges oder anhaltendes Jauchzen, im verächtlichen Verstande.


Geier (W3) [Adelung]


Der Geier, S. Geyer.


Geifer (W3) [Adelung]


Der Geifer, des -s, plur. inus. ein Wort, welches ehedem einen jeden etwas zähen flüssigen Körper bedeutet zu haben scheinet, jetzt aber nur noch von dem Speichel gebraucht wird, so fern er dem Menschen in außerordentlichen Fällen, dergleichen heftige Leidenschaften, gewisse Arten von Krankheiten u. s. f. sind, oder auch aus Schwachheit unwillkürlich aus dem Munde fließet. David verstellete seine Geberde - und sein Geifer floß ihm in den Bart, 1 Sam. 21, 13. Einem Menschen, der mit der fallenden Sucht behaftet ist, steht der Geifer vor dem Munde. Auch die Feuchtigkeit, welche zarten Kindern aus dem Munde zu fließen pfleget, führet den Nahmen des Geifers.

Anm. Im Nieders. ist dafür Sabbe, Sever, Seiber, im Holländ. Zabber, im Engl. Slaver üblich. Da der Übergang der Gaumenbuchstaben in den Zischlaut sehr gewöhnlich ist, so siehet man leicht, daß Geifer mit den jetzt angeführten Wörtern zu dem Geschlechte des Hochdeutschen Saft, oder auch zu seihen, seigen, tropfenweise fließen, gehöret. S. Geifern.


Geiferbart (W3) [Adelung]


Der Geiferbart, des -es, plur. die -bärte, in der niedrigen Sprechart, eine verächtliche Benennung einer Person, welcher der Geifer aus dem Munde fließet, auch wohl im Scherze von einem geifernden Kinde; das Geifermaul, Nieders. Sabbebart, Sabbelbart, Severbart.


Geifericht (W3) [Adelung]


Geifericht, adj. et adv. dem Geifer ähnlich. Geiferig, mit Geifer beschmutzt, Geifer enthaltend.


Geiferläppchen (W3) [Adelung]


Das Geiferläppchen, oder Geiferlätzchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein kleines Tuch, welches man zarten Kindern unter dem Kinne zu befestigen pfleget, den Geifer aufzufangen; das Geifertüchlein, Nieders. Slabken, Drabbeldok ec..


Geifermaul (W3) [Adelung]


Das Geifermaul, des -es, plur. die -mäuler, S. Geiferbart.


Geifern (W3) [Adelung]


Geifern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, den Geifer fließen lassen. Das Kind geifert. Vor Zorn geifern. Nieders. sabbern, severn, Schwed. sagla, Dän. sigle. Im Osnabrück. ist dafür queilen, und im Bremischen quielen üblich, wo auch Quiel den Geifer bedeutet.


Geifertuch (W3) [Adelung]


Das Geifertuch, des -es, plur. die -tücher, Diminut. das Geifertüchlein, S. Geiferläppchen.


Geiferwurz (W3) [Adelung]


Die Geiferwurz, plur. inus. S. Speichelwurzel.


Geige (W3) [Adelung]


Die Geige, plur. die -n. 1) Im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart, dasjenige musikalische Saiten-Instrument, welches am häufigsten eine Violine, und in den niedrigen Sprecharten eine Fiedel genannt wird. Auf der Geige spielen, die Geige spielen. Eine gute Geige spielen, die Geige gut spielen. Da hängt der Himmel voller Geigen, figürlich im gemeinen Leben, dort empfindet man nichts als Freude. Der Himmel hängt nicht stets voll Geigen, die Freude wird oft unterbrochen. Die erste Geige ward vielleicht aus dem Brustbeine der Gans, (vulg. der Hüpfauf,) gemacht, worüber man etliche Saiten spannte. Wenigstens ist sie bey den Lansitzer Wenden noch jetzt in dieser Gestalt üblich; daher die Geige auch im Slavonischen Hausle, Hußly heißt, von Hus, eine Gans. 2) Figürlich wird wegen einiger Ähnlichkeit auch dasjenige Werk- zeug, worauf die Kammmacher die Kämme poliren, die Filzgeige oder Geige genannt. Ingleichen ein hölzernes Werkzeug, welches leichtfertigen Personen zur Strafe um den Hals und um die Hände gelegt wird, S. 2 Fiedel 2.

Anm. Im Nieders. Gigel, im Schwed. Giga, im Engl. Gig, im Ital. Giga, im mittlern Lat. Giga. Thich froewet niht der tamber noch diu gige, Ulrich von Winterstetten. Wachter leitet es von einem veralteten geigen, reiben, ab, so wie Fiedel von fiedeln und feilen, hin und her reiben, abzustammen scheinet. Ihre hält es für ein ausländisches Wort, zumahl da den Griechen und Römern schon ein ähnliches Werkzeug bekannt war, welches bey ihnen Chelys hieß.


Geigen (W3) [Adelung]


Geigen, verb. reg. act. auf der Geige spielen, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart. Wer dir Wahrheit geigt, dem schlägt man den Fiedelbogen um den Kopf, figürlich.


Geigenbogen (W3) [Adelung]


Der Geigenbogen, des -s, plur. ut nom. sing. der Fiedelbogen, vornehmlich im Oberdeutschen.


Geigenbohrer (W3) [Adelung]


Der Geigenbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bohrer verschiedener Künstler, welcher vermittelst einer an einem Stocke gespannten Sehne, so einem Geigenbogen gleicht, in Bewegung gesetzt wird. S. Drillbohrer.


Geigenfutter (W3) [Adelung]


Das Geigenfutter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Futteral für eine Geige oder Violine.


Geigenharz (W3) [Adelung]


Das Geigenharz, des -es, plur. car. S. Colophonium. In einigen Gegenden wird es auch Geigenpech, und Geigenwachs genannt.


Geigenholz (W3) [Adelung]


Das Geigenholz, des -es, plur. car. der Nahme eines Amerikanischen Baumes, Chitarexylon L. Ohne Zweifel, weil sich aus dessen Holze gute Geigen verfertigen lassen.


Geigenmacher (W3) [Adelung]


Der Geigenmacher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher Geigen oder Violinen verfertiget.


Geigensattel (W3) [Adelung]


Der Geigensattel, des -s, plur. die -sättel, der Sattel, auf einer Geige oder Violine, welcher noch häufiger der Geigensteg, oder nur schlechthin der Steg genannt wird; S. dieses Wort.


Geigenstück (W3) [Adelung]


Das Geigenstück, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein musikalisches Stück, welches auf der Geige gespielet werden kann und muß, welches für die Geige gesetzt ist.


Geigenwerk (W3) [Adelung]


Das Geigenwerk, des -es, plur. die -e, in den Orgeln, ein Register, welches den Klang der Geigen oder Violinen nachahmet.


Geiger (W3) [Adelung]


Der Geiger, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, ein Musikus, welcher die Geige oder Violine spielet; in der anständigern Sprechart ein Violinist. Die Geiger sind von Jubal herkommen, 1 Mos. 4, 21. Schon bey dem Hornegk bedeutet Geyger einen Spielmann, Musikanten.


Geil (W3) [Adelung]


Geil, -er, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich, fett, von dem Fleische der Thiere; in welchem Verstande es nur noch im gemeinen Leben von einem ekelhaften, widrigen Geschmacke und Geruche des Fettes üblich ist. Das Fleisch, das Fett schmeckt zu geil. 2. Figürlich. 1) Von dem Erdboden, wenn er überflüssigen Dünger hat, ingleichen von Gewächsen, wenn sie zu vielen Nahrungssaft haben, und daher zu schnell wachsen, oder überflüssige Blätter und Zweige treiben. Ein geiler Boden, der sehr stark treibt. Die Saat wächst zu geil, zu schnell und zu dick. Die Bäume wachsen zu geil, wenn sie zu viele Blätter und Zweige treiben. Geile Flecke im Getreide, welche sich durch ihren starken und dicken Wuchs von der andern Saat unterscheiden; in Meißen Mastflecke, in andern Gegenden Geilhorste. In weiterer Bedeutung in einigen Gegenden auch überhaupt für fruchtbar, tragbar. Die alten Felder aufreißen und zu geilem Felde machen, in Obersachsen. S. 2 Geile. 2) Von einem ekelhaft süßen Geruche und Geschmacke, im gemeinen Leben. Geil schmecken, widrig süß. 3) Von verschiedenen Beschaffenheiten des Gemüthes, welche ihren Grund zunächst in einer überflüssigen Nahrung des Körpers haben. (a) * Munter, im guten Verstande; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Seiner Ritter ein teil Mit dem er vollte wesin geil Und an Wirtschaft goiden, mit denen er wollte fröhlich seyn, und sich beym Schmause erfreuen, Jeroschin, ein Schriftsteller des 14ten Jahrhunderts bey dem Frisch. - Die sitsamen Geberden Die geile Höflichkeit, der abgeführte Sinn, Und was mich sonsten hielt, ist alles mit ihr hin, sagt Opitz von seiner Sylvia. Im Franz. bedeutete Gale chedem Freude, Fröhlichkeit, und Galoise ein munteres, lustiges Mädchen, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - vor Freude springen. (b) * Muthig, kühn, auch im gutem Verstande, in welchem es aber gleichfalls veraltet ist. Der Held - stach das thier geyl Mit seinem perenspieß zu todt, Theuerd. Darumb macht er sich auf die Fart Zu versuchen sein glück und heyl An Herr Tewrdank dem Jüngling geyl, ebend. Kap. 5. (c) * Muthwillig, üppig, ausgelassen, übermüthig, in welchem Verstande es noch hin und wieder in den niedrigen Sprecharten gehöret wird. Da er aber fett und satt ward, ward er geil, 5 Mos. 32, 15; aber Israel ward fett und schlug aus, nach Michaelis Übersetzung. Ich bin auch gezüchtiget, wie ein geil Kalb, Jer. 31, 18. Darum, daß ihr - lecket, wie die geilen Kälber, Kap. 50, 11. (d) * Stolz, eine veraltete Bedeutung. In diesem Verstande kommt keil schon bey dem Kero vor, und Isidors Übersetzer gebraucht das Hauptwort Geili für Stolz, Hochmuth. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - mit etwas prahlen, stolz auf etwas seyn. Du soltest an mir wesen geil, Chriemh. Str. 262. So geil was ie Mins herzen sin u. s. f. Burkh. von Hohenfels. (c) Reitzungen zum unrechtmäßigen Beyschlafe suchend und unterhaltend; ein harter Ausdruck, der so widrig ist als die Sache selbst, daher man ihn auch nur gebraucht, wenn man von dieser Gemüthsverfassung mit Nachdruck zu reden genöthiget ist. Ein geiles Weib. Ingleichen was diese Gemüthsart verräth, und befördert. Geile Schriften, ein geiles Lied, ein geiles Betragen. Holländ. gheil und ghyl, Dän. geil, Angels. gal, Schwed. gael, in Bretagne mit dem eingeschalteten d gadal, im mittlern Lat. gadalis. 4) * Überfluß an etwas habend; ein veralteter Gebrauch. Wilt du so wirde ich an steten froiden geil, Graf Canr. von Kilchberg.

Anm. So fern dieses Wort eigentlich fett bedeutet, gehöret es allem Ansehen nach zu dem Worte gelb, Nieders. gäl, weil doch das mehreste Fett eine weißgelbliche Farbe hat; zumahl da geil am häufigsten von verdorbenem Fette gebraucht wird, welches noch mehr in das Gelbe fällt. Schon im Hebr. war - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - das Fett, ingleichen Milch, im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Öhl, Schmer, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Milch, und bey den ältesten Galliern bedeutete galba fett, wohl gemästet. Im Albanischen ist Gialpa Butter. S. Gelb.


Geile (W3) [Adelung]


1. Die Geile, plur. die -n, die kugelförmigen Samenbehältnisse der Zeugungsglieder bey dem männlichen Geschlechte der Menschen und Thier; die Hoden. Einem Thiere die Geilen ausschneiden. Auch bey dem weiblichen Geschlechte die sogenannten Eyerstöcke, welche auch Geburtsgeilen genannt werden. In dem gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen kommt dieses Wort nicht vor, wohl aber zuweilen in Schriften. Im Oberdeutschen scheint es üblicher zu seyn. S. 1 Geilen und Bibergeil. Anm. Im Schwed. Gäll, im Wallis. Caill, im Franz. Couillon, im Ital. Coglione, im Lat. Coleus und Coles; nicht so wohl von dem vorigen Worte geil, als vielmehr von der runden kugelförmigen Gestalt; S. Gallapfel, 1 Galle und Kugel. Im Hebr. bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Nieren.


Geile (W3) [Adelung]


2. Die Geile, plur. car. das Abstractum von dem Bey- und Nebenworte geil, welches ehedem in dessen sämmtlichen Bedeutungen üblich war, jetzt aber nur noch im gemeinen Leben in einigen Gegenden üblich ist. 1) Die geile Beschaffenheit einer Person oder Sache, wo es nur noch zuweilen von der überflüssigen Fettigkeit des Bodens, und dem dadurch verursachten allzu starken Triebe der Gewächse gebraucht wird, wofür an andern Orten auch Geilheit üblich ist. - 2) Was dem Boden Fettigkeit gibt, der Dünger, in der Landwirthschaft einiger Gegenden. Geile und Gare, Dünger und Mist. In einigen Gegenden auch die Geilung.


Geilen (W3) [Adelung]


1. * Geilen, verb. reg. act. der Geilen berauben, castriren, verschneiden; ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, wofür auch entgeilen, und nach einer gelindern Aussprache heilen, üblich war. Bey den Römern hieß ein verschnittener Priester der Cybele Gallus, und Matthesius nennet einen Castraten noch Ohngeil. Im Schwed. ist gaella gleichfalls verschneiden. Wenn dieses Wort nicht von Geile, die Hode, abstammet, so hat es ohne Zweifel ehedem schneiden überhaupt bedeutet, wovon noch verschiedene Spuren übrig sind; S. 2 Galle.


Geilen (W3) [Adelung]


2. * Geilen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, auf eine unverschämte Art, mit gällender Stimme um etwas betteln; ein im Hochdeutschen veraltetes Wort. So wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen, und ihm geben, wie viel er bedarf, Luc. 11, 8. Berg und tal hat der meige geret im ze prise Ir geilent uch iungen, Graf Conr. von Kilchberg. Um Brot, um ein Amt geilen, im Oberdeutschen, wo auch Geiler von einem Bettler, und ergeilen, durch unverschämtes Betteln erhalten, üblich sind. In Hamburg ist gellen und im Bremischen galftern, gleichfalls unverschämt betteln. Es gehöret zu dem Nieders. gillen, ein durchdringendes pfeifendes Geschrey machen, von welchem unser gällen das Neutrum ist. Schon im Hebr. war - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - anhaltend bitten. S. Gällen.


Geilen (W3) [Adelung]


3. * Geilen, verb. reg. von dem Bey- und Nebenworte geil, welches im Hochdeutschen veraltet ist, ehedem aber in doppelter Gestalt üblich war. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 2) Sich freuen, fröhlich seyn, in guter Bedeutung, in Menkens Script. Th. 2, S. 2047. 2) Muthwillig seyn, vor Freuden springen u. s. f. bey dem Kaisersberg. 3) Im Überflusse leben, bey dem Dasypodius. 4) Der Geilheit nachgehen; wenigstens scheinet folgende Stelle in dem Logau diesen Verstand zu haben: Andre mögen geilen, da bey Grethen, dort bey Käthen. 2. Als ein Activum. 1) Reichlich segnen, Überfluß verschaffen. Daz du min Hertze heilis Und in Genaden geilis, Jeroschim bey dem Frisch. 2) Düngen, den Acker fett machen; in welchem Verstande man noch in einigen Gegenden auf dem Lande den Acker geilet, oder begeilet. 3) Das Reciprocum sich geilen scheint ehedem auch für einwurzeln, fest setzen, oder doch in einem ähnlichen Verstande gebraucht zu seyn. Swo sich bescheidenheit in wibes herzen geilet Diu zweiet unt fruihet felde und ere, Burkh. v. Hohenfels.


Geilheit (W3) [Adelung]


Die Geilheit, plur. inus. von dem Bey- und Nebenworte geil, der Zustand, da eine Person oder Sache geil ist. 1) Überflüssige Fettigkeit in dem Acker und dadurch verursachter allzu starker Trieb in dem Wachsthum der Gewächse, in der Landwirthschaft einiger Gegenden. 2) Übermuth, Muthwillen, in der niedrigen Sprechart. 3) Ungeordnete Begierde, aus dem Beyschlafe Luft zu empfinden, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, Reitzungen zum unrechtmäßigen Beyschlafe zu suchen; in der harten und nachdrücklichen Sprech- und Schreibart. Denn ich habe gesehen deine Ehebrecherey, deine Geilheit, deine freche Hurerey, Jer. 13, 27. Im Angels. Galnyss, Galscyp, im Schwed. Gaelskab.


Geimstein (W3) [Adelung]


Der Geimstein, S. 2 Kamm.


Geißbaum (W3) [Adelung]


Der Geißbaum, des -es, plur. -bäume, eine in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Benennung des gemeinen Ahornes, Acer Pseudoplatanus L. vielleicht weil die Geißen oder Ziegen lüstern darnach sind. S. Ahorn.


Geißbergerstein (W3) [Adelung]


Der Geißbergerstein, des -es, plur. inus. eine graue, weißliche, oft auch bläuliche und röthliche harte Steinart, welche in der Schweiz auf den höchsten Gipfeln der Alpen so wohl, als in den Ebenen angetroffen wird, und in dessen Klüften man den sechseckigen Krystall findet. S. Altmanns Beschr. der Helvet. Eisb. S. 133. Vielleicht weil an den Orten, wo er am häufigsten zu finden ist, nehmlich auf den Gipfeln der Alpen, nur die Gemsen und Steinböcke, welche an einigen Orten der Schweiz gleichfalls Geißen genannt werden, hinzukommen pflegen.


Geißblatt (W3) [Adelung]


Das Geißblatt, des -es, plur. inus. die Oberdeutsche Benennung einer Pflanze, welche im mittägigen Europa wild wächset; Lonicera Caprifolium L. Walsche Specklilie, Zaungilge, Geißlilie, Waldlilie, in Obersachsen. Je länger je lieber. S. Durchwachs. Sieh, auf dem Felsen, wo die Quelle sich stürzt, hat er von Geißblatt eine Laube gepflanzt, Geßn.


Geißbock (W3) [Adelung]


Der Geißbock, des -es, plur. die -böcke, eine Oberdeutsche Benennung des Ziegenbockes, zuweilen auch des Rehbockes. S. Geiße.


Geißbohne (W3) [Adelung]


Die Geißbohne, plur. die -n, im Oberdeutschen, der Koth der Ziegen und Böcke, wegen der runden Gestalt.


Geiße (W3) [Adelung]


Die Geiße, plur. die -n, eine nur im Oberdeutschen übliche Benennung so wohl einer Ziege, als auch der Rehe, welche letztere auch Rehziege, im gemeinen Leben die Kicke oder Rücke genannt wird. In beyden Fällen ist es zuweilen eine allgemeine Benennung des ganzen Ziegen- und Rehegeschlechtes; am häufigsten aber wird es nur von den weiblichen Geschlechtern derselben gebraucht.

Anm. Die Oberdeutsche Mundart pflegt gern das e am Ende zu verbeißen, die Geiß oder Gaiß. Von einer Ziege lautet dieses Wort im Schwabenspiegel Gaizze, bey dem Willeram Geizzo, im Angels. Gat, im Schwed. Get, im Dän. Geed, im Türk. Geitzi, im spätern Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Hebr - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Lat. aegis. Im gemeinen Leben, selbst Niedersachsens, pfleget man eine Ziege wohl eine Kitze, oder Kitzchen zu nennen. Ehedem bedeutete es auch den Bock, und war alsdann männlichen Geschlechtes. Du gescidast oves ab hedis, scaf fone geizzin, Notker. Bey dem Ulphilas ist Gaitei, im Phrygischen Atta-Goz, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . im Engl. Goat, im Holländ. Gheete, der Bock. Wachter leitet diesen Nahmen von Geitz, Begierde her; Ihre aber glaubt, daß Geiße und Ziege durch Versetzung der Buchstaben aus einander entstanden sind. Doch das Wort ist zu alt, selbst für Muthmaßungen zu alt.


Geißel (W3) [Adelung]


Der Geißel, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt ein jeder, der mit seinem Leibe für etwas Bürge wird; ehedem auch ein Leibbürge. In dieser allgemeinen Bedeutung ist es im Deutschen veraltet, wo man es nur noch, in engerem Verstande, von Leibbürgen gebraucht, welche im Kriege zur Sicherheit so wohl anderer Personen als auch gethaner Versprechen, gegeben und genommen werden, da es denn in der mehreren Zahl am üblichsten ist, ohne doch die erste auszuschließen. - Dazu mußte er den Römern Geisseln (Geißel), schicken, Macc. 8, 7. Und nahm der vornehmsten Leute Kinder zu Geiseln (Geißel), Kap. 9, 53; Kap. 11, 62. Wilt du mir seine zween Söhne zu Geiseln (Geißeln) geben, Kap. 13, 17. Einander Geißel geben. Jemanden als Geißel, oder zum Geißel behalten. In bürgerlichen Sachen ist das Wort Bürge üblicher.

Anm. Bey dem Stryker und andern alten Oberdeutschen Schriftstellern heißt ein solcher Geißel Gisel, Geisel, Gisele, im mittlern Lat. Gisilis und Hospes, im alten Franz. Hoste, ein Gast, im Nieders. Gisel, Giseler, Gyßler und Geißler, im Angels. Gisel und Gisle, im Isländ. Gisl, Gisling, im Schwed. Gissel, Gisle; im Dän. Gidsel. Die Abstammung dieses Wortes ist noch ungewiß. Dietrich von Stade leitet es von sellan, übergeben, ab, welches aber um deßwillen nicht Statt findet, weil der auf der ersten Sylbe liegende Ton deutlich genug erweiset, daß nur sie die Stammsylbe ist, el aber als die gewöhnliche Endung angesehen werden muß, welche eine handelnde Person oder ein Werkzeug bedeutet. Wachters Ableitung vom Angels. gyse, Engl. yes, ja, ist noch unwahrscheinlicher. Frisch lässet es von gis, oder ger, begehren, Ihre von gaeta, bewahren, Gäsla, Gisla, der Verhaft, und das Bremisch-Niedersächsische Wörterbuch von dem alten gisen, können, vermögen, abstammen. Man muß dabey merken, daß dieses Wort ehedem in einem sehr weiten Umfange der Bedeutung genommen wurde, indem es bey den "Longobarden" nicht nur einen Zeugen bedeutete, sondern auch in neuern Schriften von einem jeden Unterpfande gebraucht wird, daher bey dem Serarius auch Geißelschlösser vorkommen, Schlösser, die man zum Unterpfande gibt. In der Bedeutung eines Leibbürgen waren statt dieses Wortes ehedem auch die Benennungen Leistbürge, und Pfandmann üblich. Die dieses Wort mit einem s, Geisel, schreiben, wollen es dadurch vermuthlich von dem folgenden Worte unterscheiden, sündigen aber wider die unläugbare Aussprache, welche sehr deutlich ein ß hören lässet. Es scheinet, daß dieses Wort auch bey einigen im weiblichen Geschlechte gebraucht werde, da es denn im Plural die Geißeln hat.


Geißel (W3) [Adelung]


Die Geißel, plur. die -n, eine Peitsche, auch eine solche, welche aus mehrern Riemen bestehet. Dem Roß eine Geißel, und dem Esel einen Zaum, Sprichw. 26, 3. Dem Esel gehört sein Futter, Geißel und Last, Sir. 33, 25. Der gern die Ochsen mit der Geißel treibt, Kap. 38, 26. Und er machte eine Geißel aus Stricken, Jos. 2, 15. Figürlich. 1) Für Züchtigung, bittrer Tadel, Spott. Er wird dich verbergen vor der Geißel der Zungen, Hiob 5, 21. Diese Thorheit verdient eine neue Geißel, Hermes. Die Geißel der Kritik. 2) Eine Plage, sowohl von Personen, als Sachen. Alsdann wird der Herr eine Geißel über ihn erwecken, Es. 10, 26.

Anm. Bey dem Ottfried Geislu, bey dem Notker Keisila. Es gehöret ohne Zweifel zu dem Schwed. Gisl, ein Strahl, Solargisl, ein Sonnenstrahl. Bey dem Pictorins heißt die Pflugsterze die Geige.


Geißelbruder (W3) [Adelung]


Der Geißelbruder, des -s, plur. die -brüder, eine ehemahlige Secte im 13ten und 14ten Jahrhunderte, welche sich aus verdienstlicher Absicht öffentlich geißelten und dabey allerley Unfug und Gräuel verübten. Sie wurden auch Geißeler, Büßer, und mit einem Lateinischen Ausdrucke Flagellanten, ihre Züge durch das Land aber Geißelfahrten genannt.


Geißeln (W3) [Adelung]


Geißeln, verb. reg. act. mit der Geißel hauen und schlagen. Pilatus ließ Jesum geißeln, Matth. 27, 26. Sie werden euch geißeln in ihren Schulen, Kap. 10, 17. So auch die Geißelung.


Geißelschaft (W3) [Adelung]


Die Geißelschaft, plur. inus. der Zustand, da jemand ein Geißel ist, von dem Hauptworte der Geißel; ein Wort, welches ehedem häufiger war als jetzt, wo man es auch überhaupt für eine jede Bürgschaft gebrauchte.


Geißfuß (W3) [Adelung]


Der Geißfuß, des -es, plur. die -füße. 1) Eine Oberdeutsche Benennung derjenigen Pflanze, welche in Ober- und Niedersachsen Gersch oder Giersch, an andern Orten Strensel genannt wird; Aegopodium L. Ohne Plural. S. Gersch. 2) Ein unten in Gestalt eines Geiß- oder Ziegenfußes gespaltenes Brecheisen; ein Ziegenfuß.


Geißhirt (W3) [Adelung]


Der Geißhirt, des -en, plur. die -en, im Oberdeutschen, ein Ziegenhirt.


Geißhülsen (W3) [Adelung]


Die Geißhülsen, sing. inus. eine Oberdeutsche Benennung der Rainweide; Ligustrum vulgare L. S. Rainweide.


Geißkäse (W3) [Adelung]


Der Geißkäse, des -s, plur. ut nom. sing. im Oberdeutschen, der Ziegenkäse.


Geißklee (W3) [Adelung]


Der Geißklee, des -s, plur. inus. ein niedriges Standengewächs mit schönen gelben Blumen und Schoten, wovon einige Arten in Oberdeutschland, andere aber in wärmeren Ländern einheimisch sind; Cytisus L. Dessen Cytisus laburnum und Cytisus alpinus sind auch unter dem Nahmen des Bohnenbaumes bekannt. Der Äthiopische Geißfuß, Cytisus Aethiopicus, ist eine Art der Hauhechel, Ononis L.


Geißler (W3) [Adelung]


Der Geißler, des -s, plur. ut nom. sing. 1) S. Gaßler. 2) S. Geißelbruder.


Geißlilie (W3) [Adelung]


Die Geißlilie, plur. die -n, S. Geißblatt.


Geißmelker (W3) [Adelung]


Der Geißmelker, des -s, plur. ut nom. sing. S. Nachtschwalbe.


Geißpilz (W3) [Adelung]


Der Geißpilz, S. Birkenpilz.


Geißvogel (W3) [Adelung]


Der Geißvogel, des -s, plur. die -vögel, S. Fastenschlier.


Geist (W3) [Adelung]


Der Geist, des -es, plur. die -er, ein buchstäblich nach dem Lat. Spiritus gebildetes Wort, von welchem es auch seine Bedeutungen entlehnet hat, welche ungefähr auf folgende Art geordnet werden können. 1. * Der Wind, und in weiterer Bedeutung auch der Athem, der Hauch; welches die erste Bedeutung, so wohl dieses Wortes als auch des Lat. Spiritus, des Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Hebr. Ruach u. s. f. ist, und eine Nachahmung des Schalles ist, welcher durch den Wind und Athem in vielen Fällen verursacht wird: Der Geist geistet, wo er will, Kaisersb. d. i, der Wind bläset, wo er will. Gott geistet (blies) in sein Antlitz den Geist des Lebens, (den lebendigen Athem,), in einer Deutschen Bibel von 1483. In einer andern Bibel dieses Jahrhundertes ist eingaysten einblasen; in welchem Verstande auch ingeisten bey dem Jeroschin vorkommt. Im Angelsächsischen bedeutet gust gleichfalls blasen, und im Schwed. ist Gust und im Isländ. Gioste, das Blasen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung längst veraltet. S. Gäscht. 2. Ein flüssiges, flüchtiges, wirksames, und mit dem Wasser mischbares Wesen, welches theils in der Gährung entwickelt, theils auch durch die Destillation aus verschiedenen Körpern gezogen wird, und die wirksamsten Theile derselben enthält, Latein. Spiritus. 1) Eigentlich. Der Wein, das Bier hat vielen Geist, viele flüchtige wirksame Theile. Weingeist, Vitriolgeist, Salpetergeist u. s. f. Der Plural ist hier von mehrern Arten gebräuchlich. Flüchtige Geister, Spiritus volatiles, welche in ein wenig Öhl verwickelt sind, welches sie mit sich fortführen. Feste oder feuerbeständige Geister, Spiritus fixi, welche mit Salzen verbunden sind, die ihre Flüchtigkeit zurück halten, dergleichen die sauren Geister des Vitriols, Alaunes und Salzes sind. Doch ist bey vielen in dieser ganzen Bedeutung das Lat. Spiritus üblicher. 2) Figürlich bey einigen Neuern, das Beste, Wesentlichste, Wirksamste aus einem Buche oder aus einer Schrift, der Kern, nach dem Franz. Esprit. Der Geist der Journale, kernhafter Auszug aus denselben. Der Geist des Weltweisen zu Sans-Souci. 3. Ein feines, flüssiges Wesen, welches von verschiedenen Ärzten und Zergliederern in den Nerven der Menschen und Thiere angenommen wird, und die wirkende Ursache, oder doch wenigstens das erste und vornehmste Hülfsmittel nicht nur aller Bewegungen, sondern auch aller Empfindungen seyn soll, und auch der Nervensaft, Fluidum nerveum, ingleichen die Lebensgeister, Spiritus vitales genannt wird. In dieser Bedeutung ist es nur im Plural üblich. Seine Geister waren durch das frühe Aufstehen ganz erschöpft. Ingleichen nach einer noch weitern Figur. 4. Das Leben, die Lebenskraft. 1) Eigentlich in welcher Bedeutung es nur in einigen Stellen der Deutschen Bibel vorkommt. Das ging alles zu Noah in den Kasten bey Paaren, von allem Fleisch, da ein lebendiger Geist innen war, 1 Mos. 7, 15. Gott, der du bist ein Gott der Geister alles Fleisches, 4 Mos. 16, 22. 2) Figürlich, die wirkende, thätige Kraft einer Sache, in der weitesten Bedeutung. Die Worte, die ich rede, sind Geist und Leben, Joh. 6, 63. Die Liebe die nicht kränkt, ist Liebe sonder Geist, Gell. Von dem Geiste des Widerspruches besessen seyn. Der Geist der Kaufmannschaft ließ die Bürger zu Carthago nur auf den Erwerb der Reichthümer sinnen. 5. Die mit dem menschlichen Körper verbundene einfache Substanz, welche mit der Kraft zu denken und zu wollen begabet ist, die Seele; ohne Plural, die letzte siebente Unterbedeutung ausgenommen. 1) Eigentlich und überhaupt. Denn des Menschen Geist muß davon, Pf. 145, 4. Der Geist muß wieder zu Gott, der ihn gegeben hat, Pred. 12, 7. "Den Geist aufgeben", sterben. Je mehr mir der Leib abstirbt, desto heller steht mein Geist hinaus in die Unsterblichkeit. Die Bildung seines eigenen Geistes versäumen. Die Gegenwart des Geistes, S. Gegenwart. 2) Figürlich, in Beziehung auf die einzelnen Kräfte dieses Wesens und deren Verbindung; ohne Plural. (a) Am häufigsten in Beziehung auf dessen Kraft zu denken, zu vergleichen, zu schließen, auf die Kräfte des Verstandes, so wie Seele mehr von den Bedeutungskräften gebraucht wird. Mein Geist muß forschen, Pf. 77, 7. Etwas im Geiste betrachten, es sich in Gedanken vorstellen. Im Geiste sehe ich ihn schon. Meisterstücke des menschlichen Geistes. Groß an Gestalt, an Geiste klein. Weiße. Wo es auch oft den mit Scharfsinn verbundenen lebhaften Witz bezeichnet. Ein Mann von vielem Geiste. Er hat viel Geist. In der Stelle 1 Thess. 5, 23, bedeutet Geist die obern, Seele aber die untern Kräfte. In andern biblischen Stellen bedeutet Geist, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, oft die höheren Grade der moralischen Erkenntniß, im Gegensatze der gemeinten äußeren Handlungen an und für sich, wie sie durch Gesetze bestimmt werden. (b) Zuweilen auch in Beziehung auf dessen Kraft zu begehren und zu wollen; das Gemüth. Einen hohen Geist haben, nach hohen Dingen streben. Am häufigsten kommt es in diesem Verstande in der Deutschen Bibel vor. Ein Mann, der seinen Geist nicht halten kann, Sprichw. 25, 28. Ein Narr schüttet seinen Geist gar aus, Kap. 29, 11. Ein zerschlagener und demüthiger Geist, Es. 57, 15. (c) Die Gesinnung, Gemüthsfassung; doch nur in der biblischen Schreibart. Der kindliche Geist, die kindliche Gesinnung gegen Gott. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Mit Gott zu einem Geiste verbunden werden, 1. Cor. 6, 17. Der Geist des Gemüthes, Ephes. 4, 22, die innere Gemüthsfassung. Die Gemeinschaft des Geistes, einerley Gesinnung. (d) Eigenthümliche Art zu denken und zu handeln. O, daß doch sein Geist zwiefältig auf mich ruhen wollte! Der National-Geist eines Volkes. Wenn einmahl ein Luther in dem Geiste ganzer Nationen eine Hauptveränderung hervor bringt. (e) Die in der Bekehrung hervor gebrachte neue Fertigkeit, im Gegensatze des Fleisches; doch nur in der Deutschen Bibel, wo dieser Zustand auch der geistliche Sinn, der geistliche Mensch genannt wird. Was vom Geist geboren wird, das ist Geist, Joh. 3, 6. Die nicht nach dem Fleische wandeln, sondern nach dem Geist, Röm. 8, 1. Wandelt im Geist, Gal. 5, 16. (f) Muth, Herzhaftigkeit; auch nur in der Deutschen Bibel. Da kam er Geist des Herrn auf Jephthah, Richt. 11, 29; darauf ging Jefta mit einem göttlichem Muthe beseelet, u. s. f. Michael. Und der Geist des Herrn war in ihm, Kap. 3, 10; diesem gab Gott Muth, Michael. Gott erweckte den Geist eines jungen Knaben, Hist. der Sus. V. 45. (g) Die ganze Person, vornehmlich in Ansehung ihrer Verstandesstärke und der Art der Anwendung derselben. Glaubet nicht einem jeglichen Geiste, 1 Joh. 4, 1. Ein jeglicher Geist, der da bekennet, V. 2, 3. Im Hochdeutschen nur mit gewissen Beysätzen, welche die Art zu denken näher bestimmen. Ein starker Geist, der ohne alle Vorurtheile zu denken vorgibt, im Gegensatze eines schwachen Geistes; ein Freygeist. Der Stolz ist nicht etwa nur ein Antheil unverständiger Seelen und kleiner Geister, Gell. Gemeine Geister sind zufrieden, wenn sie ihren Gegnern ihre jetzigen Tage vergiften. Ein schöner Geist, bey welchem die sinnlichen Empfindungen, die Einbildungskraft, und der Geschmack gemeinschaftlich wirken. Es ist nicht ehe eine Anzahl von guten Dichtern aufgestanden, als bis ein großer Geist durch ein Meisterstück den Wetteifer erreget hat, Dusch. Der seltene und erhabene Geist, der kühn genug ist, sein Original selbst zu werden. Ein philosophischer Geist, ein Mann, der den Zusammenhang und die Ursachen der Dinge zu erforschen sucht. So auch die Zusammensetzungen Flattergeist, Schwindelgeist, Irrgeist u. s. f. 6. Die göttliche Natur Christi, im Gegensatze des Fleisches, oder der menschlichen; doch nur in einigen Stellen der Deutschen Bibel. Ein Sohn Gottes nach dem Geist, Joh. 1, 4. Und ist getödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, 1 Petr. 3, 18. 7. Die dritte Person in der Gottheit, nicht um ihres geistigen Wesens, sondern um des Ausgehens willen von dem Vater und Sohne, welches in der heil. Schrift ein Aushauchen genannt wird. So wohl schlechthin der Geist, wie Matth. 4, 1, Marc. 1, 10; als auch mit allerley Beysätzen, da er in der Deutschen Bibel der Geist Gottes, der Geist des Herren, der Geist des Vaters, der Geist Christi u. s. f. am häufigsten aber der heilige Geist genannt wird. Figürlich werden in der Bibel auch wohl dessen Gaben und Wirkungen der Geist, der heilige Geist und zuweilen auch im Plural die Geister genannt. Die sieben Geister, Offenb. 1, 4, Und die Geister der Propheten sind den Propheten unterthan, Cor. 14, 32. 8. Ein jedes einfaches Wesen, welches die Kraft zu denken und zu wollen besitzet. 1) Überhaupt. Gott ist ein Geist. Die erschaffenen oder endlichen Geister, zum Unterschiede von Gott dem unerschaffenen oder unendlichen Geiste. Swedenborg glaubte in einem vertrauten Umgange mit den Geistern zu stehen. 2) Besonders verschiedene Arten derselben. So werden die Engel Hebr. 1, 7, Ps. 104, 4 nur schlechthin Geister genannt. Die guten Geister, die guten Engel, zum Unterschiede von den bösen, oder Teufeln. Im gemeinen Leben druckt man mit dem Worte Geist oft ein solches Wesen höherer Art aus, ohne eben zu bestimmen, ob es zu den guten oder bösen Geistern gehöre. Es lässet sich ein Geist sehen. ein Gespenst. Es ist ihm ein Geist erschienen.

Anm. In der 5ten, 7ten und 8ten Hauptbedeutung lautet es bey dem Kero Keist, im Isidor Gheist, bey dem Ottfried Keist und Geist, im Angels. Gast, im Nieders. Geest, im Holländ. Gheest, im Engl. Ghost, im Dän. Geist, im Schwed. Gast. In der Bedeutung eines Gespenstes leitet es Ihre sehr unwahrscheinlich von dem Engl. gastly, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schrecklich, her. Im Plural lautet es bey dem Tatian Geista, und noch in dem 1483 gedruckten Buche der Natur die Geyst. Zu dem Geschlechte dieses Wortes gehöret auch das Nieders. gissen, muthmaßen, Schwed. gissa, Engl. to guess, Angels. gaetan, wovon unser vergessen abstammet, S. dasselbe.


Geisterlehre (W3) [Adelung]


Die Geisterlehre, plur. die -n, die Lehre von den Kräften der Geister, Pneumatologia, welche einen Theil der Weltweisheit ausmacht; ingleichen ein Buch, worin diese Lehre abgehandelt worden. S. Geist 5.


Geisterseher (W3) [Adelung]


Der Geisterseher, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Schwärmer, welcher Geister zu sehen glaubt. 2) Ein Spottnahme eines prophetischen Theologen.


Geisterwelt (W3) [Adelung]


Die Geisterwelt, plur. inus. der Inbegriff aller erschaffenen Geister; die geistige Welt, im Gegensatze der Körperwelt.


Geisteskraft (W3) [Adelung]


Die Geisteskraft, plur. die -kräfte, eine jede Kraft, womit der menschliche Geist versehen ist; zum Unterschiede von den Leibeskräften. In engerer Bedeutung, die oberen Kräfte desselben, im Gegensatze der Gemüthskräfte.


Geistig (W3) [Adelung]


Geistig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Geist habend, in verschiedenen Bedeutungen dieses Hauptwortes. 1) Viele flüchtige wirksame Theile habend, von verschiedenen Körpern. Ein geistiger Wein, ein geistreiches Wein; der viele flüchtige wirksame Theile hat. Die Scheidekunst ziehet aus groben irdischen Materien das Wirksame und Geistige heraus. 2) Witz, Scharfsinn, einen hohen Grad des Verstandes besitzend; in welcher Bedeutung es doch nur selten vorkommt. Wer nicht den Himmel fühlt, Nicht scharf und geistig ist, Opitz. S. Geist 5. 2. Was bloß aus Geist bestehet, ein bloß einfaches vernünftig denkendes Wesen hat, ingleichen was nur mit dem Verstande empfunden werden kann; im Gegentheile dessen was körperlich und sinnlich ist. Die geistige Welt, die intellectualische, im Gegensatze der körperlichen oder materiellen. Die Engel sind geistige Wesen. S. Geisterwelt. Geistige Empfindungen, im Gegensatze der sinnlichen. Eine geistige Liebe, welche nicht auf die Vergnügung der Sinne gerichtet ist. Geistige Schönheit. Daher die Geistigkeit, in der letzten Bedeutung.


Geistlich (W3) [Adelung]


Geistlich, adj. et adv. von dem Hauptworte Geist. 1) Aus Geist bestehend, ein bloß einfaches vernünftig denkendes Wesen habend, unkörperlich, wofür aber geistig üblicher ist. Die geistliche Beschaffenheit Gottes. - Das geistliche Wesen der Engel. Die Verklärten im Himmel haben einen geistlichen Leib. 2) * Den Geist, besonders den menschlichen Geist betreffend, demselben gemäß, in demselben gegründet, im Gegensatze dessen, was körperlich oder leiblich ist; in welcher weitern Bedeutung dieses Wort noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt, im Hochdeutschen aber veraltet ist, wo man es 3) nur in engerer theologischer Bedeutung gebraucht, die ewige Wohlfahrt des menschlichen Geistes betreffend, darin gegründet, darauf abzielend. Geistliche Gaben, geistliche Güter, geistliche Dinge, der geistliche Segen. Ein geistliches Lied, im Gegensatze eines weltlichen. Das geistliche Leben, der von dem Geiste Gottes gewirkte Grund der rechtmäßigen Handlungen in dem Menschen. Die geistliche und ewige Wohlfahrt, im Gegensatze der leiblichen und zeitlichen. Der geistliche Tod. Die geistliche Vereinigung mit Gott u. s. f. 4) In noch engerer Bedeutung, was die Verrichtung des öffentlichen Gottesdienstes zur Beförderung der geistlichen Wohlfahrt betrifft, und dazu gehöret, kirchlich, gottesdienstlich; im Gegensatze des weltlich. In diesem Verstande werden alle diejenigen Personen, welche zum öffentlichen Gottesdienste bestellet sind, Geistliche genannt, obgleich in der engsten Bedeutung nur diejenigen diesen Nahmen führen, welche die Sacramente verwalten oder verwalten können, oder nach dem canonischen Rechte, welche zu gottesdienstlichen Handlungen eingeweihet worden. Der geistliche Stand, die Gesellschaft derjenigen Personen, welche zur Verrichtung des öffentlichen Gottesdienstes bestimmet sind. Die geistlichen Güter, welchen solchen Personen gehören. Das geistliche Recht, das canonische Recht. Das geistliche Gericht, im Gegensatze eines weltlichen.

Anm. In beyden Bedeutungen im Isidor gheistlichh, und bey dem Ottfried geislih. Kero gebraucht dafür noch atumlih.


Geistlichkeit (W3) [Adelung]


Die Geistlichkeit, plur. inus. 1) * Die geistliche, d. i. auf die Beförderung der ewigen Wohlfahrt gerichtete Beschaffenheit einer Person und Sache; eine im Deutschen veraltete Bedeutung, in welcher dieses Wort noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt. Der nach eigner Wahl einher gehet, in Demuth und Geistlichkeit der Engel, Col. 2, 18. Welche haben einen in der Weisheit, durch selbst erwählte Geistlichkeit und Demuth, V. 23. In einer Oberdeutschen Schrift von 1497 wird es gleichfalls für Religion gebraucht. 2) Die sämmtlichen Geistlichen, d. i. zur Besorgung des öffentlichen Gottesdienstes bestellten Personen, als ein Collectivum. Die katholische, die evangelisch-lutherische, die reformirte Geistlichkeit. Die Geistlichkeit an der Domkirche.


Geistlos (W3) [Adelung]


Geistlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Geist, wenig Verstand, Scharfsinn und Witz habend. Ein unempfindsamer und geistloser Mensch. Ingleichen kein Leben, Kraft und Nachdruck habend. Ein geistloses Gedicht. Geistlose Ausdrücke.


Geistlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Geistlosigkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da eine Person oder Sache geistlos ist.


Geistreich (W3) [Adelung]


Geistreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Geist, in einigen dieses Hauptwortes; geistvoll. Ein geistreicher Wein, der viele wirksame flüchtige Theile hat. Ein geistreicher oder geistvoller Pinsel, welcher kecke Pinseldrucke mit Freyheit am rechten Orte anzubringen weiß, und dadurch den Figuren Geist und Leben ertheilet. Ein geistreicher oder geistvoller Mahler. Ein geistreicher Mann, der vielen mit Witz verbundenen Scharfsinn besitzt. Ein geistreiches Gedicht. Zuweilen wird es auch von der mit Gründlichkeit oder lehrreichem Scharfsinn verbundenen Frömmigkeit gebraucht. Die geistreichen oder geistvollen Schriften eines Arnd, Tauleri u. s. f.


Geistvoll (W3) [Adelung]


Geistvoll, -er, -este, adj. et adv. welches wie das vorher gehende gebraucht wird.


Geitz (W3) [Adelung]


1. Der Geitz, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft Ober- und Niederdeutschlandes, eine Benennung verschiedener Auswüchse des Pflanzenreiches. Besonders der an den Spitzen der fruchtbaren Zweige zwischen den Stielen der Blätter des Weinstockes hervor sprossenden Keime; ingleichen der Seitensprossen an den Tobakspflanzen, welche an dem Stängel zwischen dem Blatte in der Mitte hervor kommen, besonders wenn die größern abgebrochen worden; wie auch bey dem Türkischen Weitzen derjenigen Körner, welche sich in der obersten Spitze der Blüthstange ansetzen, und den übrigen Kolben den Saft und die Nahrung entziehen.

Anm. Obgleich die Abstammung dieses und des folgendes Wortes noch dunkel ist, so ist es doch nicht wahrscheinlich, daß es zu Geitz, avaritia, gehören sollte. Im Schwed. bedeutet Gödsel Zuwachs, Verbesserung, ingleichen Dünger von göda, verbessern, düngen, mästen, und god, gut. Vielleicht liegt hierin der Grund der Benennung, weil dergleichen Auswüchse aus überflüssiger Nahrung des Bodens herrühren. Oder gehöret es, wie wahrscheinlicher zu seyn scheinet, etwa zu gäten, Schwed. gäta, ausraufen, weil dergleichen Auswüchse gegeitzet, d. i. abgebrochen zu werden pflegen? S. 1 Geitzen.


Geitz (W3) [Adelung]


2. Der Geitz, des -es, plur. inus. bey den Schäfern und Jägern einiger Gegenden, eine schwarze und stinkende Salbe, womit man den Hunden die Räude zu vertreiben pfleget.


Geitz (W3) [Adelung]


3. Der "Geitz", des -es, plur. car.

1) * Überhaupt eine jede unordentliche und heftige Begierde. Mordgeitig, mordgierig, in einem alten Gedichte in Eccards Script. Th. 2. In einer Oberdeutschen Urkunde von 1479 kommt der Heißhunger unter der Benennung des Geitzes vor, und bey dem Winsbeck und andern Dichtern seines Jahrhunderts ist Gite und Gitikeit eine jede heftige Begierde, Gierigkeit. Im Hochdeutschen ist es in dieser allgemeinern Bedeutung veraltet. 2) In engerer Bedeutung, die unordentliche Begierde, mehr zu haben, als man bedarf. Der Ehrgeitz, die unordentliche Begierde nach Ehre. Der Geldgeitz, nach Gelde, und in weiterer Bedeutung nach Eigenthum, welche Begierde Kaiserberg richtiger den Gutgeiz nennet. Außer den bereits angeführten Zusammensetzungen wird es im Hochdeutschen in dieser Bedeutung nur zuweilen in der höhern Schreibart gebraucht. Der Geitz nach Siegen, Gell. 3) In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, die unordentliche Begierde, sein Eigenthum zu vermehren, und die Fertigkeit derselben. Dem Geitze ergeben seyn, dem Geitze nachhängen. Vom Geitze besessen seyn. Etwas aus Geitz thun. Die biblischen R. A. sich zum Geitze neigen, den Geitz treiben, den Geitz stellen, demselben ergeben seyn, mit Geitz durchtrieben seyn u. s. f. sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. Genauigkeit, Eigennutz, Geitz, Kargheit, Filzigkeit; Habsucht u. s. f. werden im gemeinen Leben häufig für einander gebraucht, ob sie gleich eigentlich genau verschieden sind. S. diese Wörter.

Anm. "Geitz" drückt, wie schon gesagt worden, eigentlich eine jede heftige Begierde aus. Viele ältere und neuere Mundarten kennen statt des "tz" nur ein "t" ohne Zischlaut. Dergleichen ist das alte Oberdeutsche "Gite", "Gitikeit", noch im 15ten Jahrhunderte "Geyttigkeit" wofür Hans Sachs "Geitzigkeit" gebraucht, das Gothische "bigitan", "erwerben", das Dän. "gide", "verlangen". Es gehöret zu dem Geschlechte des Wortes "gehren", "begehren", und "Gier". Frisch rechnet auch das Lat. "hio", "hieto", und das Griech. "???", "???", hierher. Im Lateinischen ist "geidziu" "ich begehre", und "geidulis" "gierig". Kero nennet den "Geitz" in der dritten Bedeutung "Nefkiri", Ottfried "Giri", Notker "Frecchi", "Frechheit", Kaisersberg aber den "Grit", die "Grittigkeit", die Holländer "Gretigheyd", welches gleichfalls aus "Gier" gebildet ist.


Geitzen (W3) [Adelung]


1. Geitzen, verb. reg. act. in der Landwirthschaft, den Geitz an den Pflanzen abbrechen; S. 1. Geitz. Den Tobak geitzen. In Franken nennet man das Geitzen Weines auch verzwicken.


Geitzen (W3) [Adelung]


2. Geitzen, verb. reg. welches in doppelter Gattung üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, geitzig seyn. 1) In der ersten und zweyten Bedeutung nur in der höhern Schreibart. Nach Ehre, nach Siegen, nach Erkenntniß geitzen; wo sich zuweilen der nachtheilige Begriff des Wortes Geitz verlieret. Der edlen Griechen gleich nach nichts als Ruhm gegeitzt, Haged. 2) In der dritten Bedeutung. Ein jeglicher geitzet für sich. Es. 56, 11. Denn sie geitzen allesammt; Jer. 6, 13. Wehe dem, der da geitzet zum Unglück seines Hauses! Hab. 3, 9. 2. Als ein Activum, durch Geitz erwerben, mit dem Nebenworte zusammen. Er hat ein großes Vermögen zusammen gegeitzet.

Anm. Im Nieders. "gitzen". Im Angels. ist "gytsian" "begehren". S. 3 "Geitz", Anm.


Geitzhals (W3) [Adelung]


Der Geitzhals, des -es, plur. die -hälse, im gemeinen Leben, eine verächtliche Benennung eines geitzigen Menschen. Im Angels. Gytsere, im Nieders. Gitzer, Gieznauer, Gier, Giersmage, im Schwed. Girigbuk. In den gemeinen Sprecharten hat man eine Menge verächtlicher, zum Theil possierlicher Ausdrücke, einen Geitzhals zu bezeichnen. Dahin gehören das Nieders. Gorteteller, (Grützzähler,) Huzpott, von dem Goth. Huzd. ein Schatz, Näskensöcker, Näbekensöker, Neefke, (bey dem Ottfried ist Nefkiri der Geiß,) Luseknicker, Prüllker, Hüpennig, u. s. f. und die Hoch- und Niederdeutschen Erbsenzähler; Filz, Lauser, Knicker, Knauser, Pfennigfuchser u. s. f.


Geitzig (W3) [Adelung]


Geitzig, -er, -ste, adj. et adv. von dem Hauptworte 3 Geitz; Geitz habend, in dessen sämmtlichen Bedeutungen. 1) In der ersten und zweyten, von einer jeden heftigen, besonders unordentlichen Begierde. So heißt im Oberdeutschen ein geitziger Wolf so viel als ein gieriger oder freßbegieriger Wolf. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitern Bedeutung nur noch in der höhern Schreibart üblich. Geitzig nach Ehre, nach Ruhm. Eitler Ehre geitzig seyn, Gal. 5, 26. Es trinken die Felder Geitzig das segnende Licht, das so wohlthätig sich ausgießt, Zach. Da wollt ich am murmelnden Bach von Freuden berauschet Stehn und geitzige Züge der Lüfte trinken, ebend. 2) Am häufigsten in der dritten Bedeutung des Hauptwortes, eine unordentliche Begierde besitzend, sein Eigenthum zu vermehren. Ein geitziger Mann. Ein Geitziger. Geitzig seyn, werden. Im Oberd. ehedem gitig, gritig, im Schwed. gnetig. Das im Hochdeutschen ungewöhnliche Hauptwort die Geitzigkeit kommt noch im Oberdeutschen, so wohl in weiterer als engerer Bedeutung vor.


Gekelter (W3) [Adelung]


Das Gekelter, des -s, plur. ut nom. sing. so viel als man auf Ein Mahl keltert. Ein ganzes Gekelter Wein.


Gekläffe (W3) [Adelung]


Das Gekläffe, des -s, plur. car. - ein anhaltendes oder wiederhohltes Kläffen. Kleine Bologneser Hündchen, die bey allen ihrem Gekläffe doch niemand beißen. S. Kläffen.


Geklämper (W3) [Adelung]


Das Geklämper, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Klämpern.


Geklapper (W3) [Adelung]


Das Geklapper, des -s, plur. car. das Klappren, besonders ein anhaltendes oder mehrmahliges Klappern. Mit frohem Geklapper Hebt sich der Storch vom dornichten Nest, Zach.


Geklatsch (W3) [Adelung]


Das Geklatsch, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Klatschen, im gemeinen Leben. Auch in der figürlichen Bedeutung des Wortes klatschen. Es ist ein bloßes Weiber-Geklatsch.


Geklingel (W3) [Adelung]


Das Geklingel, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder mehrmahliges Klingeln. Die tönenden Schellen Füllen mit hohlem Geklingel die laut antwortenden Thäler, Zach.


Geklopf (W3) [Adelung]


Das Geklopf, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Klopfen.


Geknaupel (W3) [Adelung]


Das Geknaupel, des -s, plur. car. ein langes oder mehrmahliges Knaupeln. Das Geknaupel um mich herum währt nun beynahe eine Stunde, sagt Lottchen bey Herrn Weiße, zu den Kammerfrauen die sie anputzen. S. Knaupeln.


Gekrach (W3) [Adelung]


Das Gekrach, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Krachen.


Gekrätz (W3) [Adelung]


Das Gekrätz, des -es, plur. von mehreren Arten und Quantitäten, die -e, alles was unter den Händen der Künstler von den Metallen abgehet, die Krätze. Besonders im Bergbaue, was bey dem Schmelzen der Erze abspringet, und hernach zusammen gelesen, gereiniget und zu gute gemacht wird. S. Krätze.


Gekrätzschmelzer (W3) [Adelung]


Der Gekrätzschmelzer, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, der das Gekrätz ausschmelzet und zu gute macht.


Gekrätzwäscher (W3) [Adelung]


Der Gekrätzwäscher, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Hüttenwäscher, welcher das Gekrätz wäschet, pochet und zum Schmelzen zubereitet.


Gekreisch (W3) [Adelung]


Das Gekreisch, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Kreischen. So gebraucht es Uz als eine verächtliche Benennung des Klanges der Posaunen.


Gekritzel (W3) [Adelung]


Das Gekritzel, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Kritzeln. Auch figürlich im verächtlichen Verstande, eine schlecht, unleserlich geschriebene Schrift. S. Kritzeln.


Gekröppte (W3) [Adelung]


Das Gekröppte, des -n, plur. inus. S. Kröppen.


Gekröse (W3) [Adelung]


Das Gekröse, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes aus krausen Falten bestehendes Ding. In diesem Verstande nennet man die runden krausen Kragen, welche jetzt nur noch an einigen Orten die Prediger tragen, das Gekröse. Am häufigsten führet diesen Nahmen die doppelte, fette, mit vielen Falten versehene Haut mitten in den Gedärmen, Mesenterium, Meseraeum, der Gekrösmantel, da man denn in weiterer Bedeutung, beson- ders in den Küchen, auch das kleine krause Gedärm, ja zuweilen auch den Magen mit darunter zu verstehen pfleget; das Geschlinge, das Inster, besonders von den Kälbern, das Kälbergekröse, oder Kalbskröse, in Baiern das Wöst oder West, der Kressen oder die Kresse, welches letztere eine verderbte Aussprache des Wortes Krös oder Kröse ist, wie es in einigen Gegenden auch noch lautet, In dem Ausdrucke Gänsegekröse bedeutet dieses Wort sehr uneigentlich den Magen, das Herz, die Leber, die Flügel und Füße einer Gans.

Anm. Im Dän. heißt das Gekröse Kros, Kraase, im Böhm. Okruzy, im Schwed. Kras. Im Nieders. ist Kroos, Kröse, ein Kragen. S. Krause. Das e am Ende des Wortes Gekröse ist das e euphonicum, welches um der gelinden Aussprache des s willen nothwendig ist. Härtere Mundarten sprechen das Gekrös.


Gekrösader (W3) [Adelung]


Die Gekrösader, plur. die -n, in der Anatomie, ein Ast der Pfortader, welcher zwischen der Haut des Gekröses gegen die Därme geht und sich wieder in viele Zweige zertheilet; Vena mesenterii.


Gekrösdrüse (W3) [Adelung]


Die Gekrösdrüse, plur. die -n, eben daselbst, die in dem Gekröse befindlichen Drüsen; Glandulae mesenterii. Die große Gekrösdrüse, Pancreas, in welcher alle Milchadern aus den Därmen zusammen kommen.


Gekrösfell (W3) [Adelung]


Das Gekrösfell, des -es, plur. die -e, oder die Gekröshaut, plur. die -häute, die Haut, aus welcher das Gekröse bestehet.


Gekrösmantel (W3) [Adelung]


Der Gekrösmantel, des -s, plur. die -mäntel, S. Gekröse.


Gekröspulsader (W3) [Adelung]


Die Gekröspulsader, plur. die -n, ein Ast der großen Pulsader, welche durch das Gekröse gehet; Arteria mesenterii oder meseraica.


Gelach (W3) [Adelung]


1. Das Gelach, des -es, plur. die -e, im Oberdeutschen und bey den Jägern für das Hochdeutsche Lache, ein Sumpf, besonders ein solcher, worin sich die Hirsche und wilden Schweine abzuführen pflegen, und auch eine Sulache, eine Sohle, ein Sudel oder Prudel genannt wird.


Gelach (W3) [Adelung]


2. Das Gelach, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Lachen.


Gelächter (W3) [Adelung]


Das Gelächter, des -s, plur. inus. ein laut schallendes, starkes Lachen. Es erhebt sich ein Gelächter. Ein Gelächter aufschlagen, erheben, aus vollem Halse lachen. Ihr schadenfrohes Gelächter schärfte den Schmerz, den ich empfand. Ingleichen, der Gegenstand eines solchen Gelächters. Andern zum Gelächter werden, von ihnen verlacht werden. Sich zum Gelächter machen. Seine närrische Eitelkeit wird ihn noch oft zum Gelächter machen, Sonnenf.

Anm. Bey dem Kero lautet dieses Wort Hlahtre und Hlatre, im Angels. Hleahtor, im Engl. Laughter, im Dän. Latter, im Schwed. Lat, Latr, im Isländ. Hlatr, im Holländ. Lach. S. Lachen.


Gelag (W3) [Adelung]


Das Gelag, des -es, plur. die -e. 1) * Eine jede Gesellschaft, deren Glieder durch gemeinschaftliche Gesetze mit einander verbunden sind. In dieser im Hochdeutschen unbekannten Bedeutung scheinet es noch im Oberdeutschen üblich zu seyn. Wenigstens nennt Abt, ein Schwabe, kleine Republiken, kleine Gelage. 2). Eine Gasterey, ein Schmaus, der auf gemeinschaftliche Kosten ausgerichtet wird, eine Zeche, im gemeinen Leben, und von dergleichen Schmäusen geringer Personen, wo es oft auch, besonders in Niedersachsen, von einer jeden Gasterey, ingleichen von einer Trinkgesellschaft üblich ist. Wie es in solchen Gelagen zu gehen pfleget. Man hört - In jeglichem Gelach (Gelag) von deinen Gaben singen, Opitz. Der weniger in die Gelache (Gelage) Als auf den Berg der Musen reist, Günth. Das Gelag bezahlen müssen, für andere bezahlen, und in weiterer Bedeutung, für andere büßen, anderer Schuld tragen müssen. Und hab auch oft das Glach bezahlt, Hans Sachs. Ins Gelag hinein reden oder schwatzen, unbesonnen, ohne Überlegung, wie in den gemeinen Trinkgesellschaften zu geschehen pflegt.

Anm. Im Nieders. Gelag, Gelack, Lag. Im Dän. bedeutet Laug eine Zunft, Innung. Das einfache Lag hatte ehedem sehr vielerley Bedeutungen, welche sich in dem Schwed. Lag noch finden. Es bedeutete ein Gesetz, einen Vertrag eine Zusammenkunft, eine Gesellschaft, einen Schmaus, und endlich auch einen Eid; alles, so fern legen ehedem auch festsetzen, beschließen, verordnen bedeutete. S. Auflage 1, 5, und Legen. Man siehet hieraus zugleich, daß dieses Wort am Ende ein g und nicht ein ch erfordert.


Gelahrtheit (W3) [Adelung]


* Die Gelahrtheit, plur. inus. ein veraltetes Wort für welches Gelehrsamkeit im Hochdeutschen üblicher geworden ist. Es blies sich einer auf und sprach, Ich gehe der Gelahrtheit nach, Lichtw. Viele behalten es noch in den Titeln bey, besonders in den Zusammensetzungen Gottesgelahrtheit, Rechtsgelahrtheit, Arzeneygelahrtheit. Es ist von dem alten Oberdeutschen Mittelworte gelahrt für gelehrt. Gelehrtheit, welches einige dafür gebrauchen, ist freylich der Hochdeutschen Mundart angemessener; allein da Gelehrsamkeit in diesem Verstande nun einmahl allgemein ist, so kann man es gar wohl entbehren.


Gelände (W3) [Adelung]


* Das Gelände, des -s, plur. ut nom. sing. ein Oberdeutsches im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort für Land, Länderey. Das Gut hat 148 Morgen Gelände, d. i. Länderey, an Acker, Weide und Gehölz. Ein schönes fruchtbares Geländ, Bluntschli, für Land. Bey dem Notker Gelende.


Geländer (W3) [Adelung]


Das Geländer, des -s, plur. ut nom. sing. ein erhöhetes Werk, theils das Herunterfallen anderer Körper zu verhüthen, und sich daran zu lehnen, theils auch Gewächse daran zu befestigen, damit sie von dem Winde nicht umgeworfen werden. In der Baukunst ist das Geländer eine Lehne, welche von einer Reihe kleiner ausgezierter Pfeiler unterstützt wird, und um ein Dach, vor einem Balcon-Fenster, an den Treppen u. s. f. angebracht wird. Eine Brücke bekommt an den Seiten ein Geländer damit niemand in den Fluß falle, und in gleicher Absicht wird zuweilen auch ein Brunnen mit einem Geländer umgeben. Das Gerüst von schwachen Latten oder Stangen in den Gärten und Weinbergen, woran man die Weinstöcke, und andere Gewächse befestiget, ein Spallier, heißt gleichfalls ein Geländer.

Anm. Gemeiniglich leitet man dieses Wort mit Wachter von lehnen ab, weil doch das Anlehnen die Hauptabsicht eines Geländers ist. Wenn diese Abstammung gewiß wäre, so würde man der zweyten Sylbe richtiger ein e als ein ä geben. Allein, wenn man den Gebrauch dieses Wortes in den verwandten Sprachen und Mundarten erwäget, so wird die Abstammung von lehnen ziemlich unwahrscheinlich. Im Nieders. heißt ein Geländer Land, Läne, Glind, im Holländ. Glend, in der Schweiz Lander, in anderen Oberdeutschen Gegenden Lande, Lende, im mittlern Lat. Glandis. Im Mecklenburg. ist Glinde nicht nur ein breternes Geländer, sondern auch die Flügel einer Windmühle und ähnliche breterne Arbeiten. Fronsberg zählet die Landen, Lunden und Latten unter das Zimmerholz, welches in einem Zeughause vorräthig seyn soll. Es scheinet daher, daß dieses Wort zu dem Deutschen Latte, oder nach dem Frisch mit Lende zu dem Lat. Latus, die Seite, gehöret, wo das n, wie in vielen andern Fällen nur um des Wohllautes willen eingeschaltet worden. Indessen verdienen auch das Schwed. und Isländ. Linda, das Holländ. Lint, ein Gürtel, eine Binde, in Betrachtung gezogen zu werden. Die Sylbe Ge hat hier eine collective Bedeutung, und zeiget an, daß ein Geländer aus mehrern einzelnen Stücken bestehe, wodurch es denn von einer Lehne an einem Stuhle u. s. f. hinlänglich unterschieden ist, ungeachtet in den gemeinen Sprecharten Lehne auch häufig von einem Geländer gebraucht wird.


Geländerdocke (W3) [Adelung]


Die Geländerdocke, oder Geländersäule, plur. die -n, in der Baukunst, die kleinen Docken und Säulen, welche das Geländer unterstützen und ausmachen helfen.


Geländerfenster (W3) [Adelung]


Das Geländerfenster, des -s, plur. ut nom. sing. in der Baukunst, ein mit dem Geländer verwandtes und zum hinaus treten eingerichtetes Fenster; ein Balcon-Fenster.


Gelänge (W3) [Adelung]


Das Gelänge, des -s, plur. ut nom. sing. in der Landwirthschaft, ein jedes Stück Feldes von beträchtlicher Länge. In engerer Bedeutung wird ein Stück Acker von unbestimmter Länge, welches aber viele Ruthen breit ist, ein Gelänge genannt; zum Unterschiede von einer Dreygerte, einem Strichel, und einem Sottel. S. diese Wörter, Eben dieses scheinet auch das mittlere Lat. Furlongus zu bedeuten.


Gelangen (W3) [Adelung]


Gelangen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. * Eigentlich an etwas langen, d. i. reichen, sich bis dahin erstrecken, mit dem Vorworte an; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Daß dieselbe Gränze - gelange am Dorf Adar, (an das Dorf,) 4. Mos. 34, 4. Wenn große Wasserfluthen kommen, werden sie nicht an dieselbigen gelangen, Pf. 32, 6. Figürlich. 1) An einem Orte gegenwärtig werden, daselbst ankommen, mit den Vorwörtern an und zu. Stehet still bis wir an euch gelangen, 1. Sam. 14, 9. Am häufigsten von der Ankunft aus einem entfernten Orte. An einen Ort gelangen, zu demselben gelangen. Im Hochdeutschen wird es auch in dieser Bedeutung nur selten gebraucht, weil in den meisten Fällen anlangen üblicher ist. 2) Eine Bitte an jemanden gelangen lassen, sie vor ihm, an ihn bringen; eine den Kanzelleyen sehr geläufige Redensart. Darum gelanget an Ew. Majestät unsere demüthigste Bitte u. s. f. Wird aber euch eine Sache zu hart seyn, die lasset an mich gelangen, 5. Mos. 1, 17, traget sie mir vor, bringet sie an mich. Ihrer drey ließen den Handel vor ihn, (den König) gelangen, daß er darin sollte Urtheil sprechen, 1 Marc. 4, 44. 3) Jemandes Eigenthum werden; am häufigsten im Oberdeutschen. Im Halljahr soll er (der Acker) wieder gelangen an denselben, von dem er ihn gekauft hat, 3 Mos. 27, 24. 4) Durch Bemühung erhalten, erlangen, mit dem Vorworte zu, in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen am üblichsten ist. Zu seinem Ziele, zu seinem Zwecke gelangen. Zu einer Würde, zu einem Amte gelangen. Hier gelangen wir dazu nicht. Durch die Länge der Zeit zu einer großen Erfahrung gelangen. Zur Erkenntniß Gottes, zu tugendhaften Empfindungen des Herzens gegen Gott gelangen. Auch ohne den Nebenbegriff der Bemühung. Zur Reife gelangen, reif werden. So auch die Gelangung.

Anm. Schon Ottfried gebraucht gilangon für erlangen. Es ist das durch den Oberdeutschen Hauchlaut ge zu verlängerte Zeitwort langen, welches in mehreren Zusammensetzungen für kommen gebraucht wird. Luther gebraucht es 2 Cor. 10, 14 mit dem Hülfsworte haben, welches aber wider der Hochdeutschen Sprachgebrauch ist.


Geläpp (W3) [Adelung]


Das Geläpp, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, die Ohren der Hunde, als ein Collectivum; das Gehänge. S. Belappen und Lappen.


Gelärm (W3) [Adelung]


Das Gelärm, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Lärmen. Sich dem eiteln Gelärme der Welt entziehen, Zimmerm.


Gelaß (W3) [Adelung]


Der Gelaß, des -sses, plur. inus. von dem Zeitworte lassen. 1) Der Raum, wo man Dinge lassen kann; in engerer und gewöhnlicher Bedeutung, die Bequemlichkeit eines Hauses oder Gebäudes in Ansehung eines Raumes. Ich habe Gelaß genug in meinem Hause. Das Haus hat wenig, viel Gelaß. Ein Haus mit dem besten Gelasse. Nieders. Laatje. 2) Dasjenige, was ein Verstorbener nachläßt oder verlässet, dessen Nachlaß; im Oberdeutschen wo es zugleich ein allgemeiner Ausdruck ist, welcher die verschiedenen besondern Arten des Nachlasses unter sich begreift. In engerer Bedeutung ist Gelaß dasjenige, was der Eigenthumsherr von dem Nachlasse eines Leibeigenen bekommt, da es denn den Gewandfall und den Hauptfall unter sich begreift, oft aber auch für eines von beyden, ingleichen für das Recht diesen Nachlaß zu fordern, gebraucht wird. Anm. So fern lassen auch für aussehen, von der äußern Gestalt, und der Art, wie dieselbe in die Augen fällt, gebraucht wird, bedeutet das Gelaß, bey den Schwäbischen Dichtern Gelesse, im Nieders. Gelaat, auch die äußere Gestalt einer Person und Sache, besonders der erstern; in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.


Gelassen (W3) [Adelung]


Gelassen, -er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes lassen, sich leidentlich gegen etwas verhalten, ist, aber doch wie ein eigenes Bey- und Nebenwort gebraucht wird. 1) In der weitesten Bedeutung, sich leidentlich verhaltend; in welcher es aber wenig gebraucht wird. 2) In engerer Bedeutung, von heftigen Leidenschaften frey. Hören sie mich doch gelassen an. Können sie denn nicht gelassen mit mir reden? Eine sehr gelassene Miene. Ich hoffte, diese Nachricht sollte ihm eine außerordentliche Freude verursachen; allein er blieb sehr gelassen dabey. Er ist der gelassenste Mann von der Welt. 3) In noch engerer Bedeutung, die Unlust über ein bemerktes Übel mäßigend und diese Mäßigung an den Tag legend; in welchem Verstande es oft mit geduldig und zufrieden als gleichgültig gebraucht wird, genau zu reden aber noch davon unterschieden ist. S. Gelassenheit. Ein gelassenes Gemüth. Sein Leben dem gelassen zurück geben, von dem man es empfangen hat, Gell.


Gelassenheit (W3) [Adelung]


Die Gelassenheit, plur. car. von dem vorigen Worte, 1) Die Fertigkeit, sich leidentlich bey einer Sache zu verhalten. Ich bleibe gar zu gern in meiner Gelassenheit, sagt Orgon beym Gellert. 3) Die Abwesenheit starker Leidenschaften, und die Fertigkeit, sie zu vermeiden. Sie reden sehr hitzig; dennoch werde ich nicht aus meiner Gelassenheit kommen, Gell. 3) Die Mäßigung der Unlust über ein empfundenes Übel, und in der engsten Bedeutung, wo die Gelassenheit noch von der Geduld verschieden, ist die Mäßigung der Unlust über den bemerkter Mangel eigener Wohlfahrt. Die Gelassenheit in Widerwärtigkeiten. Rühret sie aus der Betrachtung der Hinlänglichkeit seines Zustandes zu seiner Wohlfahrt her, so wird sie Zufriedenheit.


Gelauf (W3) [Adelung]


Das Gelauf, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Laufen.


Geläufig (W3) [Adelung]


Geläufig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in der figürlichen Bedeutung des Zeitwortes laufen üblich ist, geübt, eine aus der Übung erlangte Fertigkeit zu bezeichnen. Eine geläufige Hand haben, im Schreiben. Sie fuhr in diesem Tone mit einer überaus geläufigen Zunge fort. Ein sehr geläufiges Gedächtnis haben.


Geläufigkeit (W3) [Adelung]


Die Geläufigkeit, plur. inus. der Zustand einer Sache, da sie, oder da ihr etwas geläufig ist. Die Geläufigkeit ihrer Zunge stürzt alles vor sich heraus, was ihr in den Sinn kommt.


Gelaut (W3) [Adelung]


Das Gelaut, des -es, plur. inus. bey den Jägern, besonders Oberdeutschlandes, das Bellen der Hunde, S. Laut.


Geläut (W3) [Adelung]


Das Geläut, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte läuten. 1) Das Läuten mit Glocken oder Schellen, der dadurch verursachte Schall; ohne Plural. Das Trauergeläut, das Läuten der Glocken zum Zeichen der Trauer. Das Geläut bezahlen. Das Schellengeläut, oder auch nur das Geläut, der Klang der Schellen an einem Schellenschlitten. 2) Die Glocken oder Schallen selbst, als ein Collectivum. Diese Kirche hat ein schönes Geläut.

Anm. Schon bey den Schwäbischen Dichtern bedeutet Gelut den Klang. Do ich erhorte das susse Gelut Von den megden sin, Herzig Johannes von Brabant. von dem Klange der Stimme.


Gelb (W3) [Adelung]


Gelb, -es, -ste, adj. et adv. eine Benennung einer sehr lichten Hauptfarbe, welche bey der Brechung des Lichtstrahles durch das Prisma zwischen der rothen und grünen Farbe zum Vorscheine kommt. Die verschiedenen Abänderungen dieser Farbe werden durch allerley Zusammensetzungen Ausgedruckt; S. Goldgelb, Schwefelgelb, Strohgelb, Rauschgelb, Quittengelb, Wachsgelb u. s. f. Das Gelbe vom Eye, oder in dem Eye, der Dotter. Die gelbe Sucht, S. Gelbsucht. Es wird mir grün und gelb vor den Augen, im gemeinen Leben, wo man auch die von der Sonne verbrannte Haut des Gesichts und der Hände gelb zu nennen pflegt. Anm. In den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes lautet dieses Wort gäl, gel, welches letztere mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt; im Dän. guul, im Engl. yellow, im Ital. giallo, im Schwed. gul, im Isländ. gulur, im Angels. gealuve, im Span. jalde, im Franz. jaune, im Pohln. zolty, im Lat. giluus und heluus, im mittlern Lat. elvus, faluus, giallus, im Wallachischen galbenu, bey den Schlesischen Bauern gallosch. Im Griech. bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, glänzen, und im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - grün seyn. S. Gelf, Gold und Gilbe.


Gelbammer (W3) [Adelung]


Die Gelbammer, plur. die -n, eine Benennung, welche an einigen Orten auch die Ammer, wegen ihrer Schönen gelben Brust führet; Nieders. Geelemmerken. S. Ammer und Goldammer.


Gelbbeere (W3) [Adelung]


Die Gelbbeere, plur. die -n. die gelben Beeren derjenigen Art Kreuzdornes, welche in den wärmern Ländern Europens wächset; Rhamnus infectorius L. Sie werden in Avignon getrocknet, da sie denn in Frankreich Graines d'Avignon heißen, und von den Mahlern zur gelben Farbe gebraucht werden.


Gelbbein (W3) [Adelung]


Das Gelbbein, des -es, plur. die -e, oder das Gelbbeinchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Strandläufer mit gelben Füßen, welche in den Küchen mit unter die Schnepfen gerechnet wird; an andern Orten Gelbfuß, Schmiering, Glareola III. Klein und Schwenkf.


Gelbbraun (W3) [Adelung]


Gelbbraun, adj. et adv. braun, welches in das Gelbe fällt.


Gelbbrüstchen (W3) [Adelung]


Das Gelbbrüstchen, Oberd. Gelbbrüstel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Vogel, der zu den Nachtigallen oder Grasmilcken gehöret, eine gelbe Brust und gelben Hals und dunkelbraunen Kopf und Rücken hat, und in Bahama einheimisch ist; Luscinia pectore flavo, Klein.


Gelben (W3) [Adelung]


Gelben, verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist, gelb machen, wofür einige auch gilben sagen. Der Safran gelbt oder gilbt stark.


Gelbfink (W3) [Adelung]


Der Gelbfink, des -en, plur. die -en, S. Goldammer.


Gelbfuß (W3) [Adelung]


Der Gelbfuß, des -es, plur. die -füße, S. Gelbbein.


Gelbgießer (W3) [Adelung]


Der Gelbgießer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher allerley Geräth aus Messing gießet; Nieders. Geelgeter, der an andern Orten auch Rothgießer genannt wird, S. dieses Wort.


Gelbgrün (W3) [Adelung]


Gelbgrün, adj. et adv. eine in das Gelbe fallende grüne Farbe zu bezeichnen.


Gelbholz (W3) [Adelung]


Das Gelbholz, des -es, plur. inus. S. Färberbaum 2.


Gelbing (W3) [Adelung]


Der Gelbing, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, der Raum über dem Ruder, von dem Heckebalken an bis an das Schnitzwerk.


Gelbkopf (W3) [Adelung]


Der Gelbkopf, des -es, plur. die -köpfe, ein in Bengalen befindlicher Sperling mit gelben Kopfe, dunkelbraunen Schnabel, schwarzen Rücken, bunten Flügeln, und weißen Bauche; Passer Bengalensis Klein.


Gelblich (W3) [Adelung]


Gelblich, -er, -ste, adj. et adv. ein wenig gelb, dem Gelben ähnlich; im gemeinen Leben gilblich, Nieders. gellich, gesich, gösig. Gelblichbraun, eine braune Farbe, welche ein wenig in das Gelbe fällt. So auch gelblichroth, gelblichgrün u. s. f.


Gelbling (W3) [Adelung]


Der Gelbling, des -es, plur. die -e, S. Goldammer.


Gelbnase (W3) [Adelung]


Die Gelbnase, plur. die -n, eine Art der Strandläufer, welche an Farbe einer Birkhenne gleicht, schwarze Füße und einen gelben Schnabel hat; Glareola Aegocephalus Klein.


Gelbreif (W3) [Adelung]


Gelbreif, adj. et adv. welches in der Landwirthschaft besonders von der Gerste gebraucht wird, wenn sie ihre angehende Riefe durch die gelbe Farbe verräth; wo man auch das Hauptwort die Gelbreife hat. Die Gerste muß in der Gelbreife gehauen werden, ehe sie überständig wird.


Gelbroth (W3) [Adelung]


Gelbroth, adj. et adv. eine in das Gelbe fallende rothe Farbe zu bezeichnen.


Gelbschecke (W3) [Adelung]


Die Gelbschecke, plur. die -n, ein Pferd, welches auf einem weißen Grunde gelbe oder gelbliche Flecken hat. S. Schecke.


Gelbschnabel (W3) [Adelung]


Der Gelbschnabel, des -s, plur. die -schnäbel, eigentlich ein Vogel mit einem gelben Schnabel. Besonders und zum Theil figürlich. 1) Eine Art Königsfischer oder Eisvögel mit gelben Schnabel und Füßen und bunten Federn; Ispida rostro luteo Klein. 2) Eine Art Adler mit goldgelben Schnabel und Füßen, einem grauweißen Kopfe, eisenfarbigen Leibe, und einer Menge haarichter Federn zwischen dem Schnabel und den Augen; Aquila Pygargus Klein. 3) Ein jeder junger Vogel, der noch einen gelben Schnabel hat, und sein Futter mit offenem Maule erwartet, im gemeinem Leben; Nieders. Jaansnabel. 4) Figürlich, in verächtlichen Verstande, ein junger, unerfahrner Mensch, ein naseweiser Jüngling ohne Erfahrung; Nieders. Jaansnabel, Snappsnute, Rappsnabel, von rapp, gelb, ( S. Repphuhn,) Witbeck, Wittkavel, in Baiern Fleschmal, gleichsam Fleischmaul, d. i. unbärtig, ein Milchbart, Franz. Bejaune, im mittlern Lat. Beanus, im Engl. Bill-white, Weißschnabel, im Schwed. Golben, Gelbbein.


Gelbschopf (W3) [Adelung]


Der Gelbschopf, des -es, plur. die -e. 1) Eine Art Amerikanischer Baumkletten, von gelber Farbe, mit hellblauen Fluchtfedern und einem gelben Schopfe; Falcinellus Rubetra Klein. 2) Eine Art wilder Anten mit einem schönen gelben Schopfe oder Federbusche, mit weißgrauem Rücken und schwarzgrauem Halse und Brust; Anas cristata flavescens Klein.


Gelbsteiß (W3) [Adelung]


Der Gelbsteiß, des -es, plur. die -e, eine Art Nachtigallen oder Grasmücken von dunkelbrauner Farbe mit gelben Steiße; Luscinia uropygio luteo Klein.


Gelbsucht (W3) [Adelung]


Die Gelbsucht, plur. car. 1) Eine Krankheit bey Menschen, Icterus, S. Gallensucht. 2) Eine Krankheit verschiedener Thiere, sonderlich der Pferde, des Rindviehes, und der Schafe, wobei das Weiße im Auge, die Lippen und das Zahnfleisch eine gelbliche Farbe annehmen. Sie ist mehr ein hitziges Gallenfieber, als das, was man bey Menschen die Gelbsucht nennet. 3) Bey den Gärtnern auch eine Krankheit der Bäume, wenn die Blätter vor der Zeit gelb werden, welches von allzu großer Fettigkeit des Bodens herrühren soll.


Gelbsüchtig (W3) [Adelung]


Gelbsüchtig, adj. et adv. mit der Gelbsucht behaftet.


Gelbwurz (W3) [Adelung]


Die Gelbwurz, plur. inus. S. Curcuma.


Geld (W3) [Adelung]


Das Geld, des -es, plur. von mehreren Summen, die -er. 1) Gemünztes Metall, so fern es das Maß des Werthes der Dinge im Handel und Wandel ist; ingleichen eine bestimmte Qualität dieses Metalles. Geld münzen, prägen, schlagen. Schlechtes Geld, gutes Geld, schweres Geld, leichtes Geld, falsches Geld. Hartes oder grobes Geld, größere Stücken Geldes, zum Unterschiede von kleinem Gelde oder einzelnen Gelde. Ein Stück Geld, eine Summe Geldes. Das ist nicht mit Geld zu bezahlen. Geld schaffen, aufbringen. Sein Geld austhun, gut anlegen, verschwenden, durchbringen, verthun. Bares Geld, vorräthiges Geld, so wie es in Handel und Wandel genutzt werden kann, und in den Rechten oft nur Geld schlechthin genannt wird, zum Unterschiede von den Medaillen oder Münzen und ausstehenden Capitalien. Jemanden ums Geld bringen. Viel Geld unterschlagen. Geld bey sich tragen. Etwas zu Gelde machen, es ins Geld setzen es für bares Geld verkaufen. Ich bin heute nicht bey Gelde, habe kein bares Geld vorräthig. Man kann doch etliche Thaler Geld damit verdienen. Einem andern Geld vorschießen, leihen, vorstrecken. Jemanden um Geld, oder am Gelde strafen. Für sein Geld leben, zehren, auf eigene Kosten. Das hat mir viel Geld gekostet. Für Geld ist alles feil. Sechs Thaler an Gelde, an barem Gelde. Kein Geld achten. Geld aus einer Waare lösen. Die Gelder gehen nicht ein. Vieles Geld verdienen. Es ist kein Geld unter den Leuten. Das Geld roulliret, oder circuliret, wenn es nach einem guten Verhältnisse unter den Einwohnern eines Landes vertheilet ist. Geld und Gut, bares Geld und andere Arten des Eigenthumes, welche man auch Geld und Gelddeswerth zu nennen pflegt. Geld über Geld (viel Geld, eine Geldsumme über die andere) für etwas geben, auf etwas biethen. Ums halbe Geld verkaufen, für den halben Preis. 2) Figürlich, Reichthum, Vermögen, weil das Geld das Zeichen des Reichthums ist; im gemeinen Leben. Der Mann hat Geld, er hat Vermögen, ist reich. Es ist niemahls gut, wenn die Kinder wissen, daß die Ältern Geld haben.

Anm. Geld, Nieders. Gelt, stammet von gelten ab, und sollte daher billig mit einem t geschrieben werden, welche Schreibart man in den ältern Oberdeutschen Schriften sehr häufig findet. Vermöge seiner Abstammung bedeutete es ehedem nicht nur Zahlung, Bezahlung, sondern auch die Ersetzung, Erstattung, Vergeltung. Des sol ich ze gelte chomen, ich soll den Ersatz dafür bekommen, Chriemhilden Rache, Str. 16. Der uibel tuot vindet wol Gelte als er von rehte sol, Fabeln der Schwäb. Dich. Fab. 35. Vnd ist daz ain man stirbet und gelten sol, und hat hinder im nicht gelauzzen da sin wib oder ander sin erben von gelten mugen die sulen des geltez (der Bezahlung, der Schuld) ledig sin, Schwabensp. Kap. 10. S. Gelten und Schuld.


Geldarm (W3) [Adelung]


Geldarm, -ärmer, -ärmste, adj. et adv. arm an barem Gelde.


Geldausgabe (W3) [Adelung]


Die Geldausgabe, plur. die -n, eine Ausgabe in barem Gelde, Nothwendigkeit bares Geld ausgeben zu müssen. Viele Geldausgaben haben.


Geldbegierde (W3) [Adelung]


Geldbegierde, plur. inus. die Begierde, oder heftige Neigung, Geld zu erwerben. Die Geldgierde druckt einen höhern, alle Mahl unordentlichen Grad dieser Begierde aus.


Geldbegierig (W3) [Adelung]


Geldbegierig, -er, -ste, adj. et adv. Geldbegierde besitzend, verrathend. Geldgierig, wenn solches in hohem Grade Statt findet.


Geldbeutel (W3) [Adelung]


Das Geldbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Beutel, Geld darin zu verwahren.


Geldbürge (W3) [Adelung]


Der Geldbürge, des -n, plur. die -n, derjenige, welcher für eine Summe Geldes Bürge wird.


Geldbuße (W3) [Adelung]


Die Geldbuße, plur. die -n, eine Buße oder Strafe, welche im Gelde entrichtet wird; die Geldstrafe.


Geldeinnahme (W3) [Adelung]


Die Geldeinnahme, plur. die -n, die Einnahme baren Geldes, die Handlung, da man bares Geld einnimmt, zum Unterschiede von der Fruchteinnahme u. s. f.


Gelderrose (W3) [Adelung]


Die Gelderrose, plur. die -n, S. Holderrose.


Geldforderung (W3) [Adelung]


Die Geldforderung, plur. die -en. 1) Die Handlung, da man Geld von dem andern fordert, d. i. als ein Recht begehret. 2) Die Geldsumme selbst, welche man auf solche Art fordert.


Geldgeitz (W3) [Adelung]


Der Geldgeitz, des -es, plur. car. der Geitz, d. i. unordentliche Begierde, Geld, und in weiterer Bedeutung auch Reichthum zu erwerben, S. 3 Geitz.


Geldgeitzig (W3) [Adelung]


Geldgeitzig, -er, -ste, adj. et adv. Geldgeitz besitzend, Geldgeitz verrathend.


Geldgier (W3) [Adelung]


Die Geldgier, oder Geldgierde, plur. inus. S. Geldbegierde.


Geldgierig (W3) [Adelung]


Geldgierig, -er, -ste, adj. et adv. S. Geldbegierig.


Geldgülte (W3) [Adelung]


Die Geldgülte, plur. die -n, eine Gülte in barem Gelde, zum Unterschiede von der Fruchtgülte. S. Gülte.


Geldgürtel (W3) [Adelung]


Der Geldgürtel, des -s, plur. ut nom. sing. ein hohler Gürtel, Geld in demselben bey sich tragen, welchen man im gemeinen Leben eine Katze oder Geldkatze zu nennen pfleget.


Geldhülfe (W3) [Adelung]


Die Geldhülfe, plur. die -n, eigentlich; eine jede Hülfe, welche man einem andern in Gelde leistet. In engerer Bedeutung werden die Steuern, welche Unterthanen dem Landesherren zum Behufe der öffentlichen Bedürfnisse bewilligen, zuweilen Geldhülfen genannt.


Geldkasten (W3) [Adelung]


Der Geldkasten, plur. des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten, Geld darin zu verwahren.


Geldkatze (W3) [Adelung]


Die Geldkatze, plur. die -n, S. Geldgürtel und Katze.


Geldklemm (W3) [Adelung]


Geldklemm, adj. et adv. Mangel an Geld leidend, im gemeinen Leben, und nur in der Redensart geldklemme Zeiten, in welcher das bare Geld selten ist. S. Klemm.


Geldlehen (W3) [Adelung]


Das Geldlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehen, welches nicht mit Ritterdiensten, sondern mit Geld verdienet wird; ein Beutellehen, im Meklenburgischen ein Quadlehen, vermuthlich von quad, böse, unrecht. S. Beutellehen.


Geldmäkler (W3) [Adelung]


Der Geldmäkler, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Benennung eines Geldwechslers oder Wechslers.


Geldmangel (W3) [Adelung]


Der Geldmangel, des -s, plur. inus. der Mangel an barem Gelde.


Geldmännchen (W3) [Adelung]


Das Geldmännchen, S. Alraun 2.


Geldnoth (W3) [Adelung]


Die Geldnoth, plur. car. ein hoher Grad eines dringenden Geldmangels.


Geldrechnung (W3) [Adelung]


Die Geldrechnung, plur. die -en, eine Rechnung über eingenommenes oder ausgegebenes bares Geld.


Geldsache (W3) [Adelung]


Die Geldsache, plur. die -n, eine jede Sache, welche bares Geld betrifft.


Geldsack (W3) [Adelung]


Der Geldsack, des -es, plur. die -säcke, ein jeder Sack, d. i. großer Beutel, Geld darin zu verwahren. Im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes, auch wohl ein jeder Geldbeutel.


Geldschuld (W3) [Adelung]


Die Geldschuld, plur. die -en, eine Schuld, welche in barem Gelde gemacht worden, zum Unterschiede von einer Fruchtschuld, Waarenschuld, Weinschuld u. s. f.


Geldstock (W3) [Adelung]


Der Geldstock, des -es, plur. die -stöcke, ein ausgehöhlter mit Eisen beschlagener unbeweglicher Klotz, Geld darin zu bewahren. Zuweilen auch ein jeder schwerer Geldkasten.


Geldstrafe (W3) [Adelung]


Die Geldstrafe, plur. die -n, eine jede Strafe, welche in barem Gelde aufgeleget und abgetragen wird, zum Unterschiede von einer Leibes- Lebens- oder Gefängnißstrafe; die Geldbuße, im Schwabensp. Galtnüzz, im Sächsischen Landrechte das Gewette. S. auch Brüche.


Geldtasche (W3) [Adelung]


Die Geldtasche, plur. die -n, eine Tasche mit einem Schlosse und Haken des andern Geschlechtes, zum Anhängen, Geld darin zu verwahren.


Geldwechsler (W3) [Adelung]


Der Geldwechsler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Wechsler.


Geleben (W3) [Adelung]


Geleben, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und das Zeitwort leben mit der müßigen Alemannischen Verlängerung ge ist. Es hat sich, besonders in der folgenden 4ten Bedeutung aus dem Oberdeutschen in einige Hochdeutsche Kanzelleyen eingeschlichen, und stehet, 1) für leben, in dessen eigentlichen Bedeutung. Eines andern Gnade gelegen. Bey dem Notker bedeutet gleben, und bey dem Stryker geleben, gleichfalls leben. 2) Erleben. Ich gelebte noch den lieben abent gerne, Heinrich von Morunge. 3) Nachleben, Folge leisten. Was alsdann das recht will geben Dem soll mein Herr gern geleben, Theuerd, Kap. 107. 4) Der Hoffnung geleben, daß u. s. f. die Hoffnung hegen. S. Leben.


Gelee (W3) [Adelung]


Das Gelee, (sprich Schele,) des -es, (sprich Schele-es,) plur. von mehreren Arten und Quantitäten, die Gelee, (sprich Schele-e,) nach dem Franz. Gelee, S. Gallerte.


Gelege (W3) [Adelung]


Das Gelege, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Im Weinbaue, die Art, von welcher die Weinstöcke als Senker abgeleget worden. Die Märkischen Weine sind ursprünglich von Fränkischen und Rheinischem Gelege, die Weinstöcke stammen aus Franken und von dem Rheinstrome her. 2) Im Feldbaue, die kleinen Haufen, in welche die Schnitter in der Ernte das abgeschnittene Getreide zu legen pflegen; an anderen Orten Gleten.


Gelegen (W3) [Adelung]


Gelegen, -er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes liegen ist, aber doch in einigen figürlichen Bedeutungen für sich allein gebraucht wird. 1) Wohl gelegen, eine gute Lage habend. Ein gelegenes Haus, welches in einer bequemen oder guten Lage stehet. 2) Bequem, der Absicht gemäß, von einem Orte und von einer Zeit. Ein gelegener Ort, eine gelegene Zeit. Und sollt gelegene Örter wählen, 5. Mos. 19, 3. Ich muß meine Neugier also wohl bis zu einer gelegenern Zeit versparen. Sie kommen mir eben gelegen, zur gelegenen Zeit. Der Himmel wird dir schon gelegne Stunden geben, Schleg. 3) Für gefällig, eines Gefallen, Neigung gemäß, im gemeinen Leben und der harten Sprechart. Ist es dem Könige gelegen? Esth. 8, 5. Er wird kommen, wenn es ihm gelegen seyn wird, 1 Cor. 16, 12. Es ist mir heute nicht gelegen, nicht gefällig. Ist es dir gelegen, heute zu mir zu kommen? Die übrigen Bedeutungen werden bey dem Zeitworte liegen ausgeführt werden.


Gelegenheit (W3) [Adelung]


Die Gelegenheit, plur. -en, von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1) * Die Lage eines Ortes überhaupt; eine im Hochdeutschen veraltete, im Oberdeutschen aber noch sehr gangbare Bedeutung. 2) Die innere Einrichtung eines Ortes, die Lage seiner Theile. Alle Gelegenheit eines Hauses, eines Gartens, eines Waldes, oder in einem Hause u. s. f. wissen. 3) Die Beschaffenheit einer Sache, im Oberdeutschen und zu- weilen auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen. Müssen wir nach Gelegenheit der Sachen zuweilen die Gebothe ändern, Stücke in Esth. 5, 7. 4) Die Neigung, eine Handlung nach seinem Gefallen, zur gelegenen Zeit zu verrichten; im gemeinen Leben. Seiner Gelegenheit pflegen, warten bis es uns gelegen ist. Etwas mit seiner guten Gelegenheit thun. S. Ungelegenheit. Ingleichen ein bequemer Ort, ein bequemer Zustand. In diesem Verstande sagt man zuweilen, sich eine Gelegenheit auf dem Lande kaufen, für, sich ein Landgut kaufen. Eine Gelegenheit suchen, d. i. einen Dienst, eine Condition. Auch das heimliche Gemach pflegt man an einigen Orten im höfischen Reden so wohl die Gelegenheit, als auch die Bequemlichkeit zu nennen. Am häufigsten aber, 5) diejenige Verbindung der Umstände, wodurch eine Handlung so wohl veranlasset, als auch erleichtert wird; die Gelegenheit zum Guten, zum Bösen. Gelegenheit zu etwas geben, diese Umstände so einrichten. Gelegenheit bekommen. Wenn es die Gelegenheit gibt, wenn sich Gelegenheit dazu findet. Ein Mensch, der in einem Winkel der Erde eingeschlossen ist, hat wenig Gelegenheit, das, was unter dem menschlichen Geschlechte vorgehet, zu sehen. Gelegenheit macht Diebe. Eine Gelegenheit fahren lassen, sie aus den Händen lassen. Sich einer Gelegenheit bedienen, sie ergreifen, in Acht nehmen, der Gelegenheit wahrnehmen. Gelegenheit suchen. Mit der ersten Gelegenheit. Die Gelegenheit zum Bösen fliehen. Einem Gelegenheit zu murren, zu sündigen, zu spotten geben. Die Gelegenheit auskaufen, sich jeder Gelegenheit sorgfältig bedienen. Zuweilen bedeutet es im gemeinen Leben auch die Art und Weise, Personen und Güter fortzuschaffen. Mit seiner eigenen Gelegenheit kommen, mit seinem eigenen Fuhrwerke. Eine fahrende Gelegenheit bekommen. 6) In dem weitesten Verstande, eine jede Gelegenheit, so fern dieselbe auch nur eine entfernte Veranlassung einer Handlung abgibt, mit dem Vorworte bey. Bey einer solchen Gelegenheit muß wohl ein jeder in Verwirrung gerathen. Sie betrug sich bey dieser Gelegenheit sehr ungeberdig. Es erhob sich ein Sturm, und uns war bey dieser Gelegenheit nicht wohl zu Muthe, bey diesem Vorfalle. Anm. Nieders. Legenhed, Schwed. Lägenhet, Dän. Leilighed, Beleilighed. Gelegenheit bezeichnet eigentlich nur die Verbindung der Umstände, wodurch eine Handlung möglich gemacht oder erleichtert wird; Anlaß schließet aber auch die Bewegungsgründe und Reitzungen dazu mit ein.


Gelegenheitsgedicht (W3) [Adelung]


Das Gelegenheitsgedicht, des -es, plur. die -e, ein Gedicht, welches bey gewissen feyerlichen Gelegenheiten verfertiget wird; im gemeinen Leben ein Carmen. Ein Dichter, dessen Muse nur bey solchen Gelegenheiten geschäftig ist, oder der ein Geschäft daraus macht, nur solche Gelegenheiten zu besingen, wird ein Gelegenheitsdichter genannt.


Gelegenheitsmacher (W3) [Adelung]


Der Gelegenheitsmacher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gelegenheitsmacherinn, plur. die -en, in engerer Bedeutung, Personen, welche andern Gelegenheiten zu Vergehungen wider das sechste Geboth verschaffen; im gemeinen Leben Kuppler, und Kupplerinnen.


Gelegentlich (W3) [Adelung]


Gelegentlich, adj. et adv. bey Gelegenheit, oder was bey einer bequemen Verbindung der Umstände geschiehet; für das nur noch im Oberdeutschen gewöhnliche gelegenheitlich. Ich will gelegentlich mit ihm davon sprechen, wenn sich Gelegenheit dazu findet. Eine zufällige und gelegentliche Unterredung. Von dem am Ende eingeschalteten t euphonico S. T.


Gelehrig (W3) [Adelung]


Gelehrig, -er, -ste, adj. et adv. fähig und bereit, leicht etwas zu lernen oder zu fassen. Ein gelehriger Kopf. Eine aufmerksame und gelehrigen Gemüthsart. Die Dohlen, manche Arten von Hunden sind von Natur sehr gelehrig.

Anm. Bey dem Notker lerig, im Schwed. leeraktig. Eigentlich sollte es gelernig heißen, wie man im gemeinen Leben einiger Gegenden auch wirklich spricht. Allein lehren und lernen waren in den ältern Mundarten nicht verschieden. S. diese Wörter.


Gelehrigkeit (W3) [Adelung]


Die Gelehrigkeit, plur. inus. die Fähigkeit und Bereitwilligkeit zu lernen, oder Lehren zu fassen und zu befolgen.


Gelehrsam (W3) [Adelung]


* Gelehrsam, -er, -ste, adj. et adv. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches, aber im Oberdeutschen noch übliches Wort, für gelehrig.


Gelehrsamkeit (W3) [Adelung]


Die Gelehrsamkeit, plur. inus. von dem vorigen Beyworte. 1) Die Fähigkeit und Bereitwilligkeit etwas zu lernen, oder mit dem Gemüthe zu fassen, die Gelehrigkeit; doch nur im Oberdeutschen. 2) Die gründliche Erkenntniß vieler mit einander verbundener nützlicher Wahrheiten. In engerer und der gewöhnlichen Bedeutung verstehet man nur die gründliche Erkenntniß solcher Wahrheiten darunter, welche nicht unmittelbar in die Sinne fallen. Sich der Gelehrsamkeit befleißigen. Einige, welche Gelehrsamkeit noch von Wissenschaft unterscheiden, verstehen unter der ersten eine historische Erkenntniß, durch letztere aber eine vernünftige im engsten Verstande. 3) Diese mit einander verbundenen Wahrheiten selbst, so wohl in weiterer Bedeutung, als auch, und zwar am gewöhnlichsten, solcher, welche nicht unmittelbar durch die Sinne empfunden werden. Daher die Gottesgelehrsamkeit, die Rechtsgelehrsamkeit, die Arzeneygelehrsamkeit, die Schulgelehrsamkeit u. s. f. In der engsten Bedeutung begreift die Gelehrsamkeit bey einigen nur diejenigen mit einander verbundenen Wahrheiten, welche durch das Gedächtnis gefasset werden, da denn diejenigen, welche zunächst mit dem Verstande begriffen werden müssen, zur Wissenschaft im engsten Verstande gerechnet werden.

Anm. Bey dem Notker Kelernis. S. Lehren und Lernen.


Gelehrt (W3) [Adelung]


Gelehrt, -er, -este, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes lehren ist, aber doch in einigen Bedeutungen auch für sich alleine gebraucht wird. 1) * Was einem andern vorgesagt oder vorgelesen wird; eine veraltete Bedeutung, in welcher ein gelehrter Eid ehedem ein solcher war, welchen man einem andern vorsagte, und der auch ein gestabter Eid genannt wurde; S. Staben. 2) * In einer Sache unterrichtet, erfahren, geschickt. Die im Gesange des Herrn gelehrt waren, 1 Chron. 26, 7. Der uns gelehrter macht, denn das Vieh auf Erden, Hiob 35, 11; der uns Unterricht vor den Thieren auf dem Felde - voraus gab, Michael. Eine gelehrte Zunge, Es. 50, 4. Willeram gebraucht geleret für künstlich. Doch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, wo sie zuweilen nur noch im Scherze gebraucht wird. Ihr der Trauben Kenner Weingelehrte Männer, Haged. 3) Gelehrsamkeit besitzend, in der zweiten Bedeutung dieses Wortes. Man studiert, um gelehrt zu werden. Ein gelehrter Mann, der viele Gelehrsamkeit besitzet. Ein Gelehrter, oft auch in weiterer Bedeutung, der sich der Gelehrsamkeit gewidmet hat, wenn gleich seine Erkenntniß von derselben sehr eingeschränkt ist. Ein Sprachgelehrter, Gottesgelehrter, Arzeneygelehrter u. s. f. Ingleichen Gelehrsamkeit verrathend. Eine gelehrte Rede, ein gelehrtes Buch. Auch was zur Gelehrsamkeit oder zu den Gelehrten gehöret, mit denselben in Verbindung stehet, darin gegründet ist. Gelehrte Beschäftigungen. Die gelehrte Erkenntniß, die Fertigkeit, sich den ganzen Umfang und Zusammenhang einer Wahrheit vorzustellen; zum Unterschiede von der gemeinen Erkenntniß. Die gelehrte Krankheit, im gemeinen Leben, die Hypochondrie, die gewöhnliche Krankheit der Gelehrten.

Anm. Im Dän. lärd, im Schwed. lärd, im Hoch- und Oberdeutschen ehedem auch gelahrt, wovon bey einigen noch das Hauptwort Gelahrtheit übrig ist. S. dasselbe.


Gelehrtheit (W3) [Adelung]


Die Gelehrtheit, plur. inus. ein im Hochdeutschen selten gewordenes Wort für Gelehrsamkeit, in der zweyten und dritten Bedeutung dieses Wortes. Zwar die Gelehrtheit feilscht hier nicht papierne Schätze, Haged. Die Sitten können mehr als die Gelehrtheit nützen, Lichtw. S. Gelahrtheit.


Geleise (W3) [Adelung]


Das Geleise, des -s, plur. ut nom. sing. der Weg, auf welchem man gehet, in welchem Verstande Leys im Theuerdanke mehrmahls vorkommt. Eben derselbe gebraucht in dieser Bedeutung auch Geleit, nach einer gewöhnlichen Verwechselung des l und t. Gen im nach auf dem guten Gleyt, Kap. 20. So gehet das gleit, ebend. Theurdank ging mit sorgsamkeit Auf der platten das pöß geleyt, ebend. Ingleichen, der Eindruck der Füße in dem Boden, die Fußstapfen. Es triefen deine Bahn und Gleisse Von süßer Fettigkeit, Opitz. In beyden Fällen ist es im Hochdeutschen veraltet, wo es nur die Einschnitte in dem Wege bezeichnet, welche die Ränder eines Fuhrwerkes, aber die Balken eines Schlittens in den Erdboden machen; das Fahrgeleise, die Fahrleise, das Wagengeleise, die Wagenleise. Dem Geleise eines Karren nachgehen. Das weite Geleise, das enge Geleise eines Wagens, welches von der Länge der Achse herrühret. Das Schlittengeleise. In dem Geleise bleiben, auch figürlich, der gewöhnlichsten Ordnung, den Regeln und Vorschriften folgen. Eine Sache wieder in das rechte Geleise bringen, sie wieder in Ordnung, in den gehörigen Gang bringen.

Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. Lese, wo es auch die Furche eines Pfluges oder einer Ege bedeutet, im Oberdeutschen Gelaiß, Gelaß, Glaiß, Gleiß, Leiste, Laist, Gelaist; wo es zugleich bald männlichen, bald weiblichen, bald aber auch ungewissen Geschlechtes ist. In Boxhorns Glosse findet sich Wakanleisa. Alles dieses Unbestandes ungeachtet, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß es zunächst von laestjan abstammet, welches bey dem Ulphilas gehen bedeutet, und wiederum von dem alten Laest, der Fuß, herkommt; S. der Leisten, ingleichen die Leiste. In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, wo das s am Ende hart lautet, schreibt und spricht man nur Geleis oder Gleis; allein im Hochdeutschen, wo das s, den besten Aussprachen nach, gelinde klingt, kann es das e nicht entbehren. Übrigens wird das Geleise eines Wagens in Niedersachsen auch die Traden, Trade, die Trahe, Wagentrahe, der Pickerslag, von Picker, ein Frachtwagen, und an andern Orten die Radspur, die Wagenspur genannt.


Geleit (W3) [Adelung]


Das Geleit, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte leiten. 1. Überhaupt. 1) Die Begleitung, in welcher Bedeutung es noch in einigen Redensarten des gesellschaftlichen Lebens üblich ist; ohne Plural. Einem das Geleit geben, ihn begleiten. Sie sieht indeß, der Liebling eilt Und gibt ihr das Geleite, Raml. Wollen sie das Geleit mit sich nehmen? sagt man zu einem Freunde, der von uns weggehet, und den man nicht begleiten kann oder will. 2) Personen, welche andere begleiten, die Reisegesellschaft, das Gefolge, besonders im Oberdeutschen. Im Geleite fahren oder reisen, in Gesellschaft. Ein Fürst hat einen großen Geleit, wenn er ein großes Gefolge hat. In eines Gesandten Geleite seyn, in dessen Gefolge. In welchem Verstande im Oberdeutschen auch Geleitschaft und Begleitschaft gebraucht werden. 2. In engerer Bedeutung. 1) Die Sicherheit, welche ein Beklagter von der Gerichtsobrigkeit bekommt, frey und sicher vor Gericht zu kommen und von demselben wieder wegzugehen; ingleichen der Schein, worin ihm diese Sicherheit ertheilet wird; Salvus conductus, das freye sichere Geleit. 2) Die Verschaffung der nöthigen Sicherheit, für Reisende auf öffentlichen Landstraßen. (a) Eigentlich, die Verschaffung dieser Sicherheit so wohl durch veranstaltete persönliche Begleitung, als auch durch anderweitige Bewirkung der Ruhe und Sicherheit auf den Straßen, und diese Sicherheit selbst; das Straßengeleit, das persönliche Geleit, das lebendige Geleit, oder Leibgeleit, wenn sie durch wirkliche Begleitung von dazu verordneten Personen geschiehet, und bey fürstlichen Personen, welche noch zuweilen auf solche Art geleitet werden, auch das große Geleit heißt, zum Unterschiede von dem kleinen Geleite, oder derjenigen Sicherheit, welcher sich alle Reisenden auf den Straßen zu erfreuen haben. Und sie erlangten Geleit vom Könige, daß sie sicher heraus möchten gehen, 1 Macc. 6, 49; und in anderen Stellen mehr, wo Geleit theils die Sicherheit selbst, theils die zur Sicherheit mitgegebenen Personen, theils auch die Geleitsbriefe bezeichnet. Unter Geleit reisen. Das Geleit brechen, wider diese Sicherheit handeln. Im Schwabensp. Gelaid, Nieders. Leide, im Dän. Geleide, im Schwed. Leid, im Pohln. Gleyx, im mittlern Lat. Conductus, Ducatus, Guida, Guidagium u. s. f. (b) Figürlich. (aa) Das Recht, Reisende durch seine oder durch fremde Lande zu geleiten, d. i. ihnen die nöthige Sicherheit auf den Straßen zu verschaffen, und dafür eine gewisse Abgabe von ihnen zu fordern, das Geleitsrecht; ohne Plural. (bb) Das Geld, welches Reisende für diese gewährte Sicherheit bezahlen, das Geleitsgeld; auch ohne Plural. Das Geleit bezahlen. Das Geleit verfahren, dieser Abgabe aus dem Wege fahren. Im Schwabensp. Gelaid, im mittlern Lat. gleichfalls Conductus, Ducatus, Guidagium, Guidaticum u. s. f. Auch Schiffe die unter der Bedeckung gewisser Geleitsschiffe segeln, müssen dafür an dieselben Geleit bezahlen. (cc) Der Bezirk, in welchem ein Herr oder ein Staat das Geleitsgeld hat und übet; welcher an einigen Orten auch der Halt genannt wird. Das Geleit bereiten. (dd) Der Ort, wo das Geleit entrichtet wird, wo die Geleitseinnehmer wohnen; das Geleitsamt, Geleitshaus. In das Geleit gehen.

Anm. S. Begleiten, Leiten und das folgende Zeitwort. Im Theuerdanke und andern Oberdeutschen Schriften bedeutet Geleit oft die abhängige Seite eines Berges oder Felsens, ingleichen einen Weg. Allein in dem ersten Falle gehöret es zu dem Oberdeutschen Worte Leite, die Seite eines Berges, siehe dasselbe, und im andern zu dem Worte Geleise, wofür in einigen Oberdeutschen Gegenden auch Gleit und Geleit üblich ist.


Geleiten (W3) [Adelung]


Geleiten, verb. reg. act. welches das mit der müßigen Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort leiten ist, und nur in folgenden Bedeutungen gebraucht wird. 1) Für begleiten, einem andern das Geleit geben, d. i. mit ihm zugleich gehen oder reisen, in welcher allgemeinen Bedeutung es noch hin und wieder im gemeinen Leben üblich ist. Auf das ihr mich geleitet, wo ich hinztehen werde, 1 Cor. 16, 6. Und geleiteten ihn in das Schiff, Apostg. 20, 38; und so in andern Stellen mehr, wo es zuweilen auch für leiten, führen, gebraucht wird, wie z. B. Weish. 11, 2 von Gott gesagt wird: Und geleitete sie (die Israeliten) durch eine wilde Wüste. 2) Besonders, zur Sicherheit begleiten, und in weiterer Bedeutung überhaupt, Sicherheit auf dem Wege verschaffen. Der Geleite, ein Beklagter, welcher sicheres Geleit erhalten hat. Reisende durch sein Land geleiten lassen; wofür auch vergeleiten üblich ist. S. Geleit. So auch die Geleitung.

Anm. Bey dem Kero keleittan und bey dem Ottfried gileiten, für führen, leiten; in der zweyten Bedeutung im Nieders. leiden, beleidzagen, im Schwed. leida, im mittlern Lat. conducere, guidare. S. Leiten.


Geleiter (W3) [Adelung]


Der Geleiter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Geleiterinn, plur. die -en, ein größten Theils veraltetes Wort, der oder die andern geleitet, d. i. begleitet. Gott sey dein Geleiter!


Geleiter (W3) [Adelung]


Das Geleiter, des -s, plur. ut nom. sing. im Jagdwesen. 1) Die Art und Weise der viereckigen Maschen und Garnen. Das enge, das weite Geleiter. 2) Dergleichen Garne mit viereckigen Maschen selbst, welche auch Leitern, Spiegel, und Steckleitern genannt werden. S. Leiter.


Geleitlich (W3) [Adelung]


Geleitlich, adj. et adv. was in dem Geleite gegründet ist, dahin gehöret. Die geleitliche Obrigkeit, welche die Geleitsgerechtigkeit besitzet. Sich geleitlich aufführen, den Geleitsverordnungen gemäß, niemanden auf der Straße beleidigen.


Geleitsamt (W3) [Adelung]


Das Geleitsamt, des -es, plur. die -ämter, ein Amt, d. i. Collegium solcher Personen, welches das Geleit im Nahmen des Geleitsherren besorget, das Geleitsgeld einnimmt, und die dahin gehörigen Streitigkeiten schlichtet. Ingleichen der Ort, wo dasselbe seine Sitzungen hält.


Geleitsbediente (W3) [Adelung]


Der Geleitsbediente, des -n, plur. die -n, diejenigen Personen, welchen die Verwaltung des Geleites und die Einnahme der Geleitsgelder anvertraut ist.


Geleitsbereiter (W3) [Adelung]


Der Geleitsbereiter, S. Geleitsreiter.


Geleitsbrief (W3) [Adelung]


Der Geleitsbrief, des -es, plur. die -e, 1) Eine schriftliche Erlaubniß, sicher durch ein Gebieth zu reisen. 2) In der Schifffahrt, ein Zettel, welcher jeder Capitän oder Schiffer erhält, wodurch er berechtigt wird, unter dem Schutze des ernannten Geleitschiffes zu reisen.


Geleitschiff (W3) [Adelung]


Das Geleitschiff, des -es, plur. die -e, ein Kriegsschiff, welches ein Kauffahrer im Falle der Noth zur Sicherheit begleitet.


Geleitseinnahme (W3) [Adelung]


Die Geleitseinnahme, plur. die -n, die Einnahme des Geleitsgeldes, dieses eingenommene Geld selbst, und der Ort, wo es eingenommen wird.


Geleitseinnehmer (W3) [Adelung]


Der Geleitseinnehmer, des -s, plur. ut nom. sing. eine obrigkeitliche Person, welche das Geleitsgeld im Nahmen des Geleitsherren einnimmt.


Geleitsfolge (W3) [Adelung]


Die Geleitsfolge, plur. car. die Verbindlichkeit der Unterthanen, Reisende auf Befehl des Geleitsherren zu geleiten.


Geleitsgebieth (W3) [Adelung]


Das Geleitsgebieth, des -es, plur. die -e, dasjenige Gebieth, in welchem jemanden das Geleitsrecht zukommt.


Geleitsgeld (W3) [Adelung]


Das Geleitsgeld, des -es, plur. inus. außer von mehreren Summen von dieser Art, die -er, dasjenige Geld, welches Reisende dem Geleitsherren für die Sicherheit der Straßen entrichten; Nieders. Leigeld.


Geleitsgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Geleitsgerechtigkeit, plur. inus. die Gerechtigkeit oder das Recht, Reisende in einem gewissen Bezirke zu geleiten; das Geleitsrecht, die Geleitsherrlichkeit.


Geleitsgränze (W3) [Adelung]


Die Geleitsgränze, plur. die -n, die Gränze eines Geleitsgebiethes.


Geleitshaus (W3) [Adelung]


Das Geleitshaus, des -es, plur. die -häuser, dasjenige Haus, in welchem das Geleitsgeld eingenommen wird.


Geleitsherr (W3) [Adelung]


Der Geleitsherr, des -en, plur. die -en, derjenige, welcher die Geleitsgerechtigkeit in einem Orte oder einer Gegend besitzet; die Geleitsherrschaft, Geleitsobrigkeit.


Geleitsherrlichkeit (W3) [Adelung]


Die Geleitsherrlichkeit, plur. inus. S. Geleitsgerechtigkeit.


Geleitsherrschaft (W3) [Adelung]


Die Geleitsherrschaft, plur. die -n, S. Geleitsherr.


Geleitskammer (W3) [Adelung]


Die Geleitskammer, plur. die -n, in den Seestädten, das Collegium derjenigen Personen, welche die Geleitsbriefe für die Kauffahrer ausfertigen, und der Ort, wo solches geschiehet.


Geleitsleute (W3) [Adelung]


Die Geleitsleute, sing. inus. diejenigen, welche auf Befehl des Geleitsherren die Reisenden in Person geleiten, und in weiterer Bedeutung alle diejenigen, welche bey einem Geleitsamte angestellet sind.


Geleitsmann (W3) [Adelung]


Der Geleitsmann, des -es, plur. die -männer. 1) Ein Führer, Begleiter, im gemeinen Leben. Gott sey euer Geleitsmann! Wer doch gewesen sey das Haupt und Leitesmann, Opitz. Und an einem andern Orte nennt er Mosen den Leitesmann, d. i. Anführer, der Juden. Die Poeterey ist von den ältesten Zeiten an eine Geleitsmänninn der Weisheit gewesen, ebend. 2) Eine obrigkeitliche Person, welche Reisende im Nahmen des Geleitsherren geleitet, oder doch das Geleitsgeld von ihnen einnimmt.


Geleitsobrigkeit (W3) [Adelung]


Die Geleitsobrigkeit, plur. die -en, S. Geleitsherr.


Geleitsordnung (W3) [Adelung]


Die Geleitsordnung, plur. die -en, eine Verordnung des Geleitsherren, die Sicherheit auf den Straßen und das Betragen der Reisenden und Geleitsbedienten betreffend.


Geleitsrecht (W3) [Adelung]


Das Geleitsrecht, des -es, plur. inus. S. Geleitsgerechtigkeit.


Geleitsreiter (W3) [Adelung]


Der Geleitsreiter, Geleitsbereiter, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Straßen in einem Geleitsgebiethe bereitet, und für die Befolgung der Geleitsordnungen wachet, an einigen Orten ein Einspänniger.


Geleitssäule (W3) [Adelung]


Die Geleitssäule, plur. die -n, eine Säule, oder ein Pfahl, welcher die Gränze eines Geleitsgebiethes anzeiget, oder woran die Geleitstafel befestiget ist.


Geleitsstätte (W3) [Adelung]


Der Geleitsstätte, oder Geleitsstelle, plur. die -n, der Ort, wo das Geleit gegeben und eingenommen wird.


Geleitsstein (W3) [Adelung]


Der Geleitsstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, so fern er die Gränze eines Geleitsgebiethes bezeichnet.


Geleitstafel (W3) [Adelung]


Die Geleitstafel, plur. die -n, eine Tafel, auf welcher die Abgaben verzeichnet sind, welche die Reisenden für das Geleit zu entrichten haben.


Geleitszeichen (W3) [Adelung]


Das Geleitszeichen, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Zeichen, welches man zum Merkmal des Geleitsgeldes und dadurch erhaltenen Geleites bekommt.


Geleitszettel (W3) [Adelung]


Der Geleitszettel, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Zeichen, welcher Reisende zum Zeichen des bezahlten Geleitsgeldes erhalten.


Gelender (W3) [Adelung]


Das Gelender, S. Geländer.


Gelenge (W3) [Adelung]


Das Gelenge, S. Gelänge.


Gelenk (W3) [Adelung]


Gelenk, -er, -este, adj. et adv. was sich leicht biegen oder lenken lässet; besonders, was sich vermittelst eines oder mehrerer Gelenke leicht bewegen lässet; gelenksam. Eine sehr gelenke Hand. Ein Mensch ist sehr gelenk, wenn seine Gelenke eine leichte und große Beweglichkeit haben. Anm. Gelenkig, für gelenk, ist unnöthig. Ein gelenkes Pferd, welches sich leicht lenken lässet, nennt man ein lenksames. S. Lenken.


Gelenk (W3) [Adelung]


Das Gelenk, des -es, plur. die -e, Dimin. Gelenkchen, Oberd. Gelenklein, diejenige Zusammenfügung zweyer Körper, vermittelst welcher sie beweget werden können; besonders die auf solche Art bewirkte Zusammenfügung der Gliedmaßen der thieri- schen und menschlichen Körper, und der Ort, wo diese Zusammenfügung geschiehet. Die Gelenke des Rückgrathes, des Armes, u. s. f. Sich den Arm aus dem Gelenke fallen. Die Gelenke einer Kette, welche man auch Glieder zu nennen pfleget. Bey den Schustern ist das Gelenk der biegsame Ort der Sohle an dem Absatze. S. Gelenkstück.

Anm. Im Böhmischen Clanek. Im Schwed. bedeutet Länk das Gelenk oder Glied an einer Kette, bey den alten Schweden Leck, Leckr. Im Dänischen ist Länk im Pohln. Lancuk, und im Ungar. Lancz, eine Kette. Das Engl. to link bedeutet verbinden. S. Lenken. In einigen Gegenden ist noch das Gleich oder die Gleiche für Gelenk üblich, S. dieses Wort, ingleichen Anke.


Gelenkbein (W3) [Adelung]


Das Gelenkbein, des -es, die -e, in der Zergliederungskunst bey einigen, eine Benennung der Handwurzel, Metacarpus. Andere nennen die kleinen Beinchen in den Zwischenknoten der Hände und Füße, Ossa sesamoidea; Gelenkbein oder Gelenkbeine. An dem Pferdehufe liegt das Gelenkbein am hintern Theile des Kron- und Hufbeines.


Gelenkdrüse (W3) [Adelung]


Die Gelenkdrüse, plur. die -n, gewisse Drüsen in und an den Gelenken, aus welchen eine klebrige Materie trieft, die Gelenke des menschlichen und thierischen Körpers schlüpfrig zu erhalten.


Gelenkkraut (W3) [Adelung]


Das "Gelenkkraut", des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, eine Benennung derjenigen Art Mayblumen, welche in dem mitternächtigen Europa auf den Klippen wächset, und von andern "Weißwurz" genannt wird; "Convallaria multiflora L."


Gelenkmaus (W3) [Adelung]


Die Gelenkmaus, plur. -mäuse, bey den Wundärzten, ein locker gewordenes Stückchen Knorpel, welches sich in dem Gelenke hin und her schieben läßt.


Gelenksaft (W3) [Adelung]


Der Gelenksaft, des -es, plur. inus. S. Gliedwasser.


Gelenksam (W3) [Adelung]


Gelenksam, -er, -ste, adj. et adv. in seinen Gelenken leicht beweglich; gelenk. S. Lenksam.


Gelenksamkeit (W3) [Adelung]


Die Gelenksamkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Körpers, da er gelenksam ist. Die Gelenksamkeit der Glieder, eines Seiltänzers u. s. f.


Gelenkstück (W3) [Adelung]


Das Gelenkstück, des -es, plur. die -e, bey den Schustern, ein Stück Leder, welches an dem Gelenke zwischen die Sohle und den Absatz gestecket wird.


Gelenkwasser (W3) [Adelung]


Das Gelenkwasser, S. Gliedwasser.


Gelernig (W3) [Adelung]


Gelernig, adj. et adv. S. Gelehrig, Anm.


Gelese (W3) [Adelung]


Das Gelese, des -s, plur. inus. 1) Die Handlung des Lesens, im verächtlichen Verstande und gemeinen Leben. 2) Bey den Webern, die Auslesung oder Unterscheidung der Fäden des Werftes, so daß sie sich nicht weiter verwirren können, S. Lesen.


Geleucht (W3) [Adelung]


Das Geleucht, des -es, plur. car. ein Collectivum, Lichter und was ihre Stelle vertritt, Licht gebende Dinge, zu bezeichnen. Das Geleucht kostet in dem Schauspielhause alle Mahl sehr viel. S. Leuchten.


Gelf (W3) [Adelung]


Der Gelf, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, plur. die -e, in den Bergwerken, besonders Oberdeutschlandes, eine Benennung so wohl des gelben Kupfererzes, als auch eines silberreichen Schwefelkieses. Von dem Worte gelb. S. Gilbe.


Gelfern (W3) [Adelung]


Gelfern, S. Gälfern.


Gelichter (W3) [Adelung]


Das Gelichter, des -s, plur. car. welches nur im verächtlichen Verstande gebraucht wird. Er ist auch deines Gelichters, d. i. deines gleichen, von deiner Art. Alle diese Dinge sind von Einem Gelichter, von einer und eben derselben schlechten Art. Gottsched hatte den seltsamen Einfall, dieses Wort von Licht abzuleiten, und diese Ableitung auf die R. A. zu gründen, er ist ein großes Licht in der Kirche. Es ist allem Ansehen nach das durch die gemeinen Mundarten verderbte Wort gleich; in- dem man für deines, eures Gelichters u. s. f. auch sagt, deines, eures gleichen, ungeachtet dieses nicht den verächtlichen Nebenbegriff hat, mit welchem das Wort Gelichter alle Mahl verbunden ist. Bey dem Kero wird similis durch kalihchera übersetzt. Es ist also wider den Sprachgebrauch und die eigentliche Bedeutung dieses Wortes, wenn es in einer gewissen Recension als ein Collectivum gebraucht wird; was solchem Gelichter nicht alles anstößig wird!


Gelieben (W3) [Adelung]


* Gelieben, verb. reg. act. welches im Hochdeutschen größten Theils veraltet ist, Neigung zu etwas haben, sich aus Neigung zu etwas entschließen, belieben, mit der dritten Endung der Person, so wohl persönlich, als unpersönlich. Geliebt dir zu spazieren? Opitz. Doch meinest du daß mir ein Bock so sehr geliebt? ebend. Zwar reden mag ich wohl Mit dir, wie mir geliebt - ebend. Nicht essen von dem was den Übelthätern geliebet, Ps. 141, 4. Balaam geliebte der Lohn der Ungerechtigkeit, 2 Pet. 2, 15. Im Hochdeutschen kommt es nur noch in der im gemeinen Leben üblichen Formel vor, geliebt es Gott, d. i. wenn es Gott beliebt, wenn es ihm gefällig ist.

Anm. Bey dem Ottfried giliuben, in der Monserischen Glosse giliupen, bey dem Ottfried und den Schwäbischen Dichtern auch nur lieben. Wil dir lieben gut gemach, Winsbeck. Welches auch noch bey dem Logau vorkommt. S. Belieben.


Geliefern (W3) [Adelung]


Geliefern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, und zuweilen, besonders in manchen Gegenden, für gerinnen gebraucht wird. Das Blut geliefert. Geliefertes Fett, gelieferte Milch.

Anm. Im Nieders. und den verwandten Mundarten ist es eigentlich ein Activum, levern, gerinnen machen, da es denn, wenn es als ein Neutrum gebraucht werden soll, reciproce stehet, sich geliefern, Schwed lefra sig. S. Leber, welches zu dem Geschlechte dieses Wortes gehöret.


Geliegen (W3) [Adelung]


* Geliegen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, im Hochdeutschen unbekannt ist, und nur im Oberdeutschen für das einfache liegen vorkommt. In engerer Bedeutung wird es für niederkommen, von einem Kinde entbunden werden, gebraucht, in welcher Bedeutung es noch einige Mahl in der Deutschen Bibel steht. Pinehas Weib war schwanger, und sollte schier geliegen, 1 Sam. 4, 19. Da deine Mutter dich geboren hatte, da mit dir gelegen ist, die dich gezeuget hat, Hohel. 8, 5.


Gelieger (W3) [Adelung]


* Das Gelieger, des -s, plur. ut nom. sing. welches im Oberdeutschen für Lager üblich ist, und auch zuweilen von den Hochdeutschen Jägern von dem Lager der Thiere gebraucht wird. S. Lager.


Gelinde (W3) [Adelung]


Gelinde, -r, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich. 1) Sanft, glatt, dem Gefühle nach, im Gegensatze dessen, was rauh ist. Ihre Worte sind gelinder (glatter) denn Öhl, Ps. 55, 22. Mandelöhl macht eine gelinde Haut, gelinde Hände. Gelindes Leder. 2) Weich, im Gegensatze dessen, was hart ist; doch nur noch selten. Gelindes Fleisch, welches weich aber mürbe ist. Ein gelindes Bett, ein gelindes Küssen, ein weiches, im Oberdeutschen. Gelinde Saiten aufziehen, figürlich, nachgeben. Das Kupfer ist gelinde, bey den Kupferstechern, wenn der Grabstichel dasselbe leicht und rein schneidet. 2. Figürlich. 1) Die gelinde Aussprache eines Buchstaben, im Gegensatze der harten. Jemanden, mit gelinden Worten besänftigen, mit sanften, sanftmüthigen. Gelinde Sitten haben, im Gegensatze der rauhen. Eine parteyische Empfehlung der Blutsfreunde ist, sie mit dem gelindesten Nahmen zu belegen, ein frommer Betrug, Gell. 2) Einen geringen Grad der innern Stärke oder des Prädicates überhaupt habend. Ein gelinder Regen, ein sanfter Regen. Eine gelinde Wärme, Gelindes Wetter, im Gegensatze des kalten. Ein gelinder Wein, im Gegensatze eines starken, feurigen. Eine gelinde Purganz, gelinde Arzeney, im Gegensatze einer heftigen. Die Arzeney wirkt sehr gelinde. Ein gelindes Feuer anmachen, im Gegensatze eines starken oder heftigen. Ein gelinder Wind. Ein gelinder Schmerz. Jemanden sehr gelinde strafen. Etwas gelinde anrühren. 3) Geneigt, in Beurtheilung anderer und in seinem Betragen gegen sie auf das vortheilhafteste, d. i. so wie es ihre Wohlfahrt erfordert, zu verfahren; im Gegensatze dessen was strenge ist. Niemand lästern, nicht hadern, gelinde seyn, Tit. 3, 2. Eine gelinde Strafe. Seinen Kindern gar zu gelinde seyn. Sehr gelinde mit jemanden umgehen. Eine gelinde Herrschaft. Gelinde Mittel versuchen, im Gegensatze der strengen.

Anm. Im gemeinen Leben Ober- und Niederdeutschlandes oft nur linde, welches auch Sprichw. 15, 1, 15 vorkommt, bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen lindo und lind, im Nieders. und Dän. lind, im Schwed. len, im Angels. lith, im Latein. lenis. Das e am Ende ist das e euphonicum, welches durch die gelinde Aussprache des d nothwendig wird. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt auch das Zeitwort gelinden vor, gelinde werden. S. Lindern.


Gelindigkeit (W3) [Adelung]


Die Gelindigkeit, plur. inus. der Zustand, oder die Eigenschaft einer Sache, da sie gelinde ist; in den gemeinen Mundarten oft nur Lindigkeit. Es kann in allen Bedeutungen des Bey- und Nebenwortes gebraucht werden, auch in der dritten figürlichen, in welcher es die Fertigkeit ist, in Beurtheilung anderer und in seinem Betragen gegen sie auf das vortheilhafteste für sie zu verfahren. Du wolltest uns hören nach deiner Gelindigkeit, Apost. Gesch. 24, 4. In den Monseeischen Glossen kommt statt dessen Lindi vor.


Gelingen (W3) [Adelung]


Gelingen, verb. irreg. neutr. Imperf. ich gelang, (im gemeinen Leben gelung;) Mittelw. gelungen; Imperat. gelinge. Es erfordert das Hülfswort seyn, und bedeutet jemandes Bemühung und der dabey gehabten Absicht gemäß erfolgen. Es gelinget nicht eine jede Arbeit. Sein Anschlag ist ihm nicht gelungen. So weit ist mirs gelungen. Das Mittel gelang. Es gelang ihm alles, was er nur anfing. Durch Hülfe Gottes ist mirs gelungen, Apostg. 26, 22. Und freut sich der gelungenen Tücke, Haged. So kann dir gleich dein Wunsch gelingen, Willam.

Anm. Schon bey dem Ottfried gelingen. Das einfache lingen, welches noch in dem Gegensatze mißlingen angetroffen wird, kommt nur selten vor. Der Lingiso bedeutet bey dem Notker das Glück. Frisch leitet es von langen, erlangen, her, zumahl da gelingen im Holländ. so wohl berühren, als auch gelingen bedeutet. Es gehöret vielmehr zu Glück, weil die Einschiebung des n vor dem Hauchbuchstaben nichts seltenes ist. S. Glück. In einigen Oberdeutschen Gegenden verbindet man es auch mit dem Hülfsworte haben, welches auch 1 Macc. 2, 47 vorkommt, es hat ihnen gelungen.


Gelispel (W3) [Adelung]


Das Gelispel, des -s, plur. inus. das Lispeln, besonders ein anhaltendes, wiederhohltes Lispeln. Was ist das für ein Gelispel? Ein heiliges Grauen Wandelt im Hain und kommt mir entgegen mit stillem Gelispel, Zach.


Gelle (W3) [Adelung]


Die Gelle, S. Gölle.


Gellen (W3) [Adelung]


Gellen, S. Gällen.


Geloben (W3) [Adelung]


Geloben, verb. reg. act. eigentlich, vermittelst eines Handschlages versprechen, und in weiterer und der gewöhnlichsten Bedeutung, feyerlich versprechen. Etwas mit Hand und Mund geloben. Nun gelobe meinem Herrn, dem Könige von Assyrien. 2 Kön. 18, 23. Er that ihr, wie er gelobet hatte, Richt. 11, 39. Wer will für mich geloben? d. i. Bürge werden, Hiob 17, 3. Sein Leben für das Vaterland geloben. Einem seine Treue geloben. Das gelobte, d. i. das verheißene, versprochene, Land. Ihr sollt gereden und geloben, daß u. s. f. eine in manchen Eidesformeln übliche Formel. In engerer Bedeutung, sich gegen Gott durch eine feyerliche Zusage zu etwas anheischig machen. Der sein Opfer dem Herrn gelobt, 2 Mos. 6, 21. Gott eine ewige Keuschheit geloben. So auch die Gelobung.

Anm. Schon bey dem Willeram geliuben, Nieders. gelaven, belaven. Dän. belove, Schwed. förlofwa. S. Loben, welches statt dieses zusammen gesetzten auch noch zuweilen vorkommt, ingleichen Gelübd und Angeloben. Ehedem wurde es auch für entsagen, absagen, gebraucht. E daz ich der christenheit gelobe mih, Chriemh. Rache St. 262.


Des (W3) [Adelung]


Des Gelöbniß, des -sses, plur. die -sse, ein noch im Oberdeutschen gangbares Wort, wofür im Hochdeutschen Gelübde üblicher ist, S. dasselbe, ingleichen Handgelöbniß.


Gelock (W3) [Adelung]


Das Gelock, des -es, plur. die -e. 1) Ein anhaltendes, wiederholtes Locken; ohne Plural. 2) Bey den Vogelstellern, ein lebendiger Vogel, welcher die wilden Vögel herbey locket; ein Lockvogel, welcher auch der Gesang, der Ruf genannt wird.


Gelörsch (W3) [Adelung]


Das Gelörsch, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Gesenk unter sich, wo man einer Erzspur in einem engen Raume nachbricht. Etwa von dem Wallisischen Cloer, ein Loch? Bey dem Ottfried ist Gilari eine Wohnung, und im Schwed. Lar ein großer Kasten. S. Lehr.


Gelos (W3) [Adelung]


Das Gelos, des -es, plur. inus. bey den Jägern, der Koth aller Thiere und Vögel, die Raubvögel ausgenommen, wo es das Geschmeiß genannt wird. S. Losen und Losung.


Gelosen (W3) [Adelung]


* Gelosen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, und im Hochdeutschen unbekannt ist. Etwas gelosen, dessen los werden, davon befreyet werden. Ich weiß nicht, wie ich doch die Fantasie gelose, Opitz. Durch solche Freundlichkeit und süßes Liebekosen, Macht sie, daß ich mir nicht begehre zu gelosen Den Kummer der mich kränkt, ebend. Auch mit der zweyten Endung. Wo ich meiner Seelenqual Anders soll gelosen, Gryph.


Gelsamine (W3) [Adelung]


Die Gelsamine, plur. die -n, S. Jasmin.


Gelsen (W3) [Adelung]


Gelsen, S. Gelzen.


Gelster (W3) [Adelung]


Gelster, S. Geniste.


Gelt (W3) [Adelung]


1. Gelt, Interjektion, S. 2 Gelten 2. 1).


Gelt (W3) [Adelung]


2. Gelt, adj. et adv. welches eigentlich unfruchtbar bedeutet, aber am häufigsten in der Landwirthschaft von dem weiblichen Geschlechte der Thiere gebraucht wird. Eine gelte Kuh, welche entweder noch niemahls trächtig gewesen ist, oder doch dieses Jahr nicht trägt. Die Kuh geht gelt, ist dieses Jahr nicht trächtig. So auch ein geltes Schaf, ein geltes Schwein, geltes Vieh oder Geltvieh, gelte Ziegen. Ein geltes Thier oder Geltthier, bey den Jägern, ein Thier, welches in der Brunst den Beschlag nicht angenommen hat.

Anm. In den Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes lautet dieses Wort gält, gölt, geld, geel, gell, göll u. s. f. Daß es ehedem überhaupt unfruchtbar bedeutet hat, erhellet theils aus dem Jeroschin, der ein unfruchtbares Feld ein gelbe Geld nennet, theils aus dem Nieders. wo geelje Hemp der unfruchtbare männliche Hanf ist. In der alten Scandischen Sprache war Gaele das Brachfeld, und das Slavonische und Russische Gelahn hat noch diese Bedeutung. Im Dän. ist gold, und im Schwed. gall, bey den Krainerischen Wenden jalov, im Böhm. galowa, gleichfalls unfruchtbar, und im Isländ. bedeutet Argalli die Theurung. Gemeiniglich hält man das Unvermögen zur Zeugung für die erste eigentliche Bedeutung dieses Wortes, und leitet es alsdann von Geile, testiculus, und geilen oder entgeilen, castriren, her; allein es scheinet vielmehr zu Galle, ein Mangel, Fehler, zu gehören. S. 2 Galle ingleichen Gelzen und Güst.


Gelte (W3) [Adelung]


Die Gelte, plur. die -n, Diminut. das Geltchen, Oberd. Geltlein, ein gemeiniglich hölzernes Gefäß mit einer Handhabe oder einem Stiele. Das Bier mit der Gelte in die Fässer schöpfen. Daher die Fleischgelte, Milchgelte, Füllgelte, Schöpfgelte, Biergelte, Wassergelte u. s. f. Aus dem Frisch erhellet, daß es im Oberdeutschen auch theils für Kelle, theils von einem großen Gefäße, worin man Wasser zu Abwendung einer Feuersgefahr bewahret, gebraucht worden. Etwas uneigentlich wird Ebr. 9, 4 daß Gefäß im Tempel, in welcher das Manna aufbehalten ward, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine goldene Gelte genannt. Anm. Es ist dieses ein sehr altes Wort, von welchem fast in allen Sprachen Spuren vorkommen. Es scheinet überhaupt ein jedes Gefäß bedeutet zu haben; wenigstens kommt es von den meisten Arten derselben vor. In der Schweiz lautet es Kalte, im mittlern Lateine Galenum, Galida, Galeta, Gella, Gelta, Galo, Gillo, Jaletus, Jalla, Jalleata, Eglitra u. s. f. Schon bey den Griechen war - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dem Suidas zu Folge, ein Milchgeschirr der Hirten, eine Milchgelte. S. Gölle, Kelch, Kelle, Hohl u. s. f. welche alle damit verwandt sind. Eine Gelte zum Wasserschöpfen heißt in Thüringen ein Stunz.


Gelten (W3) [Adelung]


1. Gelten, verb. reg. act. gelt machen; verschneiden. S. Gelzen.


Gelten (W3) [Adelung]


2. Gelten, verb. irreg. ich gelte, du giltst, er gilt; Imperf. ich galt, (im gemeinen Leben ich golt); Mittelw. gegolten; Imperat. gilt. Es kommt in doppelter Gestalt vor. 1. * Als Activum, wiedergeben, so wohl die Sache selbst wiedergeben, als auch, und zwar am häufigsten, den Werth dafür wiedergeben, erstatten, bezahlen; in welcher im Hochdeutschen veralteten Bedeutung es ehedem sehr häufig gebraucht wurde. Bey dem Kero ist kelten, bey dem Ottfried giltan, wiedergeben, wieder erstatten, ingleichen bezahlen. Zins gelten, den Zins bezahlen, Ottfr. Das gilt ich ir, das vergelte ich ihr, Reinmar der Alte. Den schuß er mir noch gelten soll, Theuerd. er soll mir dafür genug thun, er soll ihn entgelten. Im Goth. gildan, im Angels. geltan, im Isländ. gialda, im Nieders. gelden, gellen, im Schwed. gelda, im mittlern Lat. gildare. Daher bedeutet schon im Galischen Gesetze Chalta nicht nur dasjenige, womit man ein begangenes Verbrechen ersetzet, die Buße, Geldstrafe, wovon in weiterer Bedeutung noch unser Geld übrig ist, sondern auch das Verbrechen selbst, wofür durch Geld genug gethan werden mußte, und in weiterer Bedeutung eine jede Verbindlichkeit zum Ersatz oder zur Strafe, eine Schuld, welches Wort selbst davon abstammet, S. dasselbe. Im Hochdeutschen ist diese active Bedeutung noch in den Zusammensetzungen entgelten und vergelten übrig. Opitz hat auch noch eine Schuld abgelten, für abtragen. Gelter bedeutete in den spätern Zeiten Oberdeutschlandes so wohl den Schuldner, als auch den Gläubiger. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, einen gewissen Werth haben. 1) Eigentlich, einen bekannten Werth haben, und wegen desselben von jedermann genommen werden. Dieses Geld gilt bey uns nicht, dessen Werth ist hier nicht bekannt, und wird daher nicht im Handel und Wandel angenommen. Die Louisd'or gelten überall. Ingleichen mit Beyfügung des Werthes oder vielmehr des angenommenen Zeichens desselben. Der Laubthaler gilt jetzt nur 38 Groschen. Was gilt das Getreide? Die Waare gilt ihr Geld, hat einen ziemlich hohen Preis. Das Korn gilt jetzt nichts, ist wohlfeil, hat einen geringen Preis. Auch in weiterer Bedeutung. Das gilt dir dein Leben, du wirst es mit deinem Leben bezahlen müssen. Es gilt ihr Leben, wenn sie es nicht beweisen kann. Was gilt die Wette? um wie viel wollen wir wetten? Was gilts, eine im gemeinen Leben übliche Formel, eine gewisse Vermuthung zu begleiten, gleichsam, was gilt die Wette? Was gilts, er wird nicht kommen. Was gilts, darum hat sich das junge Herrchen noch nicht bekümmert? Less. In den gemeinen Sprecharten auch nur Gelt! welches die dritte Person für gilt zu seyn scheinet, wenn es nicht mit dem Englischen to yield, zugeben, einräumen, aus einer Quelle stammet, da es denn concedisne? bedeuten würde. 2) Figürlich. (a) Einen moralischen Werth haben. (aa) Kraft, Gültigkeit haben. Was bey dem Allmächtigen gilt, will ich nicht verhehlen, Hiob 27, 11. Die Gerechtigkeit die vor Gott gilt, Röm. 1, 17. Die meisten Stimmen gelten. Der Contract gilt nicht. Was von der ganzen art gilt, (mit Bestande der Wahrheit gesagt werden kann,) das muß auch von allen darunter begriffenen Gattungen gelten. Geltende Ansprüche an etwas haben. Das Spiel, der Zug auf dem Bretspiele soll nicht gelten. Seine Befehle, seine Ansprüche geltend machen. Dieß kann für keinen Beweis, für keine Entschuldigung gelten. Das gilt mir gleich, eines hat so viel Kraft bey mir, ist meiner Neigung so gemäß, als das andere. Mir gilt alles gleich. S. Gleichgültig. Das erste Hindernis galt auch die andern Mahle, Gell. fand Statt, war vorhanden. Lassen sie meine Bitte etwas gelten, von Kraft seyn. Alle diese Entschuldigungen gelten nichts. Das lasse ich gelten! eine im gemeinen Leben übliche Formel des Beyfalles. (bb) Ansehen haben, vermögen, von Personen. Er gilt viel am Hofe, oder bey Hofe. Ich gelte etwas bey ihm. Der Weise hat ein Loos; das seinen Werth entscheidet, Verdienste, wo er gilt, und Unschuld, wo er leidet, Haged. (cc) Erlaubt seyn, doch nur im gemeinen Leben. Das gilt nicht. (b) Betreffen, auf etwas gerichtet seyn, etwas zum Ziele haben. Wie ein Vogel zum Strick eilet und weiß nicht, daß ihm (daß es ihm) das Leben gilt, Sprichw. 23, 11, daß es ihm sein Leben kostet. Es gilt deinen Kopf, es ist auf deinen Kopf, d. i. auf dein Leben abgesehen. Er sagte es ihr, doch so, daß es mich zu gelten schien, auf mich gerichtet zu seyn schien. Was einem gesagt wird, gilt alle, geht auf alle, geht alle an. Hier steht die vierte Endung mit allem Recht, weil es in dieser Bedeutung eine Figur der ersten Bedeutung ist, wo der Preis gleichfalls die vierte Endung bekommt. Ist außer der vierten Endung der Sache noch die Person vorhanden, so erfordert diese die dritte Endung. Es gilt ihm das Leben. Mir gilt alles gleich. Wird die Sache, welche der Gegenstand des Zeitwortes ist, durch eine Person ausgedruckt, so ist kein Grund vorhanden, warum die Wortfügung sollte geändert und statt der vierten die dritte Endung gesetzt werden. Indessen findet man doch in die- sem Falle den Dativ sehr häufig, und in manchen Sprachlehren wird er ausdrücklich erfordert. Ach daß der Traum deinen Feinden gülte, (gälte,) Dan. 4, 16. Ich wußte nicht, daß dieser Seufzer mir gelten sollte, Dusch. Nun, wem gilt das? Less. Nein, Liebe, nein, dir gilt nicht dieses Lied, Haged. Zumahl wenn es der armen Freundinn gilt, Gell. Die Wahl galt, wie gesagt, der jungen Sylvia, Rost. Die Kriegsrüstung soll den Engländern gelten, soll auf sie gerichtet seyn. In allen diesen Fällen sollte, wie es scheinet, billig die vierte Endung stehen, denn wenn gelten in der Bedeutung der Richtung die dritte Endung erforderte, so müßte man auch sagen: Der Anschlag gilt deinem Leben, deinem Kopfe, deinem Vermögen u. s. f. wo doch jedermann die vierte Endung gebraucht. Hierher gehöret (c) Auch die Oberdeutsche Fügung mit der zweyten Endung. Hier gilt es Laufens, hier kommt es auf das Laufen an, hier gehet es an ein Laufen. Es gilt Aufmerkens, hier ist Aufmerken nöthig. Nun so es aber sterbens gilt, Hans Sachs, wenn es zum Sterben kommt. Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt So leb ich, weil es Lebens gilt, Günth. So lange es noch erlaubt ist zu leben. Daher die Geltung, S. solches hernach besonders.

Anm. Dieses Wort lautet als ein Neutrum im Nieders. gelben, gellen, im Dän. giälde, bey den Krainerischen Wenden vellam, ich bin nützlich, ich gelte, im Isländ. gilda. Die Schweden unterscheiden das Activum von dem Neutro sehr schön; jenes heißt bey ihnen gelda, dieses aber gella. Wachters Muthmaßung ist sehr wahrscheinlich, daß das Neutrum mit dem Lat. valere aus Einer Quelle abstamme. Und diese Quelle ist vielleicht noch in dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Stärke, Menge, Reichthum, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, vorhanden, wovon auch unter Deutsches Geld abzustammen scheinet. S. dasselbe. Die biblischen R. A. da es nun gelten sollte zum Treffen, da es zum Treffen kommen sollte, 2 Macc. 15, 20, und, es gilt wohl, für, gut, es kann geschehen, 2 Sam. 2, 14, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. S. Geld, Gülte, Gültig, Gültigkeit.


Geltsen (W3) [Adelung]


Geltsen, S. Gelzen.


Geltthier (W3) [Adelung]


Das Geltthier, des -es, plur. die -e, S. 2 Gelt.


Geltung (W3) [Adelung]


Die Geltung, plur. inus. das Hauptwort von dem Neutro gelten, welches nur in der Musik, von dem Werthe der Noten, dem Zeitmaße nach, üblich ist.


Geltvieh (W3) [Adelung]


Das Geltvieh, des -es, plur. car. S. 2 Gelt.


Gelübde (W3) [Adelung]


Das Gelübde, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte geloben, ein Versprechen vermittelst eines Handschlages, und in weiterer Bedeutung, ein jedes feyerliches Versprechen. In engerem und dem gewöhnlichen Verstande, eine feyerliche Zusage, worin man sich gegen Gott zu etwas anheischig macht. Ein Gelübde thun. Vergebens werden sie für eure Rückkunft Gelübde thun. Das Gelübde der Keuschheit, des ehelosen Lebens, der Armuth u. s. f. in der Römischen Kirche. Ein Gelübde auf sich haben, durch dasselbe gebunden seyn. Sein Gelübde brechen, wider diese Zusage handeln. Dasselbe erfüllen; in der Deutschen Bibel, es bezahlen. Anm. Im Nieders. Löfte, im Schwed. Löfte, im Dän. Lofte, bey den Krainerischen Wenden Obluba. Ehedem wurde es theils in weiterer Bedeutung von einem jeden Versprechen gebraucht. Guot geluibde ervroewet den gouch, Fab. der Schwäb. Dicht. theils in engerer von einem Eide. In glübd hab ich sie gnomen gar, Theuerd. Kap. 91. In einigen Gegenden, z. B. in Meißen, ist es weiblichen Geschlechtes, daher es Rabner mehrmahls in demselben gebraucht. Als ein Neutrum brauchte es kein e am Ende, wenn dieses nicht um der gelinden Aussprache des d willen nothwendig wäre. S. E euphonicum, ingleichen Geloben.


Gelüch (W3) [Adelung]


* Das Gelüch, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine sumpfige und morastige Gegend zu bezeichnen. Brüche und Gelüche zu Wiesen zurichten. Es erhält das alte Nordische Lag, Isländ. Laugr, Wasser, Feuchtigkeit, im Andenken. Im Angels. Schottl. und Irländ. ist Lug, Loch, im Wallis. Llwch, im Schwed. Log, im Engl. Lake, im Lat. Lacus, ein See. S. Lache.


Gelust (W3) [Adelung]


* Der Gelust, des -es, plur. die -lüste, ein im Hochdeutschen unbekanntes Oberdeutsches Wort, für das einfache Lust, sinnliche Begierde. Darum hat sie auch Gott dahin gegeben in ihrer Herzen Gelüste, Röm. 1, 24. Kommt ein Gelust sie an, Wiel. Erst ließ sich ihr Gelust mit einem Kusse büßen, ebend. Schon bey dem Ottfried Kelusta und Gilusti, bey den Schwäbischen Dichtern der Gluste. In Oberdeutschland ist auch das einfache Lust im männlichen Geschlechte sehr häufig. S. Lust.


Gelüsten (W3) [Adelung]


Gelüsten, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, Lust, d. i. sinnliche Begierde empfinden, und zwar am häufigsten von unordentlichen Begierden, als ein Impersonale, aber doch in der dritten Person, mit der vierten Endung der Sache. Weil deine Seele Fleisch zu essen gelüstet, 5 Mos. 12, 20. Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Haus, 2 Mos. 20, 17. Das die Albern gelüstet, tödtet sie, Sprichw. 1, 12. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch, Gal. 5, 17. Einen gelüstet dieses, den andern jenes. Laß dich nicht gelüsten, mir ungehorsam zu seyn. Es gelüstet sie, oder sie gelüstet nach seltsamer Speise. Der Kranke läßt sich oft schädliche Dinge gelüsten. Zuweilen auch, besonders im Oberdeutschen, mit der zweyten Endung der Sache. Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibs, noch seines Knechtes, 2 Mos. 20, 17. Daß wir uns nicht gelüsten lassen des Bösen, 1 Cor. 20, 6. Deß gelüstete mich, Jos. 7, 21. In der Deutschen Bibel findet man es auch mehrmahls mit der sonst ungewöhnlichen dritten Endung der Person. Der suchet, was ihm gelüstet, Sprichw. 18, 1. Er thut was ihm gelüstet, Pred. 8, 3. Eben daselbst wird es auch einige Mahl von einem jeden Verlangen, von einer Neigung zu etwas gebraucht. Welches auch die Engel gelüstet zu schauen, 1 Petr. 1, 12. Mich hat deines Diensts nicht gelüstet, sind Worte Gottes, Es. 43, 23. Wen sollte noch gelüsten zu leben? 1 Macc. 2, 13. Gelüstets ihn aber nicht, dich zu nehmen, ist es ihm nicht gefällig, Ruth 3, 13.

Anm. Schon bey dem Ottfried gilusten, mit der zweyten Endung der Sache. Bey andern kommt statt dessen das einfache lüsten vor, welches so wohl in der Deutschen Bibel gefunden wird, als auch im Nieders. so wohl persönlich, als unpersönlich üblich ist. S. Lüsten. Im Hochdeutschen druckt man die Sache lieber mit dem Vorworte nach aus. In den gemeinen Mundarten kennet man auch das Frequentativum gelüstern. Es gelüstert mich darnach. S. Lüstern.


Gelzen (W3) [Adelung]


Gelzen, verb. reg. act. welches nur in den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist, gelt, d. i. unfruchtbar, machen, und in engerer Bedeutung zur Zeugung untüchtig machen, verschneiden, castriren; in welchem Verstande es am häufigsten von den Schweinen gebraucht wird. Die Schweine gelzen. Daher ist eine Gelze im Oberdeutschen ein geschnittenes Schwein, und ein Gelzer oder Gelzenschneider, ein Schweinschneider. Eine alte geschnittene Kuh nennet man um Bremen eine Gilse, und in Meißen Gelse.

Anm. In den gemeinen Mundarten lautet es gelsen, gölsen, göltzen, göltzen u. s. f. im Dän. gilde, im Schwed. gälla, im Engl. to geld. In einigen Gegenden ist auch gelten, gelden üblich. Im Schwed. ist Gallt, im Isländ. Golt, ein verschnittenes Schwein. Da es ohne allen Zweifel von gelt, unfruchtbar, abstammet, und nicht von Geile, Hode, Schwed. Gäll, wie man gemeiniglich glaubt, so stehet das z in diesem Worte für ts, indem es eigentlich geltsen heißen sollte. S. - Sen und Gelt.


Gemahl (W3) [Adelung]


Das Gemahl, des -es, plur. die -e, eine mit der andern verbundene Person, und in engerer Bedeutung, eine mit der andern zum Ehestande verbundene Person, sie sey nun wirklich ehelich mit ihr eingesegnet, oder nur mit derselben versprochen, ohne Unterschied des Geschlechtes und des Standes. Joseph, fürchte dich nicht, Mariam, dein Gemahl zu dir nehmen, Matth. 1, 20, 24. Unser unschuldig Gemahl, die Königinn Esther, Stücke in Esth. 5, 9. Esther, welche der König zum Gemahl genommen, Kap. 7, 3. Ein jeder soll sein Gemahl lieben und ehren, Luth. im kleinen Catech. Zu meyden Hurerey voran Sol yedes sein gemahel han, Hans Sachs. In dieser weitern Bedeutung ist es nur noch im Oberdeutschen üblich, wo es von beyden Geschlechtern auch als ein männliches Wort gebraucht wird. Hans willst du Greten zum ehlichen Gemahl haben? Luth. im Traubüchl. Sein andächtiger Gemahl Judentha, Bluntschli. Im Hochdeutschen ist dieser Gebrauch veraltet, wo das Wort theils nur von verheiratheten Personen vornehmen Standes, theils auch mit deutlichem Unterschiede der Geschlechter üblich ist, der Gemahl, eine solche Person männlichen Geschlechtes, die Gemahlinn, eine solche Person weiblichen Geschlechtes. Die Gemahlinn des Kaisers, des Fürsten, des Grafen. Die Prinzessinn empfing ihren Gemahl an der Treppe. Bey der immer höher steigenden Höflichkeit wird dieses Wort im gesellschaftlichen Leben nunmehr auch von solchen Ehegatten gebraucht, von welchem man mit Achtung zu sprechen Ursache hat. Ihre Gemahlinn hat es mir schon gesagt, sagt man wohl auch zu einem geehrten Freunde. Anm. Bey dem Willeram ist Gemahela, und bey dem Notker, Gemalu, die Braut, Maheltag die Hochzeit, mahalen ehelichen, heirathen. In dem zu Rom 1501 gedruckten Deutsch-Italiän. Vocab. heißt der Vermahel, il Sposo, und die Gmehel, la Sposa. Mit einem gemehelen, ihn heirathen, kommt in einer Bibel aus dem 15ten Jahrhunderte und in dem Buche Belial von 1472 vor. Bey dem Tatian heißt die Jungfrau Maria die Gimahhu des Joseph, und im Angels. ist Gemaecca ein Ehegatte, und gemaeclic ehelich. Ja noch jetzt heißt in einigen Oberdeutschen Gegenden ein Gemächt, oder Ehegemacht, ein Ehegatte. Dieser harte Hauchlaut führet uns auf die wahre Abstammung dieses Wortes. Das Zeitwort machen, im Alemann. gimachon, bey dem Kero kimahchon, bedeutete ehedem auch vereinigen, verbinden, vermischen. Daher ist Gimach, bey dem Ottfried und andern Oberdeutschen, ein Paar, zua dubono gimacho, ein Paar Tauben, Ottfr. und Kimachida in Boxhorns Glosse Contubernium. Eben um deßwillen bedeutet auch Make im Schwed. einen Gehülfen, Gesellen, Magell im Oberd. einen Verwandten, und macca im Angels. und mak im Schwed. ähnlich. Die Endung -el bedeutet ein Ding, welches etwas thut oder leidet. Gemachel und nach einer gelindern Aussprache Gemahl ist also eine Person, die mit der andern verbunden ist, und in engerer Bedeutung, die durch das Band der Ehe mit der andern vereiniget ist. Es druckt also sehr eigentlich das Deutsche Wort Gatte und das Lat. Conjux aus, welche gleichfalls von der Verbindung entlehnet worden. In dem Longobardischen Gesetze kommen Gamales id est confabulati vor, welches man von rechtmäßigen oder ehelichen Kindern erkläret. Gemeiniglich leitet man unser Gemahl von Mahl, die Rede, Sprache, mündlicher Vertrag ab, welche Ableitung, der auch noch Ihre beypflichtet, aber bey weiten nicht so wahrscheinlich und fruchtbar ist. S. Machen, Mahlschatz, Magen 1, Vermählen.


Gemählde (W3) [Adelung]


Das Gemählde, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte mahlen, pingere, ein gemahltes Bild. 1) Eigentlich, die Vorstellung des Zusammengesetzten auf einer Fläche, so fern sie mit Farben, und vermittelst des Pinsels geschiehet; zum Unterschiede von einem Risse, einer Zeichnung u. s. f. Große Gemählde, welche mehr als fünf Fuß in der Größe haben; zum Unterschiede von den Staffeleygemählden, welche auf der Staffeley gemahlet werden. Ein Gemählde von Einer Farbe, wel- ches mit Einer Farbe auf einem Grunde von einer andern Farbe gemahlet ist, Französ. Camayeu. Ein Landschaftsgemählde, welches eine Landschaft vorstellet, ein Landschaftsstück. 2) Figürlich. Alle Wunderwerke der Religion sind gleichsam Gemählde der göttlichen Eigenschaften, und wie die Werke den Natur, Abdrücke der Gottheit, Gell. Auch die Beschreibung eines sinnlichen Gegenstandes durch Worte, eine Schilderung, wird in den schönen Wissenschaften zuweilen ein Gemählde genannt. S. Mahlen. Anm. Ottfried nennt die Sternbilder Gimali thes himiles. In den spätern Zeiten war für Gemählde auch Gemahldniß und Gemähldste, Gemolz üblich. Das e am Ende ist das e euphonicum welches um der gelinden Aussprache des d willen nothwendig ist.


Gemahnen (W3) [Adelung]


Gemahnen, verb. reg. welches das mit dem Oberdeutschen Präfixo ge verlängerte Zeitwort mahnen ist, und in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1) Als ein Activum, erinnern, in das Andenken bringen, in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes. Jemanden an etwas gemahnen. Dieser Umstand gemahnet mich an meinen ehemahligen Verlust. In diesem Sinne ist es im Hochdeutschen unbekannt. 2) Als ein unpersönliches Neutrum, welches das Hülfswort haben bekommt und die vierte Endung der Person erfordert, aber nur im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, gebraucht wird, für scheinen, vorkommen. Ich weiß nicht, wie du mich heut gemahnest, wie du mir vorkommst. Es gemahnet mich, als wenn ich ihn schon gesehen hätte.

Anm. Schon Ottfried gebraucht gimanon für erinnern, mahnen. S. Mahnen.


Gemangkorn (W3) [Adelung]


Das Gemangkorn, des -es, plur. car. S. Mangkorn.


Gemäß (W3) [Adelung]


Das Gemäß, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, das Maß eines Dinges. Eines jeden Meisterfingers Bar hat sein ordentliches Gemäß in Reimen und Sylben, im Oberd. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur von verschiedenen Arten des Maßes. Sechs Scheffel Dresdener Gemäß. Sechs Eimer Frankfurter Gemäß. S. Maß.


Gemäß (W3) [Adelung]


Gemäß, -er, -este, adj. et adv. von dem Hauptworte Maß. 1) Einerley Maß habend, gleich. Und der ihr dazu sey gemeß An der gepurt vnnd dem geseß, (an Ländereyen,) Theuerd. Kap. 2. In welcher Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist. 2) So wie es die Beschaffenheit einer Sache, wie es das gegenseitige Verhältniß erfordert. Wie es seinem großen Alter - auch seinem guten Wandel - und dem heiligen göttlichen Gesetz gemäß war, 2 Macc. 6, 23. Du achtest deiner Majestät nicht gemäß, jemand zu verdammen, der die Strafe nicht verdient hat, Weish. 12, 15. Das ist nicht der Wahrheit gemäß, kommt nicht mit derselben überein. Der Natur gemäß leben. Sich seinem Stande gemäß kleiden. Sie hält es ihrem Stolze gemäßer, hierin Klugheit zu gebrauchen. Ein den Gesetzen gemäßes Betragen. Gott straft der Sünde gemäß, die Stufen der Strafe sind genau nach den Stufen der Sünde eingerichtet. Bey den Schwäbischen Dichtern gemesse. S. Maß.


Gemäßheit (W3) [Adelung]


Die Gemäßheit, plur. car. der Zustand, da eine Sache der andern gemäß ist. In Gemäßheit Ew. Majestät Befehlen, diesen Befehlen zu Folge.


Gemäuer (W3) [Adelung]


Das Gemäuer, des -s, plur. inus. Mauerwerk, Mauern. Das Gemäuer des alten Schlosses stürzte ein.


Gemein (W3) [Adelung]


Gemein, -er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich den Begriff der Menge ausdruckt, aber mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen. 1. In Menge vorhanden. 1) Eigentlich. Die Wölfe sind in diesem Lande sehr gemein, sehr häufig. Das Silbergeld ist bey uns eben nicht gemein. Boy ist bey uns eine sehr gemeine Waare. Die Canarienvögel sind jetzt in Deutschland sehr gemein. Das ist etwas sehr gemeines. Ein sehr gemeiner Gebrauch. Der Trieb zur Einsamkeit ist nicht so gemein, als der Trieb zum gesellschaftlichen Leben. Der gemeine Stolz auf Reichthum, Geburt u. s. f. Gell. 2) Figürlich, mit dem Nebenbegriffe des Mittelmäßigen oder Schlechten. Ein sehr gemeines Gesicht. Ein gemeiner Gedanke. Eine gemeine Tugend. Gemeine Köpfe sind die beste Gesellschaft für schlechte Köpfe. Das ist ein sehr gemeines Lob. 2. Den größten Theil unter den Dingen einer Art ausmachend. 1) Eigentlich, wo sich oft der Begriff des Gewöhnlichen mit einschleicht. In der Größe eines gemeinen Apfels. Ein gemeines Jahr, in der Zeitrechnung, ein Jahr von 365 Tagen, im Gegensatze eines Schaltjahres. Der gemeine Lauf der Dinge. Oft auch etwas von dem Begriffe der Niedrigkeit. Das gemeine Volk, die gemeinen Leute, der gemeine Pöbel, der gemeine Mann, der gemeine Haufe, der zahlreichste und zugleich niedrigste Theil einer bürgerlichen Gesellschaft, der große Haufe. Es ist nur ein gemeiner Mensch, von niedrigem Stande. Gemeine Soldaten, oder Gemeine, im Gegensatze der Officiers. Im Brittischen Parlamente begreift man unter dem Ausdrucke der Gemeinen, Engl. the Commons, alle diejenigen, welche nicht zu dem hohen Adel gehören. Das gemeine Leben, die am häufigsten vorkommenden Verhältnisse und Umstände des menschlichen Lebens. Die gemeine Sprechart, die Sprechart des großen Haufens. Gemeine, jedermann faßliche und begreifliche, Ausdrücke. 2) Figürlich. (a) Was dem größten Theile unter den Dingen einer Art zukommt, bey denselben angetroffen wird. Ein Mensch von gemeiner Größe. Die gemeine Sprechart. Der gemeine Menschenverstand, den alle Menschen besitzen. Eine gemeine Höflichkeit, welche man einem jeden erweiset. Es ist eine gemeine Meinung unter den gelehrten, daß u. s. f. Der gemeinen Meinung zu Folge. Ein gemeines Sprichwort. Es ist eine gemeine Rede, ein allgemeines, öffentliches Gerücht. Nach der gemeinen und gewöhnlichen Art denken. (b) Was allen Dingen einer Art zukommt, sich auf alle Dinge einer Art erstrecket. Das gemeine Wesen, die Verbindung einzelner Glieder oder Gesellschaften, ihre Wohlfahrt mit vereinigten Kräften besser zu befördern. Das gemeine Beste, der gemeine Nutzen, der Nutzen, das Beste einer solchen Gesellschaft. Die gemeine Casse, wozu alle Glieder das Ihrige beytragen, und woraus ihre gemeinschaftlichen Bedürfnisse bestritten werden. Der Tod ist allen Altern gemein. Ein gemeiner Bescheid, bey dem Reichskammergerichte, ein in pleno verabredeter Schluß, wie es in gewissen Fällen künftig gehalten werden soll. Die gemeinen Rechte, welche alle Personen in einem Staate verbinden, zum Unterschiede von den besondern. In andern Fällen gebraucht man dafür lieber das Wort allgemein. Z. B. die gemeine Liebe, die sich auf allen Menschen erstrecket, 2 Petr. 1, 7, besser die allgemeine; ein gemeiner Friede, 2 Macc. 9, 21, ein gemeines Gebeth, Kap. 8, 29, ein allgemeines, öffentliches oder gemeinschaftliches; gemeine und öffentliche Gastereyen, 3 Macc. 4, 1. Das Nieders. meen wurde ehedem für gesammt, all, gebraucht. De meene Koopman, alle Kaufleute, die gesammte Kaufmannschaft. Meene Borger, alle Bürger. (c) Dessen Gebrauch einem jeden frey stehet, woran alle Dinge Einer Art ein Recht haben. Die gemeine Weide, welche alle dazu tüchtige Einwohner eines Ortes genießen. Der gemeine Weg, die öffentliche Straße. Gemeine Dinge, in den Rechten, deren sich ein jeder bedienen kann, z. B. die Luft, das Wasser u. s. f. Ein Buch durch den Druck gemein machen. (d) Insgemein, eine adverbische R. A. gemeiniglich, am häufigsten, gewöhnlich geschehend. (e) Sich mit jemanden gemein machen, eine allzu große und dem Ansehen nachtheilige Vertraulichkeit gegen einen Geringern blicken lassen. (f) Unrein; doch nur in der Deutschen Bibel, von Dingen, welche nach dem Jüdischen Ceremonial-Gesetze für unrein gehalten wurden. Ich habe noch nie etwas gemeines oder Unreines gegessen, Apost. Gesch. 10, 14. Da sie sahen etliche seiner Jünger mit gemeinen, das ist ungewaschenen Händen das Brot essen, Marc. 7, 2. Ich weiß, daß nichts gemein ist an ihm selbst, ohne der es rechnet für gemein, demselbigen ists gemein, Röm. 14, 14. Und so in andern Stellen mehr. 3. Mehr als Einem Dinge zukommend. Etwas mit einem gemein haben, eben dieselbe Eigenschaft haben, sich in eben dem Umstande befinden. Meine Angelegenheit hat nichts mit der deinigen gemein, ist ihr in keinem Stücke ähnlich. Gemeine Leiden, gemeine Trübsale, gemeine Beschwerden, welche man mit andern gemein hat, im Gegensatze der besondern. Gemeine Sache mit jemanden machen, einerley Absicht in Verbindung mit ihm zu erreichen suchen. Wenn ein Mann mehrern Weibern gemein ist, so heißt solches Vielweiberey. Anm. Schon im Salischen Gesetze chamin, im Isidor chimein, bey dem Ottfried gimein, bey dem Notker kemein, im Angels. gemaene, im Holländ. ghemeyne, im Dän. gemeen. Das einfache meen, mein, kommt noch im Niedersächs. vor, wo es so wohl publicus als auch communis bedeutet, Angels. maene, Schwed. men. Im Engl. ist the Main das Ganze, und mean mittelmäßig. Es gehöret zu dem Geschlechte der Wörter manch und Menge, welches letztere noch bey dem Ottfried Meina lautet. Auch das Lat. communis gehöret seiner letzten Hälfte nach hierher. Zu der jetzt veralteten biblischen Bedeutung, für unrein, muß auch das bey dem Notker vorkommende Zeitwort fermeinan, entweihen, verunreinigen, gerechnet werden. In dem mittlern Lateine einiger Gegenden Frankreichs bedeutet Maya und Meia einen Haufen.


Gemeinanger (W3) [Adelung]


Der Gemeinanger, des -s, plur. ut nom. sing. in der Landwirthschaft, ein gemeiner Anger, welcher der ganzen Gemeine gehöret.


Gemeinbier (W3) [Adelung]


Das Gemeinbier, des -es, plur. die -e, auf dem Lande, eine Zusammenkunft der Bauern einer Gemeine, worin sie ein gewisses Geld gemeinschaftlich vertrinken; ein gemein Bier, Gemeindebier, S. auch Gesellenbier.


Gemeinde (W3) [Adelung]


Die Gemeinde, oder Gemeine, plur. die -n, von dem Bey- und Nebenworte gemein. 1. Mehrere zu einem Zwecke mit einander verbundene Personen. 1) * Überhaupt, von einer jeden Gesellschaft; in welcher allgemein Bedeutung es veraltet ist, ungeachtet es in der Deutschen Bibel mehrmahls von verschiedenen größern und kleinern Gesellschaften vorkommt. Im Oberdeutschen wurde es ehedem auch von einer Gesellschaft gebraucht, deren Absicht bloß die Vergnügung war. Der auch schwätzt über Tisch allein Und läst nicht reden sein Gemein, seine Gesellschaft, Narrensch. Bl. 389. Ja von einem jeden Haufen mehrerer Menschen. Wer in der gemeinde munt Mit arger hinderrede kunt, Fabeln der Schwäb Dichter, Fab. 53. Daher kommt es Sprichw. 21, 16 sogar von den Verdammten in der Hölle vor; der vom Weg der Klugheit irret, der wird bleiben in der Todten Gemeine. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch, 2) besonders, von verschiedenen besondern Arten solcher Gesellschaften. (a) Die sämmtlichen Einwohner eines Ortes, so fern sie unter der Aufsicht der Obrigkeit ihres Ortes, zur Beförderung ihrer zeitlichen Wohlfahrt verbunden sind, besonders die Einwohner eines Dorfes; an einigen Orten die Gemeinheit, Nieders. Meenhet, Meente. Die Gemeinde zusammen berufen. In engerer Bedeutung werden in einigen Städten nur die eigentlichen Bürger, und auf den Dörfern nur die eigentlichen Bauern, zur Gemeinde gerechnet. (b) Eine Gesellschaft solcher Menschen, die sich zur Ausübung einer göttlichen Offenbarung verbinden, eine Kirche, und auch hier wieder unter mancherley Einschränkungen. In der Deutschen Bibel wird die ganze Kirche Gottes mehrmahls die Gemeine, die Gemeine Gottes, oder die Gemeine Christi genannt. Oft führen die sämmtlichen durch einen gewissen Lehrbegriff verbundenen Personen dieser Art den Nahmen einer Gemeine; ingleichen die der Aufsicht und Leitung Eines Geistlichen anvertraueten Personen dieser Art, da es denn erzbischöfliche, bischöfliche u. s. f. Gemeinden gibt. Am häufigsten, die unter der Aufsicht Eines Pfarrers oder Predigers zur Beförderung ihrer geistlichen Wohlfahrt verbundenen Personen. 2. Die Versammlung der auf solche Art verbundenen Personen, oder ihrer Abgeordneten, in den letzten Bedeutungen des Wortes. Sie muste zusehen, daß die Heiden in ihr Heiligthum gingen, davon du geboten hast, sie solten nicht in deine Gemeine kommen, Klag. 1, 10. In der Schweiz ist die Landesgemeine die Versammlung der Abgeordneten aus allen Cantons, ein Landtag. 3. Ein Grundstück, welches einer ganzen Gemeinde, d. i. den sämmtlichen Einwohnern eines Ortes gehöret. Cajus wurde beschuldiget, er sey mit seinem Zaune über sein Eigenthum hinaus auf die Gemeine gerücket. In andern Orten die Gemeinheit, Allgemeinheit, das Gemeindegut, im Oberd. Almände, Aimeinde, Nieders. Meenhet, Meente, Mahnte, im mittlern Lat. Commune, Communitas, Communio.

Anm. Bey dem Notker Kemeine. Bey dem Ottfried ist Gimeinda, und im Isidor Chimeinidh, die Gemeinschaft. Es scheinet gleichgültig zu seyn, ob man dieses Wort Gemeinde oder Gemeine schreibt und spricht; wenigstens ist im Hochdeutschen beydes üblich, welches auch von einigen der folgenden Zusammensetzungen gilt, wo doch Gemeinde - bestimmter und deutlicher ist, als Gemein -, welches leicht mit dem Adverbio gemein verwechselt werden kann.


Gemeindebier (W3) [Adelung]


Das Gemeindebier, S. Gemeinbier.


Gemeindegut (W3) [Adelung]


Das Gemeindegut, des -es, plur. die -güter, S. Gemeinde 3.


Gemeindehammer (W3) [Adelung]


Der Gemeindehammer, des -es, plur. die -hämmer, an manchen Orten, ein Hammer, so fern er dazu dienet, einer Dorfgemeinde etwas dadurch bekannt zu machen. Auf den Dörfern z. B. wo sich keine Glocken befinden, muß bey entstandener Feuersbrunst der Gemeindehammer sogleich herum geschickt, und damit an jede Hausthür stark angeschlagen werden.


Gemeindemeister (W3) [Adelung]


Der Gemeindemeister, des -s, plur. ut nom. sing. S. das folgende.


Gemeinder (W3) [Adelung]


* Der Gemeinder, oder Gemeiner, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes. 1) Das Glied einer Gemeinde, besonders einer Dorfgemeinde, welches an einigen Orten auch ein Gemeinsmann genannt wird. 2) Eine Art eines Vorstehers einer Dorfgemeinde, welche vielleicht eben das ist, was in Thüringen ein Heimbürge ist, S. dieses Wort. In dem Bareuthischen Dorfe Werndorf werden die zwey Dorfsgemeiner von Alters her Bürgermeister genannt. Im Bisthume Augsburg kommen auf den Dörfern Gemeindsführer vor, welche vermuthlich eben das sind. Wenigstens sind die Gemeindemeister in Sachsen Heimbürgen oder Syndici der Dorfgemeinde. 3) Ein gemeinschaftlicher Schiedsrichter, im Oberdeutschen. 4) Der mit einem andern in Gesellschaft stehet, ein Compagnon, auch nur im Oberdeutschen.


Gemeinderecht (W3) [Adelung]


Das Gemeinderecht, des -es, plur. inus. das Recht, an den Freyheiten und Vorzügen einer Dorfgemeinde Theil zu nehmen. Jemanden in das Gemeinderecht aufnehmen. Gemeinderecht haben.


Gemeindsführer (W3) [Adelung]


Der Gemeindsführer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gemeinder 2.


Gemeindsherr (W3) [Adelung]


Der Gemeindsherr, des -en, plur. die -en, in einigen Städten, gewisse obrigkeitliche Personen, welche die Angelegenheiten der gesammten Bürgerschaft besorgen, und die Schlüsse des Rathes dem Volke bekannt machen.


Gemeingeist (W3) [Adelung]


Der Gemeingeist, des -es, plur. car. ein erst in den neuern Zeiten gebildetes Wort, eine allgemein verbreitete lebhafte und thätige Theilnahme an der gemeinschaftlichen Wohlfahrt zu bezeichnen.


Gemeinheit (W3) [Adelung]


Die Gemeinheit, plur. die -en, in einigen Gegenden, 1) eine Gemeinde, besonders die Einwohner eines Dorfes oder einer Stadt, als eine bürgerliche Gesellschaft betrachtet. S. Gemeinde. In einigen Gegenden z. B. in Soest, bedeutet die Gemeinheit in engerm Verstande die zu keiner Zunft oder Innung gehörigen Einwohner, welche daher auch Gemeindmänner genannt werden. 2) Ein einer solchen Gemeinde gehöriges Gut, S. Gemeinde 3.


Gemeinherrschaft (W3) [Adelung]


Die Gemeinherrschaft, plur. die -en. 1) Die Herrschaft über einem Ort, welche man mit einem oder mehrern gemeinschaftlich ausübet; ohne Plural. 2) Eine Herrschaft oder Dynastie, über welche zwey oder mehrere gemeinschaftlich zu gebiethen haben.


Gemeinhin (W3) [Adelung]


* Gemeinhin, adv. welches in manchen niedrigen Sprecharten für gemeiniglich gebraucht wird.


Gemeinhirt (W3) [Adelung]


Der Gemeinhirt, des -en, plur. die -en, ein Hirt, welcher von einer ganzen Gemeine bestellet wird; zum Unterschiede von einem Eigenhirten.


Gemeiniglich (W3) [Adelung]


Gemeiniglich, adv. am häufigsten, dem gemeinen oder gewöhnlichen Laufe der Dinge, der gemeinen Gewohnheit nach. Sie wird gemeiniglich zu theuer erkauft, diese immer dauernde Glückseligkeit, Dusch. Man betrachtet die Liebe gemeiniglich als eine natürliche Thorheit. Gemeiniglich sind es die Antriebe des Bedürfnisses, welche den Menschen scharfsinnig machen, Sulz. Der Verdruß rühret gemeiniglich daher, weil die Begebenheiten unsern Ideen entgegen stehen, ebend.

Anm. Im Oberdeutschen bedeutet dieses Wort auch sämmtlich, alle insgesammt. Die Käthe der Städte und die Bürger gemeiniglich.


Gemeinnützig (W3) [Adelung]


Gemeinnützig, -er, -ste, adj. et adv. den gemeinen Nutzen, d. i. den Nutzen der ganzen Gesellschaft, zu welcher man gehöret, befördernd. Er wendet seinen Fleiß und seine Zeit an, gemeinnützig zu seyn, Gell. Gemeinnützige Thaten, Unternehmungen, Schriften u. s. f. So auch die Gemeinnützigkeit.

Anm. Statt des Hauptwortes der Gemeinnutzen, welches hin und wieder vorkommt, gebraucht man doch lieber das getheilte der gemeine oder allgemeine Nutzen.


Gemeinochs (W3) [Adelung]


Der Gemeinochs, des -en, plur. die -en, ein ungeschnittener Ochs, welchen eine ganze Gemeinde für ihre Küche hält; das Gemeinrind, im Salischen Gesetze Chamintheuto.


Gemeinort (W3) [Adelung]

(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=Adelung#0

Der "Gemeinort", des -es, plur. die "Gemeinörter", eine buchstäbliche und daher sehr ungeschickte Übersetzung des Lateinischen "locus communis". Noch verwerflicher ist das von andern dafür gewagte "Gemeinplatz".


Gemeinsam (W3) [Adelung]


* Gemeinsam, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist. 1) Für gemein, vertraut. Gemeinsam mit jemanden umgehen. 2) Für gemeinschaftlich. Bey dem Kero kameinsamt, und kimeinsamlihho.

Anm. Eben so unbekannt sind im Hochdeutschen die Oberdeutschen Wörter, die Gemeinsame, für Gemeinschaft, ingleichen für Gemeinde; Gemeinsamkeit, für Vertraulichkeit; gemeinsamen, unzüchtige Gemeinschaft mit einer Person haben; und die Gemeinsamung für Hurerey.


Gemeinschaft (W3) [Adelung]


Die Gemeinschaft, plur. inus. der Zustand, da man etwas mit einem andern gemein hat, oder sich mit ihm gemein macht. Besonders die gegenseitige Theilnehmung an den Umständen und an dem Eigenthume des andern; da denn dieser Ausdruck so viele nähere Bestimmungen leidet, als es Arten von Umständen gibt, an welchen man Theil nimmt. Die Gemeinschaft der Güter, wenn mehrern das Eigenthum an denselben zustehet. Etwas in Gemeinschaft haben oder besitzen. Die Gemeinschaft zwischen Seele und Leib, Harmonia animae cum corpore, diejenige Verbindung beyder Theile, vermöge welcher einer in den andern wirken kann. Die Gemeinschaft Gottes, oder die Gemeinschaft der Gläubigen mit Gott, in der Gottesgelehrsamkeit. Laß mich eine traurige Gemeinschaft an deinem ganzen Kummer haben, Dusch. Gemeinschaft mit einem machen. Zuweilen auch in weiterer Bedeutung für vertrauter Umgang, und in noch weiterer Bedeutung für einen jeden Umgang. Mit jemanden Gemeinschaft haben, mit ihm umgehen. Eines Gemeinschaft fliehen. Die unvorsichtige Gemeinschaft des verwandtschaftlichen Umganges erstickt oft die gegenseitige Hochachtung, Gell.


Gemeinschaftlich (W3) [Adelung]


Gemeinschaftlich, adj. et adv. in Gemeinschaft, d. i. in gegenseitiger Theilnehmung an des andern Umständen oder Eigenthum, darin gegründet, derselben gemäß. Gemeinschaftlich speisen, in Gesellschaft. Sie haben alle ein gemeinschaftliches Zimmer. Ein Gut, eine Gerichtbarkeit gemeinschaftlich besitzen, mit andern in Gemeinschaft. Die Theile einer Rede müssen sich auf einen gemeinschaftlichen Hauptsatz beziehen. Gemeinschaftlich an etwas arbeiten, mit vereinigten Kräften.


Gemeinschaftsdorf (W3) [Adelung]


Das Gemeinschaftsdorf, des -es, plur. die -dörfer, ein Dorf, in welchem mehrere Herren die Gerichtbarkeit gemeinschaftlich besitzen.


Gemeinschenke (W3) [Adelung]


Die Gemeinschenke, plur. die -n, an einigen Orten, eine Schenke auf einem Dorfe, welche der ganzen Gemeinde gehöret; zum Unterschiede von einer Erbschenke.


Gemeinschießen (W3) [Adelung]


Das Gemeinschießen, oder Gemeindeschießen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Städten, ein Schießen, welches die Gemeinde, d. i. die eigentlichen Bürger, halten; zum Unterschiede von dem Land- und Gesellenschießen.


Gemeinschreiber (W3) [Adelung]


Der Gemeinschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, besonders Oberdeutschlandes, ein Schreiber bey einer Gemeinde, ein Stadtschreiber, Pflegeschreiber, Notarius publicus.


Gemeinsmann (W3) [Adelung]


Der Gemeinsmann, des -es, plur. die Gemeinsleute, ein Glied einer Gemeinde, S. Gemeinder und Gemeinheit.


Gemeintrift (W3) [Adelung]


Die Gemeintrift, plur. die -en. 1) Eine gemeine Trift, d. i. derjenige Ort wo eine ganze Gemeinde ihr Vieh gemeinschaftlich auf die Weide treiben darf. 2) Das Recht einer ganzen Gemeinde, ihr Vieh auf des andern Acker zur Weide zu treiben, ohne Plural; die Koppelhuth, im Osnabrück. Die Jahrweide.


Gemeinzeche (W3) [Adelung]


Die Gemeinzeche, plur. die -n, im Bergbaue, eine Zeche, welche von einer ganzen Stadtgemeinde gebauet wird.


Gemengebüchlein (W3) [Adelung]


Das Gemengebüchlein, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, dasjenige Buch, worein das Gemenge, oder die Beschickung verzeichnet wird.


Gemengefäßchen (W3) [Adelung]


Das Gemengefäßchen, oder Gemengefäßlein, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Fäßchen, worin das Gemenge, oder das vermengte Erz von den Ofen getragen wird.


Gemengekasten (W3) [Adelung]


Der Gemengekasten, des -s, plur. ut nom. sing. in den Blaufarbenwerken, ein Kasten, worin die verschiedenen Arten der blauen Farbe unter einander gemenget werden, welches vermittelst der Gemengekrücke von dem Gemengemacher geschiehet.


Gemengsel (W3) [Adelung]


Das Gemengsel, des -s, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, ein Wort, welches statt des Wortes Gemenge im gesellschaftlichen Leben üblich ist, mehrere vermengte Dinge zu bezeichnen. Ein Gemengsel von vielen falschen und wenig wahren Sätzen. S. Mengsel.


Gemerk (W3) [Adelung]


Das Gemerk, des -es, plur. die -e. 1) Ein Merkmahl, Kennzeichen, in verschiedenen Fällen des gemeinen Lebens. Ein Gemerk aus etwas nehmen, daraus erkennen, im Oberdeutschen. Aus gewissen Gemerken urtheilen. Bey den Jägern wird das vergossene Blut eines jeden angeschossenen Thieres das Gemerk genannt, weil der Jäger daraus den Weg erkennt, den es aus seiner Flucht genommen hat. Der Hirsch gibt Gemerk, wenn er schweißet. Im Bergbaue ist das Gemerk das Zeichen, welches der Bergmeister, der Markscheider, oder der Geschworne in das Gestein hauet, und auch die Stufe genannt wird. Das Gemerk schlagen, ein solches Zeichen in das Gestein hauen. An manchen Orten wird auch die Gränze oder Mark das Gemerk genannt, bey dem Notker Gemerch, und an andern führen diesen Nahmen die Merkzeichen, welche man unter die Mark- oder Gränzsteine zu legen pfleget. 2) Die Kraft zu merken oder zu behalten, das Gedächtniß; doch nur im gemeinen Leben. Ein schlechtes, ein gutes Gemerk haben. Daß der Sinn es redlich meine, haben wir nur ein Gemerke, Logau. 3) Bey den Meisterfängern zu Nürnberg ist es ein mit Vorhängen verhängtes Pult, an welchem die Merker oder Vorsteher der Zunft sitzen. S. Merken.


Gemessen (W3) [Adelung]


Gemessen, S. Messen.


Gemetzel (W3) [Adelung]


Das Gemetzel, des -s, plur. inus. ein wiederhohltes, mehrmaliges Metzeln. S. dieses Verbum.


Gemind (W3) [Adelung]


* Das Gemind, des -es, plur. die -e, ein in dem Tirolischen Bergbaue übliches Längenmaß, welches die Länge einer Faust mit über sich gestrecktem Daumen ist. Vier derselben machen eine Wiener Elle.


Gemisch (W3) [Adelung]


Das Gemisch, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, eine Masse mehrerer mit einander vermischter Dinge. Ein Gemisch von Öhl, Wasser und Weingeist. Was für ein Gemisch von Verstellung, Heucheley und Unsinn! Er ist ein bewundernswürdiges Gemisch von Geschicklichkeit und Einfalt. Sie schienen mit einem Gemische von Verwunderung und Andacht zuzuhören. Gelb und purpurn standen die Bäume im schönsten Gemische, Geßn. Ein röthliches Gemisch zieht von dem Berge sich ins Thal, von immer grünen Tannen und Fichten gefleckt, ebend. Bey dem Tatian Gimisg. Gemisch läßt sich so wohl in gutem als nachtheiligen Verstande gebrauchen, Mischmasch aber nur in dem letztern.


Gems (W3) [Adelung]


Der Gems, des -en, plur. inus. im Bergbaue, eine Art festen Gesteines, S. Kamm 2.


Gemsbock (W3) [Adelung]


Der Gemsbock, des -es, plur. die -böcke, S. das folgende.


Gemse (W3) [Adelung]


Die Gemse, plur. die -n. 1) Eigentlich, eine Art kleiner und wilder Felsenziegen, mit einem sehr krummen Haken an den Hörnern, von dunkelbrauner oder röthlicher Farbe, welche sich auf den felsigen Gebirgen besonders der Schweiz aufhält; Capra cornubus erectis uncinatis L. Rupicapra Klein. In der Schweiz kennet man zwey Arten derselben, wovon die eine die höchsten und unersteiglichsten Felsen bewohnet, und das Gratthier genannt wird, die andere aber an dem Fuße der Berge und in den Wäldern ihre Nahrung sucht, und das Waldthier heißt. S. diese Wörter. Saul suchte den David auf den Felsen der Gemsen, 1 Sam. 24, 2. Die Gemsen gebären auf den Felsen, Hiob 39, 1. Hier fliehet, dem gescheuchten Rehe, Der aufgejagten Gemse gleich, Die königliche Tochter Cadmus, Raml. Gemse begreift beyde Geschlechter in sich. Will man sie genauer unterscheiden, so heißt das männliche dor Gemsbock und das weibliche die Gemsziege oder das Gemsthier. 2) Im Bergbaue, ein hohler Haken an einem Stiele mit zwey krummen Zacken, die Glätte damit von dem Herde zu ziehen; wegen der Ähnlichkeit der Zacken mit einem Gemsenhorne. Anm. Der Nahme dieses Thieres lautet im Oberdeutschen Gams, Gäms, im Theuerdanke Jembß, in einer zu Berlin befindlichen alten handschriftlichen Bibel Gemais, im Ital. Camozza und Camuccia, im Franz. Chamois, im Böhm. Kamsik, in Pohln. Giemza. Popowitsch leitet diesen Nahmen mit vieler Wahrscheinlichkeit von dem alten Worte kam, krumm, her, wegen der besondern Krümme der Hörner dieses Thieres. S. Kamehl. Im Griech. bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Hirsch, und im Schwed. Gumse einen Widder, Gymmer aber ein Schaf. Das e am Ende ist im Hochdeutschen um der gelinden Aussprache des s willen nothwendig. Die Oberdeutschen Mundarten sprechen dieses s härter aus, Gäms. In eben denselben ist es an manchen Orten männlichen, und an noch mehrern ungewissen Geschlechtes. Da setzt ein schüchtern Gemß u. s. f. Hall. Da die meisten verwandten Sprachen in diesem Worte ein a haben, welches die Oberdeutsche Mundart gleichfalls sehr deutlich hören lässet, so ist die Schreibart Gämse der Abstammung gemäß, ungeachtet sich auch das e im Hochdeutschen vertheidigen lässet, weil ä und e in derselben in tausend andern Fällen mit einander abwechseln.


Gemsenballen (W3) [Adelung]


Der Gemsenballen, oder Gemsballen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gemsenkugel.


Gemsenfuß (W3) [Adelung]


Der Gemsenfuß, oder Gemsfuß, des -es, plur. die -füße, bey den Mundärzten, ein Werkzeug, die Zähne damit auszuziehen, welches auch ein Greifschnabel genannt wird; Gryphus.


Gemsengeyer (W3) [Adelung]


Der Gemsengeyer, oder Gemsgeyer, des -s, plur. ut nom. sing. der größte Raubvogel im südlichen Deutschlande, welcher sich in den dasigen Gebirgen aufhält, und Gemsen raubt.


Gemsenhorn (W3) [Adelung]


Das Gemsenhorn, oder Gemshorn, des -es, plur. die -hörner, ein Horn von einer Gemse. In den Orgeln verstehet man darunter eine Art oben enger und unten weiter Pfeifen, deren Stimme dem Klange der Viola di Gamba nahe kommt.


Gemsenjagd (W3) [Adelung]


Die Gemsenjagd, plur. inus. die Jagd der Gemsen, die Jagd auf Gemsen; die Gemsjagd.


Gemsenjäger (W3) [Adelung]


Der Gemsenjäger, des -s, plur. ut nom. sing. ein Jäger, der sich vorzüglich auf die Gemsenjagd legt, und in der Schweiz ein Gemsensteiger genannt wird.


Gemsenkraut (W3) [Adelung]


Das Gemsenkraut, des -es, plur. inus. S. Gemsenwurz.


Gemsenkugel (W3) [Adelung]


Die Gemsenkugel, oder Gemskugel, plur. die -n, eine mit verhärtetem Schleime überzogene Kugel von zusammen gebackenen Haaren, welche zuweilen in dem Magen der Gemsen gefunden wird, und aus den Haaren entstehet, welche die Gemsen verschlucken; wenn sie einander lecken; der Gemsenballen. Man legte diesen Kugeln ehedem allerley und oft sehr abergläubische Wirkungen bey.


Gemsensteiger (W3) [Adelung]


Der Gemsensteiger, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gemsenjäger.


Gemsenwurz (W3) [Adelung]


Die Gemsenwurz, oder Gemswurz, plur. inus. eine Pflanze, welche auf den höchsten Felsen, dem Wohnsitze der Gemsen, angetroffen wird; Doronicum L, Gemsenkraut. Wegen der Wirkung der Wurzel dieser Pflanze wider den Schwindel wird sie auch Schwindelkraut genannt.


Gemsthier (W3) [Adelung]


Das Gemsthier, des -es, plur. die -e, S. Gemse.


Gemsziege (W3) [Adelung]


Die Gemsziege, plur. die -n, S. ebendas.


Gemüll (W3) [Adelung]


Das Gemüll, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im gemeinen Leben, der Schutt, oder unnütze Abgang im Bauen von Steinen, dem Kalke, Lehme u. s. f. welcher im Oberdeutschen auch Kummer genannt wird. S. Mull und Kummer.


Gemünd (W3) [Adelung]


Gemünd, ein eigenthümlicher Nahme mehrerer Örter, welche an der Mündung eines Flusses liegen. Schwäbisch Gemünd, eine Reichsstadt in Schwaben, bey welcher sich mehrere Bäche in die Rheims ergießen, und von welcher auch eine Art eines sehr geringhaltigen mit vielem Kupfer versetzten Silbers Schwäbisch Gemünd genannt wird, weil es daselbst sehr häufig verarbeitet wird.


Gemurmel (W3) [Adelung]


Das Gemurmel, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Murmeln; bey dem Ottfried Murmulunga, in der Deutschen Bibel das Gemürmel, Joh. 7, 12. S. Murmeln.


Gemurre (W3) [Adelung]


Das Gemurre, des -s, plur. inus. ein wiederhohltes oder anhaltendes Murren. Mein eheliches Gemurre, im Scherze, meine Gattinn. Aber wenn Burggraf Albrecht von Kirchberg in einer Urkunde von 1417 in Aremanns Gesch. dieser Burggr. Beyl. S. 97. seine Gemahlinn in allem Ernste seine eheliche Gemore nennt, so gehört es gewiß zu einem andern Stamme.


Gemüse (W3) [Adelung]


Das Gemüse, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. alles was von Feld- und Gartenfrüchten zur Speise gebraucht wird, als Erbsen, Bohnen, Grütze, Rüben, Kohl u. s. f. und so fern es zu dem Fleische gegessen wird, auch Zugemüse heißt. Grünes Gemüse, im Gegensatze des trockenen oder Hülsengemüses.

Anm. In der Deutschen Bibel, wo dieses Wort mehrmahls vorkommt, lautet es nach Art der Oberdeutschen Gemüs. Im Hochdeutschen ist das e am Ende um des gelinden Lautes des s willen nothwendig. Im Oberdeutschen ist dafür auch Muß und Mußwerk, in Niedersachsen aber Moos, Reelkost und Reuung üblich. S. Muß.


Gemüßiget (W3) [Adelung]


Gemüßiget, S. Müßigen.


Gemüth (W3) [Adelung]


Das Gemüth, des -es, plur. die -er, die Seele, in Ansehung der Begierden und des Willens, so wie sie in Ansehung des Verstandes und der Vernunft oft der Geist genannt wird. Sein ganzes Gemüth auf etwas richten, sein ganzes Begehrungsvermögen. Ein weibisches, ein feiges, ein hohes, ein niederträchtiges, ein knechtisches Gemüth. Ein gutes Gemüth, in Ansehung seiner Gesinnung gegen andere, S. Gut. Ein böses oder böshaftiges Gemüth. Sein Gemüth gegen jemanden ändern, seine Gesinnung. Sein Gemüth erquicken, aufmuntern. Ein niedergeschlagenes Gemüth aufrichten. Sein Gemüth zerstreuen. Furchtsam von Gemüth seyn, ein furchtsames Gemüth haben. Eine Wahrheit seinem Gemüthe einprägen, so daß sie zugleich einen Einfluß auf den Willen habe. Die Gegenwart des Gemüthes, die Gegenwart des Geistes, so fern sie nicht durch Begierden und Leidenschaften gehindert wird. Einem etwas zu Gemüthe führen, durch Vorstellung einer Sache sein Begehrungsvermögen zu rühren, seinen Willen zu lenken suchen. Sich etwas zu Gemüthe ziehen, anhaltenden Kummer darüber empfinden. Wer sich alles zu Gemüthe ziehet, wird vor der Zeit grau, Gell. Der Plural wird nur in so fern gebraucht, als dieses Vermögen in mehrern Menschen angetroffen wird, da es denn oft für den ganzen Menschen steht. Der Stolz schleicht sich in die besten und edelsten Gemüther ein, Gell. Die R. A. sich ein Stück Brot, eine Bouteille Wein zu Gemüthe führen, für, sie zu sich nehmen, ist ein niedriger Scherz; wenn sie nicht von dem Nieders. Gemöte, Begegnung, und möten, entgegen kommen, herstammet.

Anm. Dieses Wort lautet in Oberschwaben Gemüat, in Schlesien Gemütte, in Niedersachsen Gemöth, im Dän. Gemyt, im Angels. Gemynd, im Engl. Mind, bey dem Kero und Ottfried noch thaz Muat, in welchem letztern Gimuato Gnade, und gimuati gnädig, leutselig, angenehm, bedeutet. S. Muth und Herz.


Gemüthlich (W3) [Adelung]


Gemüthlich, adv. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, und von einer Neigung oder Munterkeit des Gemüthes gebraucht wird, deren Bewegungsgrund man nicht deutlich einsiehet. Es ist mir heute nicht gemüthlich, spazieren zu gehen, ich habe keine Neigung dazu. Die Munterkeit des Gemüthes, oder wie es einige ausdrucken, daß es ihnen so gemüthlich sey, ist ein Zeichen der Rechtmäßigkeit einer Handlung, Baumg.

Anm. Es stammet wohl zunächst von dem veralteten gemeit, froh, angenehm, her, welches bey den Schwäbischen Dichtern sehr häufig ist. Der bluomen gemeit sin, sich über die Blumen freuen. Des wart der böse hunt gemeit, darüber ward der böse Hund froh, muthig. S. Gemüth, Anm.


Gemüthlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gemüthlichkeit, plur. die -en, der Zustand, da einem eine Sache gemüthlich ist; ohne Plural. Ingleichen dergleichen Gefühle oder dunkele Neigungen selbst.


Gemüthsart (W3) [Adelung]


Die Gemüthsart, plur. die -en, die Art, d. i. die natürliche Beschaffenheit, des Gemüthes, oder des ganzen Begehrungsvermögens; die Gemüthsfassung. Eine mürrische, lebhafte, muntere Gemüthsart haben. Er hat viel Hämisches in seiner Gemüthsart. Man erwartet von der Natur zu viel, wenn man glaubt, daß sie die Gemüthsarten der Verwandten gleichsam durch das Blut übereinstimmig machen soll, Gell.


Gemüthsbesserung (W3) [Adelung]


Die Gemüthsbesserung, plur. inus. die Besserung des Gemüthes, oder des Vermögens zu begehren und zu verabscheuen.


Gemüthsbewegung (W3) [Adelung]


Die Gemüthsbewegung, plur. die -en, eine jede merkliche Bewegung oder Richtung des Gemüthes, welche die übrigen Begierden und Vorstellungen überwieget. Es ist so wie Gemüthsneigung, Gemüthsäußerung und Gemüthsregung, theils ein allgemeiner Ausdruck, welcher die Affecten und Leidenschaften unter sich begreift, welche von einigen in engerer Bedeutung gleichfalls Gemüthsbewegungen genannt werden; theils eine Benennung der schwächsten Arten der Gemüthsbewegungen, welche auch Gemüthsneigungen und Gemüthsregungen in engerm Verstande heißen.


Gemüthsfassung (W3) [Adelung]


Die Gemüthsfassung, plur. die -en, die Fassung des Gemüthes, d. i. derjenige Zustand des Gemüthes, welcher aus der genauen Verbindung der Seele mit dem Leibe herrühret, besonders in einzelnen Fällen; eigentlich die Gemüthsverfassung. Eine mürrische, liebreiche, menschenfreundliche, zerstreuete, ruhige Gemüthsfassung. Die rechtmäßige Gemüthsfassung gegen Gott.


Gemüthsfreund (W3) [Adelung]


Der Gemüthsfreund, des -es, plur. die -e, Fämin. die Gemüthsfreundinn, plur. die -en, ein Freund, mit welchem wir durch die Übereinstimmung des Gemüthes verbunden sind; zum Unterschiede von einem Blutsfreunde.


Gemüthsfreundschaft (W3) [Adelung]


Die Gemüthsfreundschaft, plur. die -en, die Freundschaft eines Gemüthsfreundes, oder gegen denselben; zum Unterschiede von der Blutsfreundschaft.


Gemüthsgaben (W3) [Adelung]


Die Gemüthsgaben, sing. inus. die natürlichen Fähigkeiten des Gemüthes, und in weiterer Bedeutung der ganzen Seele; zum Unterschiede von den Leibesgaben.


Gemüthskraft (W3) [Adelung]


Die Gemüthskraft, plur. die -kräfte, eine jede Kraft des Gemüthes; zum Unterschiede von der Geisteskraft. In weiterer Bedeutung auch wohl die Kräfte der ganzen Seel; zum Unterschiede von den Leibeskräften.


Gemüthskrankheit (W3) [Adelung]


Die Gemüthskrankheit, plur. die -en, eigentlich eine jede Krankheit, d. i. unvollkommner Zustand, des Gemüthes; in welcher weitern Bedeutung es aber nicht üblich ist. Man gebraucht es nur in engerm Verstande von einem lange anhaltenden Grame und Kummer. Ihre Gemüthskrankheit stieg bis zu der Zerrüttung des Körpers. In welchem Falle man auch das Beywort gemüthskrank gebrauchen kann. Eine gemüthskranke Person.


Gemüthsneigung (W3) [Adelung]


Die Gemüthsneigung, plur. die -en, die Neigung des Gemüthes zu oder von einem Gegenstande, S. Gemüthsbewegung.


Gemüthsregung (W3) [Adelung]


Die Gemüthsregung, plur. die -en, S. Gemüthsbewegung.


Gemüthsruhe (W3) [Adelung]


Die Gemüthsruhe, plur. car. die Ruhe des Gemüthes, d. i. die Abwesenheit herrschender Unlust und unangenehmer Gemüthsbewegungen, welche aus der Zufriedenheit und Vergnügsamkeit entstehet.


Gemüthszustand (W3) [Adelung]


Der Gemüthszustand, des -es, plur. inus. der Zustand, d. i. die Einrichtung des Veränderlichen, in dem Gemüthe, oder dem Begehrungsvermögen, so wohl überhaupt, als auch in einzelnen Fällen, in welchem letztern Falle man auch den Plural die Gemüthszustände brauchen könnte, ob er gleich nicht üblich ist; der Gemüthsstand, die Gemüthsstellung.


-gen (W3) [Adelung]


-gen, eine unrichtige Schreibart der verkleinernden Endung chen, S. - Chen.


Gen (W3) [Adelung]


Gen, das zusammen gezogene Vorwort gegen, welches im Oberdeutschen in allen Bedeutungen dieses Vorwortes sehr häufig ist, und daselbst so wie dieses mit der dritten Endung verbunden wird. Nun mag ein iud das recht wol suchen gen einem cristen, Buch Belial 1472. Er sah das groß Swein lauffen gen im, Theuerd. Als es nun gieng gen dem morgen, ebend. Der (deren) Trew gen mir war fast wie Stahel, Hans Sachs. Weil der König gen Tyro kommen war, 2 Macc. 4, 44. In andern Stellen gebraucht Luther es von der Richtung nach einem Orte mit der vierten Endung. Gen Antiochiam kommen, senden, Apost. Gesch. 15, 22, 30. Gen Mitylenen, Kap. 20, 14. Gen Nicopolin, Tit. 3, 12. Im Hochdeutschen ist dieses zusammen gezogene Vorwort größten Theils veraltet. Man gebraucht es zwar noch zuweilen vor einigen eigenthümlichen Nahmen der Örter, gen Leipzig, gen Frankfurt reisen, für nach; allein das gehöret in die gemeine Sprechart, und ist auch hier noch ein Überbleibsel des Oberdeutschen. Wohl aber gebraucht man es noch, selbst in der edlen Schreibart, vor dem Worte Himmel, ohne Artikel. Gen Himmel fahren. Sein Herz, seine Augen gen Himmel richten. Seine Hände gen Himmel ausbreiten. Ingleichen in der Seefahrt, die Richtung des Windes zu bezeichnen. Der Wind ist Nord gen Ost.

Anm. Es findet sich diese Zusammenziehung auch in einigen andern Sprachen. Dahin gehören das Schwed. gen oder igen, das Isländ. gen, und das Angels. gean. In den Wörtern Jener, Jenseit, ist das g in ein i übergegangen.


Genage (W3) [Adelung]


Das Genage, des -s, plur. car. ein mehrmaliges oder anhaltendes Nagen.


Genähe (W3) [Adelung]


Das Genähe, des -s, plur. car. das Nähen, besonders in Rücksicht auf die Art und Weise. Das zierliche Genähe.


Genäschig (W3) [Adelung]


Genäschig, S. Näschig.


Genau (W3) [Adelung]


Genau, -er, -este, adj. et adv. 1. Eigentlich, nahe, nahe anliegend, enge; eine noch im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Genaue Schuhe, enge, knappe Schuhe. Auch im Nieders. sagt man ein genaues Zimmer, für ein enges Zimmer. Im Hochdeutschen gebraucht man es in derselben nur als ein Nebenwort. Das Kleid liegt sehr genau an. Der Stöpsel paßt sehr genau. Die Thür schließt nicht genau genug an. 2. Figürlich. 1) Nahe, enge, im sittlichen Verstande. Eine genaue Freundschaft, ein angelegentliches Bestreben einer starken gegenseitigen Liebe. Eheleute sind auf das genaueste mit einander verbunden. Er ist mein sehr genauer Freund. Die Ehe ist das genaueste Band der Menschen, Gell. Eine Person, die mich durch Gegenliebe auf das genaueste fesselt, ebend. Die nähere und genauere Vereinigung mit Gott, zum Unterschiede von der allgemeinen. 2) Allen einzelnen Theilen, allen Umständen nach, accurat. Wenn du dein Land einerndest, solt du - nicht alles genau auflesen, 3 Mos. 19, 9. Auch solt du deinen Weinberg nicht genau lesen, V. 10. Ich kenne ihn sehr genau. Etwas sehr genau untersuchen. Eine genaue Nachfrage, Untersuchung anstellen. Ich weiß nicht genau, was er im Schilde führet. Es riecht genau wie Schwefel. Er siehet genau so aus, wie sein Bruder. Er wußte alle Umstände auf das genaueste. Die Sache ist mir ganz genau bekannt. Auf sein Thun und Lassen genau Acht geben. Genaue Rechenschaft von etwas fordern. Einem Befehle auf das genaueste nachkommen. Ein genaues Gewissen, welches alle Umstände der Handlungen so stückweise, als möglich, beurtheilet, im Gegensatze des übereilten Gewissens. Man muß nicht alles so genau nehmen, nicht alles stückweise untersuchen und ahnden. In der Reinlichkeit pfleget er es so genau nicht zu nehmen. 3) In engerer Bedeutung, mit einer Sache und allen ihren Theilen und Umständen überein kommend, nicht mehr enthaltend, als wesentlich an derselben befindlich ist. Ich achte das Herz meiner Verwandten hoch, aber ich fühle im genauen Verstande nicht den Reiz der Liebe, Gell. Genau davon zu reden. Er verrhut genau so viel, als er einnimmt. Es gehen genau drey Maß hinein. Mit genauer Noth, kaum. Er ist mit genauer Noth entkommen, er hatte gerade so viele Zeit und bequeme Umstände, und nicht mehr, als zu seinem Entkommen äußerst nothwendig war. Der genaueste Preis einer Waare, der nächste, unter welchem sie nicht gelassen werden kann. 4) So sparsam, daß man auch den kleinsten Theil zu erhalten oder zu ersparen sucht. Sehr genau handeln, dingen. Sich sehr genau behelfen, mit Sparsamkeit auch in den kleinsten Umständen. Er ist sehr genau, sagt man von jemanden, der die Sparsamkeit auch auf die geringsten Umstände erstrecket; ein geringerer Grad der Kargheit. Du bist meine liebe Frau, wenn du nur etwas genauer seyn wolltest, Gell. Siehe Knauser.

Anm. Das einfache nau, aus welchem unser genau nur durch Vorsetzung des Oberdeutschen ge gebildet worden, ist im Nieders. noch völlig gangbar. Im Holländ. lautet es nauw, im Dän. noye, im Schwed. noga. Andere Mundarten haben es gleichfalls mit dem vorgesetzten Hauchlaute, wie das Angels. hneaw. Bey dem Ottfried kommt dafür genoto, und bey dem Notker gnoto und knoto vor. Im Nieders. ist statt dessen auch nipp und knapp üblich, welche gleichfalls von nau und genau abstammen, S. Knapp. Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt es von nahe her, daher es in allen verwandten Sprachen auch eigentlich enge bedeutet.


Genauigkeit (W3) [Adelung]


Die Genauigkeit, plur. inus. der Zustand, da ein Ding genau ist, doch nur in den letzten figürlichen Bedeutungen. Etwas mit vieler Genauigkeit betrachten, beschreiben, untersuchen. Franz. Accuratesse. Die Genauigkeit im Vortrage, wenn alle einzelne Theile gründlich behandelt werden, Gründlichkeit in Ansehung aller einzelnen Theile. Eines Befehl mit der größten Genauigkeit vollziehen. Auch von der Fertigkeit, die Sparsamkeit bis auf die geringsten Theile seines Vermögens auszudehnen, welches ein geringerer Grad der Kargheit ist, und im Nieders. gleichfalls Nauigkeit heißt.


Genecke (W3) [Adelung]


Das Genecke, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Necken. Das kommt aus dem Genecke.


Genehm (W3) [Adelung]


Genehm, adj. et adv. von dem Zeitworte nehmen. 1. * Eigentlich, was man gern nimmt; in welcher jetzt veralteten Bedeutung dieses Wort ehedem im Oberdeutschen von dem Gelde gebraucht wurde. Genehmes Geld, welches gäng und gebe ist. 2. Figürlich. 1) * Was man mit Wohlgefallen empfindet; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, wofür angenehm eingeführet worden. Do ducht sies so geneme, Stryk. Ein so genemer hort, Winsbeck. Ein frouwe geneme, Dietmar von Ast. Im Hochdeutschen gebraucht man es, 2) nur noch als ein Nebenwort, mit dem Zeitworte halten. Es genehm halten, es für vortheilhaft erkennen, und daher bewilligen. Einen Vorschlag, eine Bitte genehm halten. In weiterer Bedeutung, es für vortheilhaft erkennen, und daher zum Bewegungsgrunde seiner Handlungen machen. Den göttlichen Willen, die Vorschrift der Heilsordnung genehm halten, sie erfüllen. Das Vorwort für dem Nebenworte vorzusetzen, für genehm halten, ist unnöthig. S. Genehmigen.


Genehmhaltung (W3) [Adelung]


Die Genehmhaltung, plur. die -en, welches aus der vorigen Redensart zusammen gesetzet ist, die Handlung, da man etwas genehm hält. Mit Genehmhaltung seiner Obern verreisen, mit ihrer Bewilligung. Es ist mit meiner Genehmhaltung geschehen. Die Genehmhaltung der göttlichen Vorschrift, deren Befolgung. Die Genehmhaltung eines Glaubens-Bekenntnisses.


Genehmigen (W3) [Adelung]


Genehmigen, verb. reg. act. genehm halten. Einen Vorschlag, eines Ansuchen genehmigen. Im Oberdeutschen begenehmigen. Daher die Genehmigung, die Genehmhaltung.


Geneige (W3) [Adelung]


Das Geneige, des -s, plur. car. ein mehrmahliges oder wiederhohltes Neigen, im gemeinen Leben.


Geneigt (W3) [Adelung]


Geneigt, -er, -este, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes neigen ist, aber doch in einigen figürlichen Bedeutungen als ein besonderes Wort gebraucht wird. 1) Fertigkeit zu Begierden, und in weiterm Verstande zu Veränderungen gewisser Art habend. Der Mensch ist von Natur zum Bösen geneigt. Zum Frieden geneigt seyn. Zum Zorne, zum Trunke, zum Spielen geneigt. Ich bin geneigt, auch euch zu Rom das Evangelium zu predigen, Röm. 1, 15. Zu Krankheiten, zu Kopfschmerzen, zu Flüssen geneigt seyn. 2) In engerer Bedeutung, Fertigkeit besitzend, des andern Glück gerne zu sehen. Einem geneigt seyn. Sich geneigt gegen jemand erzeigen. Ich erkenne deinen geneigten Willen, dein geneigtes Gemüth. Sich zu geneigtem Andenken empfehlen. Im Schwed. benaegen. Siehe Neigen.


Geneigtheit (W3) [Adelung]


Die Geneigtheit, plur. inus. der Zustand, da man zu etwas geneigt ist, oder einer Person geneigt ist, in beyden Bedeutungen des Beywortes. 1) Die Fertigkeit zu einer Art von Begierden oder Veränderungen. Die Geneigtheit des menschlichen Willens zum Unwillen gegen Gott, der menschlichen Natur zum Bösen. S. Neigung. 2) Die Fertigkeit, des andern Glück gern zu sehen. Geneigtheit gegen jemanden haben, empfinden.


Geneis (W3) [Adelung]


Geneis, S. Gneis.


General (W3) [Adelung]


General, ein unabänderliches Beywort, welches aus dem Latein. generalis, allgemein, entlehnet ist, und im gemeinen Leben nur in der Zusammensetzung mit verschiedenen Hauptwörtern vorkommt, deren allgemeine, oder über alle Dinge einer bestimmten Art sich erstreckende Wirkung oder Gewalt zu bezeichnen. S. die folgenden Zusammensetzungen.


General (W3) [Adelung]


Der General, des -es, plur. die -e, aus dem mittlern Lat. Generalis, eine Person zu bezeichnen, welche unter mehrern ihrer Art, die höchste Würde hat; doch nur in einigen bereits eingeführten Fällen. So heißt bey verschiedenen Mönchsorden in der Römischen Kirche das Oberhaupt des ganzen Ordens der General, zum Unterschiede von den Provinzialen, welches die ihm untergeordneten Häupter in den Provinzen sind. In dem Kriegswesen Deutschlandes und der meisten nordischen Staaten ist der General ein vornehmer Befehlshaber, dessen Würde unmittelbar auf die Würde des Feldmarschalles folget, und oft durch allerley Beysätze näher bestimmet wird. Dessen Gattin die Generalinn, plur. die -en. Ein wirklicher General von der Infanterie, heißt bey der kaiserlichen Armee General-Feldzeugmeister, und der von der Reiterey, General von der Cavallerie. Oft bezeichnet man mit dem Worte General nur überhaupt einen Feldherren, den Anführer eines ganzen Kriegsheeres oder doch eines ansehnlichen Theiles desselben, ohne dessen besondere Würde näher zu bestimmen. Z. B. wenn man sagt, ein General müsse einen abgehärteten Körper, einen lebhaften Geist u. s. f. haben. Unter die Generale in engerer Bedeutung, oder zur hohen Generalität, rechnet man nur die General-Lieutenants, die General-Feldmarschälle, die Generale von der Cavallerie, die General-Feldzeugmeister, die General-Feldmarschall-Lieutenants, und die General-Feldwachtmeister oder General-Majors, dagegen die General-Adjutanten, General-Kriegs-Commissarii u. s. f. nicht dahin gerechnet werden. Im Oberdeutschen wurde ein General ehedem auch Oberst-Hauptmann genannt, dagegen Fronsberg noch den commandirenden General, den General en chef, den obersten General nennet. Unter den vielen mit diesem Worte zusammen gesetzten Ausdrücken mögen folgende zur Probe dienen.


General-Accise (W3) [Adelung]


Die General-Accise, plur. inus. außer von mehrern Auflagen dieser Art, die -n, in einigen Ländern, z. B. in Sachsen, eine allgemeine Accise, zu welcher alle Einwohner und alle Waaren verpflichtet sind. S. Accise.


General-Adjutant (W3) [Adelung]


Der General-Adjutant, des -en, plur. die -en, bey dem Kriegswesen, ein Officier, welcher dem General zugeordnet ist, dessen Befehle zu überbringen und auszurichten, zum Unterschiede von den bey den Regimentern u. s. f. befindlichen Adjutanten; Franz. Aide de Camp.


General-Admiral (W3) [Adelung]


Der General-Admiral, des -es, plur. die -räle, in den vereinigten Niederlanden, der oberste Admiral, welcher das Haupt aller Admiralitäts-Collegien ist.


Generalat (W3) [Adelung]


Das Generalat, des -es, plur. die -e, das Amt und die Würde eines Generals. In Ungarn führen auch gewisse Gouvernements den Nahmen der Generalate.


General-Auditeur (W3) [Adelung]


Der General-Auditeur, des -s, plur. die -e, bey dem Deutschen und nordischen Kriegswesen, der vornehmste Auditeur oder die vornehmste Gerichtsperson bey einer Armee, dessen Gehülfe und Stellvertreter General-Auditeur-Lieutenant genannt wird.


General-Baß (W3) [Adelung]


Der General-Baß, des -sses, plur. die -Bässe, in der Musik, derjenige Baß, welcher die ganze Harmonie des Stückes in sich begreift; Ital. Basso continuo.


General-Befahrung (W3) [Adelung]


Die General-Befahrung, plur. die -en, im Bergbaue, die Hauptuntersuchung der Berggebäude, welche jährlich von dem Bergamte geschiehet.


General-Capitel (W3) [Adelung]


Das General-Capitel, des -s, plur. ut nom. sing. das allgemeine Capitel oder die Versammlung aller Glieder einer Gesellschaft, oder ihrer Abgeordneten, deren Versammlung ein Capitel genannt wird. Das General-Capitel eines Mönchsordens. Auch die Tuchscherer haben General-Capitel, welche bey ihren Kreisladen zu Wien, Breslau und Posen gehalten werden. S. Capitel 3.


General-Feldmarschall (W3) [Adelung]


Der General-Feldmarschall, des -es, plur. die -schälle, bey den Kriegsheeren, der oberste Feldmarschall. In weiterer Bedeutung führet in Deutschland ein jeder Feldmarschall diesen Nahmen. S. Feldmarschall.


General-Feldwachtmeister (W3) [Adelung]


Der General-Feldwachtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. bey dem Deutschen und nordischen Kriegswesen, ein Befehlshaber, welcher auf den General-Lieutenant folget, alle Obersten und Brigadiers commandiret, und auch General-Major genannt wird; Franz. Marechal de Camp. In Pohlen und Litthauen ist der General-Feldwachtmeister ein vornehmer Reichsbeamter. S. Feldwachtmeister.


General-Feldzeugmeister (W3) [Adelung]


Der General-Feldzeugmeister, des -s, plur. ut nom. sing. eine Generals-Person bey dem Kriegswesen, welche die oberste Aufsicht über die gesammte Artillerie hat; der oberste Feldzeugmeister, Franz. Grand-Maitre de l'Artillerie. S. der General, ingleichen Feldzeugmeister.


General-Fiscal (W3) [Adelung]


Der General-Fiscal, des -es, plur. die -äle, in einigen Staaten, der oberste und vornehmste Fiscal. S. Fiscal.


General-Gewaltiger (W3) [Adelung]


Der General-Gewaltiger, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen Kriegsheeren, der oberste Criminal-Richter, welcher im Felde für die Aufrechterhaltung der Polizey sorget, und die Verbrecher auf der Stelle bestrafen lässet; Franz. Grand-Prevot. d'Armee. S. Gewaltiger.


Generalität (W3) [Adelung]


Die Generalität, plur. inus. die sämmtlichen Generals-Personen eines Kriegsheeres. Von dem mittlern Lat. Generalitas. S. der General.


General-Kriegs-Commissarius (W3) [Adelung]


Der General-Kriegs-Commissarius, des -rii, plur. die -rii, der oberste Kriegs-Commissarius bey einer Armee, welcher die Aufsicht über das ganze Commissariat hat; Franz. Commissaire General des Armees.


General-Landtag (W3) [Adelung]


Der General-Landtag, des -es, plur. die -e, ein allgemeiner Landtag, der in einer großen Provinz gehalten wird. Dergleichen sind die General-Landtage in Groß- und Klein-Pohlen, welche nach den vorher gegangenen kleinern oder besondern Landtagen in den Woiwodschaften und Bezirken, gehalten werden.


General-Lieutenant (W3) [Adelung]


Der General-Lieutenant, des -s, plur. die -s, bey dem Kriegswesen, ein vornehmer Befehlshaber, welcher auf den wirklichen General folget, und dem General-Major vorgehet; Franz. Lieutenant-General.


General-Major (W3) [Adelung]


Der General-Major, des -s, plur. die -s, S. General-Feldwachtmeister.


General-Marsch (W3) [Adelung]


Der General-Marsch, des -es, plur. die Märsche, bey den Armeen, ein Marsch, welcher alsdann geschlagen wird, wenn die ganze Infanterie oder auch ein ganzes Corps aufbrechen, oder sich zum Treffen fertig machen soll.


General-Quartiermeister (W3) [Adelung]


Der General-Quartiermeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein vornehmer Befehlshaber bey einem Kriegsheere, welcher den Marsch und das Lager anordnet, und für dessen Sicherheit sorget. Franz. Marechal General des Logis de l'Armee. Unter ihm stehen der General-Quartiermeister-Lieutenant, welcher seine Stelle vertritt, und der General-Stabs-Quartiermeister.


General-Schmelzung (W3) [Adelung]


Die General-Schmelzung, plur. die -en, in dem Chursächsischen Erzgebirge, eine Veranstaltung, wo die geringhaltigen Erze der Gewerken zu Marienberg und Schneeberg geschmelzet und zu Gute gemacht werden.


Generals-Person (W3) [Adelung]


Die Generals-Person, plur. die -en, eine jede mit der Würde eines Generals begabte Person; besonders in dem Kriegswesen. S. der General.


General-Staaten (W3) [Adelung]


Die General-Staaten, sing. inus. nach dem Franz. les Etats Generaux, in den vereinigten Provinzen der Niederlande, die Häupter der sämmtlichen vereinigten Provinzen, deren Versammlungsort im Haag ist; zum Unterschiede von den Staaten oder Ständen in jeder Provinz.


General-Stab (W3) [Adelung]


Der General-Stab, des -es, plur. inus. in dem Kriegswesen, die Generalität, die sämmtlichen Generals-Personen eines Kriegsheeres. S. Stab.


General-Starost (W3) [Adelung]


Der General-Starost, des -en, plur. die -en, in Pohlen, eine Benennung des Starosten von Posen, oder Groß-Pohlen, weil alle übrige Starosten dieser Provinz unter ihm stehen; daher er auch Ober-Starost genannt wird.


General-Sturm (W3) [Adelung]


Der General-Sturm, des -es, plur. die -Stürme, im Kriegswesen, ein Sturm, der von dem ganzen belagernden Corps auf einen Ort unternommen wird; der Hauptsturm.


General-Superintendent (W3) [Adelung]


Der General-Superintendent, des -en, plur. die -en, in der Evangelisch-Lutherischen Kirchenverfassung, der oberste unter den Superintendenten einer Provinz oder eines Landes.


General-Wagenmeister (W3) [Adelung]


Der General-Wagenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. der vornehmste Wagenmeister bey einem Kriegsheere, welcher den Marsch des Gepäckes anordnet, und die Aufsicht über alle dazu gehörigen Personen hat.


Genesen (W3) [Adelung]


Genesen, verb. irreg. ich genese, du genesest, er geneset; Imperf. ich genas; Mittelw. genesen; Imperat. genese; welches dem weitesten Umfange seiner ehemaligen Bedeutungen nach in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Activum. 1. * Überhaupt erretten, aus einer Noth, von einer Gefahr, Verlegenheit befreyen; eine veraltete Bedeutung, in welcher schon ganisan und nasgan bey dem Ulphilas vorkommt. Andere teta er genesen, sih ne mag er selber generieren, Notk. er hat andern geholfen, er helfe sich nun auch selbst. Das letztere generieren ist bloß durch die gewöhnliche Verwechselung des r und s aus genesen, oder dieses aus jenem entstanden. Genere mih, errette mich, Notk. In eben diesem Verstande gebraucht Ottfried das einfache neran. Das Angels. nerian und Schwed. naera bedeutet nicht nur nähren, sondern überhaupt erhalten, erretten, und Nerigend im Angels. und Nerrendh im Isidor, einen Heiland. Der Gegensatz ist das veraltete verneißen, bey dem Notker ferniuzzen, verderben. S. Nähren und Genießen. 2. * Besonders, von einer Krankheit befreyen, heilen; bey dem Notker keneran, bey dem Königshofen erneren, bey dem Ulphilas ganasjan. In diesem Verstande ist es noch in einigen Oberdeutschen Gegenden und im Holländischen üblich, wo auch Genesmeister, Holl. Geneesmester, einen Arzt, die Geneskunst die Arzeneykunde, und Geneslohn den Arztlohn bedeutet. II. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. * Erhalten, errettet, aus einer Gefahr, aus einer Verlegenheit befreyet werden, am Leben bleiben; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung. Thiu mag genesan vore themo haveko, die kann von dem Habichte befreyet werden, Willer. Dadurch der pawr vor dem todt genaß, bewahret wurde, Theuerd. Kap. 69. Ich bin fro das wir sein genesen, glücklich davon gekommen, Kap. 71. Wer seine Augen niederschlägt, der wird genesen, Hiob 22, 29; dem mit niedergeschlagenen Augen hilft er, Michael. Der Fromme wird genesen, Sprichw. 28, 18. Stärke mich, daß ich genese, Pf. 119, 117. Auch in dieser Bedeutung kommt generen in ältern Oberdeutschen Schriften mehrmahls vor. Bey dem Notker ist Geniste das Heil, die Wohlfahrt, im Theuerdanke Genieß das Glück. 2. Besonders. 1) Von einer Krankheit befreyet werden, gesund werden; in welcher Bedeutung es noch in der anständigen Schreibart der Hochdeutschen üblich ist. Der Kranke ist genesen, wird bald genesen. Von einer Krankheit genesen. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung. Auch Luna kann noch nicht der Liebesbrunst genesen, Opitz. In eben diesem Verstande kommt gineran bey dem Ottfried und ginesan in der Monseeischen Glosse vor. 2) Eines Kindes genesen, von demselben entbunden werden; nur noch zuweilen in der höhern Schreibart der Hochdeutschen. Eines Knaben genesen, Es. 66, 7. Geniset si des kindes, im Schwabensp. Du, dessen unverweibt die Mutter ist genesen, Opitz.


Genesung (W3) [Adelung]


Die Genesung, plur. inus. der Zustand, da man die verlorne Gesundheit wieder erlanget. Es lässet sich mit dem Kranken zur Genesung an. Das Genesungsmittel, die Arzeney.


Genick (W3) [Adelung]


Das Genick, des -es, plur. die -e, die Höhlung oder das Gelenk des Nackens zwischen dem ersten und zweyten Wirbelbeine; Lat. Fossa. Einem Thiere das Genick brechen, worauf augenblicklich der Tod erfolget. Sich im Fallen das Genick abstoßen. Einem zum Strange verurtheilten Missethäter das Genick abstoßen; Nieders. dahlmücken. In weiterer Bedeutung auch wohl der ganze Nacken, oder der hintere Theil des Halses; Lat. Cervix.

Anm. Im Nieders. Nick, Gnick, Knick, im mittlern Lat. Genuculum, im Franz. la Nuque, im Ital. Nocco, Nuca. Es kommt von nicken, dem Frequentativo von neigen, her. S. Nacken.


Genicke (W3) [Adelung]


Das Genicke, des -s, plur. inus. ein mehrmaliges oder wiederhohltes Nicken.


Genicken (W3) [Adelung]


Genicken, verb. reg. act. im gemeinen Leben und bey den Jägern, das Genick brechen, einschlagen. Einen Hafen genicken, ihm mit der flachen Hand das Genick abschlagen, bey den Jägern. S. auch Knicken.


Genickfang (W3) [Adelung]


Der Genickfang, des -es, plur. die -fänge, bey den Jägern, ein Fang, d. i. Stich, welchen man einem Hirsche, Thiere, oder Rehbocke in das Genick gibt, um es dadurch zu tödten. Einem Thiere den Genickfang geben.


Genickfänger (W3) [Adelung]


Der Genickfänger, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, ein spitziges, schmales, auf beyden Seiten scharfes Messer, den Genickfang damit zu geben.


Genie (W3) [Adelung]


Das Genie, (sprich Schenie, zweysylbig) des -s, (sprich Schenies, dreysylbig) plur. die -s, (sprich Schenies, zweysylbig,) das in den neuern Zeiten im Deutschen aufgenommene Franz. Wort Genie, welches nicht von dem Lat. Genius, sondern von Ingenium abstammet, wofür in den mittlern Zeiten auch nur Genium üblich war. 1. Die natürliche Art eines Dinges, die angeborne Art eines Menschen in Ansehung der Kräfte seines Geistes. Das Genie der Sprache, die eigenthümliche Art derselben, ihre Natur. Das eigenthümliche Genie eines Zeitalters. Ein Mensch von einem langsamen, trägen, schläferigen, muntern Genie, von einem langsamen u. s. f. Kopfe. In dieser Bedeutung kann man es im Deutschen füglich entbehren. 2. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung. 1) Eigentlich, die natürliche Geschicklichkeit, gewisse Dinge leichter und besser zu vollbringen, als andern möglich ist; welche Geschicklichkeit die Folge eines bestimmten Verhältnisses aller Erkenntnißvermögen, oder eines hohen Grades aller Geisteskräfte ist. Ein Mensch von vielem Genie. Ein großes, ein vortreffliches, ein außerordentliches Genie. Das Genie bestehet hauptsächlich in dem Vermögen, sich aller intellectuellen Fähigkeiten der Seele mit Geschicklichkeit und Leichtigkeit zu bedienen, Sulz. in der Entwickel. des Begriffs vom Genie. Ein philosophisches, ein poetisches, ein moralisches, ein historisches Genie haben. Viel Genie zur Poesie oder für die Poesie, zur Musik oder für die Musik haben. Werke des Genies. Man stehet aus dem oben gegebenen Begriffe, daß die statt dessen von einigen versuchten Deutschen Ausdrücke denselben bey weiten nicht erschöpfen, ob sie gleich in manchen einzelnen Fällen dafür gebraucht werden können. Logau gebraucht dafür das Wort Sinn, andere nennen es den innern Sinn, ein völlig unbequemer ja unrichtiger Ausdruck, nach andern die Anlage, die Gemüthsfähigkeit, die Geisteskraft, das Geschick, den geist u. s. f. welche unter andern auch um deßwillen untauglich sind, weil keines derselben den hohen Grad aller Geistes- kräfte ausdruckt; welcher eigentlich das Genie macht. Kopf wäre vielleicht noch das einzige Deutsche Wort, welches das Französische mit der Zeit verdrängen könnte, wenn ihm nur nicht etwas Niedriges anklebte, und wenn es nicht zunächst die obern Kräfte der Seele bezeichnete, dagegen Genie sich auch, und zwar vorzüglich, über die unteren Kräfte erstreckt. Man sehe mein Buch über den Deutschen Styl, Th. 2, S. 361; wo zugleich bewiesen worden, daß es von Ingenium, keines Weges aber, wie gemeiniglich behauptet wird, von Genius abstammet. Man sagt bereits, er hat Kopf, d. i. er hat Genie. Er ist ein Mann von vielem Kopfe, von vielem Genie. 2) In noch engerer Bedeutung verstehet man unter diesem Ausdrucke zuweilen, besonders in den schönen Künsten, die zum Erfinden nöthige scharfe und schnelle Beurtheilungskraft, schnellen Witz und unerschrockenen Muth. Das Genie erschafft, das Talent setzt nur ins Werk. Der wegen der Wildheit seines Genies so verschrieene Ariost. Genie geht nach der Ordnung der Natur vor dem Geschmacke her. 3) Figürlich. Eine mit Genie begabte Person, in beyden Bedeutungen. Locke, Newton, Leibnitz waren große Genies. Das Jahrhundert Leo des Zehnten brachte viele Genies hervor. Unter rohen wilden Völkern stehen nur selten vorzügliche Genies auf.


Genieß (W3) [Adelung]


* Der Genieß, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen veraltetes Hauptwort von dem Zeitworte genießen. 1) Der Genuß einer Sache, bey den Jägern. Den Hunden den Genieß geben, ihnen von dem gefällten Wildbrete das Eingeweide und den mit Brot vermischten Schweiz zu fressen geben, welches Fressen selbst auch der Genieß, ingleichen das Gepfneisch genannt wird. Andere nennen es den Genuß, S. dieses Wort. 2) Der Nutzen, Gewinn. Um Genießes willen in Irrthum des Balnams fallen, Br. Jud. v. 11. Dem Herren viel Genieß zu tragen, Ap. Gesch. 16, 16, 19. Was vor Zeiten schelmisch hieß, Heißet ehrlich, bringt Genieß, Logau. In dieser Bedeutung wird das Genießchen, auch an einigen Orten im Scherze von einem kleinen Nutzen, von einem Profitchen gebraucht. S. Genießlich. 3) Gemeinschaft, Umgang. Was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? 2 Cor. 6, 14.


Genießbar (W3) [Adelung]


Genießbar, -er, -ste, adj. et adv. was sich genießen lässet; im Oberdeutschen genießlich. Die Gaben des Glücks verlieren ihren Werth, wenn die Freude sich uns nicht genießbar macht. Daher die Genießbarkeit, plur. inus.


Genießbrauch (W3) [Adelung]


Der Genießbrauch, des -es, plur. inus. der Gebrauch des Genießes, d. i. des Ertrages einer Sache; Vsus fructus, der Nießbrauch, die Fruchtnießung, Fruchtnutzung. S. Genieß 2.


Genießen (W3) [Adelung]


Genießen, verb. irreg. act. ich genieße, du genießest, im Oberd. geneußest, er genießet oder genießt, im Oberd. geneußt; Imperf. ich genoß; Mittelw. Genossen; Imperat. genieße oder genieß, Oberd. geneuß. An den Wirkungen eines Gutes Theil nehmen, Nutzen davon haben. 1. Überhaupt, mit der vierten Endung der Sache. 1) Mit Anmuth empfinden, besonders von Dingen, die man selbst hat oder besitzet. Die Ruhe genießen. Seine Glückseligkeit genießen. Die Freuden des Lebens genießen. Der süße Frieden, welchen man in dem Schooße seiner Familie genießt. Gott genießen, eine auschauende Erkenntniß des Guten in ihm haben. Im Oberdeutschen mit der zweyten Endung der Sache. Arbeiten und deß nicht genießen, Hiob 20, 18. Land, Stadt, Mensch, Vieh und Feld geneußt der füßen Ruh, Opitz. Welches auch in der edlen und höhern Schreibart der Hochdeutschen häufig nachgeahmet wird. Der Freuden des Lebens genießen, Gell. Gott hat die Menschen so gebildet, daß sie der Gaben seiner Gnade mit Ergetzung genießen können, ebend. Geh, meine gute Laura, laß mich dieses Glücks genießen, Weiße. Geneuß, geneuß der Ruh, die dir entzogen, Seit ich dieß Feuer angefacht, Raml. Woraus zugleich die Unrichtigkeit der von Frisch gegebenen Regel erhellet, daß genießen die vierte Endung erfordere, wenn man eine Sache ganz, und die zweyte, wenn man nur einen theil derselben genieße; indem im Oberdeutschen mehrere Zeitwörter ohne alle Einschränkung die zweyte Endung erfordern. Wenn dieses Zeitwort absolute siehet, so bedeutet es oft überhaupt, angenehme Empfindungen aller Art haben. Der Wollüstling will nur genießen, niemahls denken. Wie kluge zu genießen wissen, Verbleibt dem Pöbel unbewußt, Haged. Einen solchen Menschen der nur immer genießen, d. i. sinnliche angenehme Empfindungen haben will, nennet Luther in der Erklärung des Magnificat sehr richtig und treffend einen Nießling. 2) In weiterer Bedeutung, Nutzen von etwas haben, an den guten Wirkungen und Folgen einer Sache Theil nehmen. Selig ist, die da unschuldig ist - dieselbe wirds genießen, zur Zeit, wenn man die Seelen richten wird, Weish. 3, 13. Du hast das erst künftig zu genießen, wirst erst künftig die guten Folgen davon empfinden. Ich wills die Armen schon genießen lassen, Gell. Im Oberdeutschen und der edlen Schreibart der Hochdeutschen, gleichfalls mit der zweyten Endung. Der Frucht des Windes geneust man, Sprichw. 13, 2. Der Gerechte wird sein ja genießen, Pf. 58, 2. 3) In der weitesten Bedeutung, der Gegenstand einer vortheilhaften Begegnung seyn, ohne eben den Begriff der damit verbundenen angenehmen Empfindung auszudrucken; gleichfalls zuweilen mit der zweyten Endung. Er hat in seiner Jugend den besten Unterricht genossen. Glückselig sind wir, die wir einer guten Erziehung genossen haben, Gell. Wir haben viel Gutes, viel Ehre, viel Höflichkeit bey ihnen genossen. Ich danke für genossene Ehre, für genossene Höflichkeit. Viele Wohlthaten von jemanden genießen. 2. Besonders, in einigen einzelnen Fällen. 1) Durch die Sinne empfinden. In diesem Verstande gebraucht man dieses Wort nur in der anständigen Sprechart des Jagdwesens für riechen. Der Hund genießt die Fährte, wenn er sie durch den Geruch empfindet. 2) Als Speise und Trank zu sich nehmen. Das heilige Abendmahl genießen. Die Speise ist so gesalzen, daß man sie nicht genießen kann. Ich habe heute den ganzen Tag noch nichts genossen. Wollen sie nicht etwas davon genießen? zu sich nehmen. Bey den Jägern sagt man, den Hund genossen machen, wenn man ihm einen gewissen Theil von dem erlegten Wilde zu fressen gibt, welches auch, den Genieß, oder den Genuß geben, ingleichen pfneischen genannt wird. 3) Sonderbar ist die im gemeinen Leben übliche R. A. einem etwas für genossen hingehen lassen, es ihm ungeahndet, ungerächet lassen. Ich kann es zufrieden seyn, daß man ihm auch jenes nicht für genossen ausgehen lässet, Less. Wie aber geht es dem für so genossen aus? Can. Allein, es hat allen Anschein, daß dieses Mittelwort nicht zu genießen, sondern zu genesen gehöret, welches ursprünglich mit genießen, verwandt zu seyn scheinet, und in irgend einer Gegend mit demselben auf einerley Art mag seyn abgewandelt worden. Genossen kommt bey den ältern Schriftstellern mehrmahls für unbe- schädigt, glücklich, unverletzt, vor. Thaz sie genozen iht entrinnen, damit sie nicht glücklich davon kommen, Fragm. de bello Caroli bey dem Schilter v. 3226. Swer genozen hine vare, wer glücklich davon kommt, v. 3334. Varent sie also genozen hinnen, v. 3454. Vnd schol genossen hin khomen, Stryk. Kap. 14. Sect. 3. So auch die Genießung, wenigstens in einigen Fällen, da in den meisten auch der Genuß üblich ist. S. dasselbe.

Anm. Dieses Zeitwort lautet in den meisten der jetzt angeführten Bedeutungen bey dem Ottfried so wohl geniazan, ginuzzen, als niazan, niezan, und mit der gewöhnlichen Verwechselung des Zischlautes mit dem t, nieton, im Schwabensp. niezzen, im Garten der Gesundheit von 1490 genutzen und nutzen, wo es auch Arzeney einnehmen bedeutet, in Schwaben noch jetzt niazan, im Nieders. neten, geneten, im Angels. notian, nyttian, im Dän. nyde, im Schwed. njuta, bey dem Ulphilas niutan und ganiutan. Da das n in manchen, besonders nordischen Sprachen, ein bloßer müßiger Vorsatz ist, so glaubt Ihre, daß unser nießen und nieten mit dem Latein. uti genau verwandt sey. Ist dieses, so könnte es von essen, Nieders. eten, abstammen, da denn die zweyte besondere Bedeutung als die erste eigenthümliche angesehen werden müßte. S. Nutz, Nutzen, Niedlich. Ottfried gebraucht es so wohl mit der zweyten, als vierten Endung. Die Oberdeutsche Conjugation geneußest u. s. f. welche eine Überbleibsel einer rauhern Mundart ist, wo dieses Zeitwort geneußen lautet, ist auch in der höhern Schreibart der Hochdeutschen nicht ungewöhnlich, weil sie den Mund mehr füllet, folglich für erhabener gehalten wird, als das ründere genießest. Ehedem hatte man auch das Activum genießen oder genieten, genießen machen, welches noch bey dem Notker vorkommt. Langero tago genieton ih im, mit langen oder vielen Tagen will ich ihn erfüllen.


Genießjagen (W3) [Adelung]


Das Genießjagen, des -s, plur. inus. im Jagdwesen, das erste Jagen, oder die erste Jagd im Jahre, welche zur Zeit der Hirschfeiste oder Schweinhatz gehalten wird, weil man alsdann den Jagdhunden mit besondern Feyerlichkeiten den Genieß zu geben pfleget; das Genußjagen.


Genießlich (W3) [Adelung]


* Genießlich, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich, im Hochdeutschen aber fremd ist. 1) Was sich genießen, d. i. als Speise oder Trank zu sich nehmen lässet; genießbar. 2) Zur Ungebühr auf seinen Genieß, d. i. Nutzen, Vortheil, bedacht, eigennützig, vortheilhaft, interessirt. Der Krämer nützer Schwur und ihr genießlich Lügen, Logau. S. Genieß 2. 3) Nutzen bringend, nützlich, einträglich. Wer im Geringen bübelt, wo man nicht viel gewinnt, Wird mehr in Sachen vortheln, die mehr genießlich sind, ebend.


Genist (W3) [Adelung]


Das Genist, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im gemeinen Leben, allerley aus kurzen Strohhälmen, Ähren, kleinem Reisig u. s. f. bestehender Abgang; vielleicht weil die Vogelnester aus ähnlichen Dingen gebauet zu werden pflegen. S. Nest.


Geniste (W3) [Adelung]


Die Geniste, plur. inus. 1) Eine Pflanze oder vielmehr Staude, welche eine Menge langer dünner Stängel wie Ruthen treibet, daher sie von einigen auch Pfriemenkraut genannt wird; Genista L. Der Nahme wird im gemeinen Leben sehr verunstaltet, indem er bald der Ginster, Genster, Ginst, Genst, bald Gälster, Gelster, Gester, Gast, Gäst, Gaister, Gemst, Galstern, Gurst u. s. f. lautet. Die wilde Geniste, Genista sagittalis L. wächset in den unfruchtbaren sandigen Gegenden Deutschlandes. Die Färbergeniste, Genista tinctoria L. mit deren Kraute man gelb färbt, führet an einigen Orten eben dieselben Nahmen, so wie auch die Genista germanica und pilosa L. wird aber an andern auch Färberpfrieme genannt. 2) Ein Staudengewächs aus eben derselben Classe, Spartium L. welches um der ähnlichen Beschaffenheit seiner Äste und Zweige willen, gleichfalls Pfriemenkraut genannt wird, ist im Deutschen auch unter dem Nahmen Geniste, Ginster, Genster u. s. f. bekannt; besonders das bey uns wild wachsende Spartium scoparium, welches an andern Orten wegen der hochgrünen Farbe seiner Ruthen Grünitz, Grinitsch, Grinz, Grünling, Grünspan, an noch andern Schachkraut, Frauenschub, Pfriemenholz, Hafenheide, Wildholz, Kühschoten, weil es Schoten trägt, Pfingstblume, und in Niedersachsen Brahme, Brahmen, Brahmkraut, Angels. Brome, Engl. Broom ( S. 1 Brame,) genannt wird.

Anm. Im mittlern Lateine heißen diese Pflanzen, wenigstens eine derselben, Ginestus, im Ital. Ginestra, im Franz. Genet. Es scheinet, daß die vielen kleinen Ruthen, woraus die Äste und Zweige beyder Gewächse bestehen, zu ihrer Benennung Gelegenheit gegeben haben. S. das Genist.


Genitiv (W3) [Adelung]


Der Genitiv, des -es, plur. die -e, ein aus dem Lat. entlehntes grammatisches Kunstwort, die zweyte Endung der Nennwörter zu bezeichnen. Ein vor Schotteln lebender Sprachlehrer nannte diese Endung den Geschlechter, Schottel die Geschlechtendung, Bodmer den Zeugefall, andere den Zeuger, die Zeugendung, den zeugenden Fall, Aichinger den Fall des Besitzenden, Gottsched die zweyte Endung, und Klopstock die Verkürzung.


Genoß (W3) [Adelung]


Der Genoß, des -ssen, plur. die -ssen, Fämin. die Genossinn, plur. die -en, der mit dem andern etwas in Gemeinschaft genießet, einerley Beschaffenheit oder Umstände mit ihm gemein hat. 1) In weiterer Bedeutung, von einer jeden ähnlichen oder gleichen Beschaffenheit; in welcher im Hochdeutschen veralteten Bedeutung es ehedem für gleich gebraucht wurde. Enkeiner sin genos, keiner seines gleichen, Fabeln der Schwäb. Dichter. So stark ist nieman noch so gros Er vindet etzuua sin genos, Fab. 83. An triuwe ist nieman sin genos, Fab. 93. Denn der sey euch genoß am adel, Theuerd. Besonders gebrauchte man es ehedem von Personen gleicher Geburt oder gleichen Standes; in welcher Bedeutung es noch zuweilen jetzt vorkommt. Ehedem mußte jeder von seinen Genossen gerichtet werden, von Personen seines Standes, die ihm ebenbürtig waren. 2) In engerer und noch gewöhnlicher Bedeutung ist Genoß jemand, der einige zufällige oder willkührliche Umstände mit dem andern gemein hat. Am häufigsten gebraucht man es in Zusammensetzungen, deren erste Hälfte diesen Umstand näher bestimmet. Z. B. ein Amtsgenoß, Bundesgenoß, Berggenoß, Diebsgenoß, Dienstgenoß, Ehegenoß, Eidgenoß, Glaubensgenoß, Handelsgenoß, Hausgenoß, Tischgenoß, Bettgenoß, Zunftgenoß u. s. f. Aber es kommt auch für sich allein vor. Alle ihre Genossen werden zu Schanden, Es. 44, 11. Die ersten Genossen des Abendmahls, die ersten, welche Theil daran hatten, welche es zuerst genossen. Der Dieb hat seine Genossen angegeben. Wo man denn die Gemeinschaft durch das Wort mit oft noch näher zu bestimmen pflegt, ein Mitgenoß.

Anm. Kero übersetzte das Lat. consors noch sehr buchstäblich Ebanlozzo, und der Übersetzer Isidors Chuothzsso; Ottfried aber und Notker gebrauchen schon Ginoz und Genoz, theils für gleich, theils für einen Genossen. Im Nieders. lautet es Ge- nate, Genoth, im Schwed. Note, im Isländ. Naute. Es kommt von genießen her, vielleicht so ferne solches auch speisen bedeutet, da es denn zunächst Tischgenossen mag bezeichnet haben. Genoß wird zuweilen auch von beyden Geschlechtern gebraucht, der Ehegenoß für die Ehegenossin; richtiger aber werden beyde Geschlechter unterschieden.


Genossam (W3) [Adelung]


* Der Genossam, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in der Schweiz, übliches Wort, einen Genossen, besonders den Einwohner einer Genossame zu bezeichnen.


Genossame (W3) [Adelung]


* Die Genossame, plur. die -n, eben daselbst, für Genossenschaft. Der Canton Uri ist noch jetzt in gewisse Genossamen oder kleinere Bezirke getheilet, deren Einwohner Genossame genannt werden.


Genossenschaft (W3) [Adelung]


Die Genossenschaft, plur. die -en, 1) Der Zustand, da zwey oder mehrere einerley Umstände mit einander gemeinen haben; ohne Plural. Besonders wurde es ehedem von der Gleichheit des Standes gebraucht. 2) Die Genossen selbst, als ein Ganzes betrachtet, in welcher Bedeutung es an einigen Orten für Zunft, Innung, Gesellschaft üblich ist. Im Hochdeutschen wird es in beyden Bedeutungen wenig gebraucht. Bey dem Kero Kinozsceffi, bey dem Notker Gnozscaft, im Nieders. Nothschaft, Genothschaft.


Genster (W3) [Adelung]


Der Genster, des -s, plur. inus. S. Geniste 2.


Genug (W3) [Adelung]


"Genug", adj. et adv. welches in doppelter Gestalt üblich ist.

1) Als ein eigentliches Adverbium oder Umstandswort, diejenige Beschaffenheit einer Sache oder Handlung zu bezeichnen, da sie zu einem Bedürfnisse, zu einer Kraft, oder zu einer Absicht hinreichend ist, zunächst wohl von der Menge, dann aber auch von einer jeden Beschaffenheit. Ich habe genug gegessen, genug geschlafen, genug gearbeitet, genug gegangen, genug gesehen u. s. f. so viel als ich bedurfte, als nöthig war. Sie haben genug zu essen, zu trinken, zu thun, zu arbeiten. Das ist nicht genug. Er wird doch einmahl genug bekommen. Der Geitzige bekommt nie genug. Bald ist es genug. Ich habe genug mit mir selbst zu thun. Eine einzige feyerliche Züchtigung würde bey dem Anfange genug gewesen seyn, hinlänglich, Gell. Ich habe genug erfahren. Der natürliche Trieb der geselligen Eigenschaft, den man nie genug ausbilden kann. Es wäre an Einer genug. Für mich ist es genug; oder mit der dritten Endung, mir ist es genug. Laß dir das genug seyn, laß dich daran begnügen, sey damit zufrieden. Sich genug essen, schlafen u. s. f. im Oberdeutschen, so viel als man verlangte. Sich selbst genug seyn, so viel Kräfte haben, als man zu Erreichung einer Absicht bedarf, oder doch so viel zu haben glauben. Viele glauben, daß sie sich selbst zur Tugend genug sind. Der Weise ist sich selbst genug, ist mit seinem Zustande zufrieden. Wer das thut, was er soll, er thut sich selbst genug, Weiße, der empfindet die angenehme Überzeugung, daß er seine Pflicht erfüllet habe. Einem genug thun, ihm das leisten, wozu man ihm verpflichtet ist. Dem Gesetze genug thun, es wirklich erfüllen, entweder durch Gehorsam, oder durch Erduldung der Strafe; Nieders. "vulldoon". Dem Kläger genug thun. S. "Genugthuung". Ingleichen eines Verlangen, eines Willen erfüllen. Pilatus gedachte dem Volke genug zu thun, Marc. 15, 15. Zuweilen hat es den Begriff der Menge, oder eines ziemlich hohen Grades bey sich, in welchem Falle es auch hinter dem Zeitworte stehen kann. Sie habens ja getrieben genug; und ihr habt euch ja gesperret genug, Weiße. Sehr oft wird es auch andern Nebenwörtern nachgesetzet, eben diesen Begriff der Hinlänglichkeit auszudrucken. Es ist breit, tief, groß, weit genug. Er ist alt genug dazu. Du wirst noch früh genug kommen. Für ihn ist sie artig genug. Er ist mir oder für mich nicht klug genug. Es ist süß genug. Er ist übrig genug, im gemeinen Leben, es ist überflüssig, mehr als hinreichend. Wo es zuweilen, besonders in der vertraulichen Sprechart, den Nebenbegriff der Vielheit, oder eines ziemlich hohen Grades der durch das andere Nebenwort ausgedruckten Beschaffenheit hat. Ich habe ihn oft genug gesehen, schon sehr oft. Ich habe sie oft genug mit der Ruthe aus dem Bette gehohlet, Weiße. Ich habe es theuer genug bezahlen müssen. Schlimm genug, daß man den Neid an so vielen Menschen, gewahr werden muß! Es ist leider gewiß genug! Oft aber auch den Nebenbegriff der Mittelmäßigkeit, für ziemlich. Die Witterung war uns noch günstig genug. Nun, nun, sie mag artig genug seyn, Weiße. Gut genug, wenn man das recht gute dagegen stellt, ist nicht viel mehr als ziemlich schlecht, Less.

2) Als ein unabänderliches Adjectiv, welches Hauptwörtern beygesellet wird, eben diese Hinlänglichkeit zu bezeichnen, da es denn am liebsten hinter dem Hauptworte stehet. Er gibt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden, Es. 40, 29. So wird der Herr euch Regen genug geben, Zachar. 10, 1. Ich habe Zeit genug dazu. Ist eine gute Erziehung nicht Erbtheil genug? Gell. Ich bin nicht Kenner genug, um davon urtheilen zu können. Ein Liebhaber, den du verstießest, weil er nicht Weltmensch genug war, Dusch. Wenn ich artiger bin, alsdann ist es Zeit genug, Gell. In einigen Fällen auch vor dem Hauptworte. Ich bin nicht genug Kenner, um darüber urtheilen zu können. Er hat freylich selber genug Vermögen, Gell. Genug Mahl, im gemeinen Leben, besser oft genug. Zuweilen, besonders im Oberdeutschen, wird es auch mit der zweyten Endung des Hauptwortes verbunden. Brots genug, Ps. 132, 15. Zorns genug, Esth. 1, 18. Wassers genug, Ezech. 31, 5. Unglücks genug, 4 Esr. 12, 43. Das ist doch wohl Einwurfs gegen meine Deutung genug? Less. Verdienen sie wohl, daß ich noch Freunds genug bin, mit ihnen ohne Verstellung zu reden? ebend. Ist er nicht Freunds genug, mir ungefragt zu sagen? ebend. Oft hat es in der vertraulichen Sprechart auch hier den Nebenbegriff der Menge oder eines ziemlich hohen Grades. Es gibt überall armer Leute, oder arme Leute genug. Es ist Glück genug für ihn, wenn er noch so davon kommt. Ehedem wurde es in dieser Gestalt eines Beywortes ordentlich abgeändert. Mit reinidon genuagen, mit genugsamer Reinigkeit, Ottfr. Genuege leute, Leute genug, Stryk. S. "Genugsam".

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Ottfried "ginuag", "ginuht", "nug", bey dem Notker "genuoge", im Schwabensp. "genuk", bey dem Ulphilas "ganoh", im Angels. "genog", "genoch", im Nieders. "noog", im Dän. "nok", im Schwed. "nog", im Engl. "enough", im Lettischen "gannu". Das "ge" ist die bloße hauchende Verlängerung. "Genung" für "genug" ist ein bloßer Mißbrauch nieselnder Mundarten, welche vor den Hauchlauten so gern ein "n" vorher schleichen lassen.


Genüge (W3) [Adelung]


Die "Genüge", plur. car. das Abstractum des vorigen Wortes.

1) Der Zustand, da man genug hat, d. i. so viel als man bedarf, oder zu Erreichung einer Absicht nöthig hat. Jacob soll wieder kommen, in Friede leben und Genüge haben, Jer. 30, 10. Ich bin kommen, daß sie das Leben und volle Genüge haben, Joh. 10, 10. Dieser stirbt frisch und gesund im Reichthum und voller Genüge, Hiob. 21, 23. Im Hochdeutschen am häufigsten mit dem Vorworte zu. Zur Genüge haben, genug haben, genug gegessen haben. Es ist zur Genüge, es ist genug. Ich habe für heute zur Genüge gearbeitet, geschlafen u. s. f. Er hat Geld zur Genüge. Dieses erhellet zur Genüge daraus, hinlänglich.

2) Besonders die Leistung einer schuldigen Pflicht, ohne Artikel, und mit dem Zeitworte thun oder leisten. Dem Beleidigten Genüge thun, ihm genug thun. Dem Gesetze Genüge thun. Ich habe nunmehr meinem Hauptzwecke Genüge gethan. Oft auch mit dem Nebenbegriffe der Zufriedenheit, oder einer damit verbundenen angenehmen Empfindung. Dieser Beweis thut mir keine Genüge, überzeuget, befriediget mich nicht. Seiner Neugierde eine Genüge thun; sie befriedigen. Ich spielte so, daß ich mir beynahe selbst Genüge leistete, mit mir selbst zufrieden war. Ich habe mir damit noch keine Genüge gethan. An dem allen habe ich kein Genüge, so lange u. s. f. Esth. 5, 12, ich bin nicht damit zufrieden.

Anm. In ältern Oberdeutschen Schriften lautet dieses Wort "Genucht", im Nieders. "Nöge", "Genöge", "Genögte", "Benöge". Bey dem Ottfried ist "Ginuchti" "Sättigkeit", "Überfluß", "Hinlänglichkeit", und bey den Schwäbischen Dichtern wird es auch theils für "Genügsamkeit", theils aber auch für "Vergnügen" gebraucht. S. das folgende. Im gemeinen Leben ziehet man dieses Wort oft in "Gnüge" zusammen, welche Zusammenziehung auch in "begnügen", "Vergnügen" allgemein geworden ist; oft aber gebraucht man es auch als ein Neutrum, das "Genüge", ungeachtet solches wider die Natur der Abstractorum auf "e" ist.


Genügen (W3) [Adelung]


Das "Genügen", des -s, plur. car. welches der Infinitiv des folgenden Zeitwortes, und besonders in der zweyten Bedeutung des vorigen Wortes üblich ist. Einem ein vollkommenes Genügen, oder vollkommenes, völliges Genügen thun. Das thut mir noch kein Genügen. Davon hab ich noch kein Genügen. Zuweilen auch in dessen erster Bedeutung. Wer lobt dich nach Genügen, O du gewünschte Nacht! Opitz. Im Oberdeutschen wurde es auch für "Vergnügen", der nächsten Wirkung der Genüge oder des Genügens gebraucht, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist. Dieweil der Bösen Maul in Lügen, Der Schalk in Schmähen sucht Genügen, Opitz. Pf. 109.


Genügen (W3) [Adelung]


"Genügen", verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, genug hinlänglich seyn, als ein unpersönliches Zeitwort, mit der dritten Endung der Person. Es ist noch so viel in dem Glase, als mir genüget. Meinem Herzen will das noch nicht genügen. Was der Natur genügte, der Mensch mit Dank genoß, Dusch. Besonders, unserer Einsicht und Überzeugung nach, mit dem zufrieden seyn, was man hat; S. "Genügsam". Zeug uns den Vater, so genüget uns, Joh. 14, 8. Mir genüget wie Gott es füget. Daran genüget ihm noch nicht, Wiel. Am häufigsten mit dem Zeitworte lassen. Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und läßt ihm (sich) genügen, 1 Tim 6, 6. Leß dir an meiner Gnade genügen, 2 Cor. 12, 9. Sich nimmer genügen lassen, Sir. 14, 9.

Anm. Schon bey dem Kero "kanuagen". Im gemeinen Leben auch oft zusammen gezogen "gnügen". S. "Begnügen" und "Vergnügen".


Genüglich (W3) [Adelung]


"Genüglich", adj. et adv.

1) Zur Genüge, genügsam, hinlänglich. Die Sache ist durch Zeugen genüglich erwiesen worden. Der noch in gutem Land in seinem Schatten saß Und sein genüglich Brot mit süßem Frieden aß, Logau.

2) Angenehm, Vergnügen erweckend, im Oberdeutschen. Ein genügliches Wetter, ein genüglicher Ort. Genüglich wohnen, leben. Das Nieders. "genöglik" wird eben so gebraucht. Daher im Oberdeutschen die "Genüglichkeit", die "Annehmlichkeit", das "Vergnügen".


Genugsam (W3) [Adelung]


"Genugsam", adj. et adv. so viel als "genug" ist, als erfordert wird, auf eine hinlängliche Art, so wohl der Menge, als dem innern Grade der Stärke noch; da es denn am häufigsten für das Wort "genug" gebraucht wird, wenn es als ein Beywort stehen sollte. Genugsames Vermögen, genugsame Kräfte haben, Vermögen, Kräfte genug. Eine genugsame Versicherung, Bürgschaft. Sein genugsames Auskommen haben. Eine genugsame Zubereitung machen. Genugsamen Grund vor sich haben. Es fehlet an einer genugsamen Deutlichkeit. Ingleichen, hinlängliche Kräfte, hinlängliche Eigenschaften zu etwas besitzend. Der sich und allen zufälligen Dingen genugsame Gott; wo, von Gott gebraucht, auch "allgenugsam" üblich ist. Im Oberdeutschen, wo man die Wörter nie lang genug bekommen kann, gebraucht man es auch für das Nebenwort "genug". Genugsam arbeiten, essen, schlafen. Er ist genugsam alt dazu, für alt genug. Wo man es aber im Hochdeutschen gar wohl entbehren kann, außer wenn es, auf eine hinlängliche Art, bedeutet. Ich habe es genugsam bewiesen, daß u. s. f. Ich sehe den Unterschied genugsam ein. Der Anstoß ist dabey nicht genugsam vermieden worden. Wo es sich durch die Ableitungssylbe "-sam" hinlänglich von "genug" unterscheidet.

Anm. Die Niedersachsen haben dafür "nögehaftig". Bey dem Kero bedeutet "Kenuhtsamo", als ein Hauptwort, die "Genugthuung", und "kenuhtsamen" "genug thun".


Genügsam (W3) [Adelung]


"Genügsam", -er, -ste, adj. et adv. geneigt, sich genügen zu lassen, d. i. aus erkannter Hinlänglichkeit einer Sache zu unserer Wohlfahrt, mit derselben zufrieden zu seyn. Ein genügsames Herz haben. Genügsam seyn. Ein redlich Herz, genügsam in Begehren, Kästn.


Genugsamkeit (W3) [Adelung]


Die "Genugsamkeit", plur. inus. die Beschaffenheit einer Sache, da sie zu einem Bedürfnisse oder zu einer Absicht genug oder hinlänglich ist. Die "Genugsamkeit" oder "Allgenugsamkeit" Gottes, dessen hinreichendes Vermögen zu allen Dingen. S. "Genugsam".


Genügsamkeit (W3) [Adelung]


Die "Genügsamkeit", plur. inus. die Fertigkeit, genügsam zu seyn, oder sich genügen zu lassen. Genügsamkeit ist reich bey Brot und Wasser, Dusch. S. "Genügsam".


Genugthuung (W3) [Adelung]


Die "Genugthuung", plur. die -en, welches aus der R. A. einem genug thun, zusammen gezogen ist, die Erfüllung einer Pflicht; "Satisfactio". Einem Genugthuung leisten, ihm genug thun, Genüge thun. Die Genugthuung Christi, da er Gott und dessen Gesetzen genug gethan, so wohl durch die Erfüllung der letztern, als auch durch Erduldung der den Übertretern angekündigten Strafe. Einem Beleidigten Genugthuung geben, verschaffen, seine Verbindlichkeit gegen ihn durch Tilgung der Beleidigung oder deren Ersatz erfüllen.


Genuß (W3) [Adelung]


Der Genuß, des -sses, plur. inus. von dem Zeitworte genießen, der Zustand, da man eine Sache genießet. 1. Überhaupt. 1) Der Zustand, da man eine Sache mit Anmuth empfindet. Der Genuß der Freude, der Ruhe, der Glückseligkeit seines Zustandes. Die Seligkeit des Menschen bestehet in dem Genusse Gottes und seiner Vollkommenheiten, in der anschauenden Erkenntniß des Guten in Gott. Das Angenehme hört immer durch den allzu langen Genuß auf, angenehm zu seyn. 2) In weiterer Bedeutung, der Zustand, da man an den guten Folgen einer Sache Theil nimmt. Den Genuß der Zinsen eines Capitales haben. Ich habe von dem Gute weiter nichts als den Genuß, das Recht, den jährlichen Ertrag zu genießen. Der Genuß einer Wohlthat. 2. Besonders. 1) Der Geruch; doch nur bey den Jägern. Der Genuß der Fährte. 2) Der Genuß einer Speise, eines Trankes, wenn man sie zu sich nimmt. Der Genuß des heiligen Abendmahles. Den Hunden den Genuß geben, bey den Jägern, S. Genieß, wo auch wohl der Antheil von dem Wilde selbst diesen Nahmen führet. In einer andern Bedeutung ist bey den Jägern der Genuß der Magen des Wildbretes, welcher auch Panzer, Panz, Wanst und Weidsack genannt wird; weil er das Behältniß der genossenen Speise ist. S. Genieß und Genießen.


Genußjagen (W3) [Adelung]


Das Genußjagen, des -s, plur. inus. S. Genießjagen.


Geograph (W3) [Adelung]


Der Geograph, des -es, plur. die -en, der der Geographie kundig ist, dieselbe verstehet, oder lehret, der Erdbeschreiber; aus dem Griech. und Lat. Geographus.


Geographie (W3) [Adelung]


Die Geographie, (viersylbig,) plur. die -n, (fünfsylbig,) aus dem Griech. und Lat. Geographia. 1) Die Wissenschaft von der Eintheilung des Raumes dem Erdboden, ohne Plural; die Erdbeschreibung. Die mathematische, politische, physische, kirchliche Geographie. 2) Ein Buch, worin diese Wissenschaft gelehret oder vorgetragen wird.


Geographisch (W3) [Adelung]


Geographisch, adj. et adv. zur Geographie gehörig, derselben gemäß, in derselben gegründet; Lat. geographicus.


Geometer (W3) [Adelung]


Der Geometer, des -s, plur. ut nom. sing. aus dem Griech. und Lat. Geometra, der der Geometrie kundig ist; ein Meßkundiger, Meßkünstler, in den gemeinen Sprecharten, ein Erdmesser, Feldmesser.


Geometrie (W3) [Adelung]


Die Geometrie, (viersylbig,) plur. die -n, (fünfsylbig,) aus dem Griech. und Lat. Geometria, die Wissenschaft von der Ausmessung der Erde, die Feldmeßkunst, und in weiterer und jetzt gewöhnlichster Bedeutung, die Wissenschaft von den Eigenschaften und der Ausmessung der stetigen Größen; die Erdmeßkunst, Meßkunst, Meßkunde, bey dem Dapper die Maßkunst oder Gewißkunst; ohne Plural. Ingleichen eine Schrift, worin diese Wissenschaft gelehret wird.


Geometrisch (W3) [Adelung]


Geometrisch, adj. et adv. zur Geometrie gehörig, in derselben gegründet, derselben gemäß; geometricus.


Georg (W3) [Adelung]


Georg, genit. Georgs, dat. Georgen, ein Mannsnahme, welcher aus dem Griechischen entlehnet ist, und einen Ackermann bedeutet. Im gemeinen Leben wird er häufig in Jürgen, Jürken, Jörgel, Görge, Görgla, bey den Wenden in Juri, Jureck und bey den Slavoniern in Jurcko verwandelt.


St. (W3) [Adelung]


Das St. Georgen-Kraut, des es, plur. inus. eine Benennung des Baldrians in einigen Gegenden; Valeriana L. In andern führet das Zahnkraut, Dentaria L. diesen Nahmen, welches auch St. Georgen-Wurz genannt wird.


Gepäck (W3) [Adelung]


Das Gepäck, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein Collectivum, mehrere Packe, oder zusammen gepackte Dinge zu bezeichnen, besonders zusammen gepackte Bedürfnisse auf der Reise; Franz. Bagage. Das schwere Gepäck der Armee. S. Pack.


Gepel (W3) [Adelung]


Der Gepel, S. Göpel.


Gepfneisch (W3) [Adelung]


Das Gepfneisch, des -es, plur. inus. bey den Jägern, der Antheil, welchen man den Jagdhunden von dem gefälleten Wilde gibt. S. Pfneischen.


Geplapper (W3) [Adelung]


Das Geplapper, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Plappern.


Geplärr (W3) [Adelung]


Das Geplärr, des -es, plur. car. ein anhaltendes, oder wiederhohltes Plärren. Nieders. Geflär, Geblarr. Thue weg von mir das Geplerr deiner Lieder, Amos 5, 23.


Geplatze (W3) [Adelung]


Das Geplatze, des -s, plur. car. das Platzen. Ich hörete ein entsetzliches Geplatze auf dem Boden. Ingleichen ein anhaltendes und wiederhohltes Platzen.


Geplauder (W3) [Adelung]


Das Geplauder, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Plaudern. Mit deinem verzweifelten Geplauder verderbst du mir immer die klügsten Einfälle, Weiße.


Gepolter (W3) [Adelung]


Das Gepolter, des -s, plur. car. das Poltern, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Poltern. Ein Gepolter hören, verursachen, machen. Nieders. Gepulter.


Gepräge (W3) [Adelung]


Das Gepräge, des -s, plur. ut nom. sing. das auf eine Münze geprägte Bild oder Zeichen. Ein schönes Gepräge. Münzen von einerley Gepräge. Auch figürlich, ein deutliches Kennzeichen, Unterscheidungsmerkmahl. Alle seine Handlungen haben das Gepräge des Eigennutzes. Jeder Charakter Homers hat sein besonders und eigenes Gepräge.

Anm. Im Schwabensp. Gebraech, bey dem Hornegk Gepreke, im Nieders. Slag, Geflechte. S. Prägen.


Geprahle (W3) [Adelung]


Das Geprahle, des -s, plur. car. das Prahlen; besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Prahlen.


Gepränge (W3) [Adelung]


Das Gepränge, des -s, plur. inus. Prunk oder Pracht im Äußern, besonders in Rücksicht auf ein zahlreiches Gefolge. Mit großem Gepränge kommen, Apostg. 25, 23. Und tragt es (den Schmuck) nicht außer dem Gepränge, St. Esth. 3, 11. Eine Leiche mit großem Gepränge begraben. Seine Freunde mit großem Gepränge bewirthen, mit vielem Gepränge empfangen. Auch figürlich, Schwulst, prangende Weitläuftigkeit in Worten und Ausdrücken. Das Wortgepränge. Ein Philosoph, oder wie ich mich lieber ohne alles Gepränge ausdrücke, ein Freund der Wahrheit und der Tugend, Zimmerm.


Geprassel (W3) [Adelung]


Das Geprassel, des -s, plur. car. das Prasseln, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Prasseln. Bey dem Jeroschin Gebraste, im Nieders. Gekneter.


Gequake (W3) [Adelung]


Das Gequake, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Quaken. Das Gequake der Frösche.


Gerade (W3) [Adelung]


1. Die Gerade, plur. inus. in den Rechten, alles dasjenige Haus- und Kastengeräth, welches nach Sächsischem Rechte, nach des Mannes Tode, der Frau oder auch einer nahen Verwandten von mütterlicher Seite zum voraus gebühret. Die volle Gerade, welche der Witwe gehöret, im Gegensatze der halben Gerade oder Niftelgerade, welche die nächste Niftel oder Blutsfreundinn mütterlicher Seite von ihrer verstorbenen Verwandten erbet. Im Nieders. wo dieses Wort eigentlich zu Hause gehöret, lautet es Rade, Gerade, Wiefrad, Radeleve, Frowenrade u. s. f. Wachter leitet es von dem alten raten, setzen, her, wovon bey dem Ulphilas Geraid für den bestimmten Theil vorkommt. Allein man hält es wahrscheinlicher für die Niedersächsische Aussprache des Hochdeutschen Geräth, wie es auch schon der Glossator des Sächsischen Landrechtes erkläret; indem es lauter Stücke des Hausgeräthes begreift, wodurch es von dem Heergewette unterschieden wird. Frisch lässet es von bereit abstammen, weil es der bereiteste Theil der Erbschaft sey, daher es in einigen Statuten auch Redegut genannt werde.


Gerade (W3) [Adelung]


2. Die Gerade, plur. car. das Hauptwort des folgenden Bey- und Nebenwortes, die gerade Beschaffenheit eines Dinges zu bezeichnen, welches aber nur im gemeinen Leben ist. Das Stabeisen in die Gerade bringen, auf den Stabhämmern, es gerade richten. S. Geradheit.


Gerade (W3) [Adelung]


Gerade, -r, -ste, adj. et adv. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Bey- und Nebenwort; den kürzesten Weg zwischen zwey Puncten zu bezeichnen, im Gegensatze dessen, was krumm ist. 1) Eigentlich. Eine gerade Linie, deren Theile insgesammt nach Einer Richtung liegen. Gerade gehen, stehen, sitzen. Einen geraden Leib, gerade Füße haben. Den Kopf gerade halten. Sich gerade aufrichten. Jemanden den geradesten Weg führen O, du immer gerader Weg der Tugend, warum verließ ich dich! Mit geraden Füßen aus dem Bette fahren, schnell, hurtig. Gerades Weges, gerades Fußes zu jemand gehen, unmittelbar darauf, mit Vermeidung aller Umwege, alles Zeitverlustes, sogleich. In gerader Linie von jemanden abstammen, in absteigender Linie, im Gegensatze der Seitenlinien. Zuweilen auch im Gegensatze dessen was schief ist. Eine Säule stehet nicht gerade, wenn sie nicht senkrecht stehet, ob sie gleich an sich gerade ist. 2) Figürlich, von den Zahlen. Eine gerade Zahl, in der Rechenkunst, welche sich in zwey gleich große ganze Zahlen eintheilen lässet, im Gegensatze einer ungeraden. So ist 4 eine gerade, 5 aber eine ungerade Zahl. Fünf gerade seyn lassen, es nicht so genau nehmen, Nachsicht üben. Gerade oder ungerade spielen, ein gewöhnliches Spiel im gemeinen Leben, da man verschiedene Individua in die Hand nimmt, und den andern rathen lässet, ob ihre Zahl gerade oder ungerade ist. 2. Als ein Nebenwort allein, in einigen figürlichen Bedeutungen. 1) In gerader Richtung. Einem gerade gegen über sitzen, wohnen u. s. f. Einem gerade zu entgegen denken und empfinden, Zimmerm. 2) Ohne Umschweif. (a) Überhaupt. Gerade zu gehen, keine Umschweife nehmen, so wohl eigentlich als figürlich. Ein ehrlicher Mann gehet in seinen Handlungen allemahl gerade zu. Hätten sie gerade zu gesagt, ich liebe sie. Sagen sie es nur gerade heraus. Sie würde mich gerade weg einen Ruchlosen gescholten haben. Ich konnte ihm nicht so gerade hin antworten. (b) Besonders, ohne die durch den Wohlstand eingeführten Umschweife. Gerade zu gehen, ohne sich melden zu lassen. Gerade zu mit jemanden umgehen, ohne Complimente. 3) Genau, mit pünctlicher Übereinstimmung mit dem Objecte. (a) Dem Orte nach. Der Schuß traf gerade das Herz. Gerade in die Mitte treffen. (b) Der Zeit nach. Gerade zur selbigen Zeit. Er kam gerade in dem Augenblick, als u. s. f. Imo tho thas theakentemo, girado truthines Engil araugta, gerade indem er dieses dachte u. s. f. heißt es schon im Tatian K. 5, 8. (c) Der Zahl, der Beschaffenheit nach. Es wägt gerade drey Zentner. Es traf gerade zu. Das war gerade der Trost, worauf sich sein Muth gründete. Das ist gerade die streitige Sache. So wie es mir geht, gerade so geht es auch ihm. Er stellt sich gerade so, als wenn ich es nicht schon wüßte; welcher Fall auch elliptisch ausgedruckt wird: gerade, als wenn ich es nicht schon wüßte, gerade, als wenn er nicht gehöret hätte u. s. f. 4) Nach gerade, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, für nach und nach; wo es aber vielmehr das Nieders. Graad, ein Grad, zu seyn scheinet, da es denn eigentlich nach Grade heißen müßte.

Anm. Im gemeinen Leben nur grade, im Dän. gerade Wirft man die Vorsylbe ge weg, so bleibt rade oder rad übrig, welches mit dem Ital. retto, dem Schwed. rät und rad, dem Isländ. rettur und hradur, und nach Einschaltung des Hauches mit dem Lat. rectus, dem Goth. raihts und Deutschen recht überein kommt, wohin auch das Nieders. strak, das Schwed. rak und das bey dem Notker befindliche grihti, für gerade, gehöret. S. Gerecht, Gerichts, Recht und Richtig. Das e am Ende ist das Hochdeutsche e euphonicum, welches um des gelinden Lautes des d willen nothwendig ist, in den Zusammensetzungen aber auch wegfallen kann.


Geradheit (W3) [Adelung]


Die Geradheit, plur. car. der Zustand, da eine Sache gerade ist in der ersten Hauptbedeutung, für die im gemeinen Leben üblichen die Gerade, (in der Schweiz Geräde,) und Geradigkeit.


Geradläufig (W3) [Adelung]


Geradläufig, adj. et adv. einen geraden Lauf habend; besonders in der Sternkunde von den Planeten, wenn sie wie andere Sterne von Morgen gegen Abend gehen; directus.


Geradlinig (W3) [Adelung]


Geradlinig, adj. et adv. gerade Linien habend, aus geraden Linien bestehend, in der Geometrie. Eine geradlinige Figur, im Gegensatze einer krummlinigen. Ein geradliniger Triangel. Geradlinicht würde nur heißen, einer geraden Linie ähnlich.


Geraid (W3) [Adelung]


Das Geraid, des -es, plur. die -e, S. Gereut.


Gerase (W3) [Adelung]


Das Gerase, des -s, plur. car. das Rasen, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Rasen.


Gerassel (W3) [Adelung]


Das Gerassel, des -s, plur. car. das Rasseln, ein anhaltendes oder wiederhohltes Rasseln. Die Gassen ertönen von dem Gerassel der Kutschen. Ein Gerassel von Ketten.


Geräth (W3) [Adelung]


Das Geräth, des -es, plur. inus. oder die Geräthe, sing. inus. alles was zur Zubereitung anderer Dinge dienet, besonders allerley Werkzeug, oder was dessen Stelle vertritt, als ein Collectivum. Hausgeräth oder Hausrath, was zur Bequemlichkeit der Geschäfte im Hause nöthig ist, Tischgeräth, was zur Bekleidung des Tisches und zur Bequemlichkeit des Essens erfordert wird, Küchengeräth, Baugeräth, Altargeräth, Opfergeräth, Kriegsgeräth, Schiffsgeräth, u. s. f. Stehet es allein, so muß die Art desselben aus dem Zusammenhange ersehen werden. Die Kinder Israel hatten von den Egyptiern gefordert filbern und gülden Geräth, 2. Mos. 12, 35. Mache Aschentöpfe, Schaufeln, Becken - Alle seine (des Altars) Geräthe sollt du von Erz machen, Kap. 27, 3. Auch alle Geräthe der Wohnung zu allerley Amt, V. 19. Der Tisch mit all seinem Geräth, den Leuchter mit seinem Geräth, Kap. 30, 27. Leinen Geräth oder weißes Geräth, Wäsche, leinen Zeug; ja ehedem rechnete man auch die Kleider mit unter das Geräth, wie an einigen Orten noch geschiehet. Des Mannes Geräth soll ein Weib nicht tragen, 5 Mos. 22, 5.

Anm. Im Nieders. Rade, im Schwed. Gerad, im Isländ. Redi, Reidi, im Ital. Corredo und Arredo, bey den Krainetischen Wenden Rodje. Das einfache Rad bedeutet im Schwed. Menge, Reichtum, Macht, S. Vorrath. Es stammet von dem alten Zeitworte reiten, fertig, geschickt machen, ab, wofür jetzt bereiten üblich ist; S. dasselbe, ingleichen Rath und Geräthschaft.


Gerathen (W3) [Adelung]


Gerathen, adj. et adv. vortheilhaft, nützlich, S. Rathen.


Gerathen (W3) [Adelung]


Gerathen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert. Präs. ich gerathe, du geräthst, er geräth; Imperf. ich gerieth; Mittelw. gerathen; Imperat. gerathe. Es ist das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort rathen, welches in seiner weitläuftigsten und vielleicht ältesten Bedeutung eine Bewegung nach einer gewissen Richtung bezeichnet hat, hier aber nur noch in folgenden eingeschränkten Fällen üblich ist. 1. Für kommen, an einem Orte gegenwärtig werden, doch nur so fern solches von ungefähr und ohne Vorsatz geschiehet, mit ausdrücklicher Meldung des Ortes. 1) Eigentlich. Daß du nicht gerathest auf den Weg der Bösen, noch unter die verkehrten Schwätzer, Sprichw. 2, 12. Unter die Mörder gerathen. Laß mich nicht unter die Lästerer gerathen, Sir. 23, 1. Er ist böse Hände, in böse Gesellschaft gerathen. Auf einen falschen Weg gerathen. Oft auch mit allerley Nebenbegriffen. Einem andern über sein Geld gerathen, ihm etwas davon zu entwenden. Wie ist er denn an sie gerathen? mit ihr in Gemeinschaft, in Bekanntschaft gekommen. Daß dein Herz nicht an sie gerathe, Sir. 9, 13. An einander gerathen, handgemein werden. Ehedem wurde es für kommen in dessen eigentlichen Bedeutung gebraucht, in welchem Verstande auch das Schwed. rada üblich war, und es zum Theil noch ist. Ihre führt davon folgende Stelle aus der romanhaften Geschichte Alexanders an: I Darii land mon han tha rada, da kam er in Darii Land. Ja auch in der Deutschen Bibel kommen Spuren davon vor, wenn Richt. 14, 6, 9. Kap. 15, 24; 1 Sam. 10, 6, 10. und an andern Orten gesagt wird, der Geist des Herrn sey über Simson, über Saul gerathen, wo keine Unvorsetzlichkeit, kein Ungefähr angenommen werden kann. 2) Figürlich. (a) Auf eine Meinung gerathen, dieselbe gleichsam von ungefähr annehmen. Auf einen Einfall, auf einen Gedanken gerathen, denselben bekommen. Auf einen Irrthum gerathen. Wie bist du darauf gerathen? wie ist dir das eingefallen? Auf einen Discurs gerathen, unvermerkt darauf kommen. (b) Einen Zustand, eine Veränderung des Zufälligen überkommen, immer noch mit dem Nebenbegriffe des Unvorsetzlichen, des Unvermerkten. In einen Streit gerathen. Die Sache ist längst in Vergessenheit gerathen. Er gerieth darüber in eine außerordentliche Freude. In Verwirrung gerathen. Die Sache ist längst in das Stecken gerathen. In Zorn gerathen. Über das unschuldigste Wort geräth er so gleich in den Harnisch. Vom grünen Esel hört man singen, Und so geräth das Kind in Schlaf, Gell. Besonders von einem nachtheiligen, unangenehmen Zustande. Das Haus ist in Brand gerathen. In Armuth, in Gefahr, in Noth, in Elend, in Angst, in Verlegenheit, in das Verderben gerathen. In Schaden, in Schande, in Spott, in Schulden, in Unglück gerathen. Den Leuten in die Mäuler, oder in der Leute Mäuler gerathen, von ihnen beredet, verleumdet werden. In schwere Sünden gerathen, 3 Esr. 4, 27. Hierher gehört auch (c) der ehemahlige Gebrauch dieses Zeitwortes, da es wie das Griechische - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - pleonastisch mit dem Infinitiv eines andern Zeitwortes gebraucht wurde, wovon in den Schriften der Schwäbischen Dichter noch häufige Beweise vorkommen. Die drei gerieten schrien, die drey schrien, oder fingen an zu schreyen. Er geriet hin zuo den phawen gan, ging zu dem Pfau. Wenn ir geraten singen, wenn ihr singet. Das ros geriet in schelten, schalt ihn. Die luit gerieten alle sagen, sagten. Sine kind ruemen er geriet, er rühmete seine Kinder. 2. Von den Folgen einer Handlung, besonders von nachtheiligen Folgen, so fern sie als unvorsetzlich, ungefähr betrachtet werden; da sie denn das Vorwort zu bekommen. Wo du ihren Göttern dienest, wird dirs zum Ärgerniß gerathen, 2 Mos. 22, 33. Ich will sie ihm geben, daß sie ihm zum Fall gerathe, 1 Sam. 18, 21. Es soll dir dieß nicht zur Missethat gerathen, als eine Missethat zugerechnet werden. Kap. 28, 10. Es gerathe zum Tode oder zum Leben, 2 Sam. 15, 21. Und das gerieth zur Sünde. 1 Kön. 12, 30. Sehet zu, daß diese eure Freyheit nicht gerathe zum Anstoß der Schwachen, 1 Cor. 8, 9. Das wird dir zum Verderben, zum Unglück gerathen. In dieser Bedeutung kommt es mit gereichen überein, ja es scheinet ursprünglich mit demselben einerley zu seyn. S. Rathen und Reichen. 3. In engerer Bedeutung; von dem Erfolge eines Dinges oder Werkes, so fern es mit der dabey gehabten Absicht überein stimmet oder nicht, und so fern viel dabey auf ein Ungefähr ankommt; oder doch so angesehen wird. Dem Bildhauer ist die Bildsäule, dem Mahler das Gemählde vortrefflich gerathen. Das Gebräude ist dieß Mahl schlecht gerathen. Die Viehzucht ist dieß Jahr nicht gut gerathen. Der Wein, das Obst, das Getreide ist schlecht gerathen. Wohl gerathene Kinder, übel gerathene Kinder haben, die in der Erziehung wohl oder übel gerathen sind. Das Schwedische rada bedeutet auch active erziehen. Was er macht, das geräth wohl, Ps. 1, 3. In noch engerer Bedeutung wird es absolute sehr häufig für wohl oder gut gerathen gebraucht; im Gegensatze des Mißrathens. Einem Lässigen geräth sein Handel nicht, Sprichw. 12, 27. Du weißt nicht, ob dies oder das gerathen wird, Pred. 11, 6. Durch seine Klugheit wird ihm der Betrug gerathen, Dan. 8, 25. Gott lasse dein Fürnehmen gerathen, Judith 10, 9. Es gerathen nicht alle Anschläge. Der Wein, das Getreide, das Obst sind gerathen. Gerathene Kinder, im Gegensatze der ungerathenen. Wenn unter hohen jubelvollen Zungen Ein süßer Ton auch mir gerieth, Raml.

Anm. In allen diesen Fällen liegt der Begriff der Bewegung, besonders der unvorsetzlichen Bewegung, nach einer gewissen Richtung zum Grunde. S. Rathen, Reichen, Gerade, Reiten, Reisen u. s. f. welche insgesammt zu der Familie dieses Wortes gehören. Im Oberdeutschen verbindet man es häufig mit dem Hülfsworte haben, wenigstens in der zweyten und dritten Bedeutung. Die Arbeit hat mir gerathen. Außer den hier bemerkten Arten des Gebrauches kommt es im Oberdeutschen noch in einer doppelter Bedeutung vor. 1) Für entrathen. Dein aber kann man geraten, Hans Sachs. 2) Für rathen, Rath geben, consulere, wovon bey den Schwäbischen Dichtern häufige Beweise befindlich sind.


Gerathewohl (W3) [Adelung]


Das Gerathewohl, ein unabänderliches Hauptwort, welches aus der R. A. wohl gerathen zusammen gesetzet ist, und mit dem Vorworte auf nur in adverbischer Gestalt gebraucht wird. Etwas auf ein Gerathewohl unternehmen, auf gut Glück, in nicht genug gegründeter Hoffnung, daß es gerathen werde. Ein Gewehr aufs Gerathewohl los schießen, ohne gehörig zu zielen.


Geräthholz (W3) [Adelung]


Das Geräthholz, des -es, plur. inus. im Forstwesen, Holz, welches zu allerley Geräth tauglich ist, Geschirrholz, Nutzholz; im Gegensatze des Brenn- und Bauholzes.


Geräthschaft (W3) [Adelung]


Die Geräthschaft, plur. inus. oder die Geräthschaften, sing. inus. welches zuweilen für das einfache Geräth, von beweglichen Sachen gebraucht wird, welche zum Betriebe eines gewissen Geschäfts in oder außer der Wohnung bestimmt sind. Nieders. Reedschup, Reeschop.


Geräuch (W3) [Adelung]


* Das Geräuch, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen unbekanntes Oberdeutsches Wort, für Räuchwerk, welches noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt; z. B. 2 Mos. 30, 8, 9. Hohel. 3, 6.


Geraum (W3) [Adelung]


Geraum, -er, -ste, adj. et adv. vielen, beträchtlichen Raum enthaltend, für das veraltete raum. 1) Eigentlich. Ein sehr geraumes Zimmer. Die geraume, weite, See. Geraum sitzen, wohnen. Wo für doch im Hochdeutschen geräumig üblicher ist. 2) Figürlich, von der Zeit. Es ist eine geraume, ziemlich lange, Zeit her. Vor geraumen Jahren. Ich habe ihn in geraumer Zeit nicht gesehen. In dieser Bedeutung kommt es als ein Adverbium nicht vor.

Anm. Im Nieders. ruum, im Engl. roum, im Holländ. ruym, im Schwed. rum, bey dem Ulphilas rums. S. Raum. Im Niedersächsischen bedeutet es auch leer, ledig; ein raumes, leeres, Faß.


Geräumig (W3) [Adelung]


Geräumig, -er, -ste, adj. et adv. welches für geraum, in dessen ersten eigentlichen Bedeutung im Hochdeutschen üblich ist, Raum habend, enthaltend. Ein geräumiger Ort. Ein geräu- miges Haus, Zimmer. Sehr geräumig wohnen, sitzen. Ein geräumiger Hafen. Im Oberdeutschen geräumig. Von einigen wird auch geräumlich in eben diesem Verstande gebraucht, ungeachtet die Ableitungssylben ig und lich in ihrer eigentlichen Bedeutung sehr verschieden sind. Daher die Hauptwörter, die Geräumigkeit, Oberd. Geraumigkeit, und die Geräumlichkeit, die geräumige Beschaffenheit eines Ortes zu bezeichnen. S. Räumig und Räumlich, welche im gemeinen Leben gleichfalls gebraucht werden.


Geräumte (W3) [Adelung]


Das Geräumte, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Im Forst- und Landwesen einiger Gegenden, ein geräumtes, d. i. durch Wegräumung des Holzes zu Acker gemachtes Stück Waldung, welches an andern Orten Rodeland, Stockraum, Gereut, Neuland, Neubruch heißt. S. Gereut. 2) Im Jagdwesen, auch ein zum Behuf der Jagd in den Wald gehauener Weg; ein Stellweg, Lauf, Abjagungsflügel, Durchhieb, Richtweg u. s. f.


Geräusch (W3) [Adelung]


1. Das Geräusch, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, von dem Zeitworte rauschen, das Rauschen, eine unverständliche durch das Gehör empfundene Bewegung der Luft. Ein Geräusch machen. Das Geräusch des Windes, der Wellen, des Wassers, des Laubes auf den Bäumen, der Blätter. Unter dem Geräusche der Waffen erzogen seyn. Auch figürlich. Das Geräusch der Welt fliehen, sich demselben entziehen, die unruhigen Beschäftigungen der Welt. Geräusch in der Welt machen, Aufsehen, von sich reden machen. Man spricht oft mit so vielem Geräusche von der Tugend, mit schallenden leeren Worten. Gellerts Andenken bedarf keines eitlen Geräusches schwärmerischer Lobeserhebungen, Cram. Im Nieders. Ruse, Ruste, Gedruus, im Angels. Hristlung, Engl. Rustling, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . S. Rauschen. Notker nennet das Geräusch der Welt, Chlaffot dirro uuerelte.


Geräusch (W3) [Adelung]


2. Das Geräusch, des -es, plur. die -e, bey den Jägern und in den Küchen, Herz, Lunge und Leber eines geschlachteten größern Thieres, besonders des edlen Wildbretes, zusammen genommen, welches auch das Gehänge, das Geschlinge, die Lunge u. s. f. genannt wird. In weiterer Bedeutung pflegen die Jäger auch den Banzen und Wanst mit dazu zu rechen, welcher aber eigentlich der Aufbruch genannt wird. Es ist eben nicht sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort von dem Zeitworte rauschen herkommen sollte, von welchem es sich nicht anders als auf eine sehr gezwungene Art würde ableiten lassen. Im Nieders. bedeutet Kuschen, im Angels. Resc, Risc, und im Engl. Rusn, Binsen; im Latein. ist Ruscus der wilde Myrthenbaum, im Schwed, Ruska ein Bündel Reisholz, und im Ital. Brusca, Franz. Brossaille, Strauchwerk, eine Hecke. Doch auch diese scheinen nicht hierher zu gehören, wenn sie nicht in dem Hauptbegriffe mehrerer in einander geschlungener, mit einander verbundener Dinge übereinkommen.


Gerben (W3) [Adelung]


Gerben, Gerber, u. s. f. S. Garben.


Gerecht (W3) [Adelung]


Gerecht, -er, -este, adj. et adv. welches das mit der Vorsylbe ge verlängerte Wort recht ist, und wie dieses eigentlich gerade bedeutet, in welchem Verstande es auch noch zuweilen im Forstwesen vorkommt, wo ein gerechter Baum, ein gerade gewachsener Baum ist, zumahl, wenn er sich zugleich gerade spalten lässet; S. Gerade

Anm. Allein am häufigsten kommt es im Hochdeutschen, doch in folgenden figürlichen Bedeutungen vor. 1. Dem Objecte, dem Gegenstande gemäß. 1) Dem Maße nach, wofür auch recht üblich ist. Das Kleid ist mit gerecht. Die Schuhe sind mir nicht gerecht. Einem ein Kleid gerecht machen, in Baiern, es gerechten oder gerechteln. Der Stöpsel ist gerecht, passet auf die Flasche. In aller Sättel gerecht seyn, figürlich, sich in alles zu schicken wissen. 2) Den Einsichten, der Erfahrung nach; am häufigsten im Jagdwesen, wo ein Jäger holzgerecht, forstgerecht, gewehrgerecht, hirschgerecht, hundegerecht u. s. f. heißt, wenn er die gehörigen Kenntnisse von allen diesen Gegenständen hat. 3) * Den nöthigen Umständen und Fähigkeiten nach, für bereit; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Sich zur Reise gerecht machen, im Theuerd. Im Hochdeutschen sagt man dafür sich zurecht machen. 2. Der Neigung, dem Willen gemäß; doch vielleicht nur allein bey den Jägern, wo die Fährte dem Hunde gerecht ist, wenn er sie begierig annimmt. Im gemeinen Leben der Hochdeutschen ist dafür das einfache recht üblicher. 3. Der Vollkommenheit gemäß. 1) Gerechte Waare, echte, im Gegensatze der unechten oder falschen. 2) Im sittlichen und höchsten Verstande heißt Gott gerecht, so fern sein Wille die vollkommenste Richtung hat; in welchem Verstande er auch heilig genannt wird. S. Gerechtigkeit. Der Herr ist gerecht, ich aber und mein Volk sind Gottlose, 2 Mos. 9, 27. Auch verhältnißmäßig von Menschen, in der Deutschen Bibel, die Möglichste sittliche Vollkommenheit habend. Willt du denn ein gerecht Volk erwürgen? 1 Mos. 20, 4. Was gerecht ist, dem denket nach, Phil 4, 8. Wie mag ein Mensch gerecht seyn vor Gott? Hiob 25, 4. Wo auch das Hauptwort ein Gerechter von einem solchem sittlich vollkommenen Menschen vorkommt. S. die folgende 5te Bedeutung. 4. Dem Rechte, der Befugnis gemäß; rechtmäßig. Gerechte Klage über etwas führen, wozu man Grund und Recht hat. Meine Klagen sind gerecht. gerechte Ansprüche auf etwas haben. Eine gerechte Sache haben. Ich fühle darüber den gerechtesten Verdruß. Eine gerechte Belohnung. Neue Hindernisse setzen sich unsern gerechten Wünschen entgegen, Gell. Die gerechten Gerichte Gottes. 5. Den Pflichten, den Obliegenheiten gemäß. 1) Den Regeln der Kunst gemäß; doch in einigen einzelnen Fällen, besonders in Zusammensetzungen. S. Schulgerecht. Nach mehr und am häufigsten, 2) im sittlichen Verstande, im Gegensatze dessen, was ungerecht ist; wo dieses Wort wieder in einem verschiedenen Umfange der Bedeutung gebraucht wird. (a) In der weitesten Bedeutung, so wohl objective, allen Obliegenheiten, zu welchen man verpflichtet ist, gemäß, als subjective, die Fertigkeit besitzend, sein ganzes Verhalten rechtmäßig einzurichten, oder alle seine Pflichten zu erfüllen. Gerecht gegen Gott, gegen sich selbst seyn. In diesem Verstande wird es sehr häufig in der Deutschen Bibel gebraucht, wo auch solche Personen, welche sich der Beobachtung aller ihrer sittlichen Pflichten auf das möglichste befleißigen, Gerechte genannt werden. (b) In einer etwas engern Bedeutung heißt in der Deutschen Bibel und dem theologischen Lehrbegriffe, gerecht werden, in dem göttlichen Gerichte für gerecht in der vorigen Bedeutung erkläret, d. i. von der Schuld und Strafe der Sünde befreyet werden. Gerecht werden durch den Glauben. Daher, ein Gerechter, der auf solche Art für gerecht erkläret worden. S. Rechtfertigen. (c) In noch engerer Bedeutung, den Pflichten gegen andere gemäß, mit Einschließung der Billigkeit, oder unvollkommenen Pflichten; und subjective, die Fertigkeit besitzend, diese Pflichten zu erfüllen. (b) In der engsten Bedeutung, dem strengen Rechte gegen andere, den durch ein Gesetz ausdrücklich bestimmten Pflichten gemäß, und die Fertigkeit besitzend, diesen Pflichten gemäß zu handeln. (1) Unter gleichen Personen, da denn alles gerecht ist, wodurch einem jeden das Seien gelassen und versichert wird. (2) Unter ungleichen Personen, wo besonders Höhere gerecht heißen, wenn sie ihr Mißfallen an dem unrechtmäßigen und ihr Wohlgefallen an dem rechtmäßigen Verhalten den ihnen unterworfenen Personen auf eine thätige Art, ohne alle Nebenabsichten an den Tag legen. Ein gerechter Richter, ein gerechtes Urtheil. Im höchsten Verstande ist auch Gott gerecht.

Anm. Noch bey dem Ottfried heißen die Gerechten Rehtono, aber schon Notker gebraucht greht für rectus. S. Recht.


Gerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Gerechtigkeit, plur. die -en, das Abstractum des vorigen Bey- und Nebenwortes, es Zustand, da eine Person oder Sache gerecht ist; nur in einigen Bedeutungen dieses Wortes. 1. Der Zustand der sittlichen Vollkommenheit, ohne Plural; in welchem Verstande es zuweilen von Gott gebraucht wird, so wohl im weitern Verstande, die innere sittliche Vollkommenheit desselben zu bezeichnen, da sie mit der Heiligkeit einerley ist, als auch im engern, von der genauen Beobachtung des Besten in der Einrichtung aller seiner Werke, da sie auch die Weisheit mit unter sich begreift. Auch von Menschen kommt es in der Deutschen Bibel häufig vor, die möglichste sittliche Vollkommenheit derselben zu bezeichnen, wo es aber füglicher zur folgenden Bedeutung gerechnet wird. S. Gerecht 3. 2. Der Zustand, da eine Sache dem Rechte, einer Befugniß gemäß ist. 1) Eigentlich; gleichfalls ohne Plural. Die Gerechtigkeit einer Klage, eines Anspruches. Es ist besser wenig mit Gerechtigkeit, denn viel Einkommens mit Unrecht, Sprichw. 16, 8. Noch mehr, 2) das Recht oder die Befugniß selbst, und ein Ding, welches jemanden vermöge eines Rechtes zukommt; welches der einzige Fall ist, wo dieses Wort einen Plural leidet. Eine Stadt hat viele Gerechtigkeiten, wenn sie viele Rechte, Vorrechte oder Gerechtsamen hat. Eines Gerechtigkeit schmälern. Mußtheil, Gerade und andere weibliche Gerechtigkeiten. Die Gerechtigkeit haben etwas zu thun. Stadtgerechtigkeit, das Recht eine Stadt vorzustellen; Meßgerechtigkeit, die Befugniß eine Messe zu halten; Mühlgerechtigkeit, das Recht eine Mühle zu halten u. s. f. Siehe Gerecht 4. 3. Der Zustand, da eine Person oder Sache dem Gesetze und den daraus erwachsenden Pflichten gemäß ist; wo es in eben so vielen Einschränkungen gebrauchen wird, als das Bey- und Nebenwort gerecht, und gleichfalls keinen Plural leidet. 1) Im weitesten Verstande, das ganze rechtmäßige Verhalten des Menschen, oder die gesammte Beobachtung aller seiner Pflichten; in welchem es in der Deutscher Bibel sehr häufig ist, außer der biblischen Schreibart aber nicht gebraucht wird. In Gerechtigkeit wandeln, 2 Kön. 3, 6. Gerechtigkeit war mein Kleid, Hiob. 29, 14; und so in andern Stellen mehr. Bey dem Ottfried Girihti im Isidor Rehtunga. 2) In engerm Verstande, das ganze rechtmäßige Verhalten Christi, auch so fern es in der Rechtfertigung dem Menschen angerechnet und zugeeignet wird; gleichfalls nur in der Deutschen Bibel, und der biblischen Sprechart. Durch eines Menschen Gerechtigkeit ist die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen, Röm. 5, 18. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, 2 Cor. 5, 21. 3) In noch engerer Bedeutung, die Beobachtung der Pflichten gegen andere, auch mit Einschließung der unvollkommenen Pflichten, und die Fertigkeit solcher Beobachtung. Ingleichen objective, die Eigenschaft einer Sache, vermöge welcher sie den Rechten des andern gemäß ist. Sich der Gerechtigkeit gegen jedermann befleißigen. Sie lassen mir keine Gerechtigkeit widerfahren, wenn sie glauben, ich habe bey meinem Dienste auf eine Belohnung gesehen. Die Gerechtigkeit der Gnadenwahl. 4) In der engsten Bedeutung, die Beobachtung der durch ein Gesetz bestimmten Pflichten, die Erfüllung des strengen Rechtes gegen andere, die Fertigkeit dieser Erfüllung, und zuweilen auch dieses Recht selbst. (a) Unter gleichen Personen, welche von einigen die Justitia aequatoria genannt wird. (b) Unter ungleichen Personen, besonders Höherer gegen Geringere, Justitia rectoria, das rechtmäßige Verhalten gegen Geringere, welches überhaupt in der thätigen Beweisung des Mißfallens an ihren unrechtmäßigen und des Wohlgefallens an ihren rechtmäßigen Handlungen bestehet, und im höchsten Verstande auch Gott zukommt. In etwas engerm Verstande bestehet diese Gerechtigkeit in dem Schutze eines jeden bey dem Seinigen, und in der Verbindlichkeit dazu; da sie denn in den schönen Künsten unter dem Bilde einer Person weiblichen Geschlechtes mit verbundenen Augen vorgestellet wird, welche in der einen Hand eine Wagschale, und in der andern ein bloßes Schwert hält. Die Gerechtigkeit lieben, handhaben. Diener der Gerechtigkeit, die dazu verordneten Personen. Einem Gerechtigkeit widerfahren lassen. Über die Gerechtigkeit halten. Der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen. Das ist wider alle Gerechtigkeit. Figürlich werden zuweilen auch die zu diesem Schutze verordneten Personen die Gerechtigkeit genannt. Die Gerechtigkeit um Schutz, um Hülfe anflehen. Vor der Gerechtigkeit erscheinen. Jemanden der Gerechtigkeit überliefern. Nieders. Rechtigheit, im Schwabensp. Rechtikait, Schwed. Rättighet.


Gerechtsame (W3) [Adelung]


Die Gerechtsame, plur. die -n, die in einem Rechte oder Gesetze gegründete Befugniß. Eines Gerechtsamen kränken. Eine Stadt, welche viele Gerechtsamen hat. Anm. Im Oberdeutschen nur Rechtsame. In eben dieser Mundart hat man auch das Bey- und Nebenwort gerechtsam für rechtmäßig, und Gerechtsamkeit für die Gerechtsame. Es ist ungegründet, wenn einige behaupten; Gerechtsamen habe keinen Singular. Indessen kommt der Plural freylich häufiger vor.


Gerede (W3) [Adelung]


Das Gerede, des -es, plur. inus. das Reden, doch nur im eingeschränkten und gemeiniglich nachtheiligen Verstande, ein Gerücht, ein mehrmaliges Reden des großen Haufens von einer Sache. Es gehet das Gerede. Dem Gerede der Leute zu entgehen suchen. Sich zum Gerede der Stadt machen, zum Gegenstande des Geredes.


Gereden (W3) [Adelung]


Gereden, verb. reg. act. welches das mit der emphatischen Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort reden ist, und im Oberdeutschen und einigen Hochdeutschen Kanzelleyen für zusagen, versprechen, gebraucht wird, außer dem aber veraltet ist. Viel gereden und nicht halten, Sprichw. 25, 14. Mit einem Eide gereden, 2 Macc. 7, 24. Ihr sollt gereden und geloben, heißt es oft in Eidesformeln. Nieders. gleichfalls gereden.


Gereichen (W3) [Adelung]


Gereichen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort reichen ist, aber in einigen Bedeutungen desselben vorkommt. 1) * Eigentlich, für reichen, in der Ausdehnung der Länge nach berühren, gelangen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Herr laß mein Recht vor dich gereichen, Opitz Ps. 43. Im thätigen Verstande wird es noch in der Jägerey gebraucht, wo gereichen so viel ist, als den Habicht nachfliegen lassen. 2) Figürlich, die Ursache einer Folge, das Mittel einer Wirkung werden, welche letztere mit dem Vorworte zu ausgedruckt wird. Das wird dir zum Vortheil, zur Ehre, zur Schande, zum Schaden gereichen. Übel in einzelnen Theilen kann zur Vollkommenheit des Ganzen gereichen. Das gereicht seinem Herzen zur Ehre. Die Strafe wird zu deinem Besten gereichen. Umstände, welche zur Verkürzung des Lebens gereichen. Anstalten, welche zum gemeinen Besten gereichen.

Anm. Im Oberdeutschen kommt in dieser letzter Bedeutung auch das einfache reichen vor. Das wirt warlich gar zu klainen Eren reichen meiner Frawen, Theuerd. Kap. 77. Im Schwed. ist raecka hinreichen, genug seyn. Siehe Gerathen 2.


Gereiß (W3) [Adelung]


Das Gereiß, des -es, plur. car. im gemeinen Leben, das Reißen; doch nur im figürlichen Verstande. Es ist vieles Gereiß um diese Waare, man reißet sich beynahe um sie, sie gehet reißend ab.


Geren (W3) [Adelung]


Der Geren, S. Gehren.


Gerenne (W3) [Adelung]


Das Gerenne, S. Gerönne.


Gerent (W3) [Adelung]


Das Gerent, des -es, plur. inus. oder die Gerente, sing. inus. in dem Salzwerke zu Halle, eine Rente, d. i. gewisse Einkünfte an Sohle, welche zum Unterhalt der Gebäude, zur Besoldung der Bedienten, zum Besten der Armen u. s. f. versotten, und in das stäte Gerent und Tagegerent getheilet wird. Jenes ist stät oder beständig, und wird wöchentlich gegeben, es mag viel oder wenig gesotten werden; dieses aber richtet sich nach der Menge der versottenen Sohle. S. Rente.


Gereuen (W3) [Adelung]


Gereuen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur als ein unpersönliches Zeitwort mit der ersten Endung der Sache, und der vierten Endung der Person gebraucht wird, Reue, oder nachfolgendes Mißfallen an einer vorher gegangenen Handlung empfinden. Mich gerou noch nie, das ich u. s. f. Reinmar der Alte. Thue nichts ohne Rath, so gereuet dichs nicht nach der That, Sir. 32, 24. So wird den Herrn auch gereuen das Übel u. s. f. Jer. 26, 13. Gott können seine Wohlthaten nie gereuen. Laß dich diese Ausgabe nicht gereuen. Es wird dich gereuen. Es gereuet mich, daß ich ihm so viel vertrauet habe. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung der Sache. Es gereuet ihn der That. Si sol sich lan geruwen Wol der ungetat, König Conrad. Anm. Im gemeinen Leben auch häufig nur reuen, Nieders. rouen, rijen, bey dem Notker geriuuwen, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno ciruwin, im Angels. hreowan, im Engl. to rue. S. Reue.


Gereut (W3) [Adelung]


Das Gereut, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden Oberdeutschlandes, ein ausgereutetes Stück Waldes, ein Neubruch, Geräumte, Rodeland u. s. f. An andern Orten, z. B. in Elsaß, ist Gereut der Geraid, eine gemeine Waldung, besonders so fern sie zur Ausreutung gebraucht werden kann, und der einem jeden zuständige Theil darin, welcher an andern Orten eine Holzmark, Holzerbschaft, Waldmarkung u. s. f. heißt. Dergleichen ist das Landauer Gereut, welches sechzehen Meilen im Umfange begreift, auch das Heimgeraid genannt, und in das vordere und hintere Gereut getheilet wird. Die Forstgerichtbarkeit darüber heißt das Oberheimgeraid, ein Theilhaber daran ein Geraid- oder Gereutgenoß, oder Geraider, Gereuter, das Forstgericht der Gereutstuhl oder Geraidenstuhl, indem dieses Wort daselbst auch im weiblichen Geschlechte die Geraid gebraucht wird, die Forstordnung die Gereutordnung, der Einnehmer der Gefälle, der Gereuteinnehmer, die Schlüsse des Forstgerichts die Gereutschlüsse u. s. f.


Gereutherd (W3) [Adelung]


Der Gereutherd, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue einiger Gegenden, der Vorherd an dem Zinnofen, in welchem sich das geschmelzte Zinn sammelt.


Gereutlerche (W3) [Adelung]


Die Gereutlerche, plur. die -n, eine Art Bachstelzen, welche mit einer Lerche nichts, als die Farbe gemein hat, und sich gern auf Gereuten, d. i. ausgereuteten Stücken Waldes, aufzuhalten pflegt. Sie wird im gemeinen Leben auch Krautlerche, Krautvogel genannt, welcher Nahme in Ansehung der ersten Hälfte aus Gereut verderbt ist.


Gerfalk (W3) [Adelung]


Der Gerfalk, des -en, plur. die -en, eine Art Falken mit einem himmelblauen, kurzen, starken, und sehr spitzig gekrümmten Schnabel, weiten und schwarzen Augäpfeln, himmelblauen nackten Füßen, und weißgrauen schwarz gefleckten Rücken und Flügeln; Falco rapax Klein. Er gehört zu den edelsten und gierigsten Arten von Falken, daher er schon vor Alters her diesen Nahmen von dem alten ger, gierig, bekommen hat, und auch Gierfalk, im mittlern Lat. Gerfalco, Gerfalchus, Grifalco, Giffardus, Gyrfalco genannt wurde. Im Engl. heißt er Gerfalcon und Jerkin, im Ital. Girifalco, im Franz. Gerfaut und Grifaut. Die das Wort Geyer gleichfalls von ger, gierig, ableiten, nennen ihn auch Geyerfalk, welche Benennung aber nicht so richtig zu seyn scheinet, indem man ihn von den ältesten Zeiten her viel zu hoch geschätzet, als daß man ihn mit dem verworfenen Geyer in eine Classe sollte gesetzt haben.


Gergel (W3) [Adelung]


Der Gergel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Böttchern, die Rinne in den Dauben der Fässer und hölzernen Gefäße, in welche der Boden befestiget wird; ingleichen dasjenige Werkzeug, vermittelst dessen diese Rinne gemacht wird, welches eine Art von Zirkel ist, und auch der Bodenzieher oder Zargzieher heißt. Daher gergeln, diese Rinne machen. Ein Faß gergeln. Das Wort, welches bey einigen auch das Gürgel lautet, gehöret ohne Zweifel zu dem Lat. gyrare, umdrehen, gyrgillus, ein Haspel. Im mittlern Lat. ist Girgillus nicht nur ein Rad, sondern auch ein Werkzeug zum Spinnen.


Gerhab (W3) [Adelung]


Der Gerhab, S. Vormund.


Gerhard (W3) [Adelung]


"Gerhard", ein eigenthümlicher Vornahme für Personen männlichen Geschlechtes, welcher Deutschen Ursprunges ist, von dem Zeitworte "gehren", "begehren", abstammet, und eine liebenswürdige Person bezeichnet; daher Erasmus von Rotterdam, welcher eigentlich "Gerhard van Gerart" hieß, sich nach der Gewohnheit der damahligen Zeiten "Desiderium Erasmum" nannte. Im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, lautet dieser Nahme nur "Gerd". Die Endung "hard" ist, wie schon Frisch beweiset, kein eigenes Wort, sondern aus der männlichen Endung "er" entstanden, welche in manchen Mundarten ein "t" anzunehmen pfleget; "Tauchert", "Tauchart", für "Taucher". Eben derselbe führet im Worte "Ger" die Veränderungen an, durch welche dieser Nahme in den mittlern Zeiten gegangen ist.


Gericht (W3) [Adelung]


1. Das Gericht, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte richten, so fern es ehedem auch anrichten, oder zurichten bedeutet. 1) Eine Speise Einer Art, so fern sie in einer besondern Schüssel angerichtet wird; Diminut. das Gerichtchen, Oberd. Gerichtlein. Ein Gericht Fische, Fleisch, Gemüse, Erbsen, Bohnen u. s. f. Eine Mahlzeit von sechs Gerichten. In engerer Bedeutung pflegt man Suppe, Braten, Obst und Gebackenes nicht mit unter die Gerichte zu rechnen. Im Nieders. und Oberdeutschen nur Richt, im Schwabensp. Rith, im Schwed. Rätt. 2) Bey den Jägern, die Dohnen, Bügel und Schlingen, welche man den Vögeln, oder auf die Vögel richtet, um sie darein zu fangen, und welche auch das Geschneide genannt werden. S. Bodengericht. In dem ehemahligen Kriegswesen wurde auch ein bedeckter Gang, unter welchem die Sturmböcke gegen die Mauern spielten, das Gericht genannt.


Gericht (W3) [Adelung]


2. Das Gericht, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte richten, das sittliche Verhalten anderer beurtheilen. 1. Die Handlung des Richtens, die wirkliche Sprechung es Rechtes oder Beurtheilung des sittlichen Verhaltens anderer nach dem Gesetze, und deren Vollziehung, so fern dasselbe von öffent- lichen dazu verordneten Personen geschiehet; ohne Plural. Gericht halten. Über jemanden Gericht halten. Ein scharfes Gericht über jemanden ergehen lassen. Die biblischen Ausdrücke, Gericht üben, hören, handhaben, zu Gericht sitzen u. s. f. sind im Hochdeutschen veraltet. Das jüngste Gericht, das allgemeine Weltgericht, oder das Gericht schlechthin, in der Theologie, die Beurtheilung des sittlichen Verhaltens der Menschen nach der Auferstehung und Entscheidung ihres künftigen Zustandes; bey dem Notker das iungeste Ding. 2. Die Befugniß, dieses Recht zu sprechen, oder das sittliche Verhalten anderer zu beurtheilen und das Urtheil zu vollziehen; ohne Plural. 1) Eigentlich, die Gerichtbarkeit, Jurisdiction, und die damit verknüpften Nutzungen und Beschwerden. Ihnen ward gegeben das Gericht, Offenb. 20, 4. Jemanden mit dem Gerichte belehnen. Das Gericht verkaufen. In welcher Bedeutung es auch oft im Plural ohne Singular gebraucht wird. Bey einem Gute die Gerichte mit in Anschlag bringen. Die Gerichte verpachten, an sich bringen. 2) In den mittlern Zeiten drückte dieses Wort in weiterer Bedeutung oft die ganze oberherrliche Gewalt aus, von welcher die Sprechung des Rechtes eine der vornehmsten Befugnisse ist; daher in dem Sachsenspiegel und andern Schriften dieser Zeit Richter oft einen Landesherren bedeutet. 3. * Das Recht, die Gerechtigkeit, besonders so fern sie eine Pflicht Höherer gegen ihre Unterthanen ist, die Fertigkeit sie zu erfüllen und deren wirkliche Erfüllung; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Er liebet Gerechtigkeit und Gericht; Ps. 33, 5. Gott gib dein Gericht dem Könige, Ps. 72, 1. Gerechtigkeit und Gericht ist deines Stuhls Festung, Ps. 89, 15. Es wird mit Gericht strafen die Elenden im Lande, Es. 11, 4. Er hat Zion voll Gerichts und Gerechtigkeit gemacht, Kap. 53, 5; und so in andern Stellen mehr. Der Gegensatz ist das gleichfalls veraltete Ungericht, Unrecht, Gewaltthätigkeit, Verbrechen, welches in den mittlern Zeiten mehrmahls vorkommt. 4. Die auf eine böse Handlung im Gericht erkannte Strafe, wo dieses Wort nur im theologischen Verstande von den Strafen Gottes gebraucht wird. So werden alle Arten der Verhärtungen der Menschen geistliche Gerichte Gottes, das Gericht der Verstockung u. s. f. genannt, ungeachtet sie oft natürliche Folgen des vorher gehenden Zustandes sind. Denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte, Offenb. 19, 2. Schrecklich sind deine Gerichte, weil wir dein Gebot nicht gehalten haben, Tab. 3, 5,. Welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht, 1 Cor. 11, 29. Unerbittliche Gerichte drohen dir jenseit des Grabes. Besonders, die göttliche Veranstaltung des nachfolgenden Übels der Sünde, in welchem Verstande Landplagen und andere Übel göttliche Gerichte, oder Strafgerichte Gottes genannt werden. 5. Die zur Sprechung des Rechtes und Vollziehung des Urtheils verordneten Personen, deren Versammlung; zum Unterschiede von den Facultäten, Schöppenstühlen und andern Rechtsstühlen, welche zwar die Handlungen nach dem Gesetze beurtheilen, aber die Urtheile nicht vollziehen. 1) Überhaupt, da es an einigen Orten auch das Gerichtsamt, die Gerichtsbank, der Gerichtsstuhl, Gerichtshof, Gerichtskammer genannt wird. Jemanden vor Gericht fordern, laden. Vor Gericht kommen, erscheinen. Vor Gericht bringen. Im Gerichte sitzen. Jemanden vor Gericht verklagen. Das Gericht hat ihn los gesprochen, verurtheilet u. s. f. Das Gericht sitzt heute nicht. Daher das Hofgericht, Landgericht, Handelsgericht, Stadtgericht, Kammergericht, Cri- minal-Gericht u. s. f. Im gemeinen Leben wird es in dieser Bedeutung oft im Plural gebraucht, ohne Singular. Ich will zu den Gerichten eilen und mich angeben. Die Gerichte haben auf die Hülfe erkannt, haben die Hülfe vollstreckt. Der todte Körper wurde von den Gerichten aufgehoben. Wo oft nur einige von einem Gerichte dazu abgeordnete Personen verstanden werden. 2) In engerer Bedeutung heißt bey dem Kammergericht zu Wetzlar ein Gericht, eine aus dem Richter und den Anwalten beyder Parteyen bestehende Versammlung; dagegen wenn einer dieser drey Theile fehlet, solches kein Gericht genannt wird. S. Gerichtlich. 6. Der Ort, 1) wo sich diese Personen versammeln und das Recht sprechen. In das Gericht gehen. Die Sache wurde im offenen, im verschlossenen Gerichte verhandelt. 2) Zuweilen auch der Ort, wo die peinlichen Strafen vollzogen werden, wo besonders der Galgen oft das Gericht oder das Hochgericht genannt zu werden pfleget. 7. Der Gerichtsbezirk, der District, über welchen sich die Gewalt eines Gerichtes erstrecket, der Gerichtssprengel, und in weiterer Bedeutung, besonders in den mittlern Zeiten, ein jedes Gebiet; auf welche Art auch das mittlere Lat. Jurisdictio üblich war. In diesem Verstande wird es oft als ein Plurale tantum gebraucht. Einen Missethäter durch ein fremdes Gericht, oder durch fremde Gerichte führen. Aus einem Gerichte, oder aus den Gerichten ziehen. Einen Verbrecher aus dem Gerichte, oder aus den Gerichten verweisen.

Anm. Bey dem Notker in der 5ten Bedeutung Gerih, ungeachtet er einem andern Orte auch Vberteilidon dafür gebraucht, im Nieders. Recht und Richt. S. Richten. Ehedem wurden Ding, Bann, Thäding oder Theiding und andere Wörter in diesem Verstande gebraucht. Kero gebraucht dafür Suanu.


Gerichtamt (W3) [Adelung]


Das Gerichtamt, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort für Richtamt, oder Richteramt, welches 5 Mos. 1, 17 vorkommt: Das Gerichtamt ist Gottes.


Gerichtbarkeit (W3) [Adelung]


Die Gerichtbarkeit, plur. die -en. 1) Das Recht, oder die Befugniß in vorkommenden Fällen, Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, und das ausgesprochene Urtheil zu vollziehen, die Jurisdiction, der Gerichtszwang, die Gerichtsherrschaft, ehedem die Richtgewalt; ohne Plural. unter eines Gerichtbarkeit wohnen, stehen. Eines Gerichtbarkeit anerkennen, läugnen. Eine wirkliche Gerichtbarkeit über etwas haben. In weiterer Bedeutung auch die Oberherrschaft, von welcher die Gerichtbarkeit ein so wichtiger Theil. ist. Gottes höchste Gerichtbarkeit über alle Geschöpfte. 2) Der District, über welchen sich diese Gewalt erstrecket, das Gebieth.

Anm. Die erste Hälfte dieses Wortes ist nicht das vorige Hauptwort Gericht, sondern das Zeitwort richten; die Richtbarkeit, die Befugniß zu richten, woraus durch Vorsetzung des Oberdeutschen ge, Gerichtsbarkeit geworden, so wie das vorige Gerichtamt für Richtamt stehet. Auf ähnliche Art sagt man tragbar, haltbar u. s. f. S. 1 Bar 5. woraus zugleich erhellet, daß dieses Wort irrig Gerichtsbarkeit geschrieben und gesprochen wird. Das veraltete Bey und Nebenwort gerichtbar kommt noch bey dem Haltaus vor.


Gerichtlich (W3) [Adelung]


Gerichtlich, adj. et adv. im Gerichte, vor Gerichte, zum Gerichte gehörig, demselben gemäß, darin gegründet. Das gerichtliche Verfahren, das Verfahren des Gerichtes und in demselben. Jemanden gerichtlich belangen, verklagen, vor Gericht. Ein gerichtlicher Ausspruch, Bescheid. Gerichtlich zieht er bald des Weibes Ehmann ein, Gell. In engerer Bedeutung heißt bey dem Kammergerichte zu Wetzlar gerichtlich, was in Gegenwart des vollen Gerichtes, d. i. des Richters und beyder Theile geschiehet; im Gegensatze des außergerichtlichen, wo eine von diesen drey Personen fehlet. Ein gerichtlicher Senat, ein gerichtlicher Vortrag u. s. f. S. 2 Gericht 5.


Gerichts (W3) [Adelung]


* Gerichts, ein im Hochdeutschen veraltetes Nebenwort, welches für gerade, von der Richtung, noch in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist. Gerichts für euch, gerade vor euch, Opitz. Nehmt Hauen, geht gerichts den hohen Ort hinein, ebend. S. Gerade

Anm. und Richten.


Gerichts-Acten (W3) [Adelung]


Die Gerichts-Acten, sing. inus. gerichtliche Acten, die vor Gericht verhandelten Schriften.


Gerichtsamt (W3) [Adelung]


Das Gerichtsamt, des -es, plur. die -ämter, in einigen Gegenden, z. B. in Schlesien, ein Gericht, in der 5ten Bedeutung dieses Wortes.


Gerichtsbank (W3) [Adelung]


Die Gerichtsbank, plur. die -bänke, in eben dieser Bedeutung, in welchem Verstande ehedem auch Dingebank und Urtheilbank üblich waren. S. Bank.


Gerichtsbarkeit (W3) [Adelung]


Die Gerichtsbarkeit, S. Gerichtbarkeit.


Gerichtsbeamte (W3) [Adelung]


Der Gerichtsbeamte, des -n, plur. die -n, ein gerichtlicher Beamter, eine bey einem Gerichte angestellte Person.


Gerichtsbothe (W3) [Adelung]


Der Gerichtsbothe, des -n, plur. die -n, ein Bothe, der in Diensten eines Gerichtes stehet, die Parteyen vorzuladen, u. s. f. der Gerichtsdiener, und wenn er von geringer Art ist, der Gerichtsknecht.


Gerichtsbrauch (W3) [Adelung]


Der Gerichtsbrauch, oder Gerichtsgebrauch, des -es, plur. die -bräuche, ein gerichtlicher, oder bey einem oder mehrern Gerichten üblicher Gebrauch.


Gerichtsbuch (W3) [Adelung]


Das Gerichtsbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, in welches die vor einem Gerichte verhandelten Sachen eingetragen werden.


Gerichtsdiener (W3) [Adelung]


Der Gerichtsdiener, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bedienter, welcher dem Gerichte aufzuwarten verpflichtet ist, und wenn er zugleich zu Verschickungen gebraucht wird, auch Gerichtsbothe heißt; im Oberdeutschen Gerichtsweibel, in Bremen Waltknecht, Waldbode, d. i. Gewaltbothe.


Gerichts-Director (W3) [Adelung]


Der Gerichts-Director, des -s, plur. die -Directoren, ein Nahme, welchen in einigen ansehnlichen Gerichten der Gerichtshalter oder Gerichtsverwalter führet, der das Recht im Nahmen des Gerichtsherren spricht.


Gerichtsdorf (W3) [Adelung]


Das Gerichtsdorf, des -es, plur. die -dörfer, ein Nahme, welchen an einigen Orten die adeligen Dörfer führen, welche auch Junkerdörfer genannt werden, zum Unterschiede von den Amtsdörfern.


Gerichts-Ferien (W3) [Adelung]


Die Gerichts-Ferien, sing. inus. die Ferien in einem Gerichte, derjenigen Tage, an welchen die gewöhnlichen gerichtlichen Geschäfte ausgesetzet werden.


Gerichtsfolge (W3) [Adelung]


Die Gerichtsfolge, plur. inus. die Verbindlichkeit der Unterthanen eines Gerichtes, demselben in nöthigen Fällen hülfliche Hand zu leisten. S. Folge.


Gerichtsfrau (W3) [Adelung]


Die Gerichtsfrau, plur. die -en, eine verheirathete Person weiblichen Geschlechtes, so fern ihr die Gerichtsbarkeit oder das Gericht an einem Orte zustehet.


Gerichtsfrohn (W3) [Adelung]


Der Gerichtsfrohn, S. der Frohn und Frohnbothe.


Gerichtsgebühren (W3) [Adelung]


Die Gerichtsgebühren, sing. inus. diejenigen Gebühren, welche gerichtlichen Personen für gerichtliche Handlungen von den Parteyen bezahlet werden; die Sporteln, ehedem auch der Klagschatz.


Gerichtsgefälle (W3) [Adelung]


Die Gerichtsgefälle, sing. inus. die Gefälle, d. i. Ertrag eines Gerichtes in Ansehung des Gerichtsherren.


Gerichtshalter (W3) [Adelung]


Der Gerichtshalter, des -s, plur. ut nom. sing. der die Stelle eines Richters vertritt, besonders in kleinen Gerichtsbezirken, auf Dörfern u. s. f. Justitiarius, Gerichtsverwalter.


Gerichtshandel (W3) [Adelung]


Der Gerichtshandel, des -s, plur. die -händel, ein gerichtlicher Handel, eine jede Sache, welche vor Gericht gebracht und daselbst abgethan wird, und in engerer Bedeutung, eine Streitsache, ein Prozeß.


Gerichtshaus (W3) [Adelung]


Das Gerichtshaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, welches zur Handhabung des Rechtes und zur Versammlung des Gerichtes bestimmt ist; eine Benennung, welche indessen wenig gebraucht wird, weil Rathhaus, Amthaus, u. s. f. üblicher sind. S. Richthaus. Im Tatian Thinchus, Dingehaus.


Gerichtsherr (W3) [Adelung]


Der Gerichtsherr, des -en, plur. die -en, derjenige, welchem die Gerichtbarkeit eines Ortes, oder die Befugniß Recht zu sprechen, eigenthümlich zustehet; die Gerichtsherrschaft, Gerichtsobrigkeit. Die Gerichtsfrau, eine solche verheirathete Person weiblichen Geschlechtes. S. Erbherr.


Gerichtsherrschaft (W3) [Adelung]


Die Gerichtsherrschaft, plur. die -en, 1) Die Herrschaft oder die Befugiß des Gerichtsherren, das Recht Gericht zu halten, ohne Plural; die Gerichtsbarkeit. 2) Diejenige Person, welche dieses Recht besitzet; der Gerichtsherr oder die Gerichtsfrau.


Gerichtshof (W3) [Adelung]


Der Gerichtshof, des -es, plur. die -höfe, ein ansehnliches Gericht, welches einen weiten Gerichtssprengel hat, und der Ort, wo sich dasselbe versammelt; ein Wort, welches indessen mehr von den Gerichten auswärtiger Staaten, als von Deutschen üblich ist.


Gerichtskammer (W3) [Adelung]


Die Gerichtskammer, plur. die -n, an einigen Orten, ein Gericht, in der 5ten Bedeutung dieses Wortes.


Gerichtskanzelley (W3) [Adelung]


Die Gerichtskanzelley, plur. die -en, die zu einem Gerichte gehörige Kanzelley, d. i. der Ort, wo die gerichtlichen Schriften ausgefertiget und verwahret werden.


Gerichtsknecht (W3) [Adelung]


Der Gerichtsknecht, des -es, plur. die -e, S. Gerichtsbothe.


Gerichtskosten (W3) [Adelung]


Die Gerichtskosten, sing. inus. die Unkosten, welche durch gerichtliches Verfahren den Parteyen, oder einer derselben verursacht werden.


Gerichtskreuz (W3) [Adelung]


Das Gerichtskreuz, des -es, plur. die -e, ein Kreuz, so fern es die Gränze eines Gerichtssprengels bezeichnet.


Gerichtslehen (W3) [Adelung]


Das Gerichtslehen, des -s, plur. ut nom. sing. das Gericht, oder die Befugniß Recht zu sprechen, so fern sie ein Lehen ist.


Gerichtsleute (W3) [Adelung]


Die Gerichtsleute, sing. inus. im gemeinen Leben, diejenigen Leute, welche unter oder in ein Gericht gehören; Gerichtssassen, Gerichtsunterthanen.


Gerichtsobrigkeit (W3) [Adelung]


Die Gerichtsobrigkeit, plur. die -en, derjenige, welcher das Gericht in einem Orte besitzet, als eine Obrigkeit betrachtet; die Gerichtsherrschaft.


Gerichtsperson (W3) [Adelung]


Die Gerichtsperson, plur. die -en, eine jede Person, welche bey einem Gerichte angestellet ist.


Gerichtsplatz (W3) [Adelung]


Der Gerichtsplatz, des -es, plur. die -plätze, der Platz oder Ort, wo Gericht gehalten wird; im Oberd. die Gerichtschranne. Auch der Ort, wo die peinlichen Urtheile vollzogen werden; der Richtplatz, S. dieses Wort.


Gerichtssaß (W3) [Adelung]


Der Gerichtssaß, des -ssen, plur. die -ssen, der unter einem Gerichte sitzet, d. i. demselben unterworfen ist; ein Gerichtsunterthan. S. Saß.


Gerichtssache (W3) [Adelung]


Die Gerichtssache, plur. die -n, eine gerichtliche Sache, welche entweder für das Gericht gehöret, oder daselbst anhängig ist.


Gerichtsschöppe (W3) [Adelung]


Der Gerichtsschöppe, des -n, plur. die -n, der Schöppe oder Beysitzer eines Gerichtes. Auf einigen Dörfern wird auch der Richter unter den Bauern, welcher in geringen Dingen Recht spricht, Gerichtsschöppe genannt.


Gerichtsschreiber (W3) [Adelung]


Der Gerichtsschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. der Schreiber in einem Gerichte, welcher am häufigsten Actuarius genannt wird. In großen Gerichten hat man beyde, da denn der Gerichtsschreiber dem Actuario untergeordnet ist.


Gerichtsschuldheiß (W3) [Adelung]


Der Gerichtsschuldheiß, des -en, plur. die -n, der Schuldheiß, welcher im Nahmen des Landesfürsten das Richteramt verwaltet, und an andern Orten Richter, Präsident, Stadtvogt, Gerichtsvogt u. s. f. genannt wird. Auch auf den Dörfern gibt es zuweilen Gerichtsschuldheißen, welche zusammen gezogen Gerichtsschulzen genannt werden, und in geringfügigen Sachen Recht zu sprechen haben. An andern Orten heißen sie Gerichtsschöppen, Bauermeister, Rügemeister, Richter u. s. f. S. Schuldheiß.


Gerichtssprengel (W3) [Adelung]


Der "Gerichtssprengel", des -s, plur. ut nom. sing. der "Sprengel", d. i. Bezirk, über welchen sich die Gerichtbarkeit eines Gerichts erstrecket.


Gerichtsstab (W3) [Adelung]


Der Gerichtsstab, des -es, plur. die -stäbe, ein Stab, so fern er ein symbolisches Kennzeichen richterlichen Gewalt ist. Ein solcher Stab ist z. B. derjenige, welchen der Richter noch jetzt über einen zum Tode verurtheilten Missethäter zerbricht. S. Stab.


Gerichtsstand (W3) [Adelung]


Der Gerichtsstand, des -es, plur. die -stände. 1) Die Verbindlichkeit vor einem Gerichte zu stehen, d. i. von demselben Recht zu nehmen, ohne Plural. Jemanden von dem Gerichtsstande des Stadtgerichtes befreyen. 2) Dasjenige Gericht selbst, welchem man zu Recht zu stehen, oder sein Recht von demselben zu nehmen verbunden ist, Judex competens; im Oberdeutschen die Behörde. Sich an seinen gehörigen Gerichtsstand wenden. Der erste Gerichtsstand, die erste Instanz, das Untergericht. Der höchste Gerichtsstand, die höchste Instanz.


Gerichtsstatt (W3) [Adelung]


Die Gerichtsstatt, plur. die -stätte, oder die Gerichtsstätte, plur. die -n, die Statt oder Stätte, wo Gericht gehalten wird. Ingleichen die Stätte, wo die peinlichen Urtheile vollzogen werden; der Gerichtsplatz, die Richtstatt, Fehmstätte.


Gerichtsstein (W3) [Adelung]


Der Gerichtsstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, so fern er die Gränze eines Gerichtssprengels bezeichnet.


Gerichtsstelle (W3) [Adelung]


Die Gerichtsstelle, plur. die -n, die Stelle, wo Gericht gehalten wird. Sich bey früher Tageszeit an oder in der gewöhnlichen Gerichtsstelle einzufinden, eine gewöhnliche Formel in den Ladungen. Ingleichen, die Stelle, wo die peinlichen Urtheile vollzogen werden. S. Gerichtsstatt.


Gerichtsstube (W3) [Adelung]


Die Gerichtsstube, plur. die -n, Stube, in welcher sich das Gericht versammelt.


Gerichtsstuhl (W3) [Adelung]


Der Gerichtsstuhl, des -es, plur. die -stühle, der Ort, wo sich ein Gericht versammelt, und die dazu gehörigen Personen; ein Gericht, Tribunal. Ingleichen der einem Gerichte unterworfene Bezirk, dessen Gebieth. Niedersächs. Richtstool. S. Stuhl.


Gerichtstag (W3) [Adelung]


Der Gerichtstag, des -es, plur. die -tage, der Tag, an welchem Gericht gehalten wird; Nieders. Richtedag.


Gerichtsunterthan (W3) [Adelung]


Der Gerichtsunterthan, des -en, plur. die -en, Fämin. die Gerichtsunterthaninn, plur. die -en, der oder die einem Gerichte unterworfen ist. S. Gerichtsleute.


Gerichtsverwalter (W3) [Adelung]


Der Gerichtsverwalter, des -s, plur. ut nom. sing. der das Gericht, d. i. die Befugniß Recht zu sprechen, im Nahmen des Gerichtsherren verwaltet; doch nur in kleinen Gerichten, besonders auf dem Lande; der Gerichtshalter, Gerichtsverweser, Justitiarius.


Gerichtsverwaltung (W3) [Adelung]


Die Gerichtsverwaltung, plur. die -en, das Amt und die Obliegenheit eines Gerichtsverwalters, und in weiterer Bedeu- tung auch wohl überhaupt die Ausübung der Befugniß Recht zu sprechen.


Gerichtsverweser (W3) [Adelung]


Der Gerichtsverweser, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gerichtsverwalter.


Gerichtsvogt (W3) [Adelung]


Das Gerichtsvogt, des -es, plur. die -vögte, an einigen Orten der Vogt oder Vorgesetzte eines Gerichtes, der Richter, es sey ein großes oder kleines Gericht; Nieders. Richtevaagd. So hieß ehedem der Stadtvogt in Bremen Gerichtsvogt.


Gerichtsvogtey (W3) [Adelung]


Die Gerichtsvogtey, plur. die -en, die Gewalt und das Amt eines Gerichtsvogtes, ingleichen, der seiner Gerichtbarkeit unterworfene Bezirk.


Gerichtszwang (W3) [Adelung]


Der Gerichtszwang, des -es, plur. die -zwänge. 1) Das Befugniß, vermöge dessen jemand andere zwingen kann, Recht von ihm zu nehmen, die Gewalt andern Recht zu sprechen, die Gerichtbarkeit, Gerichtsherrschaft, Jurisdiction, Nieders. Richtewald; ohne Plural. Den Gerichtszwang an einem Orte haben. In dem 1514 gedruckten Deutschen Livio Gerichtzwang. 2) Der Bezirk, über welche sich diese Gewalt erstrecket; der Gerichtssprengel. In eines Gerichtszwange wohnen.


Gerichtszwängig (W3) [Adelung]


Gerichtszwängig, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, dem Gerichtszwange unterworfen. Weil diese Gemeinde dahin gerichtszwängig ist.


Geringe (W3) [Adelung]


Geringe, -r, -ste, adj. et adv. welches, 1. Eigentlich, einen kleinen körperlichen Umfang in de Dicke bedeutet zu haben scheinet, da es denn so viel ist als dünn, und dem was dick ist entgegen stehet. In dieser im Hochdeutschen größten Theils veralteten Bedeutung sagt man noch im Oberdeutschen ring oder gering von Leibe, von Person, für schlank oder geschlank. Ein geringer oder schmaler Hirsch ist eben daher bey den Jägern ein magerer Hirsch. 2. In weiterer Bedeutung, wird dieses Wort oft von einem jeden so wohl körperlichen als unkörperlichen kleinen Umfange genommen, und stehet alsdann entgegen, was man groß zu nennen pfleget. Nach dir wird ein ander Königreich kommen, geringer denn deines, Dan. 2, 39. Es ist besser geringe Klugheit mit Gottesfurcht, denn große Klugheit mit Gottes Verachtung, Sir. 19, 21. Ein geringer Vorrath. Ein geringer Umfang von Wahrheiten. Größern oder geringern Antheil an etwas nehmen. Sich zu der geringsten Fähigkeit des großen Haufens herab lassen. Eine geringe Kenntniß von etwas haben. Eine geringe Bewegung. Das machte keinen geringen Eindruck auf ihn. Einem die Gefahr sehr geringe machen. Nicht die geringste Zeit haben. In einem sehr geringen Zeitraume. Nicht der geringsten Abwechselung unterworfen seyn. Das ist meine geringste Sorge. Der Geringere am Geiste fühlet in dem Umgange mit der Demuth seine Schwäche nicht, Gell. 3. Besonders. 1) Der Schwere nach, für leicht; zuweilen noch im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes. Es ist um ein Loth zu geringe. Ring oder gering vom Gewichte. Dem Held war sein Herz ganz gering, d. i. leicht, Theuerd. Kap. 85. 2) Dem Werthe, der Würde, der Achtung nach. (a) Der innern Güte nach, für schlecht. Geringes Erz, im Bergbaue; welches wenig Gehalt hat. Geringer Wein, geringes Bier. Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden sind, alsdann den geringern. Joh. 2, 10. Eine geringe Waare. Ein geringes Tuch. Geringe Leinwand. In einem geringen Sommerkleide gehen. Geringe Speisen. (b) Dem Werthe nach. Ein geringes Amt. Ein geringes Einkommen haben. Ein geringer, niedriger, Preis. Ein geringes Geschenk. Es wird ein Geringes kosten. Ich kann es nicht geringer (wohlfeiler) geben. Ich konnte es für ein Geringes haben. Etwas geringe schätzen, achten, halten. Eine sehr geringe Meinung von etwas haben, es sehr geringe schätzen. (c) Der Wichtigkeit nach, für unerheblich. Geringe Vorfälle unsers Lebens. Eine geringe Beleidigung. Ein geringer Gewinn. Nicht geringen Nutzen von etwas haben. Ein geringer Diebstahl, der eine Kleinigkeit betrifft. Eine geringe Ursache. Der Schluß vom Kleinern auf das Größere, vom Geringen auf das Erhebliche. Ein geringes Dorf, ein geringer Ort, eine geringe Stadt. Laß mich die geringste deiner Sorgen empfinden, Dusch. Er bildet sich nichts Geringes ein, hält sich für eine wichtige Person. Dahin auch die Art der verstärkten Verneinung gehöret im geringsten, oder im geringsten nicht. Sind sie nicht erschrocken? Antw. im geringsten nicht, keinesweges. Ohne im geringsten (auf keine Weise) an ihn zu denken. (b) Der Achtung nach, der Würde nach. Alles Gold ist gegen sie wie geringer Sand, Weish. 7, 9. Die Weisheit regierete den Gerechten durch ein gering Holz, Kap. 10, 4. Auch seiner eigenen Achtung nach, für unwürdig. Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, 1 Mos. 32, 10. Ich bin hierzu zu geringe. Besonders (e) der bürgerlichen Achtung, den Stande, der Würde nach, da es dem vornehm entgegen gesetzet ist. Ihr sollt nicht vorziehen den Geringen, noch den Großen ehren, 3 Mos. 19, 15. Priester von (aus) den geringsten im Volk, 1 Kön. 12, 31. Ich bin ein armer geringer Mann, 1 Sam. 18, 23. Es sind bloß geringe Leute. Ein geringer Mensch. Leute von geringem Stande. Ein Mädchen von geringem Herkommen.

Anm. In den gemeinen Mundarten oft nur ring. Bey dem Kero bedeutet ring leicht, in eigentlichen Verstande, und bey dem Ottfried giringo leicht, im figürlichen. Bey eben demselben sind Worto ungiringo harte Worte. Das Nieders. ring bedeutet so wohl leicht, als klein. Im Franz. ist rien nichts, und im Wallis. cryn mittelmäßig. Im Schwed. bedeutet ring gleichfalls schlecht, unerheblich. Frisch hat den wunderlichen Einfall, es stamme von dem Hauptworte Ring, annulus, ab, welches ehedem auch wohl eine Null bedeutet haben könne. Allein es scheinet vielmehr zu dem noch in Baiern üblichen rahn, rahnig, schlank, geschlank, zu gehören, welches wiederum mit Rand verwandt zu seyn scheinet. S. auch Rank. In den gemeinen Sprecharten hat man auch die Hauptwörter die Geringheit und Geringigkeit, wofür aber im Hochdeutschen Gerinfügigkeit üblicher ist. Da das g am Ende, wenn ein n vorher gehet, wie ein gelindes k lautet, Schwung, jung, Ding, Ring; so behält es in diesem Worte seinen ursprünglichen noch gelinden Laut, daher man, selbigen zu bezeichnen, billig das e euphonicum anhängen sollte, geringe, ungeachtet solches nicht alle Mahl geschiehet.


Geringfügig (W3) [Adelung]


Geringfügig, -er, -ste, adj. et adv. welches in einigen Bedeutungen des vorigen Wortes gebraucht wird, geringe, so wohl dem Umfange, als auch dem Nutzen, dem Werthe, der Wichtigkeit nach. Die Einbildungskraft gibt oft den geringfügigsten Dingen einen großen Werth. Ein geringfügiges Einkommen. Geringfügige, unerhebliche, Ursachen. Im Oberdeutschen auch kleinfügig. Es scheinet, daß Fug in dieser Zusammensetzung eigentlich Nutzen bedeute, welche ehemahlige Bedeutung unter andern auch aus dem Neutro fugen, für nutzen, erweislich ist.


Geringfügigkeit (W3) [Adelung]


Die Geringfügigkeit, plur. inus. der Zustand, da eine Sache geringfügig ist, die Unerheblichkeit, Unwichtigkeit. In der Schweiz die Kleinfüge.


Geringhaltig (W3) [Adelung]


Geringhaltig, -er, -ste, adj. et adv. einen geringen Gehalt, wenig Gehalt, einen kleinen Gehalt habend. Geringhaltiges Erz, Geld u. s. f. Die Münze ist sehr geringhaltig. Im gemeinen Leben nur ringhaltig.


Geringhaltigkeit (W3) [Adelung]


Die Geringhaltigkeit, plur. inus. der Zustand einer Sache, da sie geringhaltig ist.


Geringhaltung (W3) [Adelung]


Die Geringhaltung, plur. inus. welches aus der R. A. geringe halten gebildet, aber nicht so üblich ist als Geringschätzung.


Geringschätzig (W3) [Adelung]


Geringschätzig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Im thätigen Verstande, etwas geringe schätzend. Ein geringschätziges Urtheil von etwas fällen. Sehr geringschätzig von jemanden denken oder sprechen. 2) Im leidentlichen, aber nicht dem besten, Verstande, was geringe geschätzet wird. Die geringschätzigsten Geschöpfte.


Geringschätzigkeit (W3) [Adelung]


Die Geringschätzigkeit, plur. inus. der Zustand, da eine Person oder Sache geringschätzig ist. 1) Im thätigen Verstande. Einem mit vieler Geringschätzigkeit begegnen. Stolz und Geringschätzigkeit tödten die Liebe, Gell. 2) In leidentlicher Bedeutung. Die Geringschätzigkeit, der geringe Werth, mancher Geschöpfe.


Geringschätzung (W3) [Adelung]


Die Geringschätzung, plur. inus. welches aus der R. A. geringe schätzen gebildet ist, die Handlung, da man etwas geringe schätzet. Der Stolz erscheinet mit Selbstliebe und Geringschätzung anderer auf dem Schauplatze, Gell.


Gerinne (W3) [Adelung]


Das Gerinne, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Gerinnchen, Oberd. Gerinnlein, ein durch die Kunst verfertigter Canal, in welchem das Wasser in einen engern Raum gebracht wird, und daher stärker fließet. Das Gerinne an der Mühle, oder das Mühlgerinne, worin die Mühlräder hängen und von dem Wasser umgetrieben werden. Das wüste Gerinne, das überflüssige Wasser aus dem Mahlgerinne abzuleiten. Ingleichen in weiterer Bedeutung, ein jeder kleiner Canal oder Graben, worin das Wasser rinnet, dergleichen die Gerinne in dem Berg- und Hüttenbaue, in den Salzwerken, im Behuf der Sohle u. s. f. sind. S. Rinne und Rinnen. Das Ital. Gronda ist die Dachrinne.


Gerinnen (W3) [Adelung]


Gerinnen, verb. irreg. neutr. ( S. Rinnen,) welche das Hülfswort seyn erfordert, und von flüssigen Körpern gebraucht wird, wenn sie den größten Theil ihrer Flüssigkeit verlieren und einen zusammen hangenden Körper bilden. Das Blut ist geronnen, Geronnenes Blut. Geronnene Milch, wo sich die Käsetheile von den Molken abgesondert haben; im Oberd. Schlocken. Das Baumöhl gerinnet in der Kälte.

Anm. Schon bey dem Notker kerinnan, Schwed. ränna. Statt dieses Wortes gebraucht man auch im Hochdeutschen das einfache rinnen, ingleichen geliefern, liefern, gestehen, sich schütten, sich hacken, besonders von der Milch, und im Nieders. schichten, stollen, stallen, risen, schreuen, käsen, kellern u. s. f.


Gerinnhaue (W3) [Adelung]


Die Gerinnhaue, plur. die -n, im Bergbaue, eine eiserne Haue, die Gerinne zu den Pochwerken damit auszuhauen.


Gerinnsenkel (W3) [Adelung]


Der Gerinnsenkel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, Senkel oder kleine Haspen, womit die Gerinne zusammen geschlagen werden.


Gerinnstein (W3) [Adelung]


Der Gerinnstein, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eben daselbst, die beste Art des Zinnsteines, weil er sich im Pochen an das Gerinne ansetzet; zum Unterschiede von dem Fasenwerke oder Pochmehle, und Sumpfwerke oder Schlamme.


Gerippe (W3) [Adelung]


Das Gerippe, des -es, plur. ut nom. sing. die sämmtlichen zusammen hangenden Knochen eines thierischen Körpers, ohne Fleisch und Adern; nach einem Griech. und Lat. Worte ein Skelett. Das Gerippe eines Menschen, eines Thieres. Figürlich, von einer magern Person, an welcher man nichts wie Haut und Knochen gewahr wird. Ingleichen von leblosen Maschinen, die zusammen gefügten Haupttheile ohne äußere Bekleidung. Das Gerippe eines Schiffes, welches gemeiniglich der Sarter genannt wird, S. dieses Wort. Nach einer noch weitern Figur, die Haupttheile einer Rede, eines Vortrages, einer Schrift u. s. f. ohne Schmuck und Annehmlichkeit.

Anm. Von Ribbe, Rippe. Im Nieders. heißt ein Gerippe Riff, Reff, im Holländ. Rif. S. Skelett.


Gerippt (W3) [Adelung]


Gerippt, adj. et adv. mit Rippen und ihnen ähnlichen Erhöhungen versehen.


Germ (W3) [Adelung]


Der Germ, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein nur im Oberdeutschen übliches Wort, die Hefen auszudrucken, wo auch germen gähren, und germig Hefen habend bezeichnet. S. Gähren, von welchem Zeitworte es abstammet. Im Nieders. ist dafür Bärme üblich, siehe dasselbe.


Germanien (W3) [Adelung]


Germanien, genit. -s, plur. car. aus dem Lateinischen. 1) Deutschland, in welcher Bedeutung man es aber außer der dichterischen und höhern Schreibart entrathen kann. 2) In weiterer Bedeutung, als ein Collectivum, alle diejenigen Länder zu bezeichnen, welche von Deutschen und den mit ihnen verwandten Völkern bewohnet werden, besonders wenn von ältern Zeiten die Rede ist; so daß auch ganz Scandinavien und die Schweiz mit dahin gerechnet wird. Daher der German, des -s, plur. die -en, oder der Germanier, des -s, plur. ut nom. sing. einer aus diesem Lande; Germanisch, aus diesem Lande gebürtig, daselbst einheimisch, in demselben gegründet. Das Germanische Recht, welches das Salische, Longobardische u. s. f. in sich begreift, und wovon das Deutsche nur eine Art ist.


Gern (W3) [Adelung]


Gern, adv. mit überwiegender oder herrschender Luft, mit Vergnügen. 1. Eigentlich. Jemanden gern sehen. Ein Gericht gern essen. Sich gern loben hören. Etwas gern haben, es mit Lust empfinden. Nicht gern arbeiten. Den Armen gern geben. Das wird er gern geschehen lassen. Herzlich gern, von Herzen gern. Er schiebt für sein Leben gern Kegel. Er wäre gar zu gern hier. Ich bleibe gar zu gern in meiner Gelassenheit, Orgon beym Gellert. Ich will gern sehen, wie es ablaufen wird, ich bin begierig, es zu sehen, Gell. Ich möchte gern, daß sie ein Paar würden ebend. Nicht gar gern. 2. Figürlich. 1) Von leblosen Dingen. Es wollte gern regnen, aber es kann nicht. Das Holz wird gern wurmig. Dieses Gewächs hat gern trockne Erde, wächst gern im feuchten Boden. 2) Für willig, ohne eben den Begriff der herrschenden Luft auszudrucken. Ich glaube gern, daß es nur 50 Thaler kostet. Wenn ich wüßte, daß sie schlummerte, wollte ich sie gern nicht stören. Das Pferd läßt nicht gern aufsitzen. Ja Phillis, daß du schöner bist, Gesteh' ich dir gar gerne zu, Weiße. Nach einer noch weitern Figur zuweilen auch von leblosen Dingen, für leicht; im Gegensatze des gedränge. Joab hatte ein Schwert, das ging gern aus und ein, 2 Sam. 20, 8. 3) Für gewöhnlich, gemeiniglich. Junge Leute werden gern betrogen. Er pflegt alles gern zu tadeln. Stille Wasser sind gern tief. Ich pflege gern um acht Uhr zu Bette zu gehen. Die besten Schwimmer ertrinken gern. 4) Mit Fleiß, mit Vorsatz. Ich habe es nicht gern gethan. Bey dem Kero und in der Monseeischen Glosse kommt auch das Hauptwort Kerni für Fleiß vor.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Kero "cernlihho", im 9ten Jahrhund. "gerno", bey dem Ottfried und Willeram "gerno", im Theuerdanke "geren", im Dän. "glären", im Angels. "corn", im Schwed. "gerna", im Isländ. "girnt". Im Tatian bedeutet "gerniliho", und im Schwabensp. "gern" auch "sorgfältig". Es stammet von "gehren", "begehren", ab, welches im Ulphilas "gairnan" und im Angels. "geornan" lautet; S. "Begehren". Ehedem hatte man im Oberdeutschen auch den Comparat. "gerner", und Superlat. "am gernsten". Ich sehe sie iemer gerner an, Herrman von der Vogelweide. "Gernoste", Notk. Im gemeinen Leben sind sie noch nicht ganz veraltet, ob man gleich im Hochdeutschen "lieber" und "am liebsten" dafür angenommen hat. Für "sehr gern" sagt man im Nieders. auch "blootgeern", "blootsken" geern. Das "e" am Ende, "gerne", hat keinen Grund für sich. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart macht man mit diesem Worte allerley Zusammensetzungen, eine überwiegende Neigung zu etwas anzudeuten, da es denn bald hinten, bald aber auch vorn gesetzet wird. Ein "Tadelgern", "Trinkgern", "Habegern", "Zankgern", "Spielgern" u. s. f. der gern tadelt, trinkt u. s. f. Ingleichen ein "Gerngroß", "Gernwitz", "Gernklug", "Gerngelehrt" u. s. f. der gern für groß, witzig, klug, gelehrt gehalten werden möchte; welche Wörter aber insgesammt keine Declinationen leiden. Christen, welche ihren Zweifeln in der Religion nach Herzenslust nachhängen, nennt Klopstock "Gerntäuscher". Diese Zusammensetzungen sind schon alt. "Lobogerni" ist im Notker und Lofgern im Angels. einer, der sich gerne loben höret; "Maingiarn", in der Herwarar Saga, der gern betriegt; "Hohgerner", bey dem Petz, der nach hohen Dingen trachtet u. s. f.


Gerolf (W3) [Adelung]


Der Gerolf, des -es, plur. die -e, S. Kirschvogel.


Geröne (W3) [Adelung]


Das Geröne, des -s, plur. inus. bey den Winzern, besonders in Franken, der ganze Umfang der Wurzeln des Weinstockes, besonders die obersten Seitenwurzeln, welche auch die Röhne oder Rönne genannt werden. Frisch schreibt dieses Wort Geröhne, und glaubt, daß es so viel als Rinne oder Gerinne sey, erkläret es aber unrichtig von der untersten dicken Wurzel. Vielleicht stammt es von rennen ab, weil man von den Seitenwurzeln auch zu sagen pfleget, daß sie laufen oder auslaufen; da denn dieses Wort richtiger das Gerenne geschrieben werden müßte.


Gersch (W3) [Adelung]


Der Gersch, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, eine Pflanze, welche an den Zäunen und in den Obstgarten wild wächset, und im Frühlinge als ein Gemüse gegessen wird; Aegopodium L. Im gemeinen Leben auch Giersch. im Nieders. Geerseln, welches aber auch eine Art kleiner Fische bedeutet, im Dithmars. Heers, im Hollstein. Jörs, im Brem. Giesseln, in andern Gegenden auch Strensel und Geißfuß. Einige Kräuterkenner nennen sie im Lat. Herba S. Gerhardi, woraus der Deutsche Nahme verunstaltet zu seyn scheinet. Im Angels. ist Gaers, und im Holländ. Gaars, Gras.


Gerschwalbe (W3) [Adelung]


Die Gerschwalbe, S. Mauerschwalbe.


Gerstammer (W3) [Adelung]


Die Gerstammer, plur. die -n, ein Nahme der Goldammer, weil sie sich von der Gerste zu nähren pfleget, S. Goldammer.


Gerste (W3) [Adelung]


Die Gerste, plur. car. eine Art Getreide, welche einen blaßgelben eckigen Samen bringet; Hordeum L. Ihr eigentliches Vaterland ist unbekannt; vermuthlich ist es Ägypten. Die vierzeilige oder gemeine Gerste, Hordeum vulgare L. eine Sommergerste mit langen schmalen Ähren und kleinen Körnern. Sie wird vorzüglich in bergigen Gegenden gebauet, und ist eigentlich sechszeilig. Die zweyzeilige Gerste, Hordeum distichum L. hat eine lange Ähre mit zwey Reihen großer Körner, daher sie auch die große Gerste genannt wird. Bartgerste, Blattgerste, Davidskorn, Sommergerste, Wintergerste. Der Same oder die Frucht dieses Gewächses heißt gleichfalls Gerste, im gemeinen Leben aber auch häufig Gersten, doch ohne Artikel, Gersten säen; welche Form, wo das Wort eigentlich männlichen Geschlechtes ist, auch in den meisten Zusammensetzungen beybehalten wird. Im Oberdeutschen werden Gerstengraupen nur schlechthin Gerste genannt.

Anm. Im Nieders. Garste, Gaste, im Holländ. Gheerste, im Angels. Gerst, im Böhm. Gecmen; womit auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ingleichen der Nahme der Ceres, und vielleicht auch das Deutsche Gras überein kommt, welches im Angels. so wohl Graes als Gaers, und im Holländ. Gaars lautet.


Gersten (W3) [Adelung]


Der Gersten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Gericht von Mehl, Eyern und Milch, welches in der Pfanne gebacken wird, und wozu arme Leute nur Gerstenmehl zu nehmen pflegen, woher es den Nahmen zu haben scheinet. Es wird auch Gersting, in der Lausitz und Meißen Getzen, und im Wendischen Jezcmen genannt.


Gersten (W3) [Adelung]


* Gersten, adj. et adv. von der Gerste, ein nur im Oberdeutschen übliches Wort. Gerstenes Mehl, Gerstenmehl. Gerstene Kleye, Gerstenkleye.


Gerstenacker (W3) [Adelung]


Der Gerstenacker, des -s, plur. die -äcker, ein Acker, auf welchem Gerste gebauet wird, oder gebauet werden soll.


Gerstenbier (W3) [Adelung]


Das Gerstenbier, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein aus Gerstenmalze bereitetes Bier, zum Unterschiede von dem Weitzenbiere.


Gerstenbrot (W3) [Adelung]


Das Gerstenbrot, des -es, plur. von mehrern geformten Broten, die -e, Brot, welches aus Gerstenmehl gebacken worden; bey dem Ottfried gerstinu Brot.


Gerstendieb (W3) [Adelung]


Der Gerstendieb, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben eine Benennung des Baum- oder Waldsperlinges, Passer arboreus L. weil er der Gerste nachstellet, daher er auch Felddieb genannt wird.


Gerstengraupe (W3) [Adelung]


Die Gerstengraupe, plur. die -n, aus der Gerste gestampfte Graupen, zum Unterschiede von den Weitzengraupen.


Gerstengrütze (W3) [Adelung]


Die Gerstengrütze, plur. inus. Grütze, welche aus der Gerste bereitet worden, zum Unterschiede von der Hafergrütze u. s. f.


Gerstenkorn (W3) [Adelung]


Das Gerstenkorn, des -es, plur. die -körner. 1) Eigentlich, ein Samenkorn von der Gerste, welches im gemeinen Leben auch häufig zur Bezeichnung eines der kleinsten Längenmaße so wohl als Gewichte gebraucht wird. Im ersten Fall ist es der zehnte oder zwölfte Theil eines Zolles, welcher am häufigsten eine Linie heißt; im letztern aber der zwanzigste Theil eines Scrupels, welcher unter dem Nahmen eines Granes am bekanntesten ist. 2) Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt, eine kleine Geschwulst an dem Augenliede, welches aus einer Verdickung Stockung des in den Drüsen des Augenliedes abzusondernden Saftes entstehet; Crithe, im mittlern Lateine Hordeolus. Ist es größer, so heißt es ein Hagelkorn. Bey den Schweinen ist es eine weiße Blatter in der Größe einer Erbse, welche ihnen im Maule wächset, oft tödtlich ist, und auch das Rankkorn genannt wird.


Gerstenkrieche (W3) [Adelung]


Die Gerstenkrieche, oder Gerstenpflaume, plur. die -n, eine Art Kriechen oder Pflaumen, welche um die Gerstenernte reif werden.


Gerstenkuchen (W3) [Adelung]


Der Gerstenkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus Gerstenmehle gebackener Kuchen. Gerstenkuchen sollt du essen, Ezech. 4, 12.


Gerstenmehl (W3) [Adelung]


Das Gerstenmehl, des -es, plur. inus. aus der Gerste gemahlnes Mehl.


Gerstenmutter (W3) [Adelung]


Die Gerstenmutter, plur. die -mütter, im gemeinen Leben ausgeartete Gerstenkörner, welche man bey dem Rocken Mutterkörner zu nennen pflegt. S. Mutterkorn.


Gerstenpflaume (W3) [Adelung]


Die Gerstenpflaume, S. Gerstenkrieche.


Gerstensaft (W3) [Adelung]


Der Gerstensaft, des -es, plur. car. in der dichterischen Schreibart, eine Benennung des Bieres.


Gerstenschleim (W3) [Adelung]


Der Gerstenschleim, des -es, plur. inus. die dicke schleimige Brühe, welche von gekochter Gerste oder Gerstenkraupen erhalten, und kranken Personen verordnet wird. Ist die dünner, so wird sie Gerstentrank, oder auch Gerstenwasser genannt; siehe Ptisane.


Gerstenstroh (W3) [Adelung]


Das Gerstenstroh, des -es, plur. car. das Stroh von der ausgedroschenen Gerste.


Gerstentrank (W3) [Adelung]


Der Gerstentrank, des -es, plur. inus. das Gerstenwasser des -s, plur. inus. S. Gerstenschleim.


Gerstenwurm (W3) [Adelung]


Der Gerstenwurm, des -es, plur. die -würmer. 1) Eine Benennung der Erdgrille, weil sie den Gerstenäckern schädlich zu seyn pfleget. S. Engerling und Erdgrille. 2) Der Ährenwurm, wenn er sich in der Gerste aufhält. S. Ährenwurm.


Gerstenzucker (W3) [Adelung]


Der Gerstenzucker, des -s, plur. inus. in den Apotheken, geläuterter Zucker, welcher mit Gerstenwasser so lange gesotten wird, bis er zähe und dick wird, worauf er in den Händen zu Stangen gedrehet, und wider den Husten gebraucht wird; Alphanicum.


Gersting (W3) [Adelung]


Der Gersting, S. der Gersten.


Gerte (W3) [Adelung]


Die Gerte, plur. die -n, Diminut das Gertchen, Oberd. Gertlein, ein schwanker dünner Zweig, so wie man sich dessen statt einer Peitsche bedienet. 1) Eigentlich, in welchem Verstande es im Oberdeutschen am üblichsten ist, im Hochdeutschen aber nur zuweilen in der Büchersprache gebraucht wird. Doch nennt man auch hier eine Spießgerte, diejenige Ruthe, deren sich die Reiter bedienen, und welche im Kriegswesen zur Züchtigung strafbarer Soldaten eine Spießruthe heißt. Auch ein Bündel zartes Birkenreisigs zur Züchtigung der Kinder, eine Ruthe, führet im Oberdeutschen den Nahmen einer Gerte. 2) Figürlich, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, z. B. in Thüringen und Meißen, ein Längenmaß, welches so viel als eine Ruthe ist. Eine Dreygerte ist in Thüringen ein Acker von unbestimmter Länge, welcher drey Gerten oder Ruthen breit ist; im Gegensatze eines Strichels und Sottels. Dahin gehöret auch das. Meklenburgische Jahrte, einen Acker von unbestimmter Länge zu bezeichnen, welcher vier starke Schwad breit ist.

Anm. In der ersten Bedeutung lautet dieses Wort bey dem Kero und Notker Kerta, in den Baierischen Gesetzen Chartea, bey dem Ottfried Gertu, Garde, Gurda, im Isidor Gardea, bey dem Willeram Gerta, im Angels. Gerd, Gyrd, im Holländ. Garde, im Engl. Yard. Im Oberdeutschen bedeutet es auch theils eine Stange, theils einen Stachel, und ist alsdann in einigen Gegenden männlichen Geschlechtes, der Gart. Vuider garte spornonne, wider den Stachel lecken, Notker. Bruder Eberhard von Sax, ein Dichter des Schwäbischen Zeitalters, nennet den Zepter des Königs Ahasverus eine Gerte; bey dem Ottfried sind Palmono gertun Palmzweige, und Notker gebraucht gerten für züchtigen. Die nähere Abstammung dieses Wortes ist bey dessen hohem Alter ungewiß; indessen scheinet es zu Garten, Gurt, Gehr und Gehren, ein Spieß, Keil, u. s. f. zu gehören. Schon im Griech. bedeutete - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Pfahl, im Mittlern Lat. Carratium, Franz. Eschara, und Eschalas, und im Dän. ist Giärde ein Zaun, und geärde, zäunen. Einige schreiben es Garte, welches sich mit einigen alten Schreibarten und verwandten Worten rechtfertigen lässet; allein das e hat eben so viele Beyspiele und über dieß noch den beständigen Hochdeutschen Gebrauch für sich.


Gertraud (W3) [Adelung]


Gertraud, ein eigenthümlicher Nahme des weiblichen Geschlechtes, welcher aus ger, gern, begierig, und traut zusammen gesetzet ist, und im gemeinen Leben in Traut, Trautchen, Nieders. Gedruud, Druutje, Drudke, in der Ober-Pfalz Göya, verkürzet wird. S. Traut.


Gertrautsvogel (W3) [Adelung]


Der Gertrautsvogel, des -s, plur. die -vögel, S. Unglücksvogel.


Geruch (W3) [Adelung]


Der Geruch, des -es, plur. die Geruche, von dem Zeitworte riechen. 1. Subjective, das sinnliche Vermögen zu riechen, und die dadurch verursachte Empfindung; ohne Plural. Reinen Geruch haben. Einen scharfen Geruch haben. Die Werkzeuge des Geruches. 2. Objective, die Ausdünstungen aus den Körpern, so fern sie durch die Werkzeuge des Geruches empfunden werden. 1) Eigentlich. Einen angenehmen Geruch haben, von sich geben. Im gemeinen Leben hat es auch in dieser Bedeutung keinen Plural, der aber in der edlen und dichterischen Schreibart sehr häufig gebraucht wird. Wie wenn der Lenz Gerüche aus Rosenbüschen haucht, Schleg. Hier kühl' ich meine Flügel im Rosenthau und sammle liebliche Gerüche, Geßn. Dann werden sie unter lieblichen Gerüchen erwachen, ebend. Alle Liebesgötter verbreiten von den Blumen alle süße Gerüche über unsere Häupter, Weiße. S. Wohlgeruch. 2) Figürlich, doch nur in der Deutschen Bibel; theils von einer starken Empfindung, wie 2 Cor. 2, 15, 16; theils aber auch von dem Rufe oder Gerüchte, wie 2 Mos. 5, 21: Ihr habt unsern guten Geruch stinkend gemacht. So auch Philipp. 4, 18, und Ephes. 5, 2. Im Geruche der Heiligkeit sterben, im Rufe; in der Römischen Kirche.

Anm. Im Nieders. Rök, Röke, im Holländ. Reuk, bey dem Notker Ruoche, bey dem Opitz, Hans Sachs, Günther und andern auch nur Ruch, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Bey andern Oberdeutschen ist dafür Schmack und Geschmack, im Nieders. auch Snöfe und Versnuf, und bey den Jägern auch Witterung üblich.


Geruchlos (W3) [Adelung]


Geruchlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Geruch habend. 1) Kein Vermögen zu riechen habend. Eine geruchlose Nase. Noch mehr aber, 2) keine solche Ausflüsse von sich gebend, welche durch den Geruch empfunden werden könnten. Geruchlose Blumen, Geßn.


Geruchsnerve (W3) [Adelung]


Der Geruchsnerve, des -n, plur. die -n, Nerven, welche aus dem Gehirne durch die Löcher des siebförmigen Beines gehen und sich in den Häuten der Nasenlöcher endigen, wo sie die Empfindung des Geruches verursachen; Nervi olfactorii.


Gerücht (W3) [Adelung]


Das Gerücht, des -es, plur. die -e. 1) Eine entfernte Nachricht von einer Neuigkeit, besonders wenn sie unter vielen mündlich fortgepflanzt wird. Es gehet ein Gerücht, daß das Türkische Heer geschlagen worden. Ein Gerücht ausbreiten, verbreiten, unter die Leute bringen. Das sind ungegründete Gerüchte. Gemurmel, Gerede, Gerücht und Geschrey sind bloß in der innern Stärke der fortgepflanzten mündlichen Nachricht verschieden. 2) Figürlich, das mündliche Urtheil anderer von den Vorzügen eines Menschen; ohne Plural. Ein gutes Gerücht haben, einen guten Nahmen, in einem guten Rufe stehen. Ein böses Gerücht haben. Jemanden in ein böses Gerücht bringen.

Anm. Im Nieders. Ruchte, im Holländ. Rucht, im Schwed. Rykte. Ihre leitet es von rügen, mündlich fortpflanzen, her; allein, es ist wohl unläugbar, daß es, Wachters Ableitung zu Folge, von Ruf und rufen abstammet, weil die Verwechselung der Blase- und Hauchlaute etwas sehr gewöhnliches ist, man auch in den mittlern Zeiten ohne Unterschied Gerüft und Gerücht findet. In den Bremischen Statuten bedeutet Rucht ein Geräusch, Geruchte aber so wohl ein Feuergeschrey, als auch das Zetergeschrey, welches im Oberdeutschen das Gerüft genannt wurde. Sonst war für Fama, Gerücht, im Oberdeutschen auch die Gech, von jahen, sagen, die Mähre, bey dem Ottfried Maru, ingleichen Murmelung, gleichsam Gemurmel, üblich. S. Ruchtbar und Ruf.


Gerufe (W3) [Adelung]


Das Gerufe, des -s, plur. car. ein mehrmahliges ober anhaltendes Rufen.


Geruhen (W3) [Adelung]


Geruhen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eigentlich besorgen, die Sorge einer Sache über sich nehmen, bedeutet, aber jetzt nur noch von sehr vornehmen, besonders fürstlichen Personen gebraucht wird, für gnädigst belieben, sich gnädigst gefallen lassen. Ew. Königliche Majestät geruhen, sich unterthänigst vortragen zu lassen, u. s. f. Se. Fürstl. Durchlaucht haben diese Stelle noch nicht wieder zu besetzen geruhet.

Anm. Im Oberdeutschen hatte dieses Wort ehedem den härtern Hauchlaut ch, geruchen, und ohne Vorsylbe ruchen. Si ne ruochet mih niht ane sehen, Hermann von der Vogelweide. Ob ir der pfaffen ere iht geruochet, ob ihr dadurch für die Ehre der Pfaffen sorget, ein anderer der Schwäbischen Dichter. Daß es ehedem auch wollen bedeutet haben müsse, erhellet aus dem Gegensatze neruokan, welches bey dem Notker für nicht wollen vorkommt. Im Schwed. und Isländ. ist reka, und im Angels. reccan, gleichfalls besorgen. Das Stammwort ist das alte Ruacha, Sorge. S. Ruchlos und Verrucht. Ein anderes Wort ist das nur im Oberd. übliche geruhen, quiescere, welches das mit dem ge verlängerte Zeitwort ruhen ist.


Geruhig (W3) [Adelung]


Geruhig, -er, -ste, adj. et adv. welches das mit der hier sehr unnöthigen Vorsylbe ge verlängerte Wort ruhig ist, und auch im Hochdeutschen nicht selten gebraucht wird. Geruhig schlafen, für ruhig. Sollte mein geruhiges Auge ihre Verzweifelung ansehen können? Ein geruhiges Leben, 1 Tim. 2, 2. Nieders. gerustig. S. Ruhig.


Geruhsam (W3) [Adelung]


Geruhsam, -er, -ste, adj. et adv. der Ruhe gemäß, auf eine ruhige Art, welches nur zuweilen im gemeinen Leben gehöret wird, besonders bey der Anwünschung einer geruhsamen Nacht, wo es aber einmahl am rechten Orte stehet, indem es eigentlich eine geruhige oder ruhige Nacht heißen sollte. Nieders. rausam, gerausam.


Gerülle (W3) [Adelung]


Das Gerülle, des -s, plur. inus. überhaupt ein Haufen lockerer Dinge, welche theils als ein Abgang von andern Dingen abrollen, theils diesen einiger Maßen gleichen. So wird der Abgang von den Garben in den Scheuern in Meißen das Gerülle genannt. In den Eislebischen Fundgruben führet diesen Nahmen ein lockeres Gebirge, welches immer nachfällt, und in dem Meißnischen Erzgebirge gerölliges Gestein, ingleichen Kollert genannt wird. In einem figürlichen Verstande macht das Erz im Bergbaue ein Gerülle, wenn viele Gänge zusammen und unter einander fallen, so daß man ihr Streichen und ihre Sahlbänder nicht von einander unterscheiden kann; welches aus der dem gemeinen Manne so natürlichen Neigung zu reimen, auch wohl ein Gerülle und Gebrülle genannt wird. Eine Menge unnützen Hausgeräthes heißt zuweilen auch Gerülle. S. Gerümpel. Das Stammwort ist Rollen.


Gerumpel (W3) [Adelung]


Das Gerumpel, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Rumpeln. S. dasselbe.


Gerümpel (W3) [Adelung]


Das Gerümpel, des -s, plur. inus. schlechtes und verdorbenes. Haus- oder anderes Geräth, als ein Collectivum. Im Oberd. Grempel, Grümpelwerk, Rümpel, im Nieders. Rummel. Daher die Gerümpelkammer, Oberd. Grempelkammer, und der Gerümpelkasten, Oberd. Grempelkasten, wo man solches Gerümpel verwahrt; der Grempelmarkt, im Oberd. wo altes Geräth verkauft wird; der Grempelmann, das Grempelweib, welche damit handeln. Von rumpeln, eine Nachahmung des Lautes, welchen dergleichen Geräth verursacht, wenn es bewegt wird. Im mittlern Lat. ist Rumbula ein Trödelweib.


Gerüst (W3) [Adelung]


Gerüst, adj. et adv. S. Rüsten.


Gerüst (W3) [Adelung]


Das Gerüst, des -es, plur. die -e, Diminut. das Gerüstchen, ein auf eine Zeit lang aufgeführtes Bauwerk von Holz, allerley Arbeiten auf demselben vorzunehmen. Dergleichen sind die Gerüste der Mäurer, Gebäude aufzuführen oder auszubessern, der Mahler, die Decke in Kirchen und Pallästen zu mahlen, die Gerüste, welche man zum Behuf der Zuschauer bey feyerlichen Vorfällen bauet u. s. f. Daher das Leichengerüst, Castrum doloris, das Blutgerüst, Franz. Echaffaud, und andere mehr. Von dem Zeitworte rüsten, S. dasselbe. Bey dem Willeram bedeutet Gerüste Werkzeug, Waffen, bey dem Ottfried aber ist Sterrono girusti die Stellung der Sterne.


Gesacken (W3) [Adelung]


Gesacken, S. Sacken.


Gesage (W3) [Adelung]


Das Gesage, des -s, plur. car. ein mehrmahliges oder wiederholtes Sagen, im gemeinen Leben. Über das Gesage geht mehr Zeit hin, als wir verschlafen. Ingleichen, aber auch nur im gemeinen Leben, für Gerede, Gerücht. Es gehet das Gesage, daß u. s. f. Im Oberdeutschen auch für Befehl, Commando, Gewalt. Das höchste oder oberste Gesage, die höchste Gewalt. S. Sagen.


Gesäge (W3) [Adelung]


Das Gesäge, des -es, plur. car. das Sägen, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Sägen.


Gesäme (W3) [Adelung]


Das Gesäme, des -s, plur. inus. oder die Gesäme, sing. inus. mehrere Arten von Samen, als ein Collectivum, Sämerey. Mit Gesäme oder Gesämen handeln.


Gesammt (W3) [Adelung]


Gesammt, adj. alle Theile eines Ganzen, alle Dinge einer Art zusammen genommen. 1) Eigentlich. Mit gesämmter Macht, mit der ganzen Macht. Mit gesammter Hand, mit vereinigten Kräften. Der gesammte Rath. Die gesammten Einwohner. Der gesammte Gott, das göttliche Wesen mit allen seinen Vollkommenheiten. Seine Pflichten nach ihrem gesammten Umfange erfüllen. Sein gesammtes Verhalten nach der Vorschrift des Gesetzes einrichten. Die gesammten Leben, welche die Unterthanen an einigen Orten der Gerichtsobrigkeit in Sterbefällen entrichten, daher sie auch die Sterbelehen heißen; im Gegensatze der sonderbaren oder Erblehen, und der Kauflehen oder Annehmelehen. Ingleichen als ein Nebenwort, doch nur mit dem Vorworte in. Sie alle ins gesammt. Die Einwohner wurden ins gesammt straffällig gefunden; welches einige als Ein Wort insgesammt schreiben. 2) Zu einer gewissen Absicht vereinigt, gemeinschaftlich; doch nur in einigen Fällen. Die gesammte Hand, im Lebenswesen, der Zustand, die Eigenschaft, da mehrere zugleich mit einem und eben demselben Leben belehnet werden; die Mitbelehnschaft; da denn dergleichen Mitbelehnten auch wohl die Gesammthänder genannt werden. So auch in den meisten der folgenden Zusammensetzungen. Anm. Dieses Wort ist eigentlich das Mittelwort des veralteten Zeitwortes gesammen, zusammen nehmen, versammeln, welches bey dem Ottfried vorkommt, wo es gisammanon lautet. Eben derselbe gebraucht gisamane und gisemotin für gesammt. S. Allesammt, Sammt, Sämmtlich und Sammeln.


Gesammtamt (W3) [Adelung]


Das Gesammtamt, oder Sammtamt, des -es, plur. die -ämter, ein Amt, welches mehrere gemeinschaftlich besitzen, ein gemeinschaftliches Amt.


Gesammtbelehnung (W3) [Adelung]


Die Gesammtbelehnung, oder Sammtbelehnung, plur. die -en, diejenige Belehnung, wo mehrere mit einem und eben demselben Dinge gemeinschaftlich belehnet werden; die Mitbelehnung.


Gesammtgebrauch (W3) [Adelung]


Der Gesammtgebrauch, oder Sammtgebrauch, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, der gemeinschaftliche Gebrauch; Usus simultaneus.


Gesammtgeleit (W3) [Adelung]


Das Gesammtgeleit, oder Sammtgeleit, des -es, plur. die -e, ein Geleit, welches mehrere gemeinschaftlich besitzen.


Gesammtgut (W3) [Adelung]


Das Gesammtgut, oder Sammtgut, des -es, plur. die -güter, ein Gut, welches mehrern, besonders von Einem Geschlechte, gemeinschaftlich gehöret.


Gesammthänder (W3) [Adelung]


Der Gesammthänder, oder Sammthänder, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gesammt 2.


Gesammtkauf (W3) [Adelung]


Der Gesammtkauf, oder Sammtkauf, des -es, plur. die -käufe. 1) Ein Kauf, wo mehrere eine Sache gemeinschaftlich kaufen. 2) Ein Kauf, wo man eine Waare überhaupt, oder im Ganzen kaufet; der Sammtkauf, welchen Frisch ohne Roth von dem Sammtkaufe unterscheidet.


Gesammtlehen (W3) [Adelung]


Das Gesammtlehen, oder Sammtlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Leben, welches mehrern, oder einem ganzen Geschlechte gemeinschaftlich gehöret.


Gesammtrath (W3) [Adelung]


Der Gesammtrath, oder Sammtrath, des -es, plur. die -räthe, ein Raths-Collegium, welches von mehrern gemeinschaftlich ernannt wird; ingleichen ein einzelnes Mitglied eines solchen Collegii.


Gesammtregierung (W3) [Adelung]


Die Gesammtregierung, oder Sammtregierung, plur. inus. eine Regierung, welche von mehrern gemeinschaftlich geführet wird.


Gesammtschaft (W3) [Adelung]


Die Gesammtschaft, oder Sammtschaft, plur. die -en, in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, alle Dinge Einer Art zusammen genommen. Die Gesammtschaft der Bürger, die gesammten oder sämmtlichen Bürger. Ingleichen eine Gesellschaft, Zunft, Innung.


Gesammtschaftlich (W3) [Adelung]


Gesammtschaftlich, adj. et adv. welches in einigen Oberdeutschen Gegenden für gemeinschaftlich üblich ist.


Gesammtschrift (W3) [Adelung]


Die Gesammtschrift, oder Sammtschrift, plur. die -en, eine Schrift, welche im Nahmen mehrerer abgefasset wird.


Gesammtstimme (W3) [Adelung]


Die Gesammtstimme, oder Sammtstimme, plur. die -n, in dem Deutschen Staatsrechte, eine Stimme auf den Reichs- und Kreistagen, woran mehrere gemeinschaftlichen Antheil haben; Votum curiatum. So hatten auf dem Reichstage zu Regensburg die gefürsteten Prälaten nach ihren zwey Classen oder Bänken zwey, die vier Grafen-Collegia aber vier Gesammtstimmen.


Gesandte (W3) [Adelung]


Der Gesandte, des -n, plur. die -n, welches eigentlich das Mittelwort des Zeitwortes senden ist, und überhaupt eine von jemanden an einen andern gesandte Person bedeutet. So heißen Luc. 7, 10 die Ältesten der Juden, welche der Hauptmann von Capernaum an Jesum schickte, Gesandte, und die Propheten und Apostel werden noch mehrmahls Gesandte Gottes genannt. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung führet diesen Nahmen nur eine Person, welche von einem Staate oder Fürsten in öffentlichen Angelegenheiten an einen andern geschickt wird; und in noch engerer Bedeutung, welche zugleich die gewöhnlichste ist, ist solches zugleich eine bestimmte Würde, welche eine solche gesandte Person von einem Ambassadeur, der mehr ist, und von einem bloßen Geschäftsträger und andern ähnlichen Personen unterscheidet; Franz. Envoye. S. Abgesandte. Ein ordentlicher Gesandter, welcher beständig an einem Hofe residiret, im Gegensatze eines außerordentlichen, welcher in einem besondern Geschäfte geschickt wird. Die Gemahlinn eines Gesandten heißt die Gesandtinn, eine solche gesandte Person weiblichen Geschlechtes aber würde eine Gesandte heißen müssen. S. Abgesandter.


Gesandtschaft (W3) [Adelung]


Die Gesandtschaft, plur. die -en. 1) Die Würde und die Pflicht eines Gesandten. Eine Gesandtschaft übernehmen. Einem eine Gesandtschaft übertragen, auftragen. Er hat drey Gesandtschaft mit vielem Ruhme verrichtet. 2) Der Gesandte selbst. Die Thur-Brandenburgische Gesandtschaft zu Regensburg. Einige Gesandtschaften äußerten hierauf u. s. f.


Gesang (W3) [Adelung]


Der Gesang, des -es, plur. die Gesänge, von dem Zeitworte singen. 1. Die Handlung des Singens, das Singen selbst; ohne Plural. 1) Eigentlich. Ich habe des Gesangs ein Ende gemacht, Es. 16, 10. Gott mit Gesange loben, 1 Macc. 4, 24. Den Gesang in der Kirche abschaffen. In dieser Bedeutung ist es im Oberdeutschen ungewissen Geschlechtes, das Gesang. 2) In engerer Bedeutung, die Kunst zu Singen. Sich auf den Gesang legen, auf die Singekunst. Den Gesang studieren. Ingleichen die Art und Weise zu singen. Der Kirchengesang, im Gegensatze des weltlichen Gesanges. Der Choral-Gesang, die Melodien der Psalmen und alten Kirchenlieder, im Gegensatze des figural-Gesanges. 3) Figürlich. Der Gesang der Vögel. Der kleinen vogelin sussen Sang, König Wenzel. Man hört es am Gesange, was für ein Vogel es ist. Luther gebraucht in dieser Bedeutung Hiob 35, 10 das ungewöhnliches das Gesänge. Nach einer noch weitern Figur in der dichterischen Schreibart auch für Klang. Ihr solls dünken, sie höre den Gesang sanfter Flöten, Getzn. Ingleichen, 4) das Dichten, die Verfertigung eines Gedichtes. Mit Sange wande ich mine Sorge krenken, Graf Rudolph von Niuwenburg. In welchem Verstande es noch zuweilen in der poetischen Schreibart gebraucht wird, S. Singen. 2. Was gesungen wird. 1) Eigentlich, ein Gedicht, welches nach einer gewissen Melodie gesungen wird, ein Lied; wo es doch nur in engerm Verstande von einem geistlichen Liede gebraucht wird; Nieders. Salm. Ein Kirchengesang, Trauergesang u. s. f. wo doch auch das Wort Lied im gemeinen Leben häufiger ist. In der engsten Bedeutung ist der Gesang, oder die Hymne, eine geistliche Ode an Gott, da sie noch von andern geistlichen Liedern unterschieden wird. 2) Ein Theil eines größern Gedichtes, anstatt des Wortes Buch oder Abschnitt. So theilen Klopfstock, Milton, Voltaire und andere ihre großen zusammen hangenden Gedichte in Gesänge ab; ein Gebrauch, welchen die Italiänischen Dichter zuerst aufgebracht haben. 3. Ein Vogel, der da singet; in welcher Bedeutung doch nur die Vogelsteller den Sang- oder Lockvogel den Gesang zu nennen pflegen. Anm. Bey dem Ottfried Sang und Gizengi, im Angels. Dän. und Nieders. Sang, im Engl. und Fries. Song, im Schwed. Sang. S. Singen.


Gesangbuch (W3) [Adelung]


Das Gesangbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, welches geistliche Kirchengesänge enthält; Nieders. Salmbook.


Gesangschwalbe (W3) [Adelung]


Die Gesangschwalbe, oder Sangschwalbe, plur. die -n, eine in Martinique befindliche Art Schwalben, welche an Größe unseren Bauerschwalben, am Gesange aber einer Lerche gleich; Hirundo cantu alaudam referens Klein.


Gesangvogel (W3) [Adelung]


Der Gesangvogel, oder Sangvogel, des -s, plur. die -vögel, eine allgemeine Benennung aller derjenigen Vögel, welche sich durch ihren Gesang von andern Vögeln unterscheiden, und insgesamt einen kegelförmigen zugespitzten Schnabel haben, und welche man auch Singvögel, im Latein. ber Passeres in der weitesten Bedeutung, zu nennen pfleget.


Gesangweise (W3) [Adelung]


Die Gesangweise, plur. die -n, die Weise, d. i. die Melodie eines Gesanges, im Oberdeutschen und gemeinen Leben. S. Weise.


Gesangsweise (W3) [Adelung]


Gesangsweise, adv. nach Art eines Gesanges.


Gefäß (W3) [Adelung]


Das Gefäß, des -es, plur. die -e, von dem Zeitwort sitzen, der Ort, auf welchem man sitzet. 1) Derjenige Theil des menschlichen Körpers, worauf man sitzet, in der anständigen Sprechart; welcher sonst auch der Hintere, der Arsch, genannt wird. Figürlich führet auch der unterste Theil der Gränzsteine, worauf der Stein ruhet, diesen Nahmen. 2) Derjenige Theil eines Stuhles oder einer Bank, auf welchem man sitzet. Lehen um das Gesäß, 1 Kön. 10, 19; 2 Chron. 9, 18. 3) * Eine Wohnung, ein Sitz, und in weiterer Bedeutung auch wohl eigenthümliche Güter; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche indessen in den Schriften der vorigen Jahrhunderte mehrmahls vorkommt. Der ihr dazu gemeß An der gepurt und dem geseß, Theuerd. Kap. 2. Mehr Beyspiele führt Frisch v. Gäß an. 4) In der Bienenzucht einiger Gegenden, die Höhlung mitten in dem Gewirke, wo sich die Bienen am häufigsten aufhalten.


Gesäßbein (W3) [Adelung]


Das Gesäßbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, das mittlere Bein, der Größe nach, unter den ungenannten Beinen, welches unter dem Hüftbeine lieget; Os ischium, mit welchem Lat. Nahmen auch das Hüftbein selbst beleget wird.


Gesäßfistel (W3) [Adelung]


Die Gesäßfistel, plur. die -n, eine Fistel, oder ein tiefes mit verschiedenen Höhlen versehenes Geschwür am Gesäße.


Gesaufe (W3) [Adelung]


Das Gesaufe, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Saufen.


Gesauge (W3) [Adelung]


Das Gesauge, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern und in der anständigen Sprechart, das Euter der Thiere, woran die Jungen saugen.


Gesause (W3) [Adelung]


Das Gesause, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Sausen.


Gesäusel (W3) [Adelung]


Das Gesäusel, des -s, plur. inus. das Säuseln, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Säuseln. Das Gesäusel des Windes, eines Baches.


Geschabe (W3) [Adelung]


Das Geschabe, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schaben. Zuweilen auch was abgeschabet wird, das Abschabsel, Schabsel.


Geschäft (W3) [Adelung]


Das Geschäft, des -es, plur. die -e. 1) * Von dem Oberdeutschen Zeitworte schaffen, befehlen, ein Befehl, Wille, und die befohlne Sache; in welchem Verstande es gleichfalls nur im Oberdeutschen üblich ist. Das ist unsere gänzliche Meinung, Heißen und Geschäft, in einer Urkunde von 1498. Eines Geschäft ausrichten, Befehl. In eben dieser Mundart heißt daher ein letztwilliges Geschäft auch der letzte Wille, oder ein Testament, in welchem Verstande es schon im Schwabenspiegel vorkommt. S. Schaffen. 2) Von dem Zeitworte schaffen, machen, hervor bringen, alles was man macht oder wirket, was man zu thun, zu verrichten oder zu wirken hat, eine jede thätige Veränderung eines freyen vernünftigen Wesens; besonders solche, zu welchen man seines Amtes oder Berufes wegen verpflichtet ist. Seine Geschäfte verrichten, besorgen. Seinen Geschäften nachgehen. Viele Geschäfte haben. Mit Geschäften überhaupt seyn. Amtsgeschäfte, Berufsgeschäfte. Der Kaufmann gehet seinen Geschäften nach. Einem ein Geschäft auftragen. In wichtigen Geschäften gebraucht werden. Ein Geschäft auf sich nehmen, ausrichten. Ein Mann von Geschäften, der viele Geschäfte hat. Kleine häusliche Geschäfte. Der Glaube ist ein Geschäft des heiligen Geistes, wird von dem heiligen Geiste gewirket, hervor gebracht.

Anm. Schon bey dem Ottfried bedeutet Giscefti so wohl opera als auch negotium. So fern schaffen in engerer Bedeutung creare ist, wird Geschäft im Oberd. auch für Geschöpf gebraucht, in welchem Verstande schon Ottfried Giscaft sagt. S. Geschöpf.


Geschäftig (W3) [Adelung]


Geschäftig, -er, ste, adj. et adv. 1) Geschäfte verrichtend, seine Kraft zu wirken durch äußere Handlungen an den Tag legend. Die Liebe ist allezeit geschäftig. Die Eigenliebe ist bey der Freundschaft oft sehr geschäftig. Ich fand ihn unter den Büchern geschäftigt. Gott ist bey der Bekehrung des Menschen unmittelbar geschäftig. Ein geschäftiges und frohes Leben. Der geschäftige Müßiggang, wenn die Beschäftigungen durch sinnliche Lust oder Unlust bestimmet werden. 2) Herrschende Neigung besitzend, seine Kraft zu wirken durch äußere Handlungen an den Tag zu legen. Eine geschäftige Martha.

Anm. In Preußen und einigen Niedersächsischen Gegenden schäftig, wo es auch in engerer Bedeutung für geschwätzig gebraucht wird. Der Ochse ist schäftig, Sprichw. 14, 4. In andern Niedersächsichen Gegenden ist dafür hilde üblich. So fern Geschäft im Oberd. einen Befehl, ingleichen ein Testament bedeutet, ist geschäftig eben daselbst auch herrschende Neigung zu befehlen habend, und ein Geschäftiger, ein Testator.


Geschäftigkeit (W3) [Adelung]


Die Geschäftigkeit, plur. inus. die Fertigkeit, oder herrschende Neigung, seine Kraft zu wirken durch äußere Handlungen an den Tag zu legen.


Geschäftslos (W3) [Adelung]


Geschäftslos, -er, -este, adj. et adv. keine Geschäfte habend, der Geschäfte beraubt. Daher die Geschäftslosigkeit.


Geschäftsträger (W3) [Adelung]


Der Geschäftsträger, des -s, plur. ut nom. sing. ein gutes, aber am meisten im Oberdeutschen bekanntes Wort, jemanden zu bezeichnen, der eines andern, besonders eines Fürsten oder Staates Geschäfte träget, d. i. verwaltet; Franz. Charge d'affaires, auch Geschäftsführer.


Geschehen (W3) [Adelung]


Geschehen, verb. irreg. neutr. ich geschehe, du geschiehest, (geschichst,) es geschiehet, (geschicht;) Imperf. ich geschahe; Mittelw. geschehen; Imperat. geschehe. Es erfordert das Hülfswort seyn, und wird nur in der dritten Person, und hier sehr oft unpersönlich gebraucht. 1. Sich zutragen, von Veränderungen, welche ohne unsere Mitwirkung wirklich werden. 1) Widerfahren, zugefüget werden; von Dingen, welche ohne unser Zuthun an uns von außen wirklich werden, mit der dritten Endung der Person, so wohl von guten, als bösen Dingen. Wenn ihnen viel Gewalt geschicht, Hiob 35, 9. Es wird dem Gerechten kein Leid geschehen, Sprichw. 12, 21. Es ist dir recht geschehen, wie du es verdienet hast. Damit geschiehet mir ein Gefallen. Es ist ihm Schaden, Abbruch, Unrecht geschehen. Es soll dir nichts geschehen, nichts Übels. Es ist uns viel Gutes bey ihm geschehen. Ich wußte nicht, wie mir geschahe, als u. s. f. Es ist ihm zu viel geschehen, Unrecht. Ach, wie ist mir geschehen? was ist mir widerfahren? 2) In weiterer Bedeutung, sich zutragen, von allen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun wirklich werden; absolnte unpersönlich. Es geschahe, wie er gesagt hatte. Das wird in Ewigkeit nicht geschehen. So etwas geschieht nicht alle Tage. Daher geschahe es, daß u. s. f. Zuweilen auch mit bestimmter Meldung der Sache, welche geschehen ist, in Gestalt eines Hauptwortes. Es ist ein Unglück geschehen. Aber nicht, es ist ein Aufruhr geschehen, es geschahe ein Windwirbel, ein Erdbeben, ein Brausen u. s. f. ungeachtet diese und ähnliche Ausdrücke häufig in der Deutschen Bibel vorkommen. 2. In engerer Bedeutung, zur Wirklichkeit gebraucht, vollendet, gethan werden, von Handlungen und thätigen Veränderungen. Dein Wille geschehe. Was er spricht, das muß geschehen. Die Sache ist bereits geschehen, ist noch nicht geschehen. Wir wollen sehen, was geschehen wird. Es soll nicht mehr geschehen. Er ist den ganzen Tag geschäftig, und es geschiehet doch nichts, es wird nichts ausgerichtet, nichts zu Wirklichkeit gebraucht. Ich muß es geschehen lassen, kann es nicht hindern. Ich pflück ihr manchen Straus, dieß läßt sie auch geschehen, Gell. Die Arbeit ist geschehen. Es ist im Zorne, aus Versehen geschehen. Zu geschehenen Sachen muß man das Beste reden. Die Zeit der geschehenen Schöpfung der Welt. Die Zueignung der geschehenen Erlösung. Die Schöpfung der Welt ist durch Gottes Allmacht geschehen. Es geschahe ein Schutz. Von wem ist das geschehen? Die Ausfälle, welche von den Belagerten geschehen sind. Die Erhaltung des menschlichen Lebens geschiehet nicht unmittelbar. Alles was von unserer Seite dagegen geschehen kann. Wenn dieser Versuch geschehen ist. Indessen kommt es auch hier oft auf den Gebrauch an, ob geschehen in manchen Fällen üblich ist, oder nicht. So sagt man im Hochdeutschen nicht, die Stimme des Herrn, oder das Wort des Herrn geschah zu ihm; es geschahe eine Weißagung, u. s. f. welche Ausdrücke doch in der Deutschen Bibel nicht selten sind. 3. Figürlich. Es ist um ihn geschehen, er ist verloren, gestorben, unglücklich geworden u. s. f. actum est de illo; in welchem Verstande die Hebräer das Zeitwort $, er ist gewesen, in Niphal gebrauchen.

Anm. Bey dem Ottfried kiskehan, bey dem Notker gischehen, im Nieders. schüen, entschüeen, im Holländ. geschieden, im Schwed, ske, im Isländ. skedur, im Lappländ. skiaddet, im Oberd. auch beschehen. Wachters Muthmaßung, daß es mit dem Lat. cadere und accidere verwandt sey, ist sehr wahrscheinlich, und wird durch die Nordischen Mundarten, welche in diesem Worte gleichfalls ein d haben, bestättiget. Die Vorsetzung des Zischlautes ist in vielen Sprachen, besonders der Deutschen, etwas sehr gewöhnliches. S. Sch. Die Franzosen haben daraus ihr escheoir gebildet. Das mittelste e wird im Hochdeutschen wie das erste, das ist wie ein Franz. eferme, ausgesprochen; dagegen einige Mundarten, z. B. die Schlesische, es wie ein ä aussprechen. Im Oberdeutschen gehet dieses Wort in einigen Gegenden regulär; es geschehete für geschah. Das ch im Präsenti und Imperfecto, es geschicht, es geschach, gehöret gleichfalls den Mundarten zu, obgleich das erstere auch im Hochdeutschen nicht selten ist. S. Geschichte.


Gescheid (W3) [Adelung]


Das "Gescheid", des -es, plur. die -e, ein Maß trockener Dinge in einigen Oberdeutschen Gegenden. Vier Gescheide machen in der Pfalz und in Frankfurt am Main einen "Sechter", acht eine "Meiste" oder "Metze", sechzehen ein "Simmer", vier und sechzig aber ein "Malter". S. "Scheide".


Gescheide (W3) [Adelung]


Das Gescheide, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, das Gedärm des Wildbretes und aller wilden Thiere; vermuthlich wegen der hohlen, einer Scheide ähnlichen Beschaffenheit.


Gescheidt (W3) [Adelung]


Gescheidt, -er, -este, adj. et adv. mit hinlänglichem Grunde versehen, und subjective, der von seinen Handlungen Grund anzugeben weiß, nichts ohne Grund thut; in der vertraulichen Sprechart, für vernünftig. Das war doch ein gescheidter Einfall. Ich glaube, sie sind nicht gescheidt. Er ist ein sehr gescheidter Mensch. Ich bin mir in dieser Sache nicht gescheidet genug. Ich kann daraus nicht gescheidt werden, nicht klug werden, kann mich darein nicht finden.

Anm. Gemeiniglich schreibt und spricht man dieses Wort gescheut; als wenn es zu dem Zeitworte scheuen gehöret. Allein Frisch hat schon gezeiget, daß es von scheiden, unterscheiden, abstammet, von welchem es das sonst ungewöhnliche reguläre Participium ist, für gescheidet, woraus zugleich die Nothwendigkeit des dt erhellet. Es scheinet nach dem Lat. discretus gebildet zu seyn, und wurde im Oberdeutschen beständig gescheid geschrieben, ungeachtet es bey unsern ältesten Schriftstellern nicht angetroffen wird. Er hat doch mer gelückes vall Dann ich gescheidigkeit überal, Theuerd. Kap. 22. Im Angels. ist Scad, Gescead, und im Schwed. Besked, Grund, Ursache. S. Scheiden und Bescheiden.


Gescheidtheit (W3) [Adelung]


Die Gescheidtheit, plur. car. der Zustand, da eine Person oder Sache gescheidet ist; in der niedrigen Sprechart Gescheidigkeit.


Geschenk (W3) [Adelung]


Das Geschenk, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schenken, eine jede Sache, welche geschenkt, d. i. deren Eigenthum dem andern umsonst übertragen wird. Einem ein Geschenk machen, ihm etwas schenken. Einem mit einem Hause, einem Buche u. s. f. ein Geschenk machen. Einem ein Haus, ein Pferd zum Geschenke geben. Ich habe es als ein Geschenk bekommen. Etwas zum Geschenke bringen. Geschenke nehmen, zur Beugung des Rechtes sich durch Geschenke bestechen lassen. Die Freundschaft ist das kostbarste Geschenk des gesellschaftlichen Lebens, Gell. Bey den Handwerkern ist das Geschenk eine festgesetzte Gabe, welche den wandernden Gesellen auf der Herberge gereicht wird, da denn diejenigen Handwerke, bey welchen solches üblich ist, oder welche das Geschenk halten, geschenkte Handwerke genannt werden. S. Schenken. Im Oberdeutschen sind dafür auch das Geschanknüß oder Schankniß üblich.


Gescheut (W3) [Adelung]


Gescheut, S. Gescheidt.


Geschichte (W3) [Adelung]


Die Geschichte, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte geschehen. 1) Was geschehen ist, eine geschehene Sache, so wohl in weiterer Bedeutung, eine jede, so wohl thätige als leidentliche Veränderung, welche einem Dinge widerfähret, als auch in engerer und gewöhnlicherer, von verschiedenen mit einander verbundenen Veränderungen, welche zusammen genommen ein gewisses Ganzes ausmachen; wo es auch das Diminutivum das Geschichtchen, Oberd. Geschichtlein, leidet. Eine wahre Geschichte, im Gegensatze der erdichteten. In engerer Bedeutung führet nur die erstere den Rahmen der Geschichte. Nach diesem Geschichten begab sichs u. s. f. 1 Mos. 15, 1. Daß du nicht vergessest der Geschichte, die deine Augen gesehen haben, 5 Mos 4, 9. Die Geschichte des Königs Davids - sind geschrieben unter den Geschichten Samuel, 1 Chron. 30, 29. Die Geschichte des Haltens und ihres Schreyens, Esth. 9. 31. 32. Der Aussätzige - machte die Geschichte ruchtbar, Marc. 1, 45. Eine Geschichte erzählen, beschreiben. Er weiß alle Geschichten der Nachbarschaft. Die Geschichte dieses Mannes ist sehr merkwürdig, d. i. alles was sich mit ihm zugetragen hat, seine Begebenheiten. In eben diesem Verstande stehet es oft collective und ohne Plural von mehreren geschehenen Begebenheiten Einer Art. Die alte Geschichte erlernen. Wo sie oft den ganzen Umfang aller, oder doch der wichtigsten Veränderungen in der Welt und ihrer Folgen in sich begreift. 2) Die Erzählung solcher Geschichte oder geschehenen Begebenheiten; die Historie. Gellerts Geschichte des Hutes. Besonders die Erzählung ähnlicher Begebenheiten von einem gewissen Umfange. Die plitische Geschichte, Kirchengeschichte, gelehrte Geschichte. Die Geschichte des Römischen Reiches, einer Stadt, einer merkwürdigen Person u. s. f. Wo in weiterer Bedeutung auch erdichtet Begebenheiten, in engerer aber nur wahre, mit dem Nahmen der Geschichte belegt werden. In sehr uneigentlichem Verstande wird es in dem Worte Naturgeschichte gebraucht, das Verzeichniß und die Beschreibung der zu dem Naturreiche gehörigen Körper zu bezeichnen. 3) Die Kenntniß der geschehenen Begebenheiten, die Geschichtkunde; ohne Plural. Die Geschichte ist die zuverlässigste Lehrmeisterinn der Moral. Sich auf sie Geschichte legen. Die Geschichte erhält das Andenken der vergangenen Begebenheiten in der Welt.

Anm. In omnibus mundi contingentibus heißt bey den Notker in allen uuerlt geschihten. Nach dem Beyspiele anderer weiblichen Wörter auf e sollte dieses Wort im Plural die Geschichten haben, und so wird es auch in ganz Oberdeutschland richtig decliniret. Die alten Geschichten lesen, Opitz. In der Geschichten Buch, Hofmannsw. Allein im Hochdeutschen hat man den Plural von dem veralteten Neutro das Geschicht beybehalten, welches ehedem für die Geschichte üblich war, und dieser ist nunmehr wohl zu sehr eingerissen, als daß die Versuche einiger neuern Sprachlehrer denselben werden verdrängen können. In den Schauspielen des 15ten Jahrhundertes wurde der Aufzug, nach dem Muster des Latein. Actus, häufig die Geschichte genannt. Noch in der Monseeischen Glosse wird Historia durch Katatrahha, Historicus durch Katatrahhar, und Historiographus durch Katatrahhascripo übersetzt. Im Nieders. ist für Geschichte noch das einfache Schicht üblich.


Geschichtbuch (W3) [Adelung]


Das Geschichtbuch, des -es, plur. die -bücher; ein Buch, worin geschehene Begebenheiten erzählet und beschrieben werden, und welches auch nur schlechthin die Geschichte heißt.


Geschichtgelehrte (W3) [Adelung]


Der Geschichtgelehrte, des -n, plur. die -n, der von der Geschichte, oder von geschehenen Begebenheiten eine wissenschaftliche Kenntniß hat, und sich dadurch von einem bloßen Geschichtkundigen unterscheidet.


Geschichtkunde (W3) [Adelung]


Die Geschichtkunde, plur. inus. die Kunde oder Kenntniß der Geschichte, d. i. geschehener Begebenheiten; die Historie.


Geschichtkundige (W3) [Adelung]


Der Geschichtkundige, des -n, plur. die -n, der der Geschichte kundig ist; Historicus.


Geschichtmahler (W3) [Adelung]


Der Geschichtmahler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Mahler, welcher Begebenheiten aus der Geschichte mahlet, ein Historien-Mahler; zum Unterschied von einem Porträt-Mahler, Thier-Mahler, Landschafts-Mahler u. s. f. dergleichen historische Gemählde auch von einigen Geschichtgemählde oder Geschichtsgemählde, und die Kunst und Beschäftigung selbst die Geschichtmahlerey genannt werden.


Geschichtschreiber (W3) [Adelung]


Der Geschichtschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Geschichtschreiberinn, plur. die -en, der oder die eine Geschichte schreibet oder beschreibet; Historiographus.


Geschichtwissenschaft (W3) [Adelung]


Die Geschichtwissenschaft, oder Geschichtswissenschaft, plur. inus. die Geschichtkunde, so fern sie wissenschaftlich behandelt, oder als eine Wissenschaft betrachtet wird.


Geschick (W3) [Adelung]


Das Geschick, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schicken, ordnen, fügen. 1. Der Zustand einer Sache, da sie zu einer gewissen Veränderung geschickt, d. i. fähig und tüchtig ist; ohne Plural. 1) Überhaupt, in welchem Verstande im Bergbaue, die zur Erzeugung der Erze tüchtige Beschaffenheit der Erd- und Steinarten ihr Geschick genannt wird. 2) Besonders, das Verhältniß der Theile einer Sache, so wie es der jedesmahligen Absicht gemäß ist, im gemeinen Leben und der vertrauten Sprechart. Es hat weder Art noch Geschick. Belise putzt ich den ganzen Tag, und doch hat ihr Anzug nicht das gesingste Geschick. Eine Sache in das Geschick bringen. Die Rede hat weder Geschick noch Gelenk. 2. Die natürliche Fähigkeit lebendiger Geschöpfe, nach welcher sie zu gewissen Veränderungen geschickt, d. i. fähig und tüchtig sind; ohne Plural. In engerer Bedeutung, das Vermögen, eine Sache mit Leichtigkeit zu vollbringen. Ein Mensch, der vieles Geschick hat. Er hat viel Geschick zur Musik, zur Dichtkunst u. s. f. Bav hat zu keiner Sache Geschick. Ein andrer hat zwar viel Geschicke. Doch weil die Miene nichts verspricht, u. s. f. Gell. S. Geschicklichkeit. 3. Die Anordnung der menschlichen Begebenheiten in der Welt, so fern sie von einem höhern Wesen herrühren, und nicht in unserm freyen Willen gegründet sind, das Schicksal, die Schickung; auch ohne Plural. Es ist ein Geschick Gottes. Mein Geschick will es so. Er kam, ich weiß nicht durch was für ein Geschick, gerade zu rechter Zeit. Ein Mensch hat ein außerordentliches Geschick, wenn ihm außerordentliche Begebenheiten zustoßen, besonders wenn er selbst nicht der nächste Grund derselben ist. 4. Eine geschickte d. i. zu einer gewissen Absicht fähige und tüchtige Sache selbst; in welchem Verstande es doch nur im Bergbaue üblich ist, wo alle zur Erzeugung der Erze tüchtige Erd- und Steinarten, Gänge, edle Klüften u. s. f. Geschicke genannt werden. Im Niedersächs. nur Schick. Im Schwed. ist Skik so wohl Ordnung, Anordnung, als auch guter Anstand im äußern Betragen, angenehme Sitten. S. Schicken und Schicklich.


Geschicke (W3) [Adelung]


Das Geschicke, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schicken, im gemeinen Leben; von schicken, mittere.


Geschicklich (W3) [Adelung]


* Geschicklich, adj. et adv. welches aber im Hochdeutschen veraltet, weil geschickt und schicklich dafür üblicher geworden sind.


Geschicklichkeit (W3) [Adelung]


Die Geschicklichkeit, plur. die -en, der Zustand, da eine Sache zu einer gewissen Absicht geschickt oder tüchtig ist. Er besitzt alle zu diesem Amte nöthige Geschicklichkeit. In engerm Verstande, von dem Vermögen, gewisse Dinge mit Leichtigkeit zu vollbringen. Die Geschicklichkeit des Leibes, die Fähigkeit, nöthige Bewegungen mit Leichtigkeit zu vollbringen. Die natürliche Geschicklichkeit des Verstandes. Einen Entwurf mit vieler Geschicklichkeit ausführen. Bey den Schwäbischen Dichtern Geschikeit, in dem Theuerdanke Schicklichkeit.


Geschickt (W3) [Adelung]


Geschickt, -er, -este, adj. et adv. gleichfalls von schicken, ordnen, fügen, die zur Erreichung einer Absicht nöthige Eigenschaft habend. 1) Überhaupt. Dieses Holz ist zu meiner Absicht nicht geschickt. Wo, wenn von bloß körperlichen Eigenschaften die Rede ist, doch tauglich und bequem üblicher sind. So auch, sich zum Streit geschickt machen. 2 Chron. 26, 13. Noch mehr, 2) in engerer Bedeutung, von den zu einer Sache nöthigen Eigenschaften des Geistes. Ich bin zu dieser Arbeit nicht geschickt. Sich zum Dienste der Welt geschicktmachen. Ich bin nicht geschickt, dich zu trösten. Daß wir immer besser, und zu unsrer ewigen Bestimmung geschickter werden, Gell. Geschickt, die Wege des Herrn auf dem Erdboden zu entdecken, ebend. 3) Fähigkeit besitzend, eine Sache mit Leichtigkeit zu vollbringen. Ein geschickter Arzt, ein geschickter Mahler, ein geschickter Tänzer. In Sprachen, in der Musik, im Zeichnen geschickt seyn. Ein sehr geschickter Mensch. Ingleichen, was in dieser Fähigkeit gegründet ist, dieselbe an den Tag leget. Eine geschickte Antwort. Geschickt zu antworten wissen. Eine Sache sehr geschickt beschreiben. S. Schicken und Geschick.


Geschicktheit (W3) [Adelung]


Die Geschicktheit, plur. car. der Zustand, da eine Person oder Sache geschickt ist; wofür doch Geschicklichkeit üblicher ist.


Geschiebe (W3) [Adelung]


Das Geschiebe, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. im Bergbaue, eine jede Erd- oder Steinart, welche durch eine äußere Gewalt, z. B. durch Überschwemmungen, aus ihren Wohnstätten gerissen, und an andere Orte, besonders auf und unter der Dammerde, geschoben oder zusammen geführet worden. So kommt der Jaspiß oft auf den Feldern, der Agath in den Sandgruben als Geschiebe vor. S. Geschütte. Auch Flöße, welche eine beträchtliche Länge und Breite haben, werden zuweilen ein Geschiebe genannt.


Geschlampe (W3) [Adelung]


Das Geschlampe, des -s, plur. inus. von dem Zeitworte schlampen, in den niedrigen Sprecharten, das Schlampen; ingleichen die Suppe, welche den Jagdhunden von Wasser und Brot bereitet wird, und bey den Jägern auch die Schlampe heißt. S. Schlampen.


Geschlank (W3) [Adelung]


Geschlank, -er, -este, adj. et adv. lang, dünn und biegsam. Ein geschlanker Baum. Eine geschlanke Ruthe. Ein geschlanker junger Mensch. Einen geschlanken Hals, geschlanken Leib, geschlanken Wuchs haben.

Anm. Im gemeinen Leben lautet es ohne Vorsylbe gemeiniglich nur schlank, Holländ. slank, im Engl. lank; woraus erhellet, daß es mit Schlange und schlingen, vermittelst des Zischlautes von lenken, biegen, gebildet werden. Im Oberdeutschen ist dafür auch rahn, rahnig, gerahnig, Nieders. rank, Holländ. ran, rene und rank, Engl. rank, üblich, S. Ranke und Gering.


Geschlecht (W3) [Adelung]


Das Geschlecht, des -es, plur. die -er. 1. Überhaupt, die Ähnlichkeit der verchiedenen Gattungen und Arten der Dinge, so wohl in Abstracto, als auch, und zwar am häufigsten, in Concreto, diese Gattungen und Arten mit ihren Individuis selbst, als ein Ganzes betrachtet. So ist der Ausdruck Körper die Bezeichnung eines Geschlechtes, worunter alle sichtbare Dinge nach ihren Gattungen, Arten und einzelnen Dingen geordnet werden können. Das ganze Geschlecht der Thiere. Das Geschlecht der Hunde. Art, Gattung und Geschlecht werden oft mit einander verwechselt; doch wird das letztere am beständigsten von der Ähnlichkeit der Gattungen, Gattung von der Ähnlichkeit der Arten, Art aber von der Ähnlichkeit einzelner Dinge gebraucht. Ehedem gebrauchte man Schlacht und Geschlecht häufig für Art, von der Ähnlichkeit einzelner Dinge; aller slagt, für allerley, manniger schlachte erredom, allerley Arten von Irrthümern. Und so heißt es auch noch Apost. Gesch. 17, 29: so wir denn göttliches Geschlechtes sind, wegen der in der Schöpfung erhaltenen Ähnlichkeit mit Gott; weiche Bedeutung auch in den folgenden zum Grunde lieget. 2. In einigen besondern Fällen. 1) Die Ähnlichkeit der zur Fortpflanzung bestimmten Theile und alle einander hierin ähnlichen Individua, als ein Ganzes betrachtet. Das männliche Geschlecht. Das weibliche Geschlecht, welches bey Menschen auch schöne Geschlecht, das schwächere Geschlecht und das andere Geschlecht genannt wird. Einen Erben männlichen Geschlechtes bekommen. In den Morgenländern leben beyde Geschlechter sehr abgesondert von einander. Auch unter den Pflanzen hat man in den neuen Zeiten zweyerley Geschlechte entdecket, und in der Sprachkunst gibt es dreyerley Geschlechter der Nennwörter, indem einige männlichen, andere weiblichen und noch andere ungewissen Geschlechtes, oder geschlechtslos sind. 2) Die Gleichheit des Herkommens, so wohl im Abstract, als auch die von einem gemeinschaftlichen Stammvater entsprossenen Personen selbst, als ein Ganzes betrachtet, in Concreto; eine Familie. Das menschliche Geschlecht, alle Menschen, so fern sie von Adam, ihrem gemeinschaftlichen Stammvater, abstammen. Ein gräfliches, ein adeliges, ein bürgerliches Geschlecht. Eigentlich gehören zu einem Geschlecht nur diejenigen Personen, welche erweislich von einem gemeinschaftlichen Stammvater entsprungen sind, ob man gleich auch zuweilen die Verwandten weiblicher Seite mit dahin zu rechnen pfleget. Er ist von einem guter, aus einem berühmten Geschlechte. Das Geschlecht ist ausgestorben, abgegangen. Zu nahe in das Geschlecht heirathen, in die Verwandschaft. In engerem Verstande verstehet man in einigen Reichsstädten unter dem Worte Geschlecht nur ein rathsfähiges, ein patricisches Geschlecht; S. Geschlechter. Nach einer andern Einschränkung ist Geschlecht oft so viel als Generation, die Folge der einzelnen Glieder eines Geschlechtes auf einander in absteigender Linie, und die gewöhnliche Zeitdauer eines solchen Gliedes, ein Menschenalter, S. Geschlechtsalter.

Anm. Bey dem Ottfried und Notker Slahta, Slahto, Gislaht, so wohl in der weitern Bedeutung der Art, als auch in der engern einer Familie, im Niedersächsischen und Oberdeutschen Schlacht, Schlecht, im Schwed. Slag, Slagt. Im Nieders. ist Slag und im Hochdeutschen Schlag die Art, und im Wendischen Slahta Verwandschaft. S. die Neutra Schlagen und Schlachten. Der Plural lautet im Oberdeutschen häufig Geschlechte, in welcher Gestalt er mehrmahls in der Deutschen Bibel angetrofen wird. In der letzten Bedeutung des Wortes Geschlecht war ehedem auch Chunne, ( S. Kind,) und Hiuuiske üblich.


Geschlechter (W3) [Adelung]


Der Geschlechter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Geschlechterinn, plur. die -en, in einigen Oberdeutschen Reichsstädten, eine Person, welche aus einem rathsfähigen, oder patricischen Geschlechte entsprossen ist. Ein Geschlechter von Nürnberg.


Geschlechtlos (W3) [Adelung]


Geschlechtlos, adj. et adv. kein Geschlecht habend. Klopstock nennet die Wörter ungewissen Geschlechtes, die Neutra in der Sprachkunst, geschlechtlose Wörter, im Gegensatze der geschlechtsfähigen, welches die Masculina und Fäminina sind. So auch die Geschlechtslosigkeit.


Geschlechtsalter (W3) [Adelung]


Das Geschlechtsalter, des -s, plur. ut nom. sing. das Alter, d. i. die gewöhnliche Zeitdauer eines Geschlechtes, d. i. einer Generation, eines einzelnen Gliedes eines Geschlechtes, wofür man gemeiniglich dreyßig oder drey und dreyßig Jahre annimmt; ein Menschenalter. Zuweilen auch die Dauer eines ganzen Geschlechtes. S. Geschlechtsfolge.


Geschlechtsart (W3) [Adelung]


Die Geschlechtsart, plur. die -en, die Art, d. i. die Ähnlichkeit eines Geschlechtes in der weitesten Bedeutung, dasjenige, worin alle Arten und Gattungen überein kommen.


Geschlechtsendung (W3) [Adelung]


Die Geschlechtsendung, plur. die -en, ein Ausdruck, mit welchem einige Sprachlehrer die zweyte Endung der Nennwörter belegen, das Lat. Genitivus auszudrucken, wofür andere Geschlechtsfall gewählet haben. S. Genitiv.


Geschlechtsfolge (W3) [Adelung]


Die Geschlechtsfolge, plur. die -n, die Folge eines Geschlechtes auf das andere. In engerer Bedeutung, die Folge einzelner Glieder eines Geschlechtes auf einander in absteigender Linie, die Abstammung, und die gewöhnliche Zeitdauer eines solchen Gliedes; das Geschlechtsalter, die Generation.


Geschlechtsgut (W3) [Adelung]


Das Geschlechtsgut, des -es, plur. die -güter, ein Gut, welches einem ganzen Geschlechte gemeinschaftlich gehöret; ein Gesammtgut, Fideicommiß.


Geschlechtsnahme (W3) [Adelung]


Der Geschlechtsnahme, des -ns, plur. die -n, der gemeinschaftliche Nahme eines ganzen Geschlechtes; bey Menschen auch der Zunahme, im Gegensatze des Vornahmens, der die einzelnen Personen bezeichnet.


Geschlechtsregister (W3) [Adelung]


Das Geschlechtsregister, des -s, plur. ut nom. sing. das Register oder Verzeichniß der einzelnen Glieder eines Geschlechtes und ihrer Folge auf einander; die Genealogie, Geschlechtstafel, der Stammbaum.


Geschlechtstag (W3) [Adelung]


Der Geschlechtstag, des -es, plur. die -e, ein Tag, an welchem sich die zu einem Geschlechte gehörigen Personen zu versammeln pflegen; dergleichen Geschlechtstage es z. B. in der Ernestinischen Linie des Hauses Sachsen gibt.


Geschlechtstrieb (W3) [Adelung]


Der Geschlechtstrieb, des -es, plur. die -e, der natürliche Trieb beyder Geschlechter gegen einander, der Trieb zur Fortpflanzung seines Geschlechtes; die Geschlechtslust.


Geschlechtswapen (W3) [Adelung]


Das Geschlechtswapen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wapen, welches einem ganzen Geschlechte eigenthümlich ist, oder welches jemand vermöge seines Geschlechtes führet; im Gegensatze des Standeswapens, Gnadenwapens, Heirathswapens und so ferner.


Geschlechtswort (W3) [Adelung]


Das Geschlechtswort, des -es, plur. die -wörter, ein sehr unbequemer Ausdruck einiger Sprachlehrer, den Artikel zu bezeichnen. S. Der, im ersten Theile, S. 1456. In weiterer Bedeutung auch ein Wort, welches ein ganzes Geschlecht, in der weitesten Bedeutung bezeichnet. So ist Vogel in diesem Verstande ein Geschlechtswort, im Gegensatze der darunter begriffenen Gattungen und Arten.


Geschleif (W3) [Adelung]


Das Geschleif, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, die Eingänge oder Löcher in einem Dachs- Fuchs- oder Biberbaue; von dem Zeitworte schliefen.


Geschlepp (W3) [Adelung]


Das Geschlepp, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, was geschleppet wird. 1) Im verächtlichen Verstande, ein Gefolge von Personen, die man zu seiner Bedienung oder zu seiner Begleitung bey sich hat. Ein großes Geschlepp bey sich haben. Nieders. Slepe, Getreck. 2) Bey den Jägern, diejenige Lockspeise, welche man an einer Schnur vor dem Holze herschleppet, Raubthiere, durch deren Witterung damit an einen bestimmten Ort zu locken. 3) Im Bergbaue, ein einfaches Feldgestänge, dessen an einander gefügte Stangen vermittelst einer Wasserkunst geschleppet, d. i. hin und her gezogen werden. S. Schleppen.


Geschleppe (W3) [Adelung]


Das Geschleppe, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein anhaltendes oder wiederhohltes Schleppen; ohne Plural. 2) Was geschleppet wird. Im Bergbaue wird ein einfaches Feldgestänge auch ein Geschleppe genannt, und im gemeinen Leben führet diesen Nahmen im verächtlichen Verstande ein zahlreiches Gefolge. Ein großes Geschleppe bey sich haben.


Geschliffen (W3) [Adelung]


Geschliffen, -er, -ste, adj. et adv. eigentlich das Participium von schleifen, in dessen veralteten figürlichen Bedeutung, verfeinerte Sitten habend und darin gegründet; in welcher Bedeutung doch der Gegensatz ungeschliffen üblicher ist. So auch die Geschliffenheit.


Geschlinge (W3) [Adelung]


Das Geschlinge, des -s, plur. ut nom. sing. in den Küchen und bey den Jägern, der Schlund eines geschlachteten Thieres nebst der daran befindlichen Lunge, Leber und Herzen; das Geschlinge, das Geräusch, im Oberd. das Päuschel, im Nieders. Lummel, Lummelse. S. Schlingen.


Geschlitz (W3) [Adelung]


Das Geschlitz, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Schlitz, d. i. Einschnitt, besonders an den Schwingen, worin die Kunststangen hangen.


Geschlotter (W3) [Adelung]


Das Geschlotter, des -s, plur. inus. in einigen Salzwerken, der Schlotter oder Schlamm, welcher sich von dem ausgehauenen und ausgesottenen Herde auf den Boden setzet. S. Schlotter.


Geschmack (W3) [Adelung]


Der Geschmack, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte schmecken. 1. Objective, die Eigenschaft der Körper, vermittelst deren sie durch die Auflösung ihrer Theilchen eine gewisse Empfindung auf der Zunge verursachen. 1) Eigentlich. Das Manna hatte einen Geschmack wie ein Öhlkuchen, 4 Mos. 11, 8. Die Speise hat einen guten, einen angenehmen, einen bittern, einen widrigen Geschmack; sie ist bitter, süß, sauer, angenehm, widrig u. s. f. von Geschmack. Er aß und fand die Frucht vortrefflich von Geschmack, Gell. Den Geschmack verlieren, unschmackhaft werden. Im Oberdeutschen, wo schmecken auch riechen bedeutet, wird Geschmack auch häufig für Geruch gebraucht. Ein scheluren Geschmack, ein Aasgestank, S. Sachs. Die Kleider haben den Geschmack Den Libanus nicht geben mag, Opitz. 2) Figürlich. Die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie angenehme oder unangenehme Empfindungen erwecket. Ein Gemählde von gutem, von schlechtem Geschmacke. In engerer Bedeutung pflegt man den guten Geschmack an den Dingen nur schlechthin den Geschmack zu nennen, und alsdann bestehet er vornehmlich in der Übereinstimmung der Theile mit ihrem Ganzen. So sagt man von einem Gedichte, von einem Gemählde u. s. f. daß in demselben Geschmack sey, daß es Geschmack habe. Alles was er macht, hat keinen Geschmack. Einer Sache keinen Geschmack abgewinnen können, nichts Gutes und Schönes an ihr entdecken können. 2. Subjective, die Empfindung, welche die aufgelöseten Theile der Körper auf der Zunge verursachen, und das Vermögen, diese Veränderung zu empfinden. 1) Eigentlich, wo der Geschmack einer der fünf Sinne ist, dessen Werkzeuge die auf der Zunge vertheilten Nervenwärzchen sind. Keinen Geschmack haben. Den Geschmack verlieren. In engerer Bedeutung auch die Fertigkeit, das Angenehme und Unangenehme in den Speisen leicht und zuverlässig zu unterscheiden. Einen guten, feinen Geschmack haben. Ein Koch von einem schlechten Geschmacke. 2) Figürlich. (a) Die Empfindung des Guten und Schönen an einer Sache. Seinem Geschmacke folgen. Bey einer guten Erziehung muß vornehmlich darauf gesehen werden, daß junge Leute mit Geschmack und Empfindung lesen lernen, Gell. Im engern Verstande auch zuweilen die durch diese Empfindung gewirkte Neigung. Geschmack an etwas finden. Das ist nicht nach meinem Geschmacke, gefällt mir nicht. Einem Geschmack an etwas machen, beybringen. (b) Das Vermögen, und in engerer Bedeutung die Fertigkeit, das Gute und Schöne oder Häßliche an einer Sache leicht zu entdecken und zu empfinden. Einen guten, einen feinen, einen schlechten Geschmack in der Musik, in der Dichtkunst, in der Mahlerey haben. Einen richtigen, einen verderbten Geschmack haben. Der Geschmack ist es, welcher von den Kunstwerken richtig urtheilet. Der natürliche Geschmack, die uns angeborne Empfindung des Schönen, im Gegensatze des künstlichen. In engerer Bedeutung wird der gute oder richtige Geschmack oft nur schlechthin der Geschmack genannt. In seinem ganzen Hause herrscht Ordnung und Geschmack. Ein Mann von Geschmack, der einen guten Geschmack hat. (c) In weiterer Bedeutung ist der Geschmack die auf den Geschmack, oder die Empfindung des Schönen gegründete Art zu denken und zu handeln. In Youngs traurigem Geschmacke dichten. Ein Gemählde in Rubens Geschmack. In diesem Verstande leget man auch ganzen Zeitaltern und Nationen einen Geschmack bey, die Art zu empfinden und über seine Empfindungen zu urtheilen, zu bezeichnen. Eine Bildsäule in Griechischem Geschmacke. Der Italiänische Geschmack in der Mahlerey. Der Gothische Geschmack in der Baukunst. Der herrschende Geschmack.

Anm. In beyden Hauptbedeutungen, im gemeinen Leben, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes nur Schmack, Smack, welches sich auch noch in Vorschmack und Nachschmack findet, ingleichen auch 2 Mos. 16, 31, Weish. 16, 20 vorkommt. Bey dem Notker Smach, Gesmag, in der Monseeischen Glosse Smacho, im Angels. Smaec, im Engl. Smack und Smatch, im Pohln. Smak, im Schwed. Smak, im Finnländ. Macu. S. Schmecken. Die Figur, den eigentlichen Geschmack auf die Empfindung des Schönen anzuwenden, ist schon bey den Hebräern, Griechen und Römern vorhanden. Unter den neuern Völkern haben die Spanier diese Metapher zuerst wieder angenommen, denen hierauf die Franzosen mit ihrem Gout, und bald nach dem Anfange des 18ten Jahrhunderts auch die Deutschen gefolget sind. Hans Sachs gab 1553 ein Gedicht heraus, welches er die neue Geschmäck des Ehstandes nannte, wo es schon Empfindungen überhaupt bedeutete.


Geschmack (W3) [Adelung]


Geschmack, adj. et adv. S. Schmackhaft.


Geschmacklos (W3) [Adelung]


Geschmacklos, -er, -este, adj. et adv. des Geschmackes beraubt, so wohl objective als subiective. Geschmacklose Gedanken. Geschmacklose Zeiten, in welchen kein guter Geschmack herrscht.


Geschmacklosigkeit (W3) [Adelung]


Die Geschmacklosigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie ohne Geschmack ist, so wohl objective als subjective.


Geschmackvoll (W3) [Adelung]


Geschmackvoll, -er, -este, adj. et adv. einen richtigen und feinen Geschmack in einem hohen Maße besitzend und darin gegründet, so wohl objective als subjective. Ein geschmackvolles Gedicht. Geschmackvolle Personen.


Geschmause (W3) [Adelung]


Das Geschmause, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schmausen.


Geschmeide (W3) [Adelung]


Das Geschmeide, des -s, plur. inus. oder die Geschmeide, sing. inus. von dem Zeitworte schmieden. 1) * Überhaupt, alles was geschmiedet wird, oder geschmiedet werden kann, d. i. Metall oder Erz; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Das Wasser nympt auch gar sehr seinen geschmack von dem geschmeyd (Erz) und von dem schwebel, der in dem erdtreich ist, Buch der Natur, Augsb. 1482. Das Feuer macht waich, als wir sehen an dem plei und an anderm geschmeid, ebend. Eben so ist Gesmithe bey dem Willeram Metall. 2) Aus Metall, besonders aus Eisen, geschmiedete Dinge, Schwed. Smide, in welcher Bedeutung Gesmeide, bey dem Stryker der Harnisch und allerley metallene Kleidungsstücke sind. In dieser gleichfalls veralteten Bedeutung werden an einigen Orten noch die Hand- und Fußschellen oder Fessel der Missethäter das Geschmeide genannt. In Wien sind Stahl- und Eisengeschmeide dergleichen Werkzeuge. 3) In engerer Bedeutung, allerley kleine Arbeiten aus Metall; in welcher Bedeutung es noch in Nürnberg üblich ist, wo die Geschmeidemacher ein eigenes gesperrtes Handwerk ausmachen, und allerley Geschmeide, d. i. Lichtputzen, messingene Uhrgehäuse, messingene Schreib- und Reißfedern, Vogelpfeifen, Haar- und Stricknadeln, Barbierzeug u. s. f. verfertigen. 4) In der engsten und im Hochdeutschen gewöhnlichsten Bedeutung wird es von allerley aus Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen verfertigtem Putze gebraucht, für Schmuck oder Geschmück. Die Geschmeide an den Arm legen, Ezech. 16, 11. Wie eine Braut sich berdet (brüstet) in ihrem Geschmeide, Es. 61, 10. Bey dem Willeram Smithescirethe. An einigen Orten begreift es auch das Silbergeschirr mit in sich, wie solches in einem Responso der Juristen-Facultät zu Würzburg von 1622 in W. F. Pistorii Amoenitat, Th. 2. S. 522 behauptet wird.


Geschmeidehändler (W3) [Adelung]


Der Geschmeidehändler, des -s, plur. ut nom. sing. eine im Oberdeutschen übliche Benennung eines Juweliers.


Geschmeidekästchen (W3) [Adelung]


Das Geschmeidekästchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kästchen, worin das schöne Geschlecht das Geschmeide zu verwahren pfleget; das Schmuckkästchen.


Geschmeidemacher (W3) [Adelung]


Der Geschmeidemacher, des -s, plur. ut nom. sing. S. Geschmeide 3.


Geschmeidig (W3) [Adelung]


Geschmeidig, -er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte schmieden. 1. Eigentlich, was sich leicht schmieden, und in weiterer Bedeutung, was sich leicht ausdehnen lässet; im Gegensatze dessen, was spröde ist. Geschmeidiges Eisen, im Gegen- satze des spröden. Geschmeidige Kohlen, im Hüttenbaue, figürlich, welche das Eisen geschmeidig machen sollen. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Weich. Geschmeidiges Erz, im Bergbaue, welches sich leicht schmelzen lässet. Geschmeidiges Gestein, eben daselbst, welches leicht zu gewinnen ist. 2) Biegsam. Eine geschmeidige Ruthe. Einen geschmeidigen Leib haben. Sehr geschmeidig seyn. 3) Nachgebend. Er wurde so geschmeidig, daß man ihn um einen Finger hätte wickeln können, er ließ seinen Trotz, seine Halsstarrigkeit, seinen unbiegsamen Stolz fahren.

Anm. Im gemeinen Leben nur schmeidig, im Nieders. smitig, smödig, in Baiern geschmaißig, Schwed. smidig. Im Angels. ist smethe, und im Engl. smooth, weich und glatt. S. Schmieden.


Geschmeidigkeit (W3) [Adelung]


Die Geschmeidigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Körpers, nach welcher er geschmeidig ist, in allen obigen Bedeutungen. Die Geschmeidigkeit des Geistes, vermöge welcher er sich in alles zu finden, alles zu überwinden weiß.


Geschmeiß (W3) [Adelung]


Das Geschmeiß, des -es, plur. inus. oder die Geschmeiße, sing. inus. von dem Zeitworte schmeißen, so fern es cacare bedeutet, was geschmissen oder durch den Hintern ausgeworfen wird. 1) Eigentlich, in welcher Bedeutung die Jäger den Koth der Raubvögel das Geschmeiß zu nennen pflegen. Im gemeinen Leben pflegt man auch die Eyer der Fliegen, Schmetterlinge und anderer fliegenden Insecten das Geschmeiß zu nennen, weil der große Haufe sie für den Koth dieser Thiere hält, daher denn, 2) figürlich auch die Insecten, besonders die von den mit Flügeln versehenen Arten derselben herkommen, diesen Nahmen führen. Geschmeiße, wißt ihr wer ich bin? sagt der Bär beym Hagedorn zur Raupe. Was die Raupen lassen, das fressen die Heuschrecken, und was die Heuschrecken lassen, das fressen die Kefer, und was die Kefer lassen, das frisset das Geschmeiß, Joel 1, 4; Kap. 2, 25. Nach einer noch weitern Figur, 3) schlechtes und liederliches Gesindel, im verächtlichen Verstande. Mit allerley Geschmeiße umgeben. Diebsgeschmeiß, Lumpengeschmeiß. S. Schmeißen.


Geschmiere (W3) [Adelung]


Das Geschmiere, des -s, plur. inus. von dem Zeitworte schmieren, ein anhaltendes und wiederhohltes Schmieren; auch figürlich, eine schlechte Art zu schreiben, so wohl in Ansehung der Züge, als auch der Sachen, im verächtlichen Verstande. Ingleichen eine schlecht geschriebene Schrift selbst. Ein elendes Geschmiere.


Geschmuck (W3) [Adelung]


Der Geschmuck, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -e, S. Schmuck.


Geschnarch (W3) [Adelung]


Das Geschnarch, des -es, plur. inus. ein mehrmahliges oder anhaltendes Schnarchen.


Geschnatter (W3) [Adelung]


Das Geschnatter, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schnattern. Nieders. Gesnater. S. Schnattern.


Geschneide (W3) [Adelung]


Das Geschneide, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. bey den Jägern, besonders Oberdeutschlandes, aufgestellte Bügel, Vögel darein zu fangen; das Gericht, die Schneißen oder Dohnen. S. Schneide und Schneiße.


Geschöpf (W3) [Adelung]


Das Geschöpf, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schöpfen, welches ehedem für schaffen üblich war. 1) Ein jedes Werk, welches man schaffet, d. i. macht oder bildet; Nieders. Schipsel, Schöpsel. Mit was für fürchterlichen Geschöpfen der Einbildungskraft kämpfen sie? In welchem Verstande auch die in der Wiedergeburt hervor gebrachte neue Fertigkeit 2 Cor. 5, 17, Gal. 6, 15, ein neues Geschöpf genannt wird. 2) In weiterer Bedeutung, ein jedes zufälliges Wesen, so fern es von Gott geschaffen ist. Die Geschöpfe Gottes. Lebendige, leblose Geschöpfe. Die Geschöpfe mehr ehren, als den Schöp- fer. Oft auch im Scherze oder aus Verachtung von Personen, deren nähere Beschaffenheit man sich eben zunächst zu bezeichnen Willens ist; wo auch das Diminut. das Geschöpfchen gebraucht wird. Sie wissen ja, was die Mannsperson für stolze Geschöpfe sind, Weiße. Du bist ein sehr ungefälliges Geschöpf. Er sieht uns für Geschöpfchen an, die aus keiner andern Absicht da sind, als den Männern ein Vergnügen zu machen, Less. Anm. Bey dem Notker Geschephido. Andere gebrauchten Geschäft von schaffen dafür, die Gaskaft bey dem Ulphilas, Giscafat im Isidor, Giscaft bey dem Ottfried, Gesceafta im Angels. Ehedem bedeutete Geschöpf auch die Schöpfung, daher das erste Buch Mosis in den Deutschen Bibeln des 15ten Jahrhundertes noch immer das Buch der Geschöpf genannt wird.


Geschoß (W3) [Adelung]


Der Geschoß, des -sses, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -sse, das ohne Noth mit dem Oberdeutschen müßigen ge verlängerte Wort Schoß, die Abgabe von Äckern und andern Grundstücken zu bezeichnen. Steuer und Geschoß geben. Daher geschoßbar, oder schoßbar, verpflichtet Geschoß zu geben, die Geschoßbarkeit oder Schoßbarkeit, das Geschoßregister u. s. f. S. Schoß.


Geschoß (W3) [Adelung]


1. Das Geschoß, des -sses, plur. die -sse, von dem Zeitworte schießen, jaculari. 1) Ein Körper, welcher geschossen oder abgeschossen wird, ein Pfeil, Wurfspieß u. s. f. Den Stahel fürt vor ewer prust Gespannet, darauf ein Geschos, Theuerd. Kap. 34, 44. Gott hat seinen Bogen gespannet, und darauf geleget tödtliche Geschoß, Ps. 7, 13, 14. Die Geschosse der Blitze, Weish. 5, 22. 2) Ein Werkzeug, womit man schießet, besonders, die ehemahlige Art derselben vor Erfindung des Pulvers. Doch nennet man auch im Oberdeutschen kleine Schießgewehre Geschosse. In dem Worte Selbstgeschoß ist es auch im Hochdeutschen üblich. Übrigens wird dieses Wort in beyden Bedeutungen nur noch in der höhern und poetischen Schreibart gebraucht. S. Geschütz.

Anm. In beyden Bedeutungen bey dem Notker Gescoz und Scoz, in den spätern Zeiten Schoß, im Engl. Shot und Holländ. Schot.


Geschoß (W3) [Adelung]


2. Das Geschoß, des -sses, plur. die -sse, was aufschießet; von dem Neutro schießen. 1) An verschiedenen Pflanzen, der zwischen zwey Absätzen befindliche Theil des Stängels, welcher noch häufiger ein Schuß genannt wird, S. dieses Wort. 2) Figürlich, das Stockwerk eines Hauses oder Gebäudes. Ein Haus von drey Geschossen.


Geschräge (W3) [Adelung]


Das Geschräge, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches im Oberdeutschen am üblichsten ist, eine aus Stangen oder Latten bestehende Befriedigung um einen Ort zu bezeichnen. Ein Geschräge um die Felder. Ein Geschräge wegreißen. S. Schragen, von welchem Worte es abstammet.


Geschrey (W3) [Adelung]


Das Geschrey, des -es, plur. inus. das Schreyen, so wohl von der Handlung des Schreyens, als auch von dem dadurch verursachten Schalle. 1. Eigentlich. Ein Geschrey machen, erheben, anfangen. Viel Geschrey und wenig Wolle. Er erhob sich, es entstand ein Geschrey. Daher das Feldgeschrey, Jubelgeschrey, Kriegesgeschrey, Zetergeschrey u. s. f. 2. Figürlich. 1) Laute, nachdrückliche klagen. Das Geschrey des Volkes. 2) Vieles, lautes Geschwätz. Viel Geschrey von einer Sache machen, viel Aufhebens. Viel Geschreyes von sich machen. 3) Ein lautes, heftiges Gerücht von einer unangenehmen Sache. Es gehet ein Geschrey. Ein Geschrey ausbringen. Besonders 4) ein starkes Gerücht über jemandes guten Nahmen, im nachtheiligen Verstande. In das Geschrey kommen. Jemanden in das Geschrey bringen, ihn mit der Wahrheit in das Geschrey bringen.

Anm. Im gemeinen Leben im eigentlichen Verstande auch nur Schrey, ehedem Chrey, Krey, Chradem, bey dem Notker Screige, Screiot, im Schwed. Skri, Dän. Skrig, Engl. Cry und Shriek, Nieders. Schricht, Geschricht, Franz. Cri. S. Schreyen.


Geschröt (W3) [Adelung]


Das Geschröt, des -es, plur. die, der Hodensack an den größern Thieren männlichen Geschlechtes, besonders an den Pferden; das Gemächt. Ohne Zweifel von dem Lat. Scrotum. S. Schrot.


Geschübe (W3) [Adelung]


Das Geschübe, S. Geschiebe.


Geschühe (W3) [Adelung]


Das Geschühe, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Bey den Falkenieren, die Schuhe, oder Riemen, welche den Falken um die Füße geleget, und woran die Wurfriemen befestiget werden; das Gefäß, Geschütz. Im Oberdeutschen wird es auch für den Schuh, und dessen Theile gebraucht. Das Hintergeschühe ist daselbst das Hinterleder am Schuhe, das Obergeschühe das Oberleder. 2) Im gemeinen Leben zuweilen als ein Collectivum, Schuhe und was ihnen ähnlich ist. Wenn es kothig ist, gehet es sehr über das Geschühe.


Geschür (W3) [Adelung]


Das Geschür, des -es, plur. inus. im Hüttenbaue, ein schlackenartiges, mit Rohstein vermischtes zusammen gesintertes Wesen, welches sich in dem Schmelzofen anleget, und mit einem starken Eisen heraus gescharret, oder geschüret wird. S. Schüren und Scheuern.


Geschütte (W3) [Adelung]


Das Geschütte, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Oberdeutschen übliches Wort, einen gleichsam zusammen geschütteter Dinge zu bezeichnen; eine Schütte. Im engern Verstande ist im Bergbaue ein Geschütte ein Haufen Mineralien, der lagenweise bey den Gängen bricht, und solche mächtiger macht; dagegen ein Geschiebe nur auf oder gleich unter der Dammerde angetroffen wird. S. Schütte.


Geschütz (W3) [Adelung]


1. Das Geschütz, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, bey den Falkenieren, diejenigen Riemen, welche den Falken um die Füße geleget werden. Es ist aus Geschühe verderbt, wofür im Oberdeutschen ehedem auch Geschude üblich war, wie aus dem Frisch v. Schuh erhellet.


Geschütz (W3) [Adelung]


2. Das Geschütz, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte schießen, Werkzeuge zum Schießen, besonders dergleichen Werkzeuge größerer Art, als ein Collectivum. In diesem Verstande wurde es schon vor Erfindung des Schießpulvers gebraucht, indem Gescuzze und Gescutz schon in dem alten Fragmente eines Gedichtes auf den Feldzug Carls des Großen und im Schwabenspiegel vorkommt. Heutiges Tages gebraucht man dieses Wort nur noch von den größern Werkzeugen zum Schießen. Grobes Geschütz, schwere Kanonen und Mörser. Kleines Geschütz, kleinere Kanonen, Feldstücke u. s. f. Das Geschütz aufführen lassen, vernageln.


Geschützkunst (W3) [Adelung]


Die Geschützkunst, plur. inus. die Kunst mit dem Geschütze gehörig umzugehen; die Artillerie, welche ein Theil der Feuerwerkskunst ist, oft aber auch im weitern Verstande für diese gebraucht wird.


Geschützpforte (W3) [Adelung]


Die Geschützpforte, plur. die -n, auf den Schiffen, siehe Stückpforte.


Geschützprobe (W3) [Adelung]


Die Geschützprobe, plur. die -n, die Probe des Geschützes, wenn es von dem Stückgießer kommt.


Geschwader (W3) [Adelung]


Das Geschwader, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Im Kriegswesen, ein kleiner Haufen Reiterey von ungefähr hundert Mann, Franz. Escadron, im gemeinen Leben eine Schwadrone; in welchem Verstande es nur noch in der edlen Schreibart vorkommt, ehedem aber, besonders in Oberdeutschland, sehr üblich war, wo es auch wohl Schwieter, Geschwieter, Schwär u. s. f. lautete. Die Furcht stellt Wölfe groß als Stiere Geschwader groß wie Heere vor, Lichtw. Wenn Dusch an einem Orte auf Leichen von Geschwädern sagt, so hat ihn vermuthlich der Reim zu diesem ungewöhnlichen Plural verleitet. Im Oberdeutschen scheinet es in weiterm Verstande von einem jeden Haufen mehrerer Personen üblich zu seyn; ein Geschwader Reisender. Ein Geschwader böser Leute, Pict. 2) Im Seewesen, eine Anzahl mehrerer Schiffe, besonders eine Anzahl mehrerer von einer Flotte abgetheilter Schiffe, welche unter einem Vice-Admiral, oder Flaggen-Officier, Chef d'Escadre, stehen; Franz. Escadre. In einer zum Treffen gestellten Flotte sind der Vortrupp, das Mitteltreffen und der Nachtrupp so viele Geschwader.

Anm. In beyden Bedeutungen kommt dieses Wort, wie mehrere zum Kriegswesen gehörige Ausdrücke, aus dem Ital. Squadra, ein viereckiger, oder in ein Viereck gestellter Haufen, her, welches durch Vorsetzung des Zischlautes wieder aus dem Latein. quatuor gebildet worden. S. Schwadrone.


Geschwär (W3) [Adelung]


Das Geschwär, des -es, plur. die -e, S. Geschwür.


Geschwätz (W3) [Adelung]


Das Geschwätz, des -es, plur. die -e, eine jede unnütze, unbeträchtliche oder ungegründete Rede. Es hat keinen Grund, es ist nur ein Geschwätz. Es ist ein leeres, ein unnützes Geschwätz. Viel Geschwätz (viele unnütze Worte) machen. Jemanden in das Geschwätz bringen, machen, daß die Leute von ihm schwatzen. Der Plural ist im Hochdeutschen seltener, wo man es am liebsten als ein Collectivum gebraucht. Böse Geschwätze verderben gute Sitten, 1 Cor. 15, 33. Zuweilen wird es auch figürlich in der edlen Schreibart von leblosen Dingen gebraucht. Gelockt durch kühler Bäche rieselndes Geschwätz, Geßn. Im Oberdeutschen auch nur Schwatz. S. Schwatzen.


Geschwatze (W3) [Adelung]


Das Geschwatze, des -s, plur. inus. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schwatzen.


Geschwätzig (W3) [Adelung]


Geschwätzig, -er, -ste, adj. et adv. der gerne schwatzet; am häufigsten in der nachtheiligen Bedeutung des Zeitwortes, der gern viele unnütze, unbedeutende Worte macht.


Geschwätzigkeit (W3) [Adelung]


Die Geschwätzigkeit, plur. car. die Fertigkeit zu schwatzen, und in engerer Bedeutung, unbedeutende, unnöthige Worte zu machen; die Schwatzhaftigkeit.


Geschway (W3) [Adelung]


Der Geschway, des -es, plur. die -e, Fämin. die Geschway, plur. die -en, S. Schwager.


Geschweigen (W3) [Adelung]


Geschweigen, verb. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit irregulärer Conjugation, (siehe Schweigen,) wo es das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort schweigen ist. Im Hochdeutschen ist es in dieser Form ungewöhnlich, außer daß man es in der ersten Person des Präsentis und im Infinitive mit dem Wörtchen zu gebraucht, für, mit Stillschweigen übergehen, nicht erwähnen; da es denn die zweyte Endung der Sache erfordert. Brot und Fleisch ist dorten sehr theuer, ich geschweige, der andern Dinge, oder, der andern Dinge zu geschweigen. Dein Freund ist ein Spieler, ich geschweige seiner andern Laster, oder, seiner andern Laster zu geschweigen. Cajus hat seither viel Böses verübet, dessen zu geschweigen, was er in seiner Jugend begangen hat. Oft, besonders in der Sprache des täglichen Umganges, macht es eine Art von Gradation, da denn so wohl das Pronomen ich, als auch der Genitiv wegfällt. Ich habe ihn nicht gesehen, geschweige gesprochen, oder, geschweige, daß ich ihn sollte gesprochen haben; d. i. ich habe ihn nicht sprechen können, da ich ihn nicht einmahl gesehen habe. Man kann sich in den Gebäuden kaum der Kälte erwehren, geschweige, oder zu geschweigen auf der Gasse. Ich fürchte mich vor seiner Freundlichkeit, geschweige vor seinem Zorne. Man konnte ihn in der Jugend zu nichts bringen, geschweige, oder zu geschweigen im Alter. II. Als ein Activum, oder vielmehr Factitivum, mit regulärer Conjugation, zum Stillschweigen bringen, und figürlich, befriedigen; in welchem Verstaund es nur im gemeinen Leben gebraucht wird, wo auch das einfache schweigen in eben dieser Bedeutung üblich ist. Die Gottlosen müssen in der Hölle geschweiget werden, Ps. 31, 18. Mit Gaben geschweiget man die Kinder. So bedeutet kesueigen schon bey dem Notker schweigen machen, und Graf Conrad von Kirchberg sagt zum Winter, du geschweigest und diu vögellin.


Geschwelge (W3) [Adelung]


Das Geschwelge, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Schwelgen.


Geschwellen (W3) [Adelung]


Geschwellen, verb. irreg. neutr. ( S. Schwellen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, und für das einfache schwellen gebraucht wird. Der Kranke fängt an zu geschwellen. Das Zahnfleisch geschwillt ihm.


Geschweih (W3) [Adelung]


Der Geschweih, Fämin. die Geschweihe, S. Schwager.


Geschwinde (W3) [Adelung]


Geschwinde, -r, -ste, adj. et adv. eine beschleunigte Bewegung haben, mit einer beschleunigten Bewegung. 1. Eigentlich, so daß ein Ding in einer kurzen Zeit einen großen Raum zurück leget; im Gegensatze dessen, was langsam ist oder geschiehet. Geschwinde gehen, reiten, fahren. Ein geschwinder Bothe, welcher geschwinde gehet. Ein geschwinder Gang. Eine geschwinde Bewegung. 2. Figürlich. 1) Von solchen Fällen, in welchen in kurzer Zeit mehr verrichtet wird, als gewöhnlich ist. Sehr geschwinde reden, in einer gegebenen Zeit mehr Worte hervor bringen, als andere, als gewöhnlich ist. So auch geschwinde arbeiten, essen, lernen u. s. f. Ein geschwinder Kopf, der in kurzer Zeit etwas fasset. Er hat es geschwinde gefasset. Es gehet damit sehr geschwinde zu. 2) Sehr bald, ohne Aufschub, in sehr kurzer Zeit. Geschwinde mit der Antwort seyn. Eine geschwinde Antwort. Er kam geschwinde wieder. 3) In der Eile, als ein Nebenwort. Ich weiß nicht mehr, was ich da geschwinde zu fassen kriegte. 4) Plötzlich, was unvermuthet und in sehr kurzer Zeit geschiehet. Ein geschwinder Tod.

Anm. Im Nieders. nur swind, bey dem Stryker und andern ältern Oberdeutschen Schriftstellern gleichfalls nur schwind, swende. Es scheinet eine Nachahmung des Schalles zu seyn, welcher durch die geschwinde Bewegung eines Körpers hervor gebracht wird, so wie man im Niedersächsischen eine geschwinde Bewegung auch mit witz auszudrucken pfleget, welches mit dem Franz. vite überein kommt. Das Nieders. swind bedeutet sehr, und swidig groß, viel, so wie swinth bey dem Ulphilas stark bedeutet. Das n gehöret in vielen Wörtern mehr dem Nasenlaute als dem Stamme zu; S. N. Das e am Ende ist das e euphonicum, ohne welches das d wie ein t lauten würde. Im Nieders. hat man auch die Wörter drat, gau, risch, rap, (Lat. rapidus) fiks u. s. f. den Begriff des Wortes geschwinde auszudrucken, so wie man im Hochdeutschen in vielen Fällen auch schleunig, hurtig, schnell statt desselben gebrauchen kann.


Geschwinden (W3) [Adelung]


* Geschwinden, verb. irreg. neutr. ( S. Schwinden,) welches das Hülfswort seyn erfordert, und im Oberdeutschen statt des einfachen schwinden üblich ist. Da als ich wollte sicher gehn Und mein Verbrechen nicht gestehn Geschwand ich ganz an Mark und Bein, Opitz.


Geschwindigkeit (W3) [Adelung]


Die Geschwindigkeit, plur. die -en. 1) Die Eigenschaft einer Bewegung oder einer Sache, nach welcher sie geschwinde ist, oder in kurzer Zeit einen großen Raum zurück leget; ohne Plural. Die Geschwindigkeit eines Bothen, eines Pferdes, eines Ganges, des Windes. Er kam mir in der Geschwindigkeit zuvor. Geschwindigkeit gebrauchen, anwenden. Auch figürlich. Die Geschwindigkeit einer Antwort, eines Einfalles. In der Geschwindigkeit, in sehr kurzer Zeit, ohne allen Aufschub. Seine Sache ist nicht, in der Geschwindigkeit eine geschickte Antwort zu finden. 2) In weiterer Bedeutung, überhaupt, die Zeit, in welcher ein Körper einen gewissen bestimmten Raum zurück leget, oder vielmehr das Verhältniß der Zeit zu dem Raume, welchen ein Körper durchläuft. Die Geschwindigkeit zweyer Körper in ihrer Bewegung berechnen. Die Massen und Geschwindigkeiten sind auf beyden Seiten gleich. Im Oberdeutschen in der ersten Bedeutung nur die Geschwinde.


Geschwindschuß (W3) [Adelung]


Der Geschwindschuß, des -sses, plur. die -schüsse, ein Schuß, deren man in einer gegebenen Zeit mehrere aus einem Geschosse thut, als gewöhnlich ist; ingleichen, die dazu besonders zubereitete Patrone oder Ladung.


Geschwindstück (W3) [Adelung]


Das Geschwindstück, des -es, plur. die -e, eine Art Stücke oder Kanonen, aus welchen man in einer gegebenen Zeit mehr Schüsse thun kann, als aus den gewöhnlichen.


Geschwister (W3) [Adelung]


Die Geschwister, sing. inus. Personen, welche einerley Ältern, oder doch Einen Vater oder Eine Mutter haben, ohne Unterschied des Geschlechtes, als ein Collectivum. Sie sind Geschwister. Haben Sie noch Geschwister? d. i. noch Brüder oder Schwestern? Zuweilen auch von Individuis, doch nur im Plural. Seine beyden nachgelassenen Geschwister.

Anm. Im Oberdeutschen ist es als ein Collectivum auch im Singular üblich, das Geschwister. In eben dieser Mundart lautet es auch Geschwistrig und Geschwistert, im Schwabensp. Geschuuistergit. Eben daselbst kommt auch das Bey- und Nebenwort Geschwistrigt für verwandt vor. Bey dem Ottfried sind thio gisuester Schwestern. S. Schwester, von welchem es gebildet ist.


Geschwisterkind (W3) [Adelung]


Das Geschwisterkind, des -es, plur. die -er, Personen, welche Kinder zweyer oder mehrerer Geschwister sind, Consobrini und Consobrinae. Er oder sie ist mit mir Geschwisterkind. Sie sind Geschwisterkinder. Im Nieders. Böhlkenkinder, welches zu dem Worte Buhle gehöret, aber nur Personen bedeutet, welche von Geschwistern zweyerley Geschlechtes erzeuget worden, dagegen das Hochdeutsche auch von Personen gebraucht wird, welche von Geschwistern einerley Geschlechtes herstammen. Ander-Geschwisterkinder, deren Großältern Geschwister waren.


Geschworne (W3) [Adelung]


Der Geschworne, des -n, plur. die -n, S. Schwören.


Geschwül (W3) [Adelung]


Geschwül, S. Schwül.


Geschwulst (W3) [Adelung]


Die Geschwulst, plur. die -schwülste, eine jede widernatürliche Erhebung der fleischigen Theile des menschlichen oder thierischen Körpers, Tumor; von dem Zeitworte schwellen. Die Geschwulst kommt dazu. Die Geschwulst setzt sich. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Geschwulst, des -es, S. Schwulst.


Geschwulstkraut (W3) [Adelung]


Das Geschwulstkraut, des -es, plur. inus. S. Fette Henne.


Geschwür (W3) [Adelung]


Das Geschwür, des -es, plur. die -e, die eiterhafte Entzündung in den fleischigen Theilen des thierischen Körpers, Ulcus; im gemeinen Leben ein Schwären, im Oberd. ein Aiß. Es ziehet sich ein Geschwür zusammen. Ein Geschwür haben. Das Geschwür kann auch innerlich Statt finden, aber ein Schwären nur äußerlich. Von einigen auch, obgleich nicht so richtig, das Geschwär, ungeachtet es von schwären abstammet. S. dasselbe.


Gesechst (W3) [Adelung]


Gesechst, adj. welches aber wenig vorkommt, aus sechs Einheiten oder Theilen Einer Art bestehend. Etwas Gesechstes haben. Der gesechste Schein, in der Astrologie, ein Aspect, wo die Planeten sechzig Grade von einander abstehen; Sextilis.


Gesegnen (W3) [Adelung]


Gesegnen, verb. reg. act. welches das mit der müßigen Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort segnen ist, und nur noch zuweilen im gemeinen Leben gehöret wird. Tobias gesegnete Vater und Mutter, Tob. 5, 24, für segnete, d. i. wünschete ihnen beym Abschiede Gutes. Gott gesegne es euch! lasse es euch wohl bekommen. Die Welt oder diese Zeitlichkeit gesegnen, ein veralteter Ausdruck für sterben, wofür Opitz nur gesegnen allein gebraucht: so bald die Seele gesegnet hat, d. i. abgeschieden ist. Im Theuerdank kommt es Kap. 106 für danken vor. S. Segnen.


Gesell (W3) [Adelung]


Der Gesell, des -en, plur. die -en, Fämin. die Gesellinn, plur. die -en. 1) * Eigentlich, eine Person, welche mit einer andern einerley Reise verrichtet; eine veraltete Bedeutung, wofür Gefährte üblicher ist. In den Schriften der vorigen Jahrhunderte kommt es in diesem Verstande häufig vor. Figürlich ehedem auch, was mit einem andern Dinge zugleich da ist, dasselbe gleichsam begleitet. Der Donner ist des Blitzes Gesell, Hiob 36, 33. 2) * In weiterer Bedeutung, der mit einem andern gleiches Standes und gleicher Würde ist, ein Genoß; eine ehedem sehr übliche, jetzt aber gleichfalls veraltete Bedeutung. In dem Schwabenspiegel werden die Mit-Churfürsten der andern Gesellen genannt. Auch in der Deutschen Bibel ist es in dieser Bedeutung nicht selten. 3) Ein Gehülfe; welche Bedeutung sich nur noch bey den Handwerkern erhalten hat, welche ihre Gehülfen Gesellen zu nennen, und dadurch solche Handwerksgenossen zu bezeichnen pflegen, welche die Lehrjahre überstanden haben, aber noch nicht Meister geworden sind. Einen Lehrling zum Gesellen machen. Gesell werden. Gesellen halten. Ein Schneidergesell, Tischlergesell u. s. f. Bey einigen Handwerkern, z. B. bey den Bäckern, Fleischern, Schmieden und Schustern werden die Gesellen Knechte, bey den Müllern und einmännischen Tuchmachern Knappen, bey den Tuchscherern aber Scherkinder genannt; S. diese Wörter. 4) Der mit einem andern in Verbindung stehet, und in noch weiterer Bedeutung, der einige Umstände mit ihm gemein hat, in Ansehung dieser Umstände; ein Compagnon. Auch in diesem Verstande ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es nur noch im Bergbaue gebraucht, wenn die Zahl der Theilhaber an einer Zeche unter acht ist, da sie denn nicht Gewerken, sondern Gesellen genannt werden. S. Gesellenbau und Gewerkschaft. Auch kommt es noch zuweilen im gemeinen Leben in den Zusammensetzungen Spielgesell, Schlafgesell, Stubengesell, Schulgesell, Tischgesell, Diebsgesell, u. s. f. vor. 5) Ein Mensch, in verächtlichem Verstande, und mit Vorwörtern. Ein fauler, ein liederlicher Gesell. Besonders wurde es ehedem von jungen Leuten männlichen Geschlechtes gebraucht, wovon noch das Wort Junggesell übrig ist.

Anm. Dieses Wort lautet bey dem Ottfried Gisello, bey dem Notker Kesello, bey dem Willeram Gessello, im Holländ. nur Selle, im Schwed. Saelle, Gesaell. Frisch leitet es sehr gezwungen von Seil, Wachter und Ihre aber von sellen, sich versammeln, her, welches sie wiederum von Sal, Haus, abstammen lassen, gleichsam, sich unter einem Dache versammeln. Es wurde ehedem sehr häufig von gemeinen Soldaten für Kamerad gebraucht, S. Spießgesell; und dieß hat, wie schon Frisch ver- muthet, Gelegenheit gegeben, daß das Wort in seinen meisten Bedeutungen so verächtlich geworden ist.


Gesellen (W3) [Adelung]


Gesellen, verb. reg. act. 1) Zum Gefährten, und in weiterer Bedeutung, zum Gesellschafter geben. Ich will meinen Bruder zu euch gesellen. Am häufigsten als ein Reciprocum. Sich zu einem gesellen, sich als ein Gefährte zu ihm versammeln. Es geselleten sich verschiedene Reisende zu uns auf dem Wege. Es hatten sich ehedem viele andere Völker zu den Huronen gesellt. 2) Zur freundschaftlichen Gesellschaft, zum Umgange vereinigen, so wohl active, als auch als ein Reciprocum. Gleich und gleich gesellt sich gern. Wir Menschen sollen uns gesellen, So lehrt uns täglich Syrbius. Gesellt uns nicht in tausend Fällen Des Freundes Wein der Freundinn Kuß? Haged. In Prosa ist so wohl bey dem Activo als bey dem Reciproco das Vorwort zu unentbehrlich. 3) In Verbindung mit einem treten, gemeine Sache mit ihm machen, als ein Reciprocum. Da wider ihn mehr Feinde sich gesellten, Als dir die Nachwelt glauben darf, Raml. 4) * Verbinden, zusammen fügen, von leblosen Körpern; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Die Breter sollen sich zusammen gesellen, 2 Mos. 26, 24; Kap. 36, 29. S. Gesell. Das Hauptwort die Gesellung ist nicht üblich.


Gesellenbau (W3) [Adelung]


Der Gesellenbau, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, eine Zeche, welcher nur von wenigen gemeinschaftlich gebauet wird. Sind ihrer viele, so werden sie Gewerken genannt. S. Gesell 4.


Gesellenbier (W3) [Adelung]


Das Gesellenbier, das -es, plur. von mehrern Quantitäten, die -e, auf dem Lande einiger Gegenden, Bier, welches von den Bauern eines Ortes in Gesellschaft, oder gemeinschaftlich vertrunken wird, und auch das Gemeinbier heißt.


Gesellenbraten (W3) [Adelung]


Der Gesellenbraten, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Handwerkern, ein Geschenk, welches ein Junge, der ein Jünger wird, aber noch nicht Gesell ist, den Gesellen geben muß.


Gesellenfischen (W3) [Adelung]


Das Gesellenfischen, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, wenn mehrere in Gesellschaft oder gemeinschaftlich fischen.


Gesellenpfaffe (W3) [Adelung]


Der Gesellenpfaffe, des -n, plur. die -n, bey einigen Handwerkern, z. B. den Böttchern, ein Gesell, welcher bey der Lossprechung eines Lehrlinges die Deposition verrichtet, und auch der Schleifpfaffe genannt wird, weil das Schleifen einer der vornehmsten Gebräuche dabey ist. S. Pfaffe.


Gesellig (W3) [Adelung]


Gesellig, -er, -ste, adj. et adv. geneigt mit andern in Verbindung zu leben, zum Umgange, zur Gesellschaft geneigt. Ein Hund ist ein geselliges Thier, weil er sich gern zu den Menschen gesellet. Ingleichen, was diesem Triebe gemäß ist, in demselben gegründet ist. Eine gesellige Eigenschaft. Ein geselliges Betragen.

Anm. Sich einem gesellig machen, heißt in dem 1514 gedruckten Deutschen Livius so viel, als sich beliebt machen. Bey dem Hans Sachs bedeutet gesellisch im nachtheiligen Verstande, zur bösen Gesellschaft geneigt.


Geselligkeit (W3) [Adelung]


Die Geselligkeit, plur. car. 1) Die Neigung oder Fertigkeit gern mit andern umzugehen, sich gern freundschaftlich zu ihnen zugesellen. Die Pflichten der Geselligkeit ausüben. 2) Der Umgang selbst. Der Hang zur Geselligkeit.


Gesellmann (W3) [Adelung]


Gesellmann, ein bey den Jägern üblicher eigenthümlicher Nahme des Leithundes männlichen Geschlechtes, wofür auch wohl Sellmann und Waldgesell üblich ist. Die Hündinn dieser Art wird gemeiniglich Hela genannt.


Gesellschaft (W3) [Adelung]


Die Gesellschaft, plur. die -en. 1. Im Abstacto und ohne Plural. 1) Die persönliche Versammlung mehrerer zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke. Einem in einer Sache Gesellschaft leisten, eben das verrichten, was er verrichtet. Mit einem in Gesellschaft essen. Christus wurde in Gesellschaft zweyer Missethäter hingerichtet. Besonders, die Versammlung zum freundschaftlichen Umgange. Gönnen sie uns die Ehre ihrer Gesellschaft. Die Gesellschaft lieben. Und der Umgang mit andern überhaupt. Seine Gesellschaft ist mir unerträglich. Eines Gesellschaft fliehen, meiden. Sich von der Gesellschaft der Menschen entfernen. Der Ton der guten Gesellschaft. 2) In weiterer Bedeutung, die Verbindung mehrerer zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke. So wohl überhaupt. Die Menschen sind zur Gesellschaft geboren. Der natürliche Trieb der Creatur, mit ähnlichen Creaturen zu leben, hat die Bande der Gesellschaft geknüpft, Zimmerm. Kein Laster ist ohne die Gesellschaft eines andern. Die natürliche Gesellschaft, eine Verbindung, welche die allgemeine Beschaffenheit der Menschen erfordert, im Gegensatze der willkührlichen, welche aus freyer Wahl errichtet wird. Als auch von besondern Verbindungen dieser Art. Mit einem in Gesellschaft treten. Jemanden in die Gesellschaft aufnehmen, aus der Gesellschaft stoßen, wo es aber auch die auf solche Art verbundenen Personen bedeuten kann. Mit einem in Gesellschaft stehen. Sich in eines Gesellschaft begeben. Die Gesellschaft stören. 2. Als ein Concretum, die auf solche Art verbundenen Personen, als ein Ganzes betrachet. 1) Die zu einem gewissen Endzwecke persönlich versammelten Personen. In die gelehrte Gesellschaft gehen. Er gehöret nicht zu unserer Gesellschaft. Die Tischgesellschaft, Spielgesellschaft, Reisegesellschaft, Trinkgesellschaft, Brunnengesellschaft u. s. f. Besonders die zum freundschaftlichen Umgange versammelten Personen. In Gesellschaft gehen. Wir hatten gestern viele Gesellschaft, viele uns besuchende Personen. Er ist gern in Gesellschaft. Die Gesellschaft ging in das Nebenzimmer. Eben jetzt ist ihre Gesellschaft aus einander gegangen. Die Demuth will in Gesellschaft nicht mehr scheinen, als sie ist, Gell. 2) In weiterer Bedeutung, die zu Erreichung einer gemeinschaftlichen Absicht mit einander verbundenen Personen. Die menschliche Gesellschaft, alle Menschen überhaupt, als ein auf mancherley Art verbundenes Ganzes betrachtet, welche oft auch nur die Gesellschaft schlechthin genannt werden. Ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft seyn. Wo ist eine Privatthorheit, die nur in dem Bezirke unserer selbst bliebe und nicht auf irgend eine Weise sich der Gesellschaft mittheilte? Gell. d. i. den Personen, mit welchen wir in Verbindung stehen. Gesellschaften unter sich an- oder aufrichten. Eine Gesellschaft Schauspieler. Eine einfache Gesellschaft, einzelne zu Einem Zwecke verbundene Personen, im Gegensatze einer zusammen gesetzten, in welcher sich ganze einfache Gesellschaften als einzelne Personen und Glieder verhalten. Eine weltliche Gesellschaft, Personen, die sich zur gemeinschaftlichen Beförderung ihrer äußern Wohlfahrt verbunden haben, im Gegensatze der gottesdienstlichen. So auch die bürgerliche, häusliche, eheliche, herrschaftliche, väterliche, gelehrte Gesellschaft u. s. f. welche Ausdrücke auch insgesammt im Abstracto von der Verbindung selbst gebraucht werden können.

Anm. Bey dem Willeram Geselliscefte, im Nieders. Sellschup, im Schwed. Saellskap. Es ist ein sehr allgemeiner Ausdruck, welcher so wohl in gutem, als nachtheiligem Verstande gebraucht werden kann. In vielen Fällen haben besondere Arten von Gesellschaften auch eigene Nahmen, dergleichen Staat, Kirche, Gewerkschaft, Zunft, Innung und hundert andere mehr sind.


Gesellschafter (W3) [Adelung]


Der Gesellschafter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gesellschafterinn, plur. die -en. 1) Ein Glied einer Gesellschaft; in welcher Bedeutung es doch nur selten vorkommt. 2) Eine Person, in Ansehung des gesellschaftlichen Umganges, oder ihrer Fähigkeiten zum freundschaftlichen Umgange betrachtet. Adrast beleidigt die Wahrheit, um das Lob eines angenehmen Gesellschafters zu erbeuten, Gell. Der Stolze ist der beschwerlichste Gesellschafter, ebend.


Gesellschaftlich (W3) [Adelung]


Gesellschaftlich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Der Gesellschaft gemäß, in derselben gegründet. Gesellschaftlich leben, in Verbindung mit andern, und wie es diese Verbindung erfordert. Die Demuth tritt mit Gefälligkeit und Leutseligkeit in das gesellschaftliche Leben ein, Gell. 2) Zur Gesellschaft, d. i. zum Umgange mit andern geneigt; wofür doch gesellig üblicher ist.


Gesellschaftlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gesellschaftlichkeit, plur. car. die Fertigkeit zur möglichsten Beobachtung aller Pflichten der Gesellschaft, worin man sich befindet.


Gesellschaftsgemählde (W3) [Adelung]


Das Gesellschaftsgemählde, des -s, plur. ut nom. sing. in der Mahlerey, ein Gemählde, worin die Figuren herrschen, zum Unterschiede von einem bloßen Landschaftsgemählde u. s. f.


Gesellschaftsmahler (W3) [Adelung]


Der Gesellschaftsmahler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Mahler, welcher sich vorzüglich auf Gesellschaftsgemählde leget.


Gesellschaftsrechnung (W3) [Adelung]


Die Gesellschaftsrechnung, plur. inus. in der Rechenkunst, eine Rechnungsart, welche einen gegebenen Gewinst unter die Glieder der Gesellschaft nach dem Verhältnisse ihrer Einlage theilen lehret; die Gesellschaftsregel, Regula Societatis.


Gesellschaftsstück (W3) [Adelung]


Das Gesellschaftsstück, des -es, plur. die -e, ein Stück oder Ding, welches sich zu einem andern schicket, mit demselben in genauer Verbindung stehet; Franz. ein Pendant. Niebuhrs Reise ist ein vortreffliches Gesellschaftsstück zu seiner Beschreibung von Arabien.


Gesellschaftstanz (W3) [Adelung]


Der Gesellschaftstanz, des -es, plur. die -tänze, ein Tanz, in welchem mehr als zwey in Gesellschaft tanzen; ein Compagnie-Tanz.


Gesen (W3) [Adelung]


Der Gesen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fisch, S. Alant.


Gesenk (W3) [Adelung]


Das Gesenk, des -es, plur. die -e. 1. Von dem Zeitworte senken. 1) Dasjenige, was zur Versenkung eines andern Dinges dienet. So nennen die Fischer die Gewichte, womit ein Netz am Rande belastet wird, damit es auf den Grund sinke, das Gesenk. 2) Dasjenige, was geseuket wird. Die Winzer nennen im Weinbaue dasjenige Stück eines alten Weinstockes, worein sie einen Schnitt thun und solches hernach in die Erde senken, damit es Wurzel fasse, das Gesenk; im Salischen Gesetze Candosoccus, vermuthlich von Cando, Kante, Ende, und Soccus, Senker. 3) Dasjenige, worein ein anderer Körper gesenket wird. Dahin gehören die Gesenke der Schlösser, d. i. die stählernen Formen, dem glühenden Eisen darin eine jede beliebige Gestalt zu geben. Bey den Feilenhauern ist das Gesenk ein Werkzeug mit verschiedenen Rinnen, die Feilen, wenn man sie hauet, darein zu legen; das Haueisen. 2. Von dem Zeitworte sinken, welches im Bergbaue für senken üblich ist, eine jede Aushöhlung, in welcher Stein und Erz so wohl oben als unten gebrochen wird. In engerer Bedeutung ist es die unterste Tiefe einer Grube, von welcher immer weiter in die Tiefe fortgearbeitet oder abgesunken wird. S. Sinken, das Activum.


Gesetz (W3) [Adelung]


Das Gesetz, des -es, plur. die -e, Diminut. Gesetzchen, Oberd. Gesetzlein, von dem Zeitworte setzen. 1. So fern dasselbe für absetzen, einen Absatz machen, stehet, bezeichnete das Hauptwort ehedem einen, besonders kleinen, Absatz eines Gedichtes oder einer Schrift; in welcher Bedeutung es aber veraltet ist, außer daß bey dem gemeinen Manne einiger Gegenden eine Strophe eines Liedes, ein Vers oder auch ein Kapitel aus der Bibel noch ein Gesetz genannt wird; Nieders. Gesette. Auch bey den Meistersängern hat ein Bar oder Lied mehrere Gesetze, d. i. Absätze, ein Gesetz aber gemeiniglich zwey Stollen oder Strophen, welche gleiche Melodie haben. In der vertraulichen Sprechart wird es noch zuweilen figürlich für eine kurze Rede, oder einen Theil einer Rede gebraucht. Nicht wahr, sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn sie so eine Dose verbienen könnten? Less. 2. So fern setzen verordnen, bestimmen bedeutet. 1) In der weitesten Bedeutung, eine jede Regel, ein jeder Satz, nach welchem etwas eingerichtet wird, oder nach welchem verschiedene Dinge mit einander verbunden werden. Die Welt wird nach unveränderlichen Gesetzen von Gott regieret. Die Gesetze der Bewegung, oder die Bewegungsgesetze, nach welchen die Bewegungen aller Körper erfolgen. Die Naturgesetze, nach welchen die Veränderungen der natürlichen Körper vor sich gehen. So auch die Vorstellungs-Empfindungs-Einbildungdgesetze u. s. f. 2) In engerer Bedeutung, eine jede verbindliche Vorschrift freyer Handlungen. Ich habe es mir zum Gesetze gemacht, nie wieder zu spielen. Die Gesellschaft hat verschiedene Gesetze unter sich gemacht. Die Gesetze der Dichtkunst übertreten. Die Gesetze der Liebe und Freundschaft verletzen. In ähnlichem aber sonst ungewöhnlichem Verstande heißt in der Deutschen Bibel zuweilen jede Lehre, oder jedes Lehrgebäude, d. i. ein Zusammenhang von Vorschriften und Regeln, ein Gesetz, wie Röm. 3, 27; Es. 2, 3; Ps. 119. Dahin auch das Gesetz der Sünde, Röm. 7, 23 gehöret, das natürliche Verderben zu bezeichnen. 3) In noch engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, eine mit Strafe verbundene allgemeine Vorschrift eines Obern, wodurch es von Befehl unterschieden ist, welcher nur auf einzelne Handlungen gehet. Ein Gesetz geben, bekannt machen. Ein Gesetz aufheben. Ein Gesetz beobachten, halten, brechen, übertreten, dawider handeln. Alt die Gesetze gebunden seyn, verpflichtet seyn, denselben zu geborchen. Weltliche Gesetze, im Gegensatze der göttlichen. Bürgerliche Gesetze, welche das äußerliche Verhalten, das zum gesellschaftlichen Leben gehöret, bestimmen. Kirchliche, gottesdienstliche Gesetze, welche den Gottesdienst bestimmen. Zuweilen heißt auch ein ganzer Inbegriff mehrerer Gesetze Einer Art nur schlechthin das Gesetz. Der Menschenfreund bestrebt sich nicht nur andern das zu leisten, was das Gesetz buchstäblich befiehler, Gell. Das Kirchegesetz, der ganze Inbegriff aller kirchlichen Gesetze. 4) In der engsten Bedeutung, die göttliche Vorschrift unsers freyer Verhaltens und der ganze Inbegriff dieser Vorschriften; in welcher Bedeutung dieses Wort wieder in verschiedenen Einschränkungen gebraucht wird, welche doch außer der Bibel und der biblischen Schreibart nicht üblich sind. (a) Eine jede verbindlich Lehre göttlichen Ursprunges, mit Einschließung so wohl des Naturgesetzes als auch des Evangelii, welches letztere Es. 2, 3 das Gesetz aus Zion, und Röm. 3, 27 das Gesetz des Glaubens genannt wird. (b) Die ganze heilige Schrift, oder einzelne Theile derselben. Von der ganzen heil. Schrift kommt es Ps. 1, 2 und 119 vor. Von einzelnen Theilen wird zuweilen das ganze alte Testament im Gegensatze des neuen das Gesetz genannt, wie Joh. 10, 34; Kap. 15, 25; zuweilen aber werden unter diesem Nahmen nur die fünf Bücher Mosis, im Gegensatze der Propheten und Psalmen begriffen. (c) Die göttlichen Vorschriften unsers Verhaltens in der nähern Offenbarung, und der ganze Umfang derselben, im Gegensatze des Evangelii; dahin denn wiederum das bürgerliche Gesetz der ehemahligen Juden, ihr Ceremonial- oder Kirchengesetz, und das Sittengesetz gehören, welches letztere in der engsten Bedeutung das Gesetz genannt wird.

Anm. Gesetz, bey dem Kero Kesezzida, im Schwabenspiegel nur Setz, kommt von setzen, verordnen, her, wie das Griech. $ von $, und das veraltete Nieders. Lage, Schwed. Laga, Angels. Lagu, Engl. Law, Lat. Lex, von legen abstammet.


Gesetzbuch (W3) [Adelung]


Das Gesetzbuch, des -es, plur. die -bücher, eine Sammlung mehrerer Gesetze Einer Art in ein Buch; Codex.


Gesetzfälscher (W3) [Adelung]


Der Gesetzfälscher, des -s, plur. ut nom. sing. der Verfälscher eines Gesetzes.


Gesetzgeber (W3) [Adelung]


Der Gesetzgeber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gesetzgeberinn, plur. die -en, der oder die Gesetze gibt; bey dem Ottfried Wizodspentar, und bey dem Notker Eoskefel, Eobringer, von den veralteten Wörtern Wizzod und Ee, Ehe, welche ehedem für Gesetz üblich waren.


Gesetzgebung (W3) [Adelung]


Die Gesetzgebung, plur. inus. die Gebung eines Gesetzes. Die feyerliche Gesetzgebung auf dem Berge Sinai.


Gesetzlich (W3) [Adelung]


Gesetzlich, adj. et adv. 1) Dem Gesetze gemäß, in demselben gegründet. Eine Liebe, so gesetzlich, daß unsere Vorgesetzten sie billigen, Dusch. Man muß in der Moral nicht mit gesetzlicher Ängstlichkeit auf Kleinigkeiten fallen. So mehrt er Stamm und Gut, ist achtsam und verschwiegen, Scharffinnig im Beruf, gesetzlich im Vergnügen, Haged. 2) Unter dem Gesetze, so wohl der Verbindlichkeit, als der Strafe des Gesetzes unterworfen; doch nur in der Deutschen Bibel. Die gesetzliche Haushaltung Gottes, unter dem Gesetze, im alten Testamente. Der gesetzliche Zustand, der Zustand der herrschenden Sünde, wo sich der Mensch unaufhörlich der im Gesetze gedroheten Starfe schuldig macht. 3) Nach dem Gesetze. Die gesetzliche Verunreinigung der Juden.


Gesetzlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gesetzlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft, nach welcher eine Sache gesetzlich, d. i. dem Gesetze gemäß ist.


Gesetzlos (W3) [Adelung]


Gesetzlos, -er, -este, adj. et adv. des Gesetzes beraubt, ohne Gesetz, so wohl im guten, als nachtheiligen Verstande. Gott ist gesetzlos, weil er keinen Oberherren hat. Durch den Sündenfall wollten die Menschen gesetzlos werden. Die höchste Gewalt im gemeinen Wesen ist gesetzlos, ist keinen menschlichen Gesetzen unterworfen.


Gesetzlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Gesetzlosigkeit, plur. car. der Zustand, da man gesetzlos ist, die Abwesenheit einer verpflichtenden Vorschrift.


Gesetzmäßig (W3) [Adelung]


Gesetzmäßig, -er, -ste, adj. et adv. dem Gesetze gemäß. Gesetzmäßig leben. Ein gesetzmäßiges Verhalten.


Gesetzmäßigkeit (W3) [Adelung]


Die Gesetzmäßigkeit, plur. car. die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie den Gesetzen gemäß ist.


Gesetzprediger (W3) [Adelung]


Der Gesetzprediger, des -s, plur. ut nom. sing. ein Prediger, welcher vorzüglich die aus dem Gesetze herfließenden Obliegenheiten einschärfet.


Gesetzt (W3) [Adelung]


Gesetzt, S. Setzen.


Gesetztafel (W3) [Adelung]


Die Gesetztafel, plur. die -n, Tafeln, auf welche ein oder mehrere Gesetze verzeichnet sind, dergleichen die Tafeln waren, auf welche die zehen Gebothe bey der Gesetzgebung auf Sinai geschrieben waren, daher die zwey Hauptarten dieser Gebothe, so fern sie entweder Gott, oder uns und andere betreffen, gleichfalls und figürlich Gesetztafeln genannt werden.


Geseufze (W3) [Adelung]


Das Geseufze, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Seufzen, im verächtlichen Verstande.


Gesicht (W3) [Adelung]


Das Gesicht, des -es, plur. die -er, Oberd. die -e, von dem Zeitworte sehen. 1. Das Vermögen, die Fähigkeit zu sehen; ohne Plural. Ein gutes, ein scharfes, ein schwaches, ein schlechtes Gesicht haben. Ein kurzes Gesicht haben, die Gegenstände nur in der Nähe deutlich erkennen können. Sein Gesicht verlieren. Um sein Gesicht kommen. Das Gesicht ist ihm vergangen. Jemanden wieder zu seinem Gesichte verhelfen. Sein Gesicht wieder bekommen. Seinem Gesichte nicht trauen. Wenn mich mein Gesicht nicht betriegt. 2. Die Empfindung des Sehens, der Anblick; gleichfalls ohne Plural und nur in einigen Arten des Ausdrucks. Etwas zu Gesichte bekommen, es gewahr werden. Etwas aus dem Gesichte verlieren, es nicht mehr sehen. Einem aus dem Gesichte gehen, seine Gegenwart vermeiden. Er soll mir nicht mehr vor das Gesicht kommen. Etwas nach dem Gesichte kaufen, nach der bloßen Empfindung des Sehens, ohne genauere Untersuchung. Einem im Gesichte sitzen, so daß man von ihm gesehen wird. Es fällt gut in das Gesicht, stehet gut aus. Etwas im Gesichte haben, es mit den Augen beobachten. Einem Grobheiten in das Gesicht sagen, sie ihm auf eine kühne Art in seiner Gegenwart sagen. Im Gesicht des Feindes über einen Fluß gehen, in seiner Gegenwart, so daß er es siehet. Längs den Küsten im Gesicht des Ufers bleiben, so daß man das Ufer siehet, und von demselben gesehen wird. In welchen letzten Redensarten auch das verlängerte Oberdeutsche Angesicht üblich ist. Im Angesicht des Feindes über einen Fluß gehen. Einem in das Angesicht widersprechen. Wenn zwey Flotten einander im Gesichte bleiben, so daß sie einander sehen können. 3. Der vordere Theil des Hauptes, weil er der Sitz der Augen, der eigentlichen Werkzeuge des Sehens ist; Diminut. das Gesichtchen, im Plural auch wohl Gesichterchen, Oberdeutsch Gesichtlein. 1) Überhaupt und eigentlich. Einem in das Gesicht sehen. Wenn ihm das Blut in das Gesicht steiget. Ein schönes, ein häßliches Gesicht. Ich sahe hier lauter alltägliche Gesichter. Blaß im Gesichte aussehen. Auf das Gesicht fallen. 2) Besonders in Ansehung der Mienen, der Gesichtszüge, der zufälligen Gestalt des Gesichtes. Mit ernstem Gesichte sahe er sie an. Man siehets ihm am Gesichte an, was er im Schilde führet. Sein Gesicht gibts schon, daß er ein Betrieger ist. Einem etwas am Gesichte ansehen. Er hörete es mit freudigem Gesichte an. Einem ein freundliches Gesicht machen, im gemeinen Leben, ihn freundlich anblicken. Die Verzweifelung siehet allen aus den Gesichtern. In beyden Bedeutung ist in der edlen und höhern Schreibart das verlängerte Angesicht üblicher, welches auch gebraucht wird, wenn man von Personen spricht, denen man Ehrerbiethigkeit schuldig ist. 3) Figürlich. (a) Die Geberden des Gesichts, die Mienen selbst; in der vertraulichen Sprechart, wo besonders der Plural Gesichter üblich ist. So bald du zu mir kommst, soll ich Gesichter machen, wie du sie haben willst. O, mache mir keine sauren Gesichter, Less. Gesichter schneiden. Nun wohl, fährt Paris fort, und schneidt ein Amtsgesicht, Wiel. (b) Die Person selbst, in Ansehung ihrer Gesichtsbildung; auch nur in der vertraulichen Sprechart. Ich bemerkte zwey neue Gesichter, die ich noch nie gesehen habe. Die Gesichter haben sich in diesem Hause seit drey Jahren gewaltig geändert. Und du dort, lächelndes Gesicht, Gell. 4. Ein Werkzeug, vermittelst dessen man etwas siehet; in welcher Bedeutung doch nur das eingefeilte Blech an Büchsen und Flinten, wodurch man bey dem Zielen das Korn fasset, den Nahmen des Gesichtes führet. 5. Dasjenige, was man siehet, oder vielmehr zu sehen glaubt; in welcher Bedeutung doch nur diejenigen Vorstellungen der Einbildungskraft diesen Nahmen führen, bey welchen alles Bewußtseyn seiner selbst aufhöret, und welche man auch Entzückungen zu nennen pflegt, um sie von den bloßen Erscheinungen zu unterscheiden, bey welchen noch das Bewußtseyn seiner selbst Statt findet. In dieser Bedeutung ist auch der Oberdeutsche Plural Gesichte am üblichsten, vermuthlich, weil die Bedeutung selbst aus dem Oberdeutschen herrühret, und aus ältern Oberdeutschen Übersetzungen auch von Luthern beybehalten worden. Ein Gesicht sehen. Etwas in einem Gesichte sehen. Gesichte in der Nacht, Hiob 4, 13. Ein Lehrer in den Gesichten Gottes, 2 Chron. 26, 5. Eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, Joel 3, 1. Ungeachtet es Ein Mahl bey dem Opitz heißt: Gesichter sind ihm vom Himmel erschienen.

Anm. Bey dem Kero Kisihti, bey dem Ottfried Gisiht, so wohl von dem Anblicke, als auch von Angesichte, im Holländ. Sicht, im Engl. Sight, im Hebr. $, von $ sehen. Im Tatian und Isidor kommt auch Gisiuni in eben dieser Bedeutung vor. S. Sehen.


Gesichtsbildung (W3) [Adelung]


Die Gesichtsbildung, plur. die -n, die Bildung, d. i. die Gestalt des Gesichtes, das Verhältniß der Gesichtszüge gegen einander; Griech. die Phystognomie. Ein Mensch von guter, von einnehmender Gesichtsbildung.


Gesichtsdeutung (W3) [Adelung]


Die Gesichtsdeutung, plur. die -en, die Fertigkeit aus dem Baue und den Zügen des Gesichtes das Innere eines Menschen zu erkennen; mit einem Griechischen Worte die Phystognomik.


Gesichtsfarbe (W3) [Adelung]


Die Gesichtsfarbe, plur. inus. die Farbe des Gesichtes. Sie hatte keine Schminke gespart, ihre Gesichtsfarbe zu heben.


Gesichtskreis (W3) [Adelung]


Der Gesichtskreis, des -es, plur. die -e. 1) Derjenige Kreis der Erdfläche, bis zu welchem man siehet, wenn man im Freyen ist; der Horizont, Nieders. die Kimme. Figürlich auch die Gränzen, die Schranken des menschlichen Verstandes. Sich zu dem Gesichtskreise des großen Haufens herab lassen. 2) In der mathematischen Geographie wird so wohl die Linie einer Sphäre, welche in allen Puncten 90 Grad von dem Zenith oder Nadir entfernt ist, als auch ein unbeweglicher Zirkel, welcher diese Linie vorstellet, der Gesichtskreis oder Horizont genannt. Er heißt der wahre Horizont oder Gesichtskreis, zum Unterschiede von dem vorigen, welcher den Nahmen des scheinbaren führet.


Gesichtskunde (W3) [Adelung]


Die Gesichtskunde, plur. car. die Kunde, d. i. Wissenschaft der Linie und Züge des Gesichtes, und ihrer Bedeutung; wie Gesichtsdeutung.


Gesichtskundige (W3) [Adelung]


Der Gesichtskundige, des -n, plur. die -n, der der Linien des Gesichtes kundig ist, aus denselben das Innere eines Menschen beurtheilt; ein Gesichtsdeuter, im Scherze Gesichtsgucker, Physiognomus.


Gesichtslinie (W3) [Adelung]


Die Gesichtslinie, plur. die -n. 1) Die Linien des menschlichen Gesichtes; besser die Gesichtszüge. 2) In dem Festungsbaue, die beyden äußersten Linien an jedem Festungswerke, welche die Bollwerksspitze bilden, und von außen zuerst in das Gesicht fallen; Face. Auch die Borderseite eines Gebäudes führet zuweilen in der bürgerlichen Baukunst aus eben derselben Ursache diesen Nahmen.


Gesichtsnerve (W3) [Adelung]


Der Gesichtsnerve, des -n, plur. die -n, in der Zergliederungskunst, diejenigen Nerven, welche zum Sehen erfordert werden; die Sehenerven, Nervi optici.


Gesichtspunct (W3) [Adelung]


Der Gesichtspunct, des -es, plur. die -e, derjenige Punct oder Staudort, aus welchem man eine Sache betrachtet, so wohl eigentlich, als figürlich. Sie sehen, daß ich ihren Zustand aus dem rechten Gesichtspuncte betrachtet habe. In der Perspective ist es derjenige Punct, in welchem die Perpendicular-Linie aus dem Auge auf die Tafel gezogen wird; der Augenpunct, Hauptpunct, Punctum oculii, Punctum visus.


Gesichtszug (W3) [Adelung]


Der Gesichtszug, des -es, plur. die -züge, die Züge, d. i. Linie des Gesichtes, welche theils ein Geschenk der Natur, oft aber auch verrätherische Falten oft empfundener Leidenschaften sind.


Gesiebent (W3) [Adelung]


Gesiebent, adj. aus sieben Einheiten oder Theilen Einer bestehend. Ein Gesiebentes haben, im Piquet-Spiele, sieben auf einander folgende Blätter in Einer Farbe.


Gesims (W3) [Adelung]


Das Gesims, des -es, plur. die -s, ein hervor stehender Rand um einen Körper, entweder etwas darauf zu stellen, oder auch nur zur Zierde; doch nur in einigen einzelnen Fällen. So heißt ein breiter Rand, der in den Zimmern gemeiner Leute an der Wand herum läuft, allerley darauf zu legen, ein Gesims, dergleichen sich oft auch um die Öfen des Landvolkes befindet. In der Baukunst und bey den Holzarbeitern ist es ein zierlicher Rand, welchen den obersten Theil der Säulenordnung ausmacht, aus dem Unterbalken, dem Friese und dem Kranze zusammen gesetzet ist, und auf den Capitälen ruhet; dergleichen Gesimse auch zur Zierde an andern Orten angebracht werden.

Anm. Im gemeinen Leben Ober- und Niederdeutschlandes nur Sims, wo es oft auch männlichen Geschlechtes ist, bey dem Hornegk Syms. S. Sims. Es gehöret zu dem Geschlechte des Wortes Saum; S. dasselbe. Im Isländischen ist Sams ein jeder Zierath, und Semsa zieren, schmücken, und bey dem Vitruv heißt das Gesims der Säulen Cymatium.


Gesimshobel (W3) [Adelung]


Der Gesimshobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, Gesimse damit zu verfertigen; ein Simshobel.


Gesimskachel (W3) [Adelung]


Die Gesimskachel, plur. die -n, bey den Töpfern, eine Art mit Gesimsen versehener Ofenkacheln, zum Unterschiede von denn glatten.


Gesinde (W3) [Adelung]


Das Gesinde, des -s, plur. car. ein Collectivum, welches 1) * Überhaupt alle diejenige Personen bedeutet, welche man in seinem Gefolge oder zu seiner Bedienung hat. In welcher weitern jetzt veralteten Bedeutung es ehedem für Diener, Bediente überhaupt gebraucht wurde, da denn Hofgesinde, Hofleute, Hofbediente, Reitgesinde das Reisegefolge u. s. f. bedeutete. Ja Opitz nennet noch die Schüler das Schulgesinde. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung sind es diejenige Personen der häuslichen Gesellschaft, welche sich verbindlich machen andern um Lohn geringe Dienste zu leisten, da es denn Knechte, Mägde, und geringe Hausbediente unter sich begreift, welche man sonst auch Dienstbothen, im Oberd. aber auch Ehehalten, Brötlinge, zu nennen pfleget. Gesinde halten. Viel Gesinde haben. Untreues Gesinde haben. 3) Figürlich im verächtlichen Verstande, gemeine liederliche Leute, wo vornehmlich das Diminut. Gesindel, Oberd. Gesindlein, gebraucht wird. Allerley schädliches Gesindel beherbergen. Besonders in den Zusammensetzungen Diebsgesinde oder Diebsgesindel, Raubgesinde, Raubgesindel, Lumpengesinde, Schelmgesindel u. s. f.

Anm. Gesinde, im Nieders. nur Sinde, im Dän. Gesinde, stammet entweder von senden, oder, welches wahrscheinlicher zu seyn scheinet, von dessen Stammworte Sind, der Weg, ab, so daß es eigentlich das Reisegefolge bedeutet. Sind, Weg, kommt schon bey dem Kero vor, und lautet im Angels. Sith; S. Senden. Davon ist bey dem Ulphilas Gasinthja, in dem alten Gedichte auf Carls Feldzug bey dem Schilter Sind, im Angels. Gisith, bey dem Ottfried Samansindo, ein Gefährte. Doch wurde es auch sehr frühe von einem Bedienten, selbst höherer Art, individualiter gebraucht. Ther diufells gisindo, des Teufels Diener, Ottfr. Thu sis sines gisindes, du seyest seines Gelichters, seines Gleichen. Häusliche Bedienten hießen daher zum Unterschiede von andern ehedem Ingesinge, Hausgesinde. S. auch das mittlere Latein. Gasindus.


Gesindebier (W3) [Adelung]


Das Gesindebier, des -es, plur. car. Bier schlechterer Art, für das Hausgesinde. So auch das Gesindebrot, die Gesindekost, die Gesindestube u. s. f.


Gesindelohn (W3) [Adelung]


Der Gesindelohn, des -es, plur. inus. der Lohn, welchen das Gesinde für seine Dienste bekommt. S. Lohn.


Gesindeordnung (W3) [Adelung]


Die Gesindeordnung, plur. die -en, eine von der Obrigkeit gemachte Verordnung, das Betragen und die Gerechtsamen des Gesindes betreffend.


Gesinge (W3) [Adelung]


Das Gesinge, des -s, plur. car. das Singen, im verächtlichen Verstande. Ein elendes Gesinge. Ingleichen ein anhaltendes oder wiederhohltes Singen. Das Gesinde dauert den ganzen Tag.


Gesinnen (W3) [Adelung]


Gesinnen, verb. irreg. Imperf. ich gesonn, Mittlw. gesonnen, welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, entschlossen, Willens seyn, wo aber nur das Mittelwort der vergangenen Zeit mit dem Zeitworte seyn üblich ist. Sind sie noch gesonnen, heute zu verreisen? Ich bin nicht gesonnen, mich darauf einzulassen. 2) Als ein Activum, welches aber nur im Oberdeutschen und einigen Hochdeutschen Kanzelleyen mit dem Vorworte an üblich ist. Etwas an einen gesinnen, es von ihm verlangen; wo es das Mittel zwischen bitten und befehlen ist. Wir gesinnen hiermit an euch u. s. f. Alles was an euch gesonnen werden kann, was von euch verlanget werden kann. Die gesonnene Gewähr, in den Gerichten, die von dem Kläger geforderte Gewähr, bey der Klage zu bleiben, und den Beklagten dieser Sache wegen gegen andere zu vertreten. In eben dieser Mundart saget man auch, einen zu etwas gesinnen, ihn dazu bewegen, disponiren. S. Sinn und Ansinnen.


Gesinnet (W3) [Adelung]


Gesinnet, adj. et adv. welches eigentlich auch das Mittelwort des vorigen ungewöhnlichen Neutrius gesinnen, in regulärer Form ist, und nur mit dem Zeitworte seyn gebraucht wird, die Anwesenheit einer gewissen Gesinnung zu bezeichnen. Freundschaftlich, feindselig gegen jemanden gesinnet seyn. Kaiserlich, Französisch gesinnet seyn. Ein freundschaftlich gesinnter Mensch. Irdisch, himmlisch gesinnet seyn, in der Deutschen Bibel, die Fertigkeit besitzend, seine zeitliche oder künftige Wohlfahrt allen andern Dingen vorzuziehen. Damon ist stolz auf seinen Witz, indem er demüthig gegen Cleons Verstand gesinnet ist, Gell. Sie sind alle gleich gesinnet. S. Übelgesinnt.


Gesinnung (W3) [Adelung]


Die Gesinnung, plur. die -en, die geprüfte und überlegte Entschließung über sein Verhalten. Seine Gesinnung ändern. Vortheilhafte Gesinnungen gegen jemanden haben oder hegen.


Gesippe (W3) [Adelung]


Gesippe, Gesippt, S. Sippen, Sippschaft.


Gesittet (W3) [Adelung]


Gesittet, -er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des ungewöhnlichen Zeitwortes sitten oder gesitten ist, gewisse Sitten an sich haben. Ein wohl gesitteter junger Mensch. Er ist sehr übel gesittet, hat schlechte Sitten an sich. In engerer Bedeutung für wohl gesinet, im Gegensatze des ungesittet; im Oberd. sittig, sittsälig. Ein gesitteter Mensch, dessen gesellschaftliches Verhalten den Gesetzen des Wohlstandes gemäß ist. Sich gesittet betragen. Gesittete Völker, im Gegensatze barbarischer. S. Sitre. Das Zeitwort siton kommt für pflegen, gewohnt seyn, bey dem Ottfried und Notker häufig vor.


Gesöff (W3) [Adelung]


+ Das Gesöff, des -es, plur. inus. in den niedrigen Sprecharten, so wohl das anhaltende und wiederholhte Saufen, das Gesauf, als auch der Trank selbst, welchen man auf eine unmäßige Art zu sich nimmt.


Gesott (W3) [Adelung]


Das Gesott, des -es, plur. inus. S. Siede.


Gespan (W3) [Adelung]


1. * Der Gespan, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, einen Gehülfen, Camerad, oder einen, der mit einem andern gleiches Standes und gleiches Amtes ist, zu bezeichnen, in welcher Bedeutung ehedem auch das Wort Gesell üblich war. Es kommt noch hin und wieder unter dem gemeinen Volke vor, wo es oft auch nur Span lautet. Da das a in beyden Wörtern beständig gedehnt ist, so lässet es sich wohl nicht füglich, wie Frisch will, von spannen ableiten. Vielleicht gehöret es zu dem veralteten spänen, saugen, da es denn eigentlich jemanden bedeuten würde, der mit uns zugleich gesäuget worden, einen Milchbruder. S. Abspänen. Ein anderes noch mehr veraltetes Wort ist Gespan, das Zeugniß, welches von spanen, überreden, reden, herkommt; S. Gespenst.


Gespan (W3) [Adelung]


2. Der Gespan, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Ungarischen Provinzen übliches Wort, den Obersten in einem gewissen Districte, einen Grafen, zu bezeichnen, da es denn so wohl Ober- als Untergespane gibt. In dieser Bedeutung stammet es von dem Slavon. Ban, ein Herr, her, woraus die Ungarn Span, Ispan, und Gespan gebildet haben. Im mittlern. Lat. Hispanus.


Gespann (W3) [Adelung]


Das Gespann, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte spannen. 1) Das Spannen; in welchem Verstande es nur in dem zusammen gesetzten Herzgespann vorkommt. S. dasselbe. 2) Was zusammen gespannet wird, und so viel Dinge Einer Art, als zusammen gespannet werden, besonders von Pferden. Ein Gespann Pferde, so viel als gewöhnlich vor einen Wagen gespannet werden. - Mit Schweiße bedecket Eilen die heißen Gespanne mit Brausen unter das Obdach, Zachar. Auch figürlich. So ist in dem Hüttenbaue ein Gespann, eine Zahl von 10 bis 18 kupfernen Schüsseln, welche zugleich ausgetiefet werden.


Gespanschaft (W3) [Adelung]


Die Gespanschaft, plur. die -en, in Ungarn, ein District, welchem ein Gespan vorgesetzet ist, eine Grafschaft. S. 2 Gespan.


Gespe (W3) [Adelung]


Die Gespe, S. Gäspe.


Gespelde (W3) [Adelung]


Das Gespelde, S. Gespilde.


Gespenst (W3) [Adelung]


Das Gespenst, des -es, plur. die -er, eine geistige Substanz, wenn sie unter einer angenommenen Gestalt den Menschen erscheinet; doch am häufigsten nur von solchen Substanzen, welche, wie man sich einbildet, den Menschen nur zur Plage, oder zum Schrecken erscheinen. Ein Gespenst sehen. Es lässet sich ein Gespenst sehen. Figürlich oft ein erdichteter Gegenstand des Schreckens oder der Furcht.

Anm. Im Dän. Gespenst, im Nieders. Gespook, Spook, im Holländ. Spook, Spooksel. Gespenst kommt von dem veralteten spanen, überreden, verführen, her, welches in den Schriftstellern der mittlern Zeiten nicht selten ist, und wovon Spensti und Gispuans bey dem Ottfried, und Kespanst bey dem Kero, Überredung, Verführung bedeutet. Matthesius gebraucht es noch in dieser Bedeutung. Gespenst in der Bedeutung eines Geistes bezeichnet also eigentlich nur ein bösartiges Wesen, welches die Menschen zu verführen oder doch zu schrecken sucht. Auf eben diese Art heißt es im Isländ. Puke, vom Angels. paecca, betriegen, wohin auch das Lat. Spectrum gehöret, und im alten Holländ. Talmaschen, vom Schwed. taelja, reitzen, locken, bereden.


Gesperrbaum (W3) [Adelung]


Der Gesperrbaum, des -es, plur. die -bäume, in dem Schiffsbaue, diejenigen krummen Hölzer, welche den Boden und die Wände des Schiffes mit einander verbinden, und auch Sperrbäume, noch häufiger aber Knie, Kniestücke genannt werden. Von dem Worte Sparre, weil sie zweyen Sparren nicht unähnlich sind, oder auch unmittelbar von sperren.


Gesperre (W3) [Adelung]


Das Gesperre, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte sperren. 1) Das Sperren; doch nur in einigen Fällen im gemeinen Leben, und ohne Plural. Ein großes Maulgesperre machen, in der niedrigen Sprechart, sich sehr über etwas verwundern, gleichsam das Maul darüber aufsperren. 2) Dasjenige was gesperret wird. So wird das Sparrwerk eines Daches an einigen Orten noch das Gesperre genannt; bey dem Willeram Gesperre. Die Balken am Gesperre, Hab. 3, 11; wo es aber vielmehr das Collectivum von Sparre zu seyn scheinet, und daher richtiger das Gespärre heißen müßte. Auch die Decke über einem Wagen heißt an einigen Orten das Gesperre. 3) Dasjenige, vermittelst dessen etwas gesperret oder zugesperret wird. So führen die Haken, mit welchen die Bücher nach alter Art noch zuweilen zugemacht werden, die Clausuren, in Österreich die Schließen, den Nahmen des Gesperres. Daher die Gesperrmacher, eine Art Gürtler, welche vorzüglich dergleichen Gesperre verfertigen; Clausurenmacher. Das Gesperre der Buchdruckerpresse, wodurch sie an die Decke gesperret wird.


Gespeye (W3) [Adelung]


Das Gespeye, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Speyen. Ehedem war das Gespey so viel als Spott, Hohn, in welcher Bedeutung es noch bey dem Opitz vorkommt.


Gespiele (W3) [Adelung]


Das Gespiele, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Spielen.


Gespiele (W3) [Adelung]


Der Gespiele, des -n, plur. die -n, Fämin. die Gespielinn, plur. die -en, solche Kinder, mit welchen andere Kinder spielen, mit welchen sie einen vertrauten Umgang haben; Spielgenossen, Spielfreunde. In der edlen Schreibart auch im weiblichen Geschlechte, vertraute Freundinnen erwachsener Frauenzimmer, wo in der Deutschen Bibel Gespiele auch im weiblichen Geschlechte gebraucht wird. Daß ich meine Jungfrauschaft beweine mit meinen Gespielen, Richt. 11, 37. Ihre Gespielen, die Jungfrauen, die ihr nachgehen; Ps. 45, 15. Ingleichen figürlich. Glückliche Zeiten, da Tugend und Unschuld noch meine Gespielinnen waren! Gespielinn meiner Nebenstunden, redet Hagedorn die Dichtkunst an.


Gespilde (W3) [Adelung]


Das Gespilde, des -s, plur. car. an einigen Orten, besonders Niedersachsens, das Näherrecht, doch nur in solchen Fällen, wenn das Stück, welches veräußert werden soll, mit einem andern ehedem ein Ganzes ausgemacht hat, da denn der Besitzer des letztern das Gespilde oder Näherrecht hat; an einigen Orten auch das Gespelde. Es stammet von spalten, theilen, her, welches ehedem irregulär war, und im Imperf. spilte, im Niders. aber spilde hatte; daher dieser Ausdruck auch nur von getheilten Gütern, welche ehedem ein Ganzes ausmachten, gebraucht wird.


Gespinnst (W3) [Adelung]


Das Gespinnst, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, was gesponnen ist. Garn ist ein einfaches Gespinnst, Zwirn aber ein doppeltes. Golddraht von feinem Gespinnste.


Gespons (W3) [Adelung]


* Der Gespons, des -es, Fämin. die Gespons, plur. die -e, ein veraltetes und nur noch unter gemeinen Leuten einiger Gegenden übliches Wort, einen Bräutigam, eine Braut zu bezeichnen; von dem Lat. Sponsus uns Sponsa.


Gespor (W3) [Adelung]


Das Gespor, des -es, plur. die -e, S. Spur.


Gespött (W3) [Adelung]


Das Gespött, des -es, plur. inus. 1) Das Spotten. Sein Gespött mit etwas treiben, es verspotten. 2) Der Gegenstand des Gespöttes, oder des Spottens. Das Gespött der Menschen seyn. Andern zum Gespötte dienen. Ein Gespött aus etwas machen. S. Spotten.


Gespotte (W3) [Adelung]


Das Gespotte, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Spotten.


Gespöttel (W3) [Adelung]


Das Gespöttel, des -s, plur. car. das Spötteln, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Spötteln. S. Spötteln.


Gespräch (W3) [Adelung]


Das Gespräch, des -es, plur. die -e, die freundschaftliche Unterredung mit einem andern, besonders so fern sie gleichgültige Dinge betriff. Ein Gespräch mit einem halten. Sich mit jemanden in ein Gespräch einlassen. Ein vertrautes Gespräch mit jemanden haben. Das Gespräch stören, unterbrechen, abbrechen. Einem Gespräche beywohnen. Um das Gespräch auf etwas anders zu lenken. Ehedem gebrauchte man es auch von feyerlichen Zusammenkünften und Unterredungen. Zuweilen stehet es auch für Rede, Gerücht. Es gehet das gemeine Gespräch. Da es denn auch wohl den Gegenstand solcher Gespräche betrifft. Er ist das Gespräch der ganzen Stadt, die ganze Stadt spricht von ihn. Bey dem Kero Sprahho, bey dem Willeram Gesprache.


Gesprächig (W3) [Adelung]


Gesprächig, -er, -ste, adj. et adv. sich gern mit andern freundschaftlich unterredend, gern mit andern Gespräche haltend; im Oberdeutschen nur gespräch, ingleichen redselig, redsprächig, gesprächsam, gesprächhaftig, im Nieders. spreksk. In Boxhorns Glossen bedeutet kisprach beredt.


Gesprächigkeit (W3) [Adelung]


Die Gesprächigkeit, plur. car. die Fertigkeit, sich gern mit andern freundschaftlich zu unterreden.


Gesprächweise (W3) [Adelung]


Gesprächweise, adv. in Gestalt, in der Form eines Gespräches.


Gesprenge (W3) [Adelung]


Das Gesprenge, des -s, plur. ut nom. sing. von den Zeitwörtern sprengen und springen. 1) Die Handlung des Sprengens; ohne Plural. So wird das Sprengen der Erze mit Pulver im Bergbaue das Gesprenge genannt. 2) Was von der geraden Linie abspringt, d. i. abweichet, und diese vorspringende Stelle. Ein Stollen, welcher nicht in gerader Linie fortgehet, sondern einen Absatz bekommt, hat alsdann im Bergbaue ein Gesprenge. Ein Gesprenge in einem Schachte wird gemacht, wenn ein Schacht von oben niedergesunken, und ihm von unten entgegen gearbeitet wird, und die Arbeiter einander verfehlen. Aus ähnlicher Ursache heißt in der Baukunst auch ein Dachwerk mit eingehängten Bogen ein Gesprenge.


Gespritze (W3) [Adelung]


Das Gespritze, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Spritzen.


Gestade (W3) [Adelung]


Das Gestade, des -s, plur. ut nom. sing. das Ufer des Meeres oder eines Flusses; doch nur noch in der höhern Schreibart. O, was für Anmuth haucht anjetzt Gestad und Meer und Himmel aus! Kleist. Tönt in meinen Lobgesang, Wellen, Felsen und Gestade; Raml.

Anm. Im Oberdeutschen, wo dieses Wort einheimisch und auch im gemeinen Leben üblich ist, lautet es das Gestaat, die Gestätten, bey dem Notker Stade, bey dem Ulphilas Stad, Stath, im Angels. Stathe, im Nieders. Stade, daher auch die Stadt gleiches Nahmens ihre Benennung empfangen hat, im Schwed. Stad. Entweder von Statt, ein fester, unbeweglicher Ort, oder auch von Statt, Aufenthalt, Wohnung, weil das Ufer den Schiffen zum Aufenthalte dienet, zumahl da die meisten der vorhin angeführten Wörter auch in der Bedeutung eines Hafens oder einer Schiffslände vorkommen. Die Römer nannten einen solchen Hafen Statio. In verschiedenen Städten bedeutet Stade noch ein solches mit Holz eingefaßtes Ufer, wo die Schiffe anlegen.


Gestalt (W3) [Adelung]


Die Gestalt, plur. die -en. 1. Eigentlich, die Einschränkung einer ausgedehnten Größe, die Stellung ihrer Außenlinien, welche sie von allen Seiten begränzen; die Figur. Die Erde hat eine runde, ein Würfel, eine viereckige Gestalt. Ein Mensch von einer guten, schönen, einnehmenden Gestalt. Eine Gestalt an sich nehmen. In Gestalt einer Taube erscheinen. Die Gestalt des Leibes, des Gesichtes. Allerley Gestalten annehmen. Seine Gestalt verlieren, verändern. Zuweilen in engerer Bedeutung von der Statur, der Leibeslänge. Eine lange, eine große, eine untersetzte Gestalt. Die Gestalt (Taille) eines Pferdes. Noch öfter von einer guten Gestalt. Dem Holze eine Gestalt geben. 2. Figürlich. 1) Die Art und Weiße, (a) wie ein Ding empfunden wird, auch durch andere Sinne, als durch den Sinn des Gesichtes. Das Vertrauen auf Gott entziehet unsern Kümmernissen die schreckliche Gestalt, und gibt ihnen eine tröstliche, Gell. Was Gott mir zuschickt, hätte es auch die Gestalt des Elendes, wird Wohlfahrt seyn, ebend. (b) Wie ein Ding ist oder existiret. Er zeigt sich unter zwey Gestalten, wovon die eine immer das Gegentheil der andern ist. Er führete seinen Entwurf folgender Gestalt aus, d. i. auf folgende Art. Gleicher Gestalt, auf gleiche Art und Weiße, solcher Gestalt, auf solche. Schrecklicher Gestalt; angenehmer Gestalt, anderer Gestalten, u. s. f. für auf eine schreckliche, angenehme, andere Art, sind Oderdeutsch; so wie auch das Nebenwort gestalten für weil, indem, und was gestalten, für auf welche Art. Nach Gestalt der Sachen, nach Besinden der Umstände, ist dieser Mundart gleichfalls am geläufigsten, wo dafür auch das Wort die Gestaltsame üblich ist. Die Gestalt Gottes, in der Deutschen Bibel, Phil. 2, 6, dessen Würde und Vollkommenheiten, so wie Knechtsgestalt v. 7, das ganze Verhältniß der Niedrigkeit und Knechtschaft bezeichnet. 2) Ein Scheinkörper, eine bloße optische Erscheinung, welche außer der Gestalt nichts körperliches hat; ein Corpus perastaticum, im Gegensatze eines organischen. Es erschien mir eine Gestalt im Traume. - Er sah die Gestalten Schöner Katzen versammelt um sich, Zachar. 3) Der Körper oder ein Ding selbst. (a) Ein Ding, besonders eine Person, in Ansehung ihrer Gestalt; am häufigsten in verächtlichem oder doch zwey deutigem Verstande. Ehe ich es mich versahe, trat eine lange hagere Gestalt in das Zimmer herein. Er stellete eine genaue Nachforschung über die Aufführung dieser weiblichen Gestalt an: Jede menschliche Gestalt ist ihr verhaßt. (b) In der Theologie werden die beyden sichtbaren Dinge in dem Sacramente des Abendmahles, das Brot und der Wein, zwey Gestalten genannt; eine Benennung; welche freylich jetzt unbequem ist, weil Gestalt in der Bedeutung einer Gattung, Species, im Hochdeutschen veraltet ist, im Oberdeutschen aber noch in derselben vorkommt, wo man allerley Gestalten, d. i. Arten, Gattungen, von Thieren hat.

Anm. Im Dän. Gestalt, im Pohln. Kszalt. Es kommt von stellen her, und bedeutet eigentlich die Art, wie die Theile eines Dinges gestellet sind. Es sollte daher auch billig mit zwey l geschreiben werden; allein der Gebrauch hat schon seit langer Zeit ein einfaches eingeführet.


Gestalten (W3) [Adelung]


Gestalten, verb. reg. act. eine Gestalt geben; ein nur im Oberdeutschen übliches Zeitwort, wo es auch figürlich, für bilden, sittliche Gestalt geben, gebraucht wird. Die gestaltende Kraft des Samens. Die Seele gestaltet den Leib. Er hat von freyer Hand gestaltet Selbst ihrer aller Herzen hier, Opitz. Im Hochdeutschen hat man von diesem Zeitworte nur das Mittelwort gestaltet beybehalten. Sie sind wie Statuen gestaltet, Gell. Ein wohl gestalteter, übel gestalteter Mensch. Im gemeinen Leben lautet dieses Mittelwort nur verkürzt gestalt, auf welche Art es häufig auch in der Deutschen Bibel vorkommt. Wie ist er gestalt? 1 Sam. 28, 14. Vergessen, wie man gestalt gewesen, Jac. 1, 24. Welche Form sich auch in ungestalt erhalten hat. Bey so gestalten Sachen, so gestaltig, und so gestalten Dingen nach, sind Blumen Oberdeutscher Kanzelleyen; so wie die Hauptwörter Gestaltung und Gestaltniß, und das Bindewort gestaltsam, für weil, indem, gleichfalls nur in dieser Mundart üblich sind.

Anm. Ein wol gestellet kinne, für ein wohl gestaltetes Kinn, kommt noch bey einem der Schwäbischen Dichter vor, und die Winsbeckinn sagt schon gestalt für gestaltet. In einigen Oberdeutschen Gegenden kennet man auch das Neutrum stalten, vorstellen. Die Schnur staltet eine Rettenlinie.


Gestände (W3) [Adelung]


Das Gestände, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, die Füße der Raubvögel, als ein Collectivum, weil sie darauf stehen; daher sie auch das Gestell genannt werden.


Geständig (W3) [Adelung]


Geständig, adv. welches nur mit dem Zeitworte seyn und der zweyten Endung der Sache üblich ist. Einer Sache geständig seyn, dieselbe gestehen, eingestehen. Bist du der Rede geständig? bekennest du dich zu derselben? Der Dieb will nichts geständig seyn. Zuweilen auch mit der vierten Endung der Sache und der dritten der Person. Ich bin ihm die Schuld nicht geständig, räume es ihm nicht ein, daß ich ihm diese Summe schuldig bin. S. Gestehen. Im Nieders. nur ständig.


Geständniß (W3) [Adelung]


Das Geständniß, des -sses, plur. die -sse, die Handlung, da man etwas gestehet, und die Sache, die man gestehet. Einen Verbrecher zum Geständnisse bringen. Das Geständniß aus einem bringen. Wagen sie ein freyes Geständniß.


Gestänge (W3) [Adelung]


Das Gestänge, des -s, plur. ut nom. sing. ein Collectivum, mehrere mit einander verbundene Stangen zu bezeichnen. Ein Gestänge um ein Feld, eine Befriedigung von Stangen. Im Bergbaue ist das Gestänge so wohl die an einander gefügten Stangen einer Wasserkunst, ( S. Feldgestänge, Streckgestänge,) als auch die an einander gefügten Hölzer, worauf man mit dem Hunde in den Stollen läuft.


Gestängesteuer (W3) [Adelung]


Die Gestängesteuer, plur. die -n, im Bergbaue, eine Steuer, welche zuweilen, wenn ein Gestänge sehr weit schiebet, zu dessen Unterhaltung von denen gegeben wird, welche mittelbarer Weise Nutzen davon haben.


Gestank (W3) [Adelung]


Der Gestank, des -es, plur. inus. stinkende Ausflüsse aus einem Körper. Einen Gestank von sich geben. Einen Gestank machen, verursachen. In der niedrigen Sprechart auch figürlich ein böses Gerücht, ein übler Nachruhm. Einen Gestank hinter sich lassen. In den gemeinen Sprecharten nur Stank; bey dem Ottfried Stank, im Engl. Stench, Stink.


Gestatten (W3) [Adelung]


Gestatten, verb. reg. act. Freyheit geben oder lassen, etwas zu thun, verstatten. Den Kindern allen Muthwillen gestatten. Diese Bedenklichkeiten gestatteten es mir vorher nicht, meinen Willen dazu zu geben. Cajus gestattet sich nicht die geringste Ruhe. Herre Got gestatte mir Das ich sie sehen muesse, Reinmar der Alte. Daher die Gestattung. Anm. Schon Ottfried gebraucht gistatan für zulassen. An einem andern Orte bedeutet es bey ihm befestigen, und in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter wird es auch für erstatten gebraucht, so wie es in Boxhorns Glossen durch stellen erkläret wird. Das Nieders. staden, gestaden, bedeutet sl wohl gestatten, als auch bestätigen. Alles von Statt, Raum, Ort, Platz, da es denn, wenn es für zulassen stehet, eigentlich Platz, Raum geben, bedeutet.


Gestäude (W3) [Adelung]


Das Gestäude, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Mehrere Staudengewächse, als ein Collectivum, und ein Ort, der mit Stauben bewachsen ist; das Gebüsch. Hecken und Gestäude, Opitz. 2) Das Nest eines Falken, bey den Jägern, weil es aus kleinen Ästen bestehet. S. Staude.


Gestech (W3) [Adelung]


Das Gestech, des -, oder Gesteche, des -s, das Stechen, ingleichen ein anhaltendes und wiederhohltes Stechen, im gemeinen Leben. Ehedem wurde ein Turnier ein Gestech genannt.


Gesteck (W3) [Adelung]


Das Gesteck, des -es, plur. die -e, so viel zusammen gehörige Dinge, als gemeiniglich in Ein Futteral zu einander gesteckt werden; ein Besteck. Ein Gesteck Messer, d. i. Messer und Gabel. S. Besteck 2.


Gestehen (W3) [Adelung]


Gestehen, verb. irreg. ( S. Stehen,) welches das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort stehen ist, aber im Hochdeutschen nur in einigen Bedeutungen desselben vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, gerinnen, geliefern, von flüssigen oder flüssig gemachten Körpern, wenn sie eine mehrere Consistenz annehmen. Gestandene Milch, geronnene Milch. Das Fett gestehet, wenn es erkaltet. S. Gerinnen. Im Oberdeutschen bedeutet dieses Neutrum noch. 1) Einem gestehen, ihm stehen, ihm zu Dienste stehen. Seine Mannschaft ist ihm nicht gestanden, hat sich zu seinem Dienste nicht eingestellet. Einem auf den Degen gestehen. 2) Sich gestehen, sich unterstehen. Er gestehet sich nicht herein zu kommen. 3) Stehen bleiben, bestehen, so wohl eigentlich, als figürlich; in welcher Bedeutung gestan schon bey dem Notker vorkommt. Die Tiefe des Wassers gestehet oben, Hiob 38, 30. Ir muigent vor im wol gestan, der Burggr. von Rietenburg. Weltlich ere nit gestat, ebend. Dabey kann ich nicht gestehen, bestehen. II. Als ein Activum. 1) Auf Befragen bejahen, doch nur von Fehlern, Versehen, oder Verbrechen. Seinen Irrthum, seinen Fehler gestehen. Der Dieb hat noch nichts gestanden. Der Beklagte gestand alles. Gestehe mir die Wahrheit. S. Eingestehen und Geständig. Zuweilen auch in weiterer Bedeutung, für einräumen, zugeben. Ich gestehe, daß ich dir Unrecht gethan habe. Ich hätte es vermeiden können, ich gestehe es. Ich gestehe ihm diese Schuld nicht, räume sie ihm nicht ein. S. Zugestehen und Geständig. Bey dem Notker gestan, im Niedersächs. bestaan. 2) * Gestatten, Freyheit geben oder lassen, etwas zu thun; eine nur im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Das kan ich dir nicht gestehen. Es wird ihm aller Muthwillen gestanden.


Gestein (W3) [Adelung]


Das Gestein, des -es, plur. die -e. 1) * Ein Stein; doch nur im Oberdeutschen, wo ge die müßige Verlängerung ist. Daher ist noch bey einigen Hochdeutschen Edelgestein für Edelstein üblich. 2) Mehrere Massen oder Arten von Steinen, als ein Collectivum, und ohne Plural. Festes Gestein, im Bergbaue. Das Gestein zerstufen.


Gesteinkarte (W3) [Adelung]


Die Gesteinkarte, plur. die -n, bey den Kartemachern, diejenigen Karten, welche bloße Steine oder so genannte Zahlen haben; im Gegensatze der Figurenkarten.


Gestell (W3) [Adelung]


Das Gestell, des -es, plur. die -e, Diminut. das Gestellchen, von dem Zeitworte stellen. 1) Dasjenige, was aus zusammen gestellten und mit einander verbundenen Theilen bestehet, doch nur in einigen einzelnen Fällen; besonders wenn es dazu dienet, andere Dinge darauf zu stellen, ein Fußgestell. Dergleichen ist das Gestell in einem Garten, die Blumentöpfe darauf zu stellen, die Gestelle in einem Keller, das Gestell bey den Bierbrauern, den Meisch in den Bottich darauf zu tragen u. s. f. Das Gestell eines Wagens oder einer Kutsche, der untere Theil, worauf der obere ruhet. Das Gestell eines Tisches, eine mit Querriegeln verbundene Art von Füßen, worauf das Tischblatt ruhet u. s. f. Bey den Jägern werden die Füße der Raubvögel auf eine etwas uneigentlichere Art das Gestell genannt. S. Gestände. 2) Was zusammen, oder um einen andern Körper gestellet wird; gleichfalls nur in einigen einzelnen Fällen. Dergleichen ist das Gestell bey den Riemern, d. i. dasjenige Riemenzeug, welches um die Ohren, Backen und Kehle des Pferdes gehet, und mit zum Zaum gehöret, das Hauptgestell; das Gestell eines Salzbrunnens, die Einfassung desselben über der Erde; das Gestell der Fischer, aufgestellte Reusen, Netze u. s. f.

Anm. Schon bey dem Ottfried wird Gistelli von structura gebraucht. Im Oberdeutschen bedeutet das Gestell auch die Stellung. Aus seinem Gestelle kommen. S. das folgende.


Gestellen (W3) [Adelung]


* Gestellen, verb. reg. act. welches nur im Oberdeutschen, thiels für das einfache stellen, in dessen sämmtlichen Bedeutungen, theils auch für stillen üblich ist. Sich fromm gestellen. Das Blut gestellen, stillen. Einen Zeugen gestellen, in den Gerichten.


Gestellmacher (W3) [Adelung]


Der Gestellmacher, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, eine Benennung eines Wagners, weil er Gestelle zu Wagen verfertiget; im gemeinen Leben auch nur Stellmacher.


Gestellstein (W3) [Adelung]


Der Gestellstein, des -es, plur. die -e. 1) In den hohen Öfen, diejenigen Steine, welche den Herd oder die unterste Höhlung des Ofens ausmachen; weil sie gleichsam das Gestell des ganzen Ofens sind. 2) Eine Art Felsstein, welche aus Quarz und Glimmer bestehet, und eine dicke Schiferart ist, weil sie zu diesen Gestellsteinen gebraucht wird.


Gesterig (W3) [Adelung]


Gesterig, S. Gestrig.


Gestichel (W3) [Adelung]


Das Gestichel, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Sticheln.


Gestick (W3) [Adelung]


Das Gestick, des -es, plur. die -e. 1) Das Sticken, die Kunst zu sticken; ohne Plural und im gemeinen Leben. 2) Die Art und Weiße zu sticken. Das bunte Gestick. Das seidene Gestick. 3) Gestickte Sachen, Stickwerk.


Gestift (W3) [Adelung]


Das Gestift, S. das Stift.


Gestirn (W3) [Adelung]


Das Gestirn, des -es, plur. die -e. 1) Ein Stern, wo ge die bloße müßige Verlängerungssylbe ist, mit welcher doch dieses Wort, obgleich nicht auf die beste Art, auch im Hochdeutschen vorkommt, besonders in der edlern und höhern Schreibart. Die Sonne ist das schonste Gestirn. 2) Als ein Collectivum, theils alle Sterne, oder doch Sterne überhaupt zu bezeichnen; ohne Plural. Das Gestirn hau seinen gewissen Lauf, Ps. 74, 16. Das Gestirn betrachten. Sich auf das Gestirn verstehen. Etwas aus dem Gestirne urtheilen. Findet man in diesen und andern R. A. den Plural, so stehet er in der vorigen Bedeutung für Sterne. Theils ein Sternbild, d. i. mehrere Sterne, welche man sich um der Deutlichkeit willen unter einem gewissen Bilde vorstellet; mit dem Plural. Das Gestirn des Wassermannes, der Fische.

Anm. Schon bey dem Rusdepert im 9ten Jahrh. Kestirn. Bey dem Ottfried sind Gestirri Sterne. S. Stern.


Gestirndienst (W3) [Adelung]


Der Gestirndienst, des -es, plur. inus. die göttliche Vorehrung des Gestirns, oder der Himmelskörper. Der Gestirndiener, der ihnen göttliche Ehre erweiset.


Gestirnstand (W3) [Adelung]


Der Gestirnstand, des -es, plur. die -stände, in der Astrologie, der Stand mehrerer Gestirne oder Sternbilder gegen einander; die Constellation.


Gestirnt (W3) [Adelung]


Gestirnt, adj. et adv. welches eigentlich das Mittelwort des ungewöhnlichen Zeitwortes gestirnen ist, mit Sternen versehen. Der gestirnte Himmel, wo die Sterne wegen der heitern Luft sichtbar sind.


Gestöber (W3) [Adelung]


Das Gestöber, des -s, plur. inus. das Stöbern, besonders ein anhaltendes Stöbern, doch nur von dem Schnee, wenn er in Gestalt des Staubes von dem Winder herum getrieben wird; das Schneegestöber.


Gestöcke (W3) [Adelung]


Das Gestöcke, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue einiger Gegenden, diejenige Lagerstatt des Erzes, welche man am häufigsten ein Stockwerk zu nennen pfleget; S. dasselbe.


Gestotter (W3) [Adelung]


Das Gestotter, des -s, plur. car. das Stottern, im verächtlichen Verstande; ingleichen ein anhaltendes oder wiederhohltes Stottern.


Gesträuch (W3) [Adelung]


Das Gesträuch, des -es, plur. die -e, mehrere Sträuche, und ein mit Sträuchen bewachsener Ort; das Gebüsch, Gestäube. Zwischen den Stämmen der Bäume flatterten fruchtbare Gesträuche, Geßn. In das Gesträuch gehen. Nieders. Ruddick, Struddick.


Gestrenge (W3) [Adelung]


Gestrenge, -r, -ste, adj. et adv. für das einfache strenge, mit der müßigen Verlängerung. 1) In dessen gewöhnlichsten Bedeutung. Die Welt ist ein scharfsichtiger und gestrenger Richter. Dasselb Wetter was gestreng und hatt, Theuerd. Kap. 72. 2) Fest haltbar, stark, im Oberdeutschen. Ein Dorf dadurch ein gestrenger (fester) Paß. von Zürch nach Winterthur ist, Bluntschli. Er hat nicht Lust an Rosses Stärke, Nicht an des strengen Mannes Beinen, Opitz Ps. 147. Ein starker Gott heißt im Isidor Got strengi, und stärken im Tatian strengisan. Ingleichen tapfer; in welcher im Hochdeutschen gelichfalls veralteten Bedeutung es ehedem, da die Tapferkeit noch eine nöthige Eigenschaft des Adels war, ein Ehrentitel war; der dem Adel so wohl männlichen als weiblichen Geschlechtes gegeben wurde, und in einigen Oberdeutschen Gegenden demselben noch jetzt gegeben wird, wo ihn auch Doctores und andere Personen bekommen, deren Würde man dem Adel gleich schätzet. Gestrenger Herr, gestrenge Frau. Ingleichen im Abstracto. Ew. Gestrengen. Mit dem Anfange des 16ten Jahrhundertes sing. dieser Titel in vielen Gegenden an zu veralten. In dem alten Fragmente von Carls Krieg wider die Sara- cenen bey dem Schilter bedeutet strang gleichfalls tapfer. Es kommt in dieser Bedeutung, mit dem Lat. strenuus genau überein, woraus aber noch nicht folget, daß es aus demselben gebildet worden. S. Strenge. Im Engl. ist strong, im Angels. strang und strec, ( S. Strak,) im Schwed. streng, im Griech. $, und im Isländ. und Altschwed. ohne Zischlaut dreng, gleichfalls stark und tapfer. Wilhelm der Eroberer legte zu Anfange des eilsten Jahrhundertes einigen treuen Engländischen Familien ausdrücklich den Ehrentitel drenges bey. S. Ihre Glossar. v. Dreng.


Gestrig (W3) [Adelung]


Gestrig, adj. was gestern gewesen oder geschehen ist. Der gestrige Tag. Die gestrige Begebenheit. Bey dem Notker gesterig. Gestrigen Tages, für gestern, gestrigen Morgens, gestrigen Abends, für gestern Morgen, gestern Abends, sind Oberdeutsche. S. Gestern.


Gestrick (W3) [Adelung]


Das Gestrick, des -es, plur. inus. 1) Das Stricken, die Handlung des Strickens. Dann ruhe Gestrick und Rocken, Günth. Ein schlechtes Gestrick. 2) Die Kunst zu stricken. 3) Gestrickte Arbeit, Strickwerk.


Geströhde (W3) [Adelung]


Das Geströhde, des -s, plur. car. ein nur im gemeinen Leben übliches Collectivum, Stroh zu bezeichnen. Das für das Vieh nöthige Geströhde.


Gestrüppe (W3) [Adelung]


Das Gestrüppe, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, für Gesträuch. Siehe Struppig.


Gestübe (W3) [Adelung]


Das Gestübe, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. Staub, oder was dem Staube ähnlich ist, als ein Collectivum. Besonders wird im Hüttenbaue der mit gestoßenem Lehme vermischte Kohlenstaub, woraus der Herd vor dem Schmelzofen bereitet wird, das Gestübe genannt. Eben diesen Nahmen führet bey den Kohlenbrennern die Erde, womit ein Meiler bedeckt wird. Bey dem Willeram kommt Stubbe, und einer alten geschriebenen Bibel bey dem Frisch Gestüppe, für Staub vor.


Gestübekammer (W3) [Adelung]


Die Gestübekammer, plur. die -n. 1) Diejenige Kammer, in welcher in den Schmelzhütten das Gestübe zubereitet wird. 2) In den Zinnhütten, ein Behältniß, in welchem sich derjenige Zinnstein, welcher in dem Fener mit aufsteiget, und gleichsam davon staubet, wieder sammelt.


Gestüber (W3) [Adelung]


Das Gestüber, des -s, plur. inus. bey den Jägern, der Koth der Feldhühner, der auch das Gelos, ingleichen die Losung genannt wird. Stauben und stüben heißt bey ihnen, diesen Koth von sich geben. S. diese Wörter.


Gestüberand (W3) [Adelung]


Der Gestüberand, des -es, plur. die -ränder, bey den Kohlenbrennern, der Rand von Gestübe oder Erde, welcher um eine Kohlenstätte geführet wird.


Gestück (W3) [Adelung]


Das Gestück, des -es, plur. die -e, das ohne Noth durch das Oberdeutsche ge verlängerte Wort Stück, eine Kanone zu bezeichnen, welches auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen mehrmahls gehöret wird.


Gestühl (W3) [Adelung]


Das Gestühl, des -es, plur. inus. oder die Gestühle, sing. inus. 1) Mehrere Stühle Einer Art, als ein Collectivum. Das Kirchengestühl, das Chorgestühl. 2) Für Gestell, oder dasjenige, worauf ein anderer Körper stehet; doch nur in der Deutschen Bibel. Zehen eherne Gestühle, zu den zehen ehernen Kesseln, 1 Kön. 7, 27 f. Den Altar auf sein Gestühle zurichten, Esr, 3, 3. Die ehernen Säulen und das Gestühle, Jer. 52, 17.


Gestunden (W3) [Adelung]


* Gestunden, verb. reg. act. welches im Hochdeutschen veraltet ist, und nur noch zuweilen in den Rechten vorkommt, Frist, Aufschub geben. Einem die Bezahlung einer Schuld gestunden. So auch die Gestundung. S. Stunde.


Gestüte (W3) [Adelung]


Das Gestüte, des -s, plur. ut nom. sing. eine Stuterey, d. i. ein Ort, wo Stuten zur Fortpflanzung ihres Geschlechtes gehalten werden, wofür im Oberdeutschen auch die Stut, ingleichen der Gestütgarten üblich ist. Daher das Gestüthaus, das dazu gehörige Gebäude, der Gestütherr, der Eigenthümer, der Gestütmeister, Gestütverwalter, der der Stuterey vorgesetzet ist, die Gestütstute, eine Stute in einem Gestüte u. s. f.


Gesuch (W3) [Adelung]


Das Gesuch, des -es, plur. die -e, die Handlung des Suchens; doch nur 1) so fern solches von einem Höhern etwas bitten oder verlangen bedeutet, die Bitte. Einem sein Gesuch bewilligen, abschlagen. Einem Gesuche deferiren, in den Kanzelleyen, es bewilligen. Was ist sein Gesuch? 2) So fern suchen, sich um etwas bewerben, bemühen, bedeutet; ohne Plural. Das Gesuch eitler Ehre. In welcher Bedeutung es doch nur selten vorkommt.


Gesuche (W3) [Adelung]


Das Gesuche, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Suchen, im gemeinen Leben.


Gesumse (W3) [Adelung]


Das Gesumse, des -s, plur. car. das Sumsen, ingleichen ein anhaltendes oder wiederhohltes Sumsen. S. Sumsen.


Gesund (W3) [Adelung]


Gesund, -er, -este, (nicht gesünder, gesündeste,) adj. et adv. welches von thierischen Körpern und deren einzelnen Theilen gebraucht wird, denjenigen Zustand derselben zu bezeichnen, da sie zu allen ihren Verrichtungen geschickt sind, im Gegensatze des krank. 1. Eigentlich. Ein gesunder Leib, der nicht gebrechlich, noch krank ist. Gesunde Gliedmaßen, welche keinen Fehler haben. Es ist nichts Gesundes an meinen Leibe, Ps. 35, 4. Besonders von diesem Zustande der innern Theile des Leibes. Der Kranke ist wieder gesund geworden. In meinen gesunden Tagen, da ich gesund war. Leben sie gesund, schlafen sie gesund, bleiben sie gesund, gewöhnliche Wünsche des vertraulichen Umganges. Gesunde Kinder haben. Er ist frisch und gesund. 2. Figürlich. 1) Diesen Zustand erhaltend oder befördernd, im Gegensatze dessen was ungesund ist. Auf den Bergen ist immer die gesundeste Luft. Kräuter sind eine gesunde Speise. Der Thee ist dir nicht gesund. Im gemeinen Leben auch in weiterer Bedeutung für heilsam, nützlich. Diese Züchtigungen sind ihm sehr gesund. 2) Unverdorben, seine natürliche gute und vollkommene Beschaffenheit habend. Gesundes Holz, welches weder wurmstichig ist, noch andere Fehler hat. Gesundes Fleisch. Ein gesunder aber roher Verstand, der seine natürliche Richtigkeit hat, noch nicht durch Vorurtheile verderbt, aber auch noch nicht ausgebildet ist. Der gesunde richtige Verstand ist die gangbare Münze der Welt, Gell. Ingleichen, in diesem Zustande gegründet. Eine gesunde Gesichtsfarbe. Sieh, wie alles mit gesundem Wuchse aufblühet, Geßn. Eine gesunde (richtige, vernünftige,) Antwort. Das war noch ein gesunder Einfall. In einem gefunden und erträglichen Verstande läßt sich das nicht behaupten.

Anm. Bey dem Ottfried gisund, im Nieders. Angels. und Schwed. nur sund, im Holländ. ghesond, im Latein. sanus. Ihre muthmaßet sehr wahrscheinlich, daß es ursprünglich ganz bedeutet habe, so wie das Nieders. heil so wohl ganz als auch gesund bedeutet. Das Engl. sound ist gleichfalls ganz. Ottfried gebraucht einige Mehl Ganzida für Gesundheit.


Gesundbad (W3) [Adelung]


Das Gesundbad, des -es, plur. die -bäder, im gemeinen Leben, eine warme mineralische Quelle, deren man sich zu Wiederherstellung seiner Gesundheit zum Baden bedienet; ein Heilbad.


Gesundbrunnen (W3) [Adelung]


Der Gesundbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. eine mineralische Quelle, deren Wasser zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit getrunken wird.


Gesundheit (W3) [Adelung]


Die Gesundheit, plur. die -en. 1) Der Zustand, da man gesund ist, d. i. da der Leib und dessen Glieder zu ihren Verrichtungen geschickt sind, so wohl in der eigentlichen, als ersten figürlichen Bedeutung; ohne Plural. Bey guter Gesundheit seyn. Die Gesundheit verlieren. Wieder zu seiner Gesundheit gelangen. Einem Kranken wieder zu seiner Gesundheit verhelfen. Seiner Gesundheit pflegen, dieselbe auf alle mögliche Art zu erhalten suchen. Eines Gesundheit trinken, auf seine Gesundheit trinken, d. i. ihm beym Trunke Gesundheit anwünschen. Auch die Eigenschaft eines Dinges, da es zu Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit geschickt ist. Die Gesundheit eines Ortes, der Luft eines Ortes, des Wassers. Von Arzeneyen ist es in diesem Verstande nicht üblich. In der edlen Schreibart auch Zeichen der Gesundheit. Die blühende Gesundheit auf seiner Wange, die blühende, gesunde Farbe. Ingleichen der natürliche unverdorbene Zustand eines Dinges. Die Gesundheit des Holzes, des Fleisches u. s. f. 2) Die Anwünschung der Gesundheit beym Trunke, und in weiterer Bedeutung, jede Formel, deren man sich beym Trinken oder im Zutrinken bedienet. Eine Gesundheit ausbringen, sie den Gästen zutrinken. Die Gesundheit gehen herum. Anm. Bey dem Ottfried ther Gesunti, in einigen Oberdeutschen Gegenden noch der Gesundt, im Niedersächs. nur Sundt, Sunde.


Gesundheitsglas (W3) [Adelung]


Das Gesundheitsglas, des -es, plur. die -gläser, große Gläser, aus welchen man bey Schmausereyen gewisse feyerliche Gesundheiten zu trinken pfleget.


Gesundheitspaß (W3) [Adelung]


Der Gesundheitspaß, des -sses, plur. die -pässe, ein Paß, worin versichert wird, daß eine Person oder Sache aus einem gesunden, d. i. von keiner verdächtigen Krankheit angesteckten Orte komme.


Gesundheitsrath (W3) [Adelung]


Der Gesundheitsrath, des -es, plur. die -räthe. 1) Ein aus Ärzten bestehendes Collegium, welches Dinge, welche die Gesundheit der Einwohner eines Ortes oder einer Provinz betreffen, zu verordnen hat; ohne Plural. Ein solcher Gesundheitsrath wird in manchen Ländern ein Collegium Sanitatis, oder Sanitäts-Collegium genannt. 2) Von Individuis, ein Mitglied eines solchen Gesundheitsrathes. Im Scherze auch zuweilen ein jeder Arzt, so fern er Rathschläge zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ertheilet.


Gesundheitsstein (W3) [Adelung]


Der Gesundheitsstein, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, aus Marcasit oder festen Kiesen geschliffene Steine, welche man zur Erhaltung der Gesundheit an sich trägt.


Getäfel (W3) [Adelung]


Das Getäfel, des -s, plur. inus. am häufigsten im Oberdeutschen, die hölzerne Bekleidung der Wände, das Tafelwerk.


Getön (W3) [Adelung]


Das Getön, des -es, plur. car. das Tönen, ingleichen ein anhaltendes oder wiederhohltes Tönen. Das ganze Haus erschall von dem süßen Gethöne, Sir. 50, 20. Wer sie (die Heere) hörete, der entsetzte sich vor dem grausamen Gethöne, 1 Macc. 6, 41. So die lerche luiftet ir gedöne, Graf. Conr. von Kirchberg. Im Theuerdank Gedan.


Getöse (W3) [Adelung]


Das Getöse, des -s, plur. ut nom. sing. ein starker verworrener Schall. Die Wagen machen ein widerwärtiges Getöse auf der Gasse. Man konnte das Getöse in der Schenke sehr weit hören. Ein Getöse machen. Das Getöse des Windes und der Wellen. Auch figürlich, Unruhe. Das Getöse der Welt fliehen; wofür doch Geräusch üblicher ist.

Anm. Dieses Wort stammet von dem veralteten Doss, Dus, Toz, Thuz, im Schwed. und Isländ. Dyst, Dust, im Engl. Toss, Towze, her, welches ehedem für einen starken Ton üblich war, und wovon das Zeitwort dussen, diessen, diezzen, dosen, stark tönen, ein Getöse machen, herkam, welches in den Schriften der mittlern Zeiten sehr häufig ist. Fone ma nigero uuazzero dozze, Notker. Ich hoerte die wasse diessen, Walth. von der Vogelweide. Mit lautem Knall und Doß, Hans Sachs. Swenne der wald von sange diusset Heinrich von Veldig; wo es zugleich von einem sanftern angenehmern Schalle gebraucht wird. Beyde Wörter, welche den Schal selbst, den man damit belegte, nachahmen, sind im Hochdeutscher veraltet, und haben nur noch das Verbale Getöse übrig gelassen Im Oberdeutschen sind sie noch hin und wieder gangbar. Das Meißnische Provincial-Wort der Tebs, Geräusch, Getöse, und rebsen, lärmen, scheint gleichfalls daher zu stammen. Das e am Ende ist das e euphonicum, ohne welches das s wie ein ß lauten würde.


Getrampel (W3) [Adelung]


Das Getrampel, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Trampeln, das verworrene Geräusch, welche durch Laufen und starkes Zutreten verursacht wird.


Getränk (W3) [Adelung]


Das Getränk, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein flüssiger Körper, welchen Menschen als einen gewöhnlichen Trank zu Stillung des Durstes zu sich nehmen. Kein starkes Getränk zu sich nehmen. Wasser mit Wein vermischt, ist das gesundeste Getränk. Ein gesundes Getränk muß leicht zu verdauen seyn. Wasser ist das gewöhnlichste Getränk des Viehes. Schon bey dem Winsbeck Getrank, im Nieders. Drank, im Angels. Drenc, im Engl. Drench und Drink, im Dän. Drik. S. Trinken, von welchem Zeitwort es herstammet.


Getrauen (W3) [Adelung]


Getrauen, verb. reg. act. welches das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort trauen ist. 1) * Hoffen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Do draute er bas gedingen, Stryker. 2) * Vertrauen, sein Vertrauen auf etwas setzen; ein gleichfalls veralteter Gebraucht. Aber ich getrau meinem Gott, Theuerd. 3) * Zutrauen; welche Bedeutung ebenfalls nicht mehr gangbar ist. Wier schulen in des getrawen wol, Stryk. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch, 4) für, Muth, Herz haben, sich Kraft zutrauen, etwas zu unternehmen, oder zu leiden, als ein Reciprocum, und mit der dritten Endung des Pronomens. Das getraue ich mir nicht zu behaupten. Ich habe etwas auf dem Herzen, das ich mir nicht getrauen würde ihnen zu entdecken. Wer getraut sich, diesen Betrug zu rechtfertigen? Viele verbinden es mit der vierten Endung des Pronomens, ich getraue mich. Allein da getrauen hier sehr deutlich für zutrauen steht, so ist unstreitig die dritte Endung richtiger. Im gemeinen Leben ist auch das einfache trauen in diesem Verstande üblich, welches unter andern auch im Theuerdank vorkommt. Dorft im euch trawen diesem Rytter anzusygen, Kap. 77.


Getreide (W3) [Adelung]


Das Getreide, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. ein allgemeiner Ausdruck derjenigen Samen grasartiger Pflanzen, welche zu Brot oder Mehlspeisen taugen, und welche man in Niedersachsen Korn, und in andern Gegenden auch nur $ $ die Frucht zu nennen pfleget. Das Getreide wird theuer. Viel Getreide liegen haben. Das Getreide zu Markte fahren. Der Weitzen ist das schönste Getreide. Hartes oder glattes Getreide, Rocken, Weitzen und Gerste; weiches oder rauches, Hafer. Getreide im Stroh, ungedroschenes Getreide; zum Unterschiede von dem Getreide in Körnern, oder gedroschenen. In weiterm Verstande auch die grasartigen Pflanzen selbst, welche diesen Samen tragen. Das Getreide stehet vortrefflich. Durch das Getreide gehen. Der Hagel hat alles Getreide niedergeschlagen. In dem weitesten Umfange der Bedeutung, der aber nicht der gewöhnlichste ist, werden oft auch alle Hülsenfrüchte mit unter dem Nahmen des Getreides begriffen.

Anm. Im Oberdeutschen mit dem breiten ai, Getraid, Getraidicht, ingleichen oft nur Traid, in Oberschwaben Drait, in Baiern Traid, in Steyermark Trad. Frisch muthmaßet nicht ohne Grund, daß es von tragen abstamme, und eigentlich eine Frucht bedeute, welche der Erdboden trägt. Die Niedersachsen und Niedersächsichen Hochdeutschen gebrauchen für Getreide das Wort Korn, die Hessen Gekörne.


Getreidebau (W3) [Adelung]


Der Getreidebau, des -es, plur. car. der Bau, d. i. die Erzeugung des Getreides, und in weiterer Bedeutung auch der dazu nöthige Boden. Ein Gut, welches einen vortrefflichen Getreidebau hat.


Getreideboden (W3) [Adelung]


Der Getreideboden, des -s, plur. die -böden, ein Boden, auf welchem man das Getreide zu verwahren pfleget.


Getreidehändler (W3) [Adelung]


Der Getreidehändler, des -s, plur. ut nom. sing. dessen vornehmste Beschäftigung in dem Handel mit Getreide bestehet; im gemeinen Leben ein Kornhändler.


Getreidemarkt (W3) [Adelung]


Der Getreidemarkt, des -es, plur. die -märkte. 1) Der Marktplatz, auf welchem das Getreide verkauft wird. 2) Ein Markttag oder Jahrmarkt, an welchem Getreide verkaufet wird. Im gemeinen Leben Kornmarkt.


Getreidemaß (W3) [Adelung]


Das Getreidemaß, des -es, plur. die -e, ein Maß, wornach des Getreide gemessen wird, so wohl im Abstracto, als Concreto; das Kornmaß.


Getreidemühle (W3) [Adelung]


Die Getreidemühle, plur. die -n. 1) Eine Mühle, auf welcher nur Getreide gemahlen wird, im gemeinen Leben eine Kornmühle; zum Unterschiede von einer Öhlmühle, Schneidemühle, Papiermühle u. s. f. 2) In der Landwirthschaft einiger Gegenden, ein künstliches Werkzeug, das ausgedroschene Getreide zu reinigen, welches von dem Winde getrieben, und daher auch eine Windfege genannt wird.


Getreidepacht (W3) [Adelung]


Der Getreidepacht, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein Pacht, wo anstatt des Pachtgeldes dem Eigenthümer ausgedroschenes Getreide gegeben wird; welche Arten von Pacht in der Mark Brandenburg üblich sind. Wird der Pacht noch in dem Strohe abgetragen, so heißt er daselbst ein Getreidezehent.


Getreidesperre (W3) [Adelung]


Die Getreidesperre, plur. die -n, das Verboth der Ausfuhre des Getreides aus einem Lande; die Fruchtsperre, Kornsperre, die Sperre, im Hannöver. Zuschlag, Kornzuschlag.


Getreidezehent (W3) [Adelung]


Der Getreidezehent, des -en, plur. die -en, der Zehent, welcher von dem Getreide gegeben wird. In engerer Bedeutung, eine Art des Pachtes, S. Getreidepacht.


Getreu (W3) [Adelung]


Getreu, -er, -este, adj. et adv. das verlängerte Wort treu, welches durch dasselbe, wenigstens in der edlen und anständigen Sprechart aus verschiedenen seiner Bedeutungen verdränget worden. Es bedeutet, 1. überhaupt, eine Person oder Sache, der man trauen, auf die man sich verlassen kann; in welcher weitesten Bedeutung es so wie treu nur noch in einigen Fällen üblich ist. Ein festes und getreues Gedächtniß. Gott ist getreu, 1 Cor. 1, 9. 2. Mit verschiedenen Einschränkungen. 1) Der Wahrheit völlig gemäß. Eine getreue Copie, eine getreue Abschrift, welche dem Originale völlig gemäß ist. Das Gemählde ist sehr getreu, gleicht dem Originale völlig. Eine getreu Erzählung. Dieser Brief ist ein getreues Bildniß seines Herzens. Ein getreues Bekenntniß seiner Fehler ablegen. Ingleichen Fertigkeit besitzend, sich nie mit Vorsatze von der Wahrheit zu entfernen. Ein getreuer Geschichtschreiber. Ein getreuer Mahler. 2) Seine Fähigkeiten auf eine aufrichtige und beständige Art zu jemandes Besten gebrauchend. Ein alter getreuer Diener. Jemanden getreu seyn. Lieber Getreuer, ist der gewöhnliche Titel, welchen Fürsten ihren Ministern und Räthen in Kanzelleyen schreiben geben, dagegen sie die Minister und Räthe eines andern Fürsten Lieber Besonderer zu nennen pflegen. In engerm Verstande ist einer Person getreu seyn oder bleiben, unter Personen zweyerley Geschlechtes, alles vermeiden was den Rechten der geliebten Person Eintrag thut, und in engsten Verstande, sich der Beywohnung anderer Personen enthalten. Ein getreuer Liebhaber, ein getreuer Ehemann. Die Frau ist ihrem Manne nicht getreu. Ingleichen figürlich. Der Wahrheit getreu seyn, sie nicht mit Vorsatz verletzer. Seinen Pflichten getreu seyn, sie zu aller zeit mit Genauigkeit und Aufrichtigkeit erfüllen. Anm. Im Isidor chitriuui, bey dem Ottfried gidriuu, gidriu, bey dem Notker ketriuue, im gemeinen Leben nur treu. S. Treu und Getreu.


Getreulich (W3) [Adelung]


Getreulich, adv. auf eine getreue oder treue Art, doch nur in einigen Fällen. 1) Mit Treue, d. i. möglichster Beobachtung des Besten des andern. Ich habe es ihm getreulich wieder gegeben. Wir haben ihnen getreulich geholfen. Getreulich und ohne Gefährde, eine gewöhnliche Clausel in allen Verträgen. 2) Mit Aufrichtigkeit. Er hat mir alles getreulich wieder erzählet.

Anm. In dem alten Fragmente von Carls des Großen Krieg bey dem Schilter getruwelike. Im Oberdeutschen ist es wie mehrere Nebenwörter auf - lich auch in Gestalt eines Beywortes üblich. Daher die getreue Hülfe, 1 Maccab. 8, 25. S. Treulich.


Getriebe (W3) [Adelung]


Das Getriebe, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte treiben, doch nur in verschiedenen einzelnen Fällen. 1) Im Bergbaue wird die Sommerseite eines Gebirges, oder auch eine flache Gegend das Getriebe genannt, vielleicht weil da die Sonne die Erze besser zur Reise treibt. Der Gang liegt in einem guten Getriebe, wenn er in einer solchen Gegend liegt. 2) Gleichfalls im Bergbaue, das Gerüst, womit man einen Bruch, d. i. eine eingefallene oder den Einfall drohende Stelle eines Ortes unterbauet, um das Nachfallen zu verhindern, weil man dieses Gerüst im Arbeiten gleichsam vor sich her treibet, oder unter den Bruch treibet. Mit Getriebe anstecken, mit Getrieben durch den Bruch gehen, eine eingefallene Stelle auf solche Art unterbauen. 3) In den Mühlen- und Räderwerken, ein jedes Rad, welches von einem andern herum getrieben wird.


Getriebepfahl (W3) [Adelung]


Der Getriebepfahl, des -es, plur. die -pfähle, im Bergbaue, Pfähle, welche mit ihrem spitzigen Ende in den Bruch getrieben werden, mit dem andern Ende aber auf einer Art von Thür ruhen, den eingefallenen Schutt wegzuräumen und das Nachfallen zu verhindern. S. Getriebe 2.


Getrost (W3) [Adelung]


Getrost, -er, -este, adj. et adv. mit Zuversicht, in der Zuversicht gegründet. Getrost zu jemanden gehen, 1 Sam. 15, 32. Getrost streiten, 2 Macc. 13, 5. Fordert nur getrost von mir Morgengabe und Geschenke, 1 Mos. 34, 12. Er ist eben der sanftmüthige, der getroste, der liebreiche u. s. f. Mosh. Wie viele haben nicht Umwahrheiten andern getrost nachgeschrieben! Der getroste Muth, die Fertigkeit einer Gefahr mit Zuversicht entgegen zu gehen und in derselben auszuhalten; im Gegensatze der Zagbeit oder Muthlosigkeit. Ich reise mit getrostem Muthe von hier. Getrost! ein gewöhnliches Aufmunterungswort. Bey dem Ottfried schon gidroste, im Schwed. tröst, im Isländ. traustr. S. Dreist, Dürfen, Dürsten und Trost.


Getrösten (W3) [Adelung]


Getrösten, verb. reg. act. welches nur als ein Reciprocum mit der zweyten Endung der Sache üblich ist, mit Zuversicht hoffen. Sich gnädiger Erhörung getrösten. Ich getröste mich deiner Hülfe, halte mich derselben verpflichtet. Sich der Gewäh- rung aller Verheißungen Gottes getrösten. Bey dem Notker ist sih fertrosten schon mit Zuversicht hoffen. Sich einer Sache getrösten, sich damit trösten, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. S. Trösten.


Getümmel (W3) [Adelung]


Das Getümmel, des -s, plur. uz nom. sing. heftiges dumpfiges Getöse, besonders so fern es von lebendigen Geschöpfen erreget wird. Da Eli das laute Schreyen hörete, fragte er, was ist das für ein laut Getümmel? 1 Sam. 4. 14. Da ward das Getümmel und das Laufen in der Philister Lager größer, Kap. 14, 19. Vor dem Getümmel ihrer starken Rosse, so daher traben, Jerem. 47, 3. Ingleichen figürlich. Dem Getümmel der Welt entfliehen. Wie auch, ein Haufen ein Getümmel erregender Personen. Sich durch das Getümmel drängen.

Anm. Dieses Wort ist so wie Getöse, Geräusch, Gerassel, Geprassel u. s. f. eine Nachahmung des dumpfig tönenden Schalles selbst. In dem 1523 zu Basel nachgedruckten neuen Testamente Lutheri wird Getümmel durch Vngestimm, Aufrür, und Tümmel durch Gethön, Geschrey erkläret. Siehe Tummeln und Tumult.


Getzen (W3) [Adelung]


Der Getzen, des -s, plur. ut nom. sing. S. der Gersten.


Gevatter (W3) [Adelung]


Der Gevatter, des -n, plur. die -n, Fämin. die Gevatterinn, plur. die -en, im gemeinen Leben, eine Person, welche ein Kind aus der Taufe hebet, ein Taufzeuge, doch nur in Beziehung so wohl der Ältern des Kindes, als der übrigen Taufzeugen; so wie eine solche Person in Betrachtung des Kindes, und das Kind in Betrachtung der Taufzeugen ein Pathe genannt wird. Jemanden zu Gevatter (eigentlich zum Gevatter) bitten, ihn bitten, einen Taufzeugen abzugeben. Gevatter stehen, bey einem Kinde Gevatter (nicht zu Gevatter) stehen, es aus der Taufe heben. Mit einem Gevatter stehen, mit ihm zugleich Taufzeuge seyn.

Anm. Schon in den Monseeischen Glossen heißt eine Gevatterinn Givatar. Es ist das Wort Vater mit der Vorsylbe ge, wird aber nur in der schon gedachten Bedeutung von einem geistlichen Vater gebraucht. Das geschärfte a und doppelte t rühret von der gemeinen Aussprache her, wo man Vatter spricht. In Elsaß und Oberschwaben lautet Gevatter Pfetter, im Angels. Gotfader, (gleichsam Vater in Gott,) im Dän. Gudfader, Gudmoder, im Nieders. nur Fadder, Schwed. Fadder, im Fämin. Fadderske. S. Pathe. Im gemeinen Leben einiger Gegenden wird Gevatter in beyden Geschlechtern gebraucht, meine Frau Gevatter, für Gevatterinn; so wie man im männlichen Geschlechte auch wohl Gevattersmann sagt.


Gevatterbrief (W3) [Adelung]


Der Gevatterbrief, des -es, plur. die -e, derjenige Brief, in welchem man jemanden zu Gevatter bittet; niders. Fadderbreef.


Gevatterschaft (W3) [Adelung]


Die Gevatterschaft, plur. die -en, die Verrichtung, das Amt eines Gevattern oder Taufzeugen. Bey meiner letzten Gevatterschaft, als ich das letzte Mahl Gevatter stand. Eine Gevatterschaft annehmen, übernehmen, abschlagen. Der Plural wird nur von diesem Amte in mehrern einzelnen Fällen gebraucht. Schon drey Gevatterschaften abgeschlagen haben. Nieders. Fadderskab, Dän. Vadderschup.


Gevatterstück (W3) [Adelung]


Das Gevatterstück, des -es, plur. die -e, dasjenige, was den Gevattern vor der Taufe eines Kindes an Kuchen oder andern Gebackenen in das Haus geschickt wird; besonders in Meißen.


Geviere (W3) [Adelung]


Das Geviere, des -s, plur. ut nom. sing. eine Figur, welche aus vier gleichen Seiten und gleichen Winkeln bestehet, ohne Plural, wofür aber das Gevierte üblicher ist; ein Quadrat. So führen im Bergbaue die in ein Viereck zusammen gesetzten Schachthölzer, womit ein Schacht ausgezimmert wird, den Nahmen der Geviere.


Geviert (W3) [Adelung]


Geviert, adj. 1) In vier Theile getheilet, in einigen Fällen. Ein kreuzweise gevierter Schild. 2) Aus vier Einheiten gleicher Art bestehend. Ein Geviertes haben, im Picket-Spiele. Die gevierte Zahl, eine Zahl von vieren. 3) In engerer Bedeutung, vier gleiche Seiten und Winkel habend. Ein gevierter Schild, der ein Viereck ausmacht. Der gevierte Schein, in der Astrologie, wenn die Planeten 90 Grad von einander entfernt sind; Quadratum, Tetragonum. Von dem veralteten Zeitworte vieren, S. Abvieren.


Gevierte (W3) [Adelung]


Das Gevierte, des -s, plur. ut nom. sing. das vorige Beywort als ein Hauptwort gebraucht, eine Figur, welche aus vier gleichen Seiten und Winkeln bestehet; ein Quadrat, eine Vierung. Etwas ins Gevierte bringen. Der Platz hat zehen Ellen ins Gevierte, d. i. er macht ein Quadrat aus, von welchem jede Seite 10 Ellen lang ist, dessen Quadrat-Inhalt also 100 Ellen beträgt. Also hatte die Mauer, die er gemessen, ins Gevierte, auf jeder Seite herum, fünf hundert Ruthen, Ezech. 42, 20. Zuweilen auch, obgleich seltener, eine Figur, welche aus vier Seiten bestehet; ein Viereck. Er bauete ein Haus hundert Ellen lang, fünfzig Ellen weit. - Auf dasselbige Gevierte legte er den Boden u. s. f. 1 Kön. 7, 2.


Gevögel (W3) [Adelung]


Das Gevögel, des -s, plur. car. ein Collectivum, mehrere Vögel und deren Arten auszudrucken; das Geflügel. Wildes Gevögel, zahmes Gevögel. Gevögel, das auf Erden flieget, 1 Mos. 1, 20. Reines Gevögel, Kap. 8, 20. Das Gevögel des Himmels, 5 Mos. 28, 29. Bey den Jägern führet besonders das kleinste Federwildbret den Nahmen des Gevögels.


Gevollmächtigen (W3) [Adelung]


Gevollmächtigen, verb. reg. act. mit Vollmacht versehen; wofür doch bevollmächtigen üblicher ist, S. dasselbe. Am meisten wird von diesem Zeitworte noch das Mittelwort in Gestalt eines Hauptwortes gebraucht, ein Gevollmächtigter, für Bevollmächtigter, ungeachtet auch dieses theils richtiger, theils der anständigen Sprechart gemäßer ist.


Gewächs (W3) [Adelung]


Das Gewächs, des -es, plur. die -e, Diminut. in der zweyten und dritten Bedeutung das Gewächschen, Oberd. Gewächslein; von dem Zeitworte wachsen. 1. Ein jedes Ding in Ansehung seines Wachsthums, ingleichen in Ansehung des Ortes, zuweilen auch der Zeit, wo und wenn es gewachsen ist. 1) In Ansehung des Wachsthumes wird es in der vertraulichen Sprechart und im Scherze zuweilen von der Größe gebraucht, zu welcher ein Ding gewachsen ist, von der Taille, Statur. Ein langes hageres Gewächs, so wie Don Quixote. Zuweilen wird es auch für die Taille selbst gebraucht, ein Pferd von einem schönen Gewächse. Sie hat ein Gewächs wie ein Rohr, Less. wo aber Wuchs theils richtiger, theils üblicher ist. Indessen kommt doch schon im Willeram Geuuast, und im Tatian Giuuachsli, von der Leibesgröße, Statur vor. 2) In Ansehung des Ortes, wo ein Ding gewachsen ist, von Feld- und Gartenfrüchten; ohne Plural, als ein Collectivum. Das ist Korn von meinen Gewächs, d. i. das Korn ist auf meinem Acker gewachsen. Am häufigsten von dem Weine. Malaga kann die Weinkäufer mit seinem eigenen Gewächse versehen, mit Wein, den es selbst erzeuget hat. Ein Glas Pontak vom besten Gewächse, der in der besten Lage gewachsen ist. Sechs Fuder Rheinwein Neusalzer Gewächs. Ein besonderes Gewächs von Wein, eine besondere Art. 3) In Ansehung der Zeit, wenn eine Frucht, besonders der Wein, gewachsen ist. Wein vom dießjärigen Gewächse. 2. Eine allgemeine Benennung aller aus der Erde wachsenden vegetabilischen Körper, aller Producte des Pflanzenreiches, besonders der kleinern Arten desselben mit Ausschließung der Bäume. 1) Als ein Collectivum, alle oder doch mehrere Arten derselben; ohne Plural. Das Land soll sein Gewächs geben, und die Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen, 3 Mos. 26, 4. Das Land gibt sein Gewächs, Ps. 67, 7. Und gab ihr Gewächs den Rapen, und ihre Saat den Heuschrecken, Ps. 78, 46. Gleichwie Gewächs aus der Erden wächst, und Samen im Garten aufgehet, Es. 41, 11. Wo besonders Feldfrüchte darunter verstanden werden. In dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, wo man es, 2) als eine allgemeine Benennung der einzelnen. Theile des Pflanzenreiches gebraucht, besonders der kleinern Arten. Feldgewächse, welche auf dem Felde erbauet werden, Gartengewächse, welche in Gärten gezeuget werden, Küchengewächse, Lustgewächse, Arzeneygewächse, zahme Gewächse, wilde Gewächse, Sommergewächse, Wintergewächse, Zwiebelgewächse, Wurzelgewächse u. s. f. Einheimische, ausländische Gewächse. In engerer Bedeutung begreifet man nur diejenigen Pflanzen, welche zur Speise dienen, unter dem Nahmen der Gewächse, und nach einer andern Einschränkung verstehet man darunter oft nur ausländische Pflanzen und Bäume. S. Gewächshaus. 3. Ein unnatürlicher, oder ungewöhnlicher Auswuchs an Thieren und Pflanzen. Dergleichen Gewächse sind die Galläpfel an den Bäumen, die Polypen bey Menschen und Thieren, die Mondkälber in der Bärmutter u. s. f. Ein Fleischgewächs, Nasengewächs u. s. f. Ein Gewächs schneiden, es abschneiden.

Anm. Nieders. Gewaß, Dän. Gewärt. Im Isidor wird Waxsi und im Tatian Vuachsmo für Frucht gebraucht. Ehedem belegte man auch die Mineralien mit dem Nahmen der Gewächse oder Erdgewächse, welchen Ausdruck man aber veralten lassen, seitdem man überzeugt ist, daß sie nicht so wohl durch eine innere Entwickelung der Theile, als vielmehr durch eine Anhäufung von außen entstehen. S. Wachsen.


Gewachsen (W3) [Adelung]


Gewachsen, adv. S. Wachsen.


Gewächserde (W3) [Adelung]


Die Gewächserde, plur. von mehrern Arten, die -n, Erde, welche zur Erzeugung der Gartengewächse bequem ist, Gartenerde, und in weiterer Bedeutung, die oberste fruchtbare Erdschicht, in welcher die Gewächse erzeuget werden, die Dammerde.


Gewächshaus (W3) [Adelung]


Das Gewächshaus, des -es, plur. die -häuser, ein Gebäude an oder in einem Garten, die ausländischen Gewächse im Winter darin vor der Kälte zu vorwahren; ein Orangerie-Haus, eine Orangerie.


Gewächsig (W3) [Adelung]


* Gewächsig, adj. et adv. welches im Hochdeutschen völlig unbekannt ist, zur Erzeugung der Gewächse geschickt. Du schenkst den Furchen ein, Damit die Äcker, wie sie sollen, Durchaus gewächsig seyn, Opitz Ps. 65.


Gewächsreich (W3) [Adelung]


Das Gewächsreich, des -es, plur. inus. eines ber drey Reiche der Natur, welches alle Gewächse oder Pflanzen in sich begreifet, in der weitesten Bedeutung dieser Wörter; das Pflanzenreich, Regnum vegetabile.


Gewäff (W3) [Adelung]


Das Gewäff, des -es, plur. inus. bey den Jägern, die Waffen der Thiere, oder diejenigen Theile, welche ihnen die Natur zur Vertheidigung gegeben hat, besonders die großen hervor stehenden Hauzähne der wilden Schweine, welche auch das Gewerf, das Gewehr, die Waffen genannt werden; ferner, die Zähne der Raubthiere, ingleichen die Klauen der Luchse und Raubvögel. S. Waffen.


Gewahr (W3) [Adelung]


Gewahr, adv. welches nur mit dem Zeitworte werden, für erblicken gebraucht wird, eine vorher nicht gesehene Sache durch das Gesicht empfinden. Eine Sache gewahr werden. Ich sahe mich überall nach ihm um, aber ich konnte ihn nicht ge- wahr werden. Sie wurden gewahr, daß sie nackend waren 1 Mos. 3, 7. Und sie sahen dahin, und wurden gewahr, das der Stein abgewälzet war, Marc. 16, 4. Ingleichen figürlich aus den Wirkungen erkennen. Schlimm genug, daß man der Neid an so viel albernen Menschen gewahr werden muß Ihr Herz fühlt Dinge, über welche tausend andere, ohne sie gewahr zu werden, sich hinweg setzen. Die tiefste Ehrfurcht, in der alle Wesen, welche Gottes Gegenwart, gewahr werden, empfinden müssen. Im Oberdeutschen wird es gemeiniglich mit der zweyten Endung der Sache verbunden, welche Wortfügung Luther gleichfalls beybehalten hat. Seines Geldes gewahr werden, 1 Mos. 42, 27. Die da gewahr werden ihrer Platze, ein jeglicher in seinem Herzen, 1 Kön. 8, 38. Ich ward gewahr unter den Kindern eines närrischen Jünglinges, Sprichw. 7, 7.

Anm. Bey dem Ottfried anauuart uuerdan, ( S. Antwort,) giuuaro wesan, bey dem Notker keuuar uuerilen. Es ist ein altes Wort, welches im Engl. uware lautet, und im Oberdeutschen noch eine zahlreiche Verwandtschaft hat, welche im Hochdeutschen veraltet ist. Wahren bedeutet in dieser Mundart noch sehen. Er habe weder grüne Farbe noch unbekannte Materi daran gewahret, Bluntschli, der auch gewahren für gewahr werden hat. Im Isländ. ist wara, und im Griech. $, gleichfalls sehen. Von diesem Zeitworte nun stammet nicht nur das Nebenwort gewahr, im Schwed. war, warse, im Isländ. var, sehend, sondern auch das Oberdeutsche Beywort gewahr, aufmerksam, wachsam, ingleichen die Hochdeutschen bewahren, ungefär, wahrnehmen, Gewahrsame u. s. f. ab S. diese Wörter, ingleichen Warten, welches das Frequentativum von wahren, sehen, ist.


Gewähr (W3) [Adelung]


Die Gewähr, plur. die -en. 1. Bewährung, Versicherung, vornehmlich in folgenden Fällen. 1) Bescheinigung der Wahrheit einer Sache, ein Zeugniß. In diesem Verstande kommt es nur noch im Bergbaue vor, wo die Gewähr ein schriftliches Zeugniß ist, welches ein Gewerke von dem Gegenschreiber über seine Antheile erhält; der Gewährschein. S. auch Abgewähren und Zugewähren. In der Preuß. Kammer-Ordnung von 1648 bey dem Frisch ist der Gewährzettul ein Zettel, in welchem der Küchenmeister dem Fischmeister die an den Hof gelieferten Fische bescheiniget. 2) Sicherheit in Ansehung der Wahrheit einer versicherten oder erzählten Sache, Vertretung des andern im Falle der bestrittenen Wahrheit einer Sache. Wer leistet mir die Gewähr für das, was du mir sagst? Sie können es sicher wieder erzählen, ich leiste ihnen die Gewähr dafür. Wahrheit, Zeuginn meiner Triebe, Leiste selber die Gewähr, Haged. S. Gewährmann. 3) In den Rechten, die Gewähr angeloben oder leisten, angeloben oder sich verbindlich machen, daß man seine Klage fortsetzen wolle, für die Fortsetzung der Klage die nöthige Sicherheit stellen; im mittlern Latein. Guaranda. 4) Sicherheit in Ansehung des ruhigen Besitzes einer verkauften oder einem andern übertragenen Sache; Evictio, Warandia, Guarandia, Franz. Guarantie, Angels. Waere, Ware, Engl. Warrant, Gewährschaft, Währschaft, Währ; daher der Verkäufer, der diese Gewähr zu leisten verbunden ist, ehedem auch der Gewährer, Nieders. Wahren, Wahrent, genannt wurde. Dem Verkäufer die Gewähr leisten, diese Sicherheit so wohl angeloben, als auch im nöthigen Falle wirklich verschaffen. Die Gewähr eines Gutes übernehmen. 2. Der Besitz einer Sache, so wohl der ruhige, ungestörte Besitz, als auch ein jeder Besitz überhaupt, Nieders. Were, Ware, in welcher Bedeutung es doch größten Theils veraltet ist. In der Verbindung der Könige Ludwigs und Lothars von 840 kommt Geuueri schon von der Investitur, der Übertragung des Besitzes vor. Ich wil die vil guoten vlehen Vmb ein ding das ich doch han In gewalt und in gewer, Burkh. von Hohenfels. In dem Schwabensp. handelt das ganze 214 Kap. von der Geuuer, von dem Besitze. Etwas in seine Gewähr nehmen, in seine Verwahrung, kommt noch in der gerichtlichen Schreibart vor. Etwas in seiner Gewähr haben, in seiner Gewalt, im Besitze. Den Käufer in die Gewähr des erkauften Gutes setzen. Daher heißt in den Rechten auch jemanden entwähren, ihn durch richterliche Gewalt aus dem Besitze einer Sache setzen, und die Entwährschaft, diese Handlung selbst. Anm. In der ganzen ersten Bedeutung scheinet dieses Wort unmittelbar von wahr, verus, abzustammen, weil dessen Hauptbegriff in einer feyerlichen Versicherung oder Bewährung bestehet. Ottfried gebraucht giuuaro sehr oft für wahr, gewiß, und in dem alten Bremischen Stadtrechte ist waren nicht nur die Gewähr leisten, sondern auch schwören; woraus zugleich die Abstammung des Wortes schwören erhellet. So fern es aber den Besitz bedeutet, gehöret es zunächst zu bewahren und verwahren und mit denselben zu dem Zeitworte wahren, sehen.


Gewähr (W3) [Adelung]


Das Gewähr, des -es, plur. die -e, im Bregbaue, ein Stück Feld, welches einem Bergbaue zu Leben gegeben wird, und in der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, ein solches Stück Feldes von einem bestimmten Maße, welches 14 Lachter in der Länge und 7 in der Breite hält. Ein solches Gewähr hält zwey Lehen; drey Gewähr aber machen eine Fundgrube, und zwey eine Maße. Im Bergbaue lautet dieses Wort auch nur Wehr. Es scheinet gleichfalls zu dem vorige Worte zu gehören, und so viel Feld zu bezeichnen, als einem Gewerken zu bauen in die Gewähr, d. i. in Besitz gegeben wird.


Gewähren (W3) [Adelung]


Gewähren, verb. reg. act. von den veralteten Zeitwörtern wahren und währen. 1) Bescheinigen, die Wahrheit einer Sache bezeugen; in welcher Bedeutung es doch nur noch im Bergbaue in den Zusammensetzungen abgewähren und zugewähren üblich ist, S. dieselben und die Gewähr 1. 1). 2) Feyerlich versprechen, abgeloben; in welcher Bedeutung es doch selten vorkommt. Gewähren sie mir eine ewige Verschwiegenheit, Weiße. 3) Sicherheit für etwas leisten, sich verpflichten, für die Wahrheit oder Sicherheit einer Sache zu stehen, und diese Verbindlichkeit wirklich erfüllen. Ich gewähre aus diesen Stämmen zwanzig Klafter, ich stehe dafür, daß sie so viele Klafter enthalten, mache mich anheischig, was daran fehlet, zu ersetzen. An einem verkauften Pferde muß der Verkäufer dem Käufer dreyerley gewähren, nehmlich, daß es nicht anbrüstig, nicht stätisch noch schnöbisch sey, Lübeck. Stadtr. Einem seinen Schaden gewähren. Endlich auch bewahren, Nieders. waren, bewaren, Angels. gewerian, im mittlern Lat. warandare, Franz. guarantir. S. die Gewähr 1. 4) In die Gewähr oder den Besitz einer gebethenen oder gewünschten Sache setzen, das Gebethene wahr machen, die Bitte erfüllen, da es denn so wohl mit der vierten Endung der Person und der zweyten Endung der Sache, als der dritten Endung der Person und der vierten der Sache gebraucht wird; einen seiner Bitte, und einem seine Bitte gewähren, auch wohl eines Bitte gewähren. Sie bitten mich um etwas, das ich ihnen wirklich nicht gewähren kann. Ich bin meines Wunsches gewähret worden, oder mein Wunsch ist mir gewähret worden. Ich zweifele noch gar sehr an der Gewährung dieser Bitte. Wenn ich die Bitte dir gewähre, Gewähr ich dir dein Unglück nur, Gell. Ingleichen ein Versprechen, eine Verheißung wirklich machen oder erfüllen. Giuuerota inan thes giheizes, Ottfr. Im Hochdeutschen nur mit der vierten Endung der Sache. Gott hat hinlängliches Vermögen, die Erfüllung seiner Zusagen zu gewähren, oder uns die Erfüllung u. s. f. Ich halte mich der Gewährung ihres Versprechens versichert. 5) Ein Gut mittheilen, die Gewähr, d. i. den Besitz einer jeden andern Sache übertragen, ohne die Art und Weiße dieser Übertragung zu bestimmen. So kommt geuueren so wohl für übergeben, als auch für wiedergeben bey dem Notker vor. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur in der dritten Endung der Person und der vierten der Sache, besonders von höhern, denen man Ehrfurcht schuldig ist. Gott ist vermöge seiner Güte geneigt, allen zufälligen Dinge die möglichste Vollkommenheit zu gewähren. Das Glück hatte Alexander so viel gewähret, daß es ihm nichts mehr gewähren konnte. Warum hat die Natur dir so viel Reitz gewährt? Gell. 6) Die Ursache einer guten oder angenehmen Wirkung seyn, in der edlen Schreibart. Welch ein Vergnügen gewähren solche Grundsätze! Nichts ist in der Welt ohne Nutzen, alles gewähret die fruchtbarsten Wirkungen und Folgen. 7) Seyn, abgeben, doch nur in einigen Fällen. Das kann keinen Beweis deines Satzes gewähren. Gleichnisse gewähren keine Erklärung der streitigen Sache. Welche Bedeutung ein Überbleibsel des sehr alten Zeitwortes wahren, seyn, zu seyn scheinen, wovon unser ich war, ingleichen die Zeitwörter währen und werden abstammen, anderer Sprachen zu geschweigen. So auch die Gewährung, S. Gewierig.


Gewährbrief (W3) [Adelung]


Der Gewährbrief, des -es, plur. die -e, in den Oberdeutschen Gerichten, eine Urkunde, vermittelst welcher der Kläger in die Gewähr, d. i. in den Besitz der Güter des Beklagten gesetzet wird. S. die Gewähr 2.


Gewährgebühr (W3) [Adelung]


Die Gewährgebühr, plur. inus. oder die Gewährgebühren, sing. inus. im Bergbaue, dasjenige, was man dem Gegenschreiber für die Gewähr, d. i. Bescheinigung des Antheils, bezahlet; welches gemeiniglich 1 Groschen ist, daher er auch der Gewährgroschen genannt wird. S. die Gewähr 1. 1).


Gewährleistung (W3) [Adelung]


Die Gewährleistung, plur. die -en, welches aus der R. A. die Gewähr leisten zusammen gezogen ist, die Leistung der erforderlichen Sicherheit. S. die Gewähr 1. 2).


Gewährmann (W3) [Adelung]


Der Gewährmann, im gemeinen Leben Gewährsmann, des -es, plur. die -männer, diejenige Person, welche für die Wahrheit, Richtigkeit oder Sicherheit einer Sache zu stehen verbunden ist. Cajus ist mein Gewährmann, Cajus hat es versichert oder erzählet, und muß also dafür halten. Ich weiß meinen Gewährmann, den, an welchen ich mich zu halten habe. Wenn auf der einen Seite so viel Gewährmänner sind, als auf der andern, so ist es oft sehr schwer, die Wahrheit auszumachen.

Anm. Im gemeinen Leben nur Wahrbürge, Währmann, im Nieders. Ware, Warend, im Schwabensp. der Geuuer, im mittlern Lat. Warandus, im Franz. Garant. S. die Gewähr 1.


Gewahrsame (W3) [Adelung]


Die Gewahrsame, plur. die -n, ein nur noch hin und wieder in der gerichtlichen Schreibart übliches Wort. 1) Verwahrung; ohne Plural. Etwas in seine Gewahrsame nehmen, in seine Verwahrung. Einen Verbrecher in guter Gewahrsame halten. 2) Ein sicherer Ort. Sich in seine Gewahrsame machen, in den Hafen; in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist. S. die Gewähr 1.

Anm. Nieders. Ware, bey dem Ottfried. in der ersten Bedeutung Wara. Das Oberdeutsche gewahrsam, aufmerksam, wachsam, gehöret zu dem Nebenworte gewahr, S. dasselbe.


Gewährschaft (W3) [Adelung]


Die Gewährschaft, plur. inus. die Gewähr, d. i. die Bürgschaft für die Wahrheit oder Sicherheit einer Sache; ein größten Theils veraltetes Wort, wofür die Gewähr üblicher ist, siehe dasselbe. Nieders. Waarschup.


Gewährschein (W3) [Adelung]


Der Gewährschein, des -es, plur. die -e, an einigen Orten, ein schriftliches Zeugniß, eine schriftliche Bescheinigung. S. die Gewähr 1. 1).


Gewährzeit (W3) [Adelung]


Die Gewährzeit, plur. inus. im Bergbaue, die rechtlich bestimmte Zeit, innerhalb welcher sich jemand in die Gewähr, d. i. in den Besitz eines erkauften Bergtheiles, muß setzen lassen. S. die Gewähr 2.


Gewaldrecht (W3) [Adelung]


Gewaldrecht, adj. et adv. S. Waldrecht.


Gewalt (W3) [Adelung]


Die Gewalt, plur. inus. außer in einigen wenigen einzelnen Fällen, die Gewalten, und in Niedersachsen die Gewälter. 1. Überlegene Macht, Überlegenheit in der Macht. 1) Überhaupt. Pochet nicht so hoch auf eure Gewalt, Ps. 75, 6. Gewalt geht oft vor Recht. Gewalt, oder mit Gewalt drohen, drohen, daß man seine überlegene Macht anwenden wolle. Etwas mit Gewalt wegnehmen. Der Plural ist hier ungewöhnlich, ungeachtet er sich bey dem Opitz findet: Der du vor stärkeren Gewalten Den Armen gnädig willt erhalten. Ingleichen figürlich. Die Gewalt der Beyspiele, die hinreißende, verführende Kraft derselben. Viele Übel erhalten ihr niederschlagendes Übergewicht von der Gewalt der Einbildung, Gell. S. Gewaltsam. 2) Figürlich, unrechtmäßige, unbefugte Anwendung der überlegenen Macht; Gewaltthätigkeit. Auf eines andern Gebiethe Gewalt gebrauchen. Man hat es mir mit Gewalt genommen. Für Gewalt kann ich nicht, ich kann selbige nicht hindern. Einem Gewalt anthun, ihn die Überlegenheit seiner Macht auf eine unbefugte Art empfinden lassen. Der Neigung seiner Kinder Gewalt anthun, sie unbefugter Weiße zwingen. Einem Frauenzimmer Gewalt anthun, es zur Befriedigung seiner Begierden zwingen oder zwingen wollen. Sich selbst Gewalt anthun, zuweilen auch sich ermorden. Mir geschiehet Gewalt. Du darfst nur schreyen, wenn dir Gewalt geschiehet. Gewalt! Gewalt! das gewöhnliche Geschrey in sollen Fällen. In verschiedenen rechtlichen Büchern stehet die Gewalt mit unter denjenigen Verbrechen; welche vor die Obergerichte gehören. S. Gewaltthätig. Vermuthlich gehöret hierher auch diejenige Bedeutung dieses Wortes, da es in einigen Gerichten, z. B. zu Aachen, nicht nur von dem unbefugten Außenbleiben vor Gericht, der Contumacia, sondern auch von der darauf gesetzten Geldstrafe gebraucht wird; da es in dem letztern Falle auch im Plural die Gewalten vorkommt. 2) Anstrengung oder Anwendung aller seiner Kräfte zur Überwindung eines Hindernisses; eigentlich der Kräfte des Leibes, figürlich aber auch zuweilen des Geistes. Eine Thür, ein Haus, ein Schloß mit Gewalt erbrechen. Gewalt mit Gewalt vertreiben. Sie haben ja diese Liebe mit Gewalt rege gemacht. Sich Gewalt anthun, seinen Neigungen, seinen Begierden aus allen Kräften Widerstand leisten. Ich mußte mir die größte Gewalt anthun, um meine Empfindlichkeit nicht ausbrechen lassen. Ich sahe es, wie viele Gewalt sie ihrem Herzen anthun. Ich weiß wohl, daß man einem Freunde zu Gefallen sich auch einmahl Gewalt anthun muß, Gell. Dahin gehören auch die im gemeinen Leben üblichen Ausdrücke, aus aller Gewalt lachen, schreyen u. s. f. aus allen Kräften. Er wollte mit aller Gewalt zu mir kommen, durchaus, er bestand darauf, zu mir zu kommen. Man wollte ihn mit aller Gewalt zu einem Freygeiste machen. Eine sehr niedrige Figur aber ist es, wenn es von einigen für eine große Menge gebraucht wird, eine Gewalt Leute, Geld u. s. f. S. indessen Gewaltig, welches eben in dieser Figur üblicher ist. 3. Macht, das Vermögen zu thun, was man will; wo es im höchsten Verstande von diesem Vermögen in allen Fällen, in der Deutschen Bibel einige Mahl von Gott gebraucht wird, dessen höchste Macht zu bezeichnen, aber zuweilen auch das Zeugniß von der höchsten Macht Gottes bedeutet, wie 1 Pet. 4, 11. Unter dem großem Haufen einiger Gegenden wird so wohl der Schlagfluß, als die Epilepsie die Gewalt Gottes genannt. Im Hochdeutschen gebraucht man es am häufigsten von diesem Vermögen in einzelnen Fällen. 1) Überhaupt, das Vermögen, die Befugniß, etwas zu thun oder zu lassen. Das stehet nicht in meiner Gewalt, ich habe nicht die Macht, das Vermögen, es zu bewerkstelligen. Ich werde thun, so viel in meiner Gewalt stehet. Du hast Gewalt, zu thun, was du willst. Einem Gewalt geben, verleihen. Wenig Gewalt haben. Im Oberdeutschen ist es auch für Vollmacht üblich, und für die Schrift, worin dieselbe ertheilet wird; da denn auch der Plural die Gewälte gebraucht wird. S. Gewaltgeber u. s. f. 2) Besonders, das Vermögen, andern Dingen oder Personen zu gebiethen, für Herrschaft, Bothmäßigkeit. Etwas in seiner Gewalt haben, in seinem Besitze. Seine Zunge in seiner Gewalt haben, nichts anders reden, als was man will. Ihr Herz scheint so gänzlich in ihrer Gewalt zu seyn, daß nicht ein Seufzer es verräth. Eine Sprache in seiner Gewalt haben, sie völlig verstehen. Die Obrigkeit hat Gewalt über uns. Gewalt tragen, d. i. haben. Kraft tragender Gewalt, d. i. kraft, vermöge der Gewalt, welche ich trage, welche mir aufgetragen worden, eine gewöhnliche Formel der Kanzelleyen. Unter eines Gewalt stehen, Herrschaft. Jemanden unter seine Gewalt bringen. Die höchste Gewalt, die Majestät, welche keinem Menschen unterworfen ist. Im Oberdeutschen bedeutete Gewalt ehedem auch das Commando eines Kriegsheeres oder eines Theiles desselben, die Gewalt eines Befehlshabers, S. Gewaltig, welches daher einen hohen Befehlshaber bedeutete. 3) Figürlich, der District, wo man zu gebiethen hat; in welchem Verstande es doch nur in einigen Gegenden Westphalens vorkommt, wo es die Gränzen der Burgfreyheit, oder den zu einem Schlosse gehörigen freyen adeligen Grund und Boden bedeutet. Es lautet alsdann Gewäld, Wälde, Welle, und im Plural Gewälder, Wälde, Wälder, Weller, welches Wort einige unrichtig von Wald abgeleitet haben. Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Kero Kiuualtida, im Isidor Chiuualdi, bey dem Ottfried Giuualt, Walt, bey dem Willeram Geuualt, und wird so wohl von der Kraft, als auch von der Macht gebraucht. Im Nieders. ist Wald, Wold, Welde, so wohl die Austrengung der Kraft, als auch Gewaltthätigkeit, Herrschaft, und Mavht. In eben dieser Mundart bedeutet, jemanden in ein Gut weldigen, ihn in den Besitz desselben setzen, und ihm etwas weldigen, es ihm übergeben. Mit dem Deutschen kommen auch das Dän. Gewalt, das Schwed. Wald, das Angels. Weald und Welde, und das Pohln. Gwalt überein. Im Oberdeutschen ist es sehr häufig männlichem Geschlechtes. Aller min gewalt, Kaiser Heinrich. In welchem Geschlechte es auch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Rächet den Gewalt an eurem Volke geübt, 1 Macc. 2, 67. Es gehöret zunächst zu dem Zeitworte walten, stammet aber mit demselben von bald und wollen ab. S. dieser Wörter.


Gewaltbrief (W3) [Adelung]


Der Gewaltbrief, des -es, plur. die -e, im Oberdeutschen, eine Urkunde, worin jemanden zu einem Geschäfte Gewalt, d. i. Vollmacht ertheilet wird. Zuweilen auch das Beglaubigungsschreiben der Gesandten. S. Gewalt 3. 1).


Gewaltgeber (W3) [Adelung]


Der Gewaltgeber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gewaltgeberinn, plur. die -en, gleichfalls am häufigsten im Oberdeutschen, eine Person, welche einer andern Gewalt, d. i. Vollmacht zu etwas ertheilet; der Principal.


Gewaltgericht (W3) [Adelung]


Das Gewaltgericht, des -es, plur. die -e, an einigen Orten, z. B. zu Cöln, ein Gericht, welches über zugefügte Gewalt, d. i. über thätige Injurien urtheilet; zum Unterschiede von dem Amtgerichte, welches sich nur mit Schmähworten beschäftiget. S. Gewalt 1. 2) und Gewaltrichter.


Gewalthaber (W3) [Adelung]


Der Gewalthaber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gewalthaberinn, plur. die -en, eine Person, welcher zu einem gewissen Geschäfte nöthige Gewalt, d. i. Vollmacht ertheilet worden; der Gewaltführer, Gewaltträger, im Hochdeutschen der Bevollmächtigte, Schwed. Waldgistisman. S. auch Anwalt.


Gewaltherr (W3) [Adelung]


Der Gewaltherr, des -en, plur. die -en, zu Cöln, gewisse gerichtliche Personen aus dem Magistrate, welche die Befugniß haben, peinliche Verbrecher in Verhaft nehmen zu lassen, und sie den Thurmherren zur Verwahrung und zum ersten Verhör zu übergeben, worauf sie an das churfürstliche Schöffengericht abgeliefert werden.


Gewaltig (W3) [Adelung]


Gewaltig, -er, -ste, adj. et adv. Gewalt habend, in der Gewalt gegründet, doch nur in einigen Bedeutungen des Hauptwortes. 1) Mit Anstrengung aller Kräfte, so wohl aller körperlichen Kräfte. Gewaltig anpochen. Gewaltig schreyen. Eine sehr gewaltige Stimme. Wo doch stark, heftig und andere Wörter üblicher sind. Noch mehr figürlich, für sehr, heftig, den innern Graden der Stärke nach, in der vertraulichen Sprechart. Es entstand darüber ein gewaltiger Streit. Gewaltig böse werden. Ein gewaltiger Sturm, eine gewaltige Hitze, eine Gewaltige Kälte. Wenn die Leidenschaft gewaltig wird. Gewaltige Schmerzen empfinden. Es gehet mir gewaltig im Kopfe herum. Es ist ihm gewaltig fehl geschlagen. Im gemeinen Leben auch von der Zahl und Größe. Eine gewaltige Menge Menschen. Ein gewaltig großer Mensch. Ein gewaltiger Mensch, ein sehr großer. 2) Macht habend, gewisse Veränderungen in andern Dingen hervor zu bringen, für stark, mächtig. Die gewaltige Hand Gottes, 1 Petr. 5, 6. Ein gewaltiger Harr; 1 Mos. 10, 8. In welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen veraltet ist. Im Oberdeutschen wurde es ehedem sehr häufig von solchen Personen gebraucht, denen viele Gewalt über andere anvertrauet war, welche daher Gewaltige genannt wurden. Daher kommen noch in Luthers Deutschen Bibel vornehme Kriegs- und Civil-Bediente, ingleichen überhaupt große mächtige Personen unter dem Nahmen der Gewaltigen vor. Bey den Kriegsheeren hat man noch hin und wieder den General-Gewaltiger, Franz. Grand-Prevot de l'Armee, der für die Polizey im Lager sorgt, und Gewalt hat, die Verbrecher auf der Stelle zu bestrafen.

Anm. Bey dem Ottfried ist giuueltig mächtig, und bey dem Notker uualtig stark. Im Nieders. lautet es weldig, wo es aber auch einen Bevollmächtigten bedeutet, im Dän. gevaltig, im Schwed. waldig. Das ohne Noth verlängerte Oberdeutsche gewaltiglich, welches in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt, ist im Hochdeutschen veraltet.


Gewältigen (W3) [Adelung]


Gewältigen, verb. reg. act. 1) Gewalt, d. i. überlegene Macht über etwas bekommen, es bezwingen; in welcher Bedeutung es doch nur hin und wieder im gemeinen Leben, besonders im Bergbaue im figürlichen Verstande üblich ist. Alte Berggebäude gewältigen, sie säubern und mit neuer Zimmerung versehen. Eine Zeche wieder gewältigen, sie, nachdem sie verlassen worden, wieder mit Arbeitern belegen. Das Wasser in den Berggebäuden gewältigen, es fortschaffen. Die Böhmen haben daher ihr feylowati, Wasser auspumpen. Die Gewältigungskosten, im Bergbaue, diejenigen Kosten, welche zur Gewältigung des Wassers, oder zur Ausbesserung alter verfallenen Gebäude angewendet werden. Ehedem auch bewältigen. S. Überwältigen. 2) Gewalt ertheilen, bevollmächtigen; doch nur im Oberdeutschen, wo es auch gewaltigen lautet. Daher die Gewältigung. Im Nieders. ist geweldigen in den Besitz einer setzen, und in einer Preußischen Constitution von 1538 kommt es für Gewalt gebrauchen vor, mit Gewalt widerstehen. Entwältigen war ehedem aus dem Besitze einer Sache setzen.


Gewaltrichter (W3) [Adelung]


Der Gewaltrichter, des -s, plur. ut nom. sing. in Cöln der Richter in dem Gewaltgerichte, S. dieses Wort.


Gewaltsam (W3) [Adelung]


Gewaltsam, -er, -ste, adj. et adv. mit Gewalt, der Gewalt ähnlich, in derselben gegründet, doch nur so fern Gewalt die Anwendung überlegener oder doch heftiger Kräfte bey Überwindung eines Widerstandes bedeutet. Gewaltsame Mittel anwenden. Gewaltsame Arzeneymittel. Die gewaltsame Hinderung einer Handlung. Ohne gewaltsame Verdrehung kann diese Erklärungsart nicht Statt finden. Ein gewaltsamer Tod, im Gegensatze eines natürlichen. Gewaltsam läßt die Sittlichkeit der Anwendung der überlegenen Macht unentschieden. Dagegen gewaltthätig alle Mahl eine unbefugte Gewalt ausdruckt. In der edlen Schreibart stehet das erstere auch zuweilen für heftig, mit Anwendung aller Kräfte. Leidenschaften, die den Geist gewaltsam zur Entwickelung oft unmöglicher Ideen antreiben.


Gewaltsamkeit (W3) [Adelung]


Die Gewaltsamkeit, plur. die -en, die Eigenschaft, da eine Handlung gewaltsam ist, ohne Plural; ingleichen gewaltsame Handlungen selbst, mit dem Plural. Im Oberdeutschen ist dafür auch die Gewaltsame üblich, welches aber auch die obrigkeitliche Gewalt bedeutet.


Gewaltthat (W3) [Adelung]


Die Gewaltthat, plur. die -en, ein im Hochdeutschen ziemlich ungewöhnliches, im Oberdeutschen aber gangbares Wort, eine That zu bezeichnen, welche mit unbefugter überlegener Gewalt vollbracht wird. Wie kann der sich einer Gewaltthat schämen, der gewohnt ist, alle seine Begierden zu befriedigen? Dusch. Wenn - Gewaltthat uns verfolgt und böse Tücke plagt, ebend. Im Hochdeutschen ist dafür Gewaltthätigkeit üblicher.


Gewaltthätig (W3) [Adelung]


Gewaltthätig, -er, -ste, adj. et adv. mit unbefugter Anwendung der überlegenen Gewalt, darin gegründet. Ein gewaltthätiges Verfahren. Ein gewaltthätiger Einfall in eines andern Land. Nieders. baldadig, von bal, böse. Wenn es einige für gewaltsam gebrauchen, z. B. ein gewaltthätiger und schimpflicher Tod, so ist solches wider den Sprechgebrauch. S. Gewalt 1. 2).


Gewaltthätigkeit (W3) [Adelung]


Die Gewaltthätigkeit, plur. die -en. 1) Die Eigenschaft einer Handlung, da sie mit ungerechter Anwendung der überlegenen Macht geschiehet; ohne Plural. Die Gewalthätigkeit eines feindlichen Einfalles. 2) Eine solche Handlung selbst. Gewaltthätigkeiten vornehmen, begehen. Im Oberdeutschen sind dafür auch die Wörter Gewaltthat, Begewaltigung, Vergewaltigung, Thathandlung üblich.


Gewaltträger (W3) [Adelung]


Der Gewaltträger, des -s, plur. ut nom. sing. die Gewaltträgerinn, plur. die -en, S. Gewalthaber.


Gewand (W3) [Adelung]


1. * Der Gewand, des -es, plur. die -wänder, ein nur in dem Weinbaue in Franken und am Rheinstrome übliches Wort, denjenigen Graben zu bezeichnen, worein die Fächser geleget werden, welcher auch der Wendegraben genannt wird; beydes von wenden, so fern es daselbst von der Anlegung eines Weinberges gebraucht wird. Am Rhein heißt ein solcher Graben das Gewände oder Gewende, ingleichen ein Rottgraben. Siehe Anrotten.


Gewand (W3) [Adelung]


2. Das Gewand, des -es, plur. die -wänder. 1) Ein jedes Gewebe, ein jeder Zeug, er bestehe aus Wolle, Seide oder Garn, besonders so fern er zu Kleidungsstücken bestimmet ist; ohne Plural. In dieser weitesten Bedeutung, in welcher es nur noch zuweilen in der höhern Schreibart gebraucht wird, kommt das einfachere Wand nur noch in dem zusammen gesetzten Leinwand vor. 2) In engerer Bedeutung, ein wollenes Gewebe, Tuch; gleichfalls ohne Plural, außer von mehrern Arten und Quantitäten. Auch in dieser Bedeutung ist Gewand so wohl, als das einfachere Wand den Hochdeutschen ziemlich fremd, nicht aber den Ober- und Niederdeutschen. Besonders ist Wand und Gewand in Niedersachsen für wollenes Tuch noch völlig gangbar. S. Gewandschneider. 3) Ein Kleid, ein Kleidungsstück, besonders ein solches Kleidungsstück, welches zur Bedeckung größerer Theile des Leibes bestimmt ist. Simson schlug dreyßig Philister und nahm ihr Gewand, Richt. 14, 19. Sie theilen meine Kleider unter sich und werfen das Loos um mein Gewand, Ps. 22, 19. Sie werden veralten wie ein Gewand, Ps. 102, 27. Warum ist denn dein Gewand so rothfarb? Es. 63, 2. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen nur in der höhern Schreibart üblich. Kaum hatte noch des Schneiders Hand Dem Affen ein erflickt Gewand Von bunten Flecken umgehangen, Gell. Doch gebrauchen es die Mahler und Bildhauer noch von allen, besonders weiten Kleidern und Kleidungsstücken, womit die Figuren bekleidet werden; Franz. Draperie. Die Mahler müssen die Gewänder nach den herrschenden Moden der Zeit einrichten. Die Gewänder müssen der natürlichen Bewegung des Körpers folgen. S. auch Meßgewand, Niederwand.

Anm. In den gemeinen Mundarten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes nur Wand. In Österreich und Baiern ist auch das Zeitwort gewanten, bekleiden, üblich. Das n ist bloß um des Wohllautes willen eingeschoben. Die ältesten Mundarten sagten nur Wat, welches noch in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, üblich ist, und so wohl ein Kleidungsstück, als auch wollenes Tuch bedeutet. S. Heergewette. Bey dem Kero bedeutet Keuuat, im Angels. Waeda, Gewaeda, im Engl. Weed, im Isländ. Vad, im Schwed. Wad, bey dem Ulphilas Vastja ( S. Weste,) so wohl ein Kleid, als Tuch; und bey dem Kero ist uuattun, bey dem Willeram uuaten, und bey dem Ulphilas vastja, kleiden.


Gewände (W3) [Adelung]


Das Gewände, des -s, plur. ut nom. sing. S. 1 Gewand.


Gewandfall (W3) [Adelung]


Der Gewandfall, des -es, plur. die -fälle, an einigen Orten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes, der Fall, wo der Grundherr bey dem Tode eines Unterthanen dessen bestes Gewand, oder Kleid, zu erben befugt ist, und das Recht, sich dieses Gewand anzumaßen, ohne Plural; welches auch das Gewandrecht genannt wird. In Nieders. Watmal.


Gewandhaus (W3) [Adelung]


Das Gewandhaus, des -es, plur. -häuser, ein Gebäude, worin zur Jahrmarktzeit Tücher, Zeuge und Leinwand verkauft werden.


Gewandschneider (W3) [Adelung]


Der Gewandschneider, des -s, plur. ut nom. sing. in vielen Städten Ober- und Niederdeutschlandes, besonders des letztern, eine besondere Art Kramer, welche berechtiget sind, wollene Tücher auszuschneiden, d. i. nach Elle zu verkaufen. In Nieders. Wandsnider, in dem alten Augsburg. Stadtrechte aus dem 13ten Jahrhunderte Gewandsnyder, im mittlern Lat. Pannicida. In dem Vertrage zwischen dem Churfürsten von Mainz und der Stadt Erfurt von 1280 handelt ein eigener Artikel von dem Gewand schneiten. Niemand sol Gewand schneiten zu Erfurt denn uff dem Friedes Erz-Bischoves unter den Gademen u. s. f. das ist, ausschneiden. Wachter verstand unter einem Gewandschneider irrig Sartorem, einen Schneider.


Gewandschnitt (W3) [Adelung]


Der Gewandschnitt, des -es, plur. inus. eben daselbst, der wirkliche Verkauf der wollenen Tücher im Kleinen, ingleichen das Recht, sie ellenweise auszuschneiden.


Gewandsweise (W3) [Adelung]


Gewandsweise, adv. nur in den gemeinen Mundarten so wohl Schlesiens, als auch Niedersachsens üblich ist, für, zum Scheine. Etwas gewandsweise thun, zum Scheine. Gewandsweise von einer Sache sprechen, Less. In Niedersachsen und Holland lautet dieses Wort quantsweise, quantsvys. Kilian und Richey leiten es von dem Holländ. quantselen, tauschen, umtauschen, Quant, einen Spielgesellen, und von dem Hollsteinischen quanten, Durchstecherey treiben, und Quanterey, Durchstecherey, her.


Gewandt (W3) [Adelung]


Gewandt, -er, -este, adj. te adv. welches eigentlich das Participium des Verbi wenden ist, fähig, sich leicht in alle Fälle zu schicken, sich nach Maßgebung der Umstände zu wenden. Ein gewandter Mann. Eine gewandte Schreibart, welche allen Arten von Vorstellungen gehörig angemessen ist. So auch die Gewandtheit, plur. inus. diese Fähigkeit.


Gewarten (W3) [Adelung]


Gewarten, verb. reg. act. et neutr. welches das ohne Noth verlängerte Zeitwort warten ist, aber nur in einigen seiner Bedeutungen vorkommt. 1) * Für abwarten, Zeit und Fleiß auf eine Sache wenden; eine im Hochdeutschen ungewöhnlich Bedeutung. Sie können der Ämter auch nicht gewarten, Sir. 38, 37; wo doch andere Ausgaben anwarten haben. 2) Hoffen, für erwarten, so wohl von einem künstigen Gute, als auch von einem bevorstehenden Übel. Was soll ich mehr von dem Herren gewarten? 2 Kön. 6, 33. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch in der R. A. etwas zu gewarten haben. Ein Unglück, ein großes Glück, eine schwere Strafe zu gewarten haben. Er hat es überstanden, wir haben es noch zu gewarten. Wir haben keine bessern Zeiten zu gewarten. S. Warten und Erwarten.


Gewärtig (W3) [Adelung]


Gewärtig, adv. welches nur mit dem Verbo seyn gebraucht wird. 1) Etwas von einem gewärtig seyn, es von ihm erwarten. Herr ich will mich zu dir wenden Und bey düstrem Unglücksschein Meiner Kost von deinen Händen Nur allein gewärtig seyn, Gryph. 2) In weiterer Bedeutung, einer Sache gewärtig seyn, sie erwarten, sie als bevorstehend so wohl voraus sehen, als auch hoffen. Einer Person gewärtig seyn, sie erwarten. Du kannst deiner Strafe gewiß gewärtig seyn. Ich war mir eines so frühen Besuches nicht gewärtig, Less. wo doch das reciprocum mir überflüssig ist. Alle Fragen bestürzen, deren wir nicht gewärtig sind, ebend. 3) Einem treu, hold und gewärtig seyn, eine gewöhnliche Formel in den Huldigungen, wo gewärtig zum Dienste bereit und fertig bedeutet. Ottfried gebraucht Giuuurti mehrmahls für Hurtigkeit, Geschwindigkeit. In andern Gegenden, selbst in Oberdeutschen, ist dafür gewehr üblich, welches schon in dem Schwabensp. vorkommt: daz er siner herscheft gertriuue und geuuer si; welches zu gewahr zu gehören scheinet, so fern selbiges ehedem sorgfältig, aufmerksam, fleißig bedeutete, und mit warten von dem veralteten wahren, sehen, abstammet. In den Monseeischen Glossen ist Giuueri Fleiß, Sorgfalt. S. Gewahr.


Gewärtigen (W3) [Adelung]


Gewärtigen, verb. reg. act. welches in den beyden ersten Bedeutungen des vorigen Wortes gebraucht wird, für gewärtig seyn. Etwas gewärtigen, es erwarten, es als bevorstehend voraus sehen.


Gewäsch (W3) [Adelung]


Das Gewäsch, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte waschen, so fern es figürlich, unnütze, nichts bedeutende Worte machen bedeutet. 1) Die Hervorbringung solcher unnützen oder nichts bedeutenden Worte; ohne Plural. Das ungereimte Gewäsch so vieler schamlosen Zungen. 2) Eine solche unnütze, ungegründete oder nichts bedeutende Rede selbst. Es ist ein bloßes Gewäsch. Ist kein Gott und keine Unsterblichkeit der Seele, so ist unsere Tugend ein Gewäsch, Gell. Da kützelt er sein Ohr mit richtenden Gewäschen, Günth. In beyden Fällen ist es härter und verächtlicher als Geschwätz.


Gewässer (W3) [Adelung]


Das Gewässer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Sammlung vieles Wassers, so wohl in der einfachen als vielfachen Zahl. Das Gewässer der Sündfluth, 1 Mos. 7, 10. Da kam ein Gewässer, 2 Kön. 3, 20. Vor dem großen Gewässer nicht fortkommen können. Der größte Strom ist nichts als eine Sammlung kleinerer Gewässer. Dieses still fließende Gewässer mit seinen Inseln. Gewässer taumeln jetzt in Strömen von den Höhen, Dusch. 2) Mehrere Arten von Wasser, d. i. flüssigen Körpern, doch wohl nur in der R. A. wohlriechende Gewässer.


Gewebe (W3) [Adelung]


Das Gewebe, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte weben. 1. Die Handlung des Webens; ingleichen ein anhaltendes Weben. Das Gewebe währet den ganzen Tag. Ohne Plural. 2. Die Art und Weise des Webens; auch ohne Plural. 1) Eigentlich. Ein Stück Zeug von lockerem, von festem, von glattem, von buntem Gewebe. 2) Figürlich, die Verbindung der Theile eines Körpers und die Art und Weise dieser Verbindung, in der edlen Schreibart. Das künstliche Gewebe eines Baumblattes. 3. Die gewebte Sache selbst. 1) Eigentlich, wo es als ein allgemeiner Ausdruck einen jeden gewebten Zeug bedeutet, wenn von demselben weiter nichts bezeichnet werden soll, als daß er durch das Weben entstanden ist. Dahin auch das zusammen gesetzte Spinngewebe. Das Gewebe einer Spinne. 2) Figürlich. (a) Die Scheiben in den Bienenstöcken, welche an einigen Orten das Gewebe, die Waben oder Wafeln genannt werden. (b) Das zellichte Gewebe des menschlichen Körpers, in der Zergliederungskunst, eine in Gestalt kleiner Zellen zusammen gefügte häutige Substanz unter der Haut, worin das Fett befindlich ist. (c) Ein Ganzes, so fern es aus mehrern Theilen bestehet, in der edlen Schreibart, und größten Theils im nachtheiligen Verstande. Die ganze Erzählung ist ein Gewebe von Erdichtungen. Sie müssen noch viele schöne Thaten thun, wenn sie dieß Gewebe von unedlen vertilgen wollen. Vergessen sie das schreckliche Gewebe eines sinnlosen Traumes, Less. Mein Leben ist ein Gewebe von unglaublichen Erfahrungen.

Anm. Bey dem Notker Vueppe, im Angels. Webb, Webbe, im Engl. Web, Schwed. Wäf, im Nieders. Woppe. S. Weben und Webe.


Gewebebaum (W3) [Adelung]


Der Gewebebaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Webern, derjenige Baum, an welchem die Werft herunter schleifet, damit sie straff anhalte, und welcher auch der Schleifbaum genannt wird.


Gewehr (W3) [Adelung]


Gewehr, adv. für gewärtig, S. Gewärtig 3.


Gewehr (W3) [Adelung]


1. Das Gewehr, im Bergbaue, S. das Gewähr.


Gewehr (W3) [Adelung]


2. Das Gewehr, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte wehren. 1) Alles, wodurch men zur Wehre, d. i. nicht nur zur Vertheidigung, sondern auch zum Angriff geschickt wird. In dieser weitesten Bedeutung ist es nur noch in einigen Fällen üblich. So nennen die Jägern die vier größten Zähne der wilden Schweine das Gewehr, sonst aber auch die Waffen, ingleichen das Gewäff, das Gewerf. Ja in noch weiterer Bedeutung werden im Jagdwesen auch die Treiben, welche das zurück eilende Wild abwehren, das Gewehr oder die Wehre genannt. In beyden Fällen ist es nur als ein Collectivum üblich. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung verstehet man unter diesem Ausdrucke nur die aus Eisen bereiteten kleinern Werkzeuge dieser Art, deren man sich im Streite wider Menschen und Thiere bedienet, und welche man in der höhern Schreibart Waffen zu nennen pfleget; wo es so wohl als ein Collectivum, alle oder mehrere Arten und Individua zu bezeichnen, als auch von einzelnen Stücken gebraucht wird. Das Schießgewehr, worunter Flinten, Musketen, Pistolen, Terzerole, Teschinken, Karabiner u. s. f. gehören; dagegen größere Werkzeuge dieser Art, welche nicht bequem in der bloßen Hand geführet werden, zu dem Geschütze gehören. Bey den Soldaten führet die Muskete oder der Karabiner den Nahmen des Obergewehres. Das Haugewehr, oder Seitengewehr, bey den Soldaten zu Fuße, das Untergewehr, d. i. der Degen, der Säbel u. s. f. Stoßgewehr, wohin Spieße, Piken, Hellebarden u. s. f. gehören, von welcher Art auch das Kurzgewehr der Soldaten ist. Zum Gewehre greifen, sich gemeinschaftlich bewaffnen. Den Bürgern das Gewehr abnehmen, sie wehrlos machen. Der Degen ist eigentlich ein adeliges Gewehr. 3) In der engsten vornehmlich im Kriegswesen üblichen Bedeutung begreift man unter diesem Worte nur die Flinten, Musketen und Karabiner der Soldaten, so wie die Jäger ihr sämmtliches Schießgewehr nur schlechthin das Gewehr zu nennen pflegen. Auch hier wird es so wohl collective und ohne Plural, als von einzelnen Schießgewehren gebraucht. Die Armee hat das Gewehr gestreckt. Die Soldaten treten in das Gewehr, greifen zum Gewehr, es zu präsentiren. Im Gewehre, unter dem Gewehre stehen, das Schießgewehr in der Hand haben. Präsentiret das Gewehr! Das Gewehr beym Fuß! u. s. f. sind gewöhnliche Commando-Wörter bey den Soldaten.

Anm. Ehedem und noch jetzt in einigen gemeinen Mundarten nur das Wehr, die Wehre, welches letztere noch in der Deutschen Bibel vorkommt, S. dasselbe. Im Nieders. Were, in Dänischen Gevär. Schon Notker nennet die Waffen Vueri. S. Wehren.


Gewehr-Fabrik (W3) [Adelung]


Die Gewehr-Fabrik, plur. die -en, eine Fabrik, in welcher so wohl Schieß- als Hau- und Stoßgewehre verfertiget werden.


Gewehr-Gallerie (W3) [Adelung]


Die Gewehr-Gallerie, plur. die -n, ein Saal oder langes Zimmer, in welchem künstliche Gewehre, besonders Schießgewehre aufbehalten werden.


Gewehrgerecht (W3) [Adelung]


Gewehrgerecht, adj. et adv. bey den Jägern. Ein gewehrgerechter Jäger, der mit dem Schießgewehre gehörig umzugehen weiß.


Gewehrkreuz (W3) [Adelung]


Das Gewehrkreuz, des -es, plur. die -e, bey den Soldaten, ein hölzerner Ständer, der mit einem Kreuzfuße, und oben mit zwey Kreuzsprossen versehen ist, woran die Soldaten im Lager ihr Schießgewehr stellen.


Gewehrmantel (W3) [Adelung]


Der Gewehrmantel, des -s, plur. die -mäntel, eben daselbst, ein Überhang von Zwillich, die Gewehr-Pyramiden im Lager damit zu bedecken.


Gewehrprobe (W3) [Adelung]


Die Gewehrprobe, plur. die -n, die Probe, welche mit einem neuen Gewehre angestellet wird, um dessen Tüchtigkeit zu erfahren.


Gewehr-Pyramide (W3) [Adelung]


Die Gewehr-Pyramide, plur. die -n, das in Form einer Pyramide an dem Gewehrkreuze zusammen gestellte Schießgewehr einer Compagnie Soldaten im Lager.


Gewehrrücken (W3) [Adelung]


Der Gewehrrücken, des, plur. ut nom. sing. eine Stütze, worauf das Schießgewehr der Soldaten vor einer Wache, einem Piquete u. s. f. ruhet.


Geweidicht (W3) [Adelung]


Das Geweidicht, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein mit Weiden besetzter Platz, der auch das Weidicht genannt wird.


Geweih (W3) [Adelung]


Das Geweih, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, die Hörner eines Hirsches, welche aus zwey Stangen mit ihren Enden bestehen, und auch das Gehörn und das Gestänge genannt werden. Da dieses Wort in einigen Mundarten auch Gewicht lautet, so glaubt Frisch, daß es von Gewicht, pondus, abstamme. Allein es scheinet mit mehrerm Rechte zu dem veralteten weichen, wigen, fechten, streiten, Wich, ein Gefecht, zu gehören, wovon die Schweden ihr Wakn, Waffen haben, weil das Geweih die einzigen Waffen des Hirsches ausmacht.


Gewein (W3) [Adelung]


Das Gewein, des -es, oder das Geweine, des -s, plur. car. das Weinen; ingleichen ein anhaltendes oder wiederhohltes Weinen.


Gewende (W3) [Adelung]


Das Gewende, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte wenden. 1. Die Handlung des Wendens oder Umwendens, wo dieses Wort vornehmlich in der Landwirthschaft üblich ist, und 1) das Umwenden mit dem Pflüge im Pflügen auf langen Ackerrücken bezeichnet. Ein Gewende machen, mit dem Pfluge umwenden. 2) Noch häufiger wird als ein Feldmaß gebraucht, ein Stück Ackers von solcher Länge zu bezeichnen, als man mit dem Pfluge in gerader Linie, ohne umzuwenden, zu pflügen pfleget. Das Obergewende, das Mittelgewende, das Untergewende, wenn ein langer Acker in drey solche Theile getheilet wird. Gemeiniglich hat ein Gewende sein bestimmtes Maß, welches sich aber nicht überall gleich ist. An den meisten Orten kommt es mit einem Morgen überein. In der Lausitz hält es 180 Schritte oder 240 Leipziger Ellen in der Länge, und 65 5/16 sechsfurchige Beete, jedes von 2 3/4 Ellen, also 180 Ellen in der Breite; so daß 17 5/5 Gewende eine Hufe machen. In Böhmen und Österreich, wo dieses Wort auch Gewanten oder Gwanten lautet, ist es so viel als ein Morgen, so daß 60 Gewende eine Meile machen. 3) Der Ort, wo andere Äcker der Breite nach an andere anstoßen und sich enden, wird in manchen Gegenden gleichfalls ein Gewende, und wenn sich daselbst viele Äcker enden, ein Hauptgewende genannt. 2. Was gewendet wird, doch nur in einigen Fällen. 1) Die von dem Hirsche im Fliehen mit dem Geweihe umgewandten Blätter oder abgebrochene Äste in den Dickichten heißen bey den Jägern ein Gewende, ingleichen die Himmelspur oder das Himmelszeichen, im Gegensatze der Spur auf der Erde. 2) So viel Dinge Einer Art, als zur Umwechselung nöthig sind, dergleichen man in vielen Fällen, mit einem Französischen Worte, eine Garnitur zu nennen pflegt. Ein Gewende Kleider, Tapeten, Schnallen u. s. f. Ein Gewende Pferde, ein Gespann. 3) Ein Graben, S. 1 Gewand.


Gewendig (W3) [Adelung]


Gewendig, -er, -ste, adj. et adv. was gewendet, und in engerer Bedeutung, was leicht gewendet werden kann, gelenk. übten sich die alten Griechen nicht deswegen im Ringen, um ihren Leib stark und gewendig zu machen? Kästn. Daher die Gewendigkeit, plur. car. S. Gewandt.


Gewerbe (W3) [Adelung]


Das Gewerbe, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Von werden, drehen, ein an einem größern Körper befindlicher kleinerer, welcher sich umdrehen lässet. So wird die Handhaben versehene Schraubenmutter, womit man etwas auf- und zuschraubet, von einigen ein Gewerbe genannt. Auch die ähnlichen Werkzeuge, die Fensterflügel zu verschließen, führen diesen Nahmen, so wie die Wirbelbeine des Rückgrathes auch unter dem Nahmen der Gewerbebeine vorkommen. S. Werben und Wirbel. 2) So fern dieses Zeitwort hin und her gehen bedeutet, wird es in den gemeinen Sprecharten, besonders Niedersachsens, häufig für ein Geschäft gebraucht, welches durch einen Gang und mündliche Bestellung ausgerichtet wird; im Niedersächs. Warf. Einem ein Gewerbe auftragen. Sein Gewerbe ausrichten. Was ist dein Gewerbe? dein Auftrag. Da ich ihn nicht zu Hause fand, ließ ich mein Gewerbe zurück, sagte, was wir zu bestellen aufgetragen war, den Hausgenossen. 3) In weiterer Bedeutung, der ganze Zusammenhang von Geschäften, womit jemand seinen Unterhalt erwirbet, so fern werden überhaupt Geschäfte verrichten bedeutet; wo es denn vornehmlich solche Geschäfte bedeutet, welche vermittelst der Gliedmaßen des Leibes verrichtet werden. Er hat kein bestimmtes Gewerbe, keine bestimmte Lebensart; da es denn so wohl die Handarbeiten, als auch überhaupt Handel und Wandel unter sich begreift, und über dieß als ein Collectivum von dem ganzen Umfange derselben gebraucht wird. Kutschen und andere Fuhrwerke, so wohl des Luxus als des Gewerbes. Ein Land, worin das Gewerbe blühet. Oder, und zwar am häufigsten, von dem Umfange solcher Unterhaltungsmittel einzelner Personen. Sein Gewerbe treiben, fortführen, aufgeben. Die da meynten, die Gottseligkeit sey ein Gewerbe, womit man Unterhält und äußere Vorzüge erwerben könne. 1 Tim. 6, 5. Ein schändliches Gewerbe mit etwas treiben, es zur Befriedigung des Eigennutzes mißbrauchen. S. Werben.


Gewerbebein (W3) [Adelung]


Das Gewerbebein, des -es, plur. die -e, S. Gewerbe 1.


Gewerbegeld (W3) [Adelung]


Das Gewerbegeld, des -es, plur. von mehrern Stimmen dieser Art, die -er. 1) Überhaupt dasjenige Geld, welches man von seinem Gewerbe an die Obrigkeit entrichtet; Nahrungsgeld, Gewerbeschoß, Gewerbesteuer. 2) In engerer Bedeutung, an einigen Orten, dasjenige Geld, welches die Handwerker auf den Dörfer an die Gerichtsherrschaft geben, wofür sie gegen die Handwerker in den benachbarten Städten geschützet werden; Nahrungsgeld, in engerer Bedeutung.


Gewerf (W3) [Adelung]


Das Gewerf, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, die Hau- und Fangzähne der wilden Schweine, weil sie damit gleichsam um sich werfen, das Gewehr, Gewäff.


Gewerk (W3) [Adelung]


Das Gewerk, des -es, plur. die -e, ein Collectivum, welches an einigen Orten, z. B. in der Mark Brandenburg, gebraucht wird, alle zu einem Handwerke gehörigen Meister eines Ortes zu bezeichnen, für Zunft, Innung, Handwerk. Das hiesige Gewerk der Tischler. S. Handwerk. Zuweilen, obgleich seltener, kommt es von den sämmtlichen Gewerken einer Bergzeche vor, wofür doch Gewerkschaft üblicher ist.


Gewerk (W3) [Adelung]


Der Gewerk, des -en, plur. die -en, von Werk, Arbeit, Beschäftigung, welches jetzt nur noch in engerer Bedeutung im Bergbaue von denjenigen Personen gebraucht wird, auf deren gemeinschaftlichen Kosten eine Zeche gebauet wird, und welche in Ungarn Waldbürger genannt werden; die Gewerken zusammen berufen. S. Gewerkschaft.

Anm. Ein solcher Gewerk heißt in einer alten Tirolischen Bergordnung von 1208 bey Herrn von Sperg Wercus. Das Böhmische Kwerkowe ist ohne Zweifel nach dem Deutschen gebildet. Ohne Zweifel führen die Eigenthümer einer Zeche diesen Nahmen um deßwillen, weil sie in den ältesten Zeiten vielleicht Verleger und Arbeiter zugleich Waren.


Gewerkentag (W3) [Adelung]


Der Gewerkentag, des -es, plur. die -tage, die Versammlung der Gewerken in Sachen, welche ihre gemeinschaftlichen Vortheile betreffen. S. Tag.


Gewerkholz (W3) [Adelung]


Das Gewerkholz, des -es, plur. car. an einigen Orten Holz welches zu allerley Geräthschaften und Hausgeräthen dienlich und bestimmt ist, Werkholz, Geschirrholz, Schirrholz, Nutzholz; im Gegensatze des Brenn- und Bau-Holzes.


Gewerkschaft (W3) [Adelung]


Die Gewerkschaft, plur. die -en, die sämmtlichen zu einer Zeche gehörigen Gewerken, im Bergbaue. Eigentlich werden zu einer Gewerkschaft mehr als acht Personen erfordert. Sind ihrer weniger, so wird es eine Gesellschaft, und die Glieder derselben Gesellen genannt. Eine Gewerkschaft machen, zusammen bringen.


Gewette (W3) [Adelung]


1. Das Gewette, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kleid, S. Heergewette.


Gewette (W3) [Adelung]


2. Das Gewette, des -s, plur. ut nom. sing. von Wette, Geldstrafe, ein nur in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, übliches Wort, eine Geldstrafe zu bezeichnen. S. Wette.


Gewette (W3) [Adelung]


3. Das Gewette, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte wetten, das Wetten, im gemeinen Leben. Im Oberdeutschen auch für die Wette. Ein Gewette anstellen, eine Wette. Es gilt ein Gewette.


Gewicht (W3) [Adelung]


Das Gewicht, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben -er, von dem Zeitworte wägen oder wiegen. 1. Als ein Abstractum, das Maß der Schwere zu bezeichnen; ohne Plural. 2) Eigentlich. Der Ducaten hat sein gehöriges Gewicht. Etwas nach dem Gewichte, nach der abgemessenen Schwere, kaufen. Das Gewicht halten, das gehörige Maß der Schwere haben. Der Stein hält zehen Pfund am Gewichte. Der Ochse hat ein großes Gewicht. Und die goldenen Stirnbande machten am Gewicht tausend - Sekel, Richt. 8, 26. Das Gewicht seines Panzers war fünf tausend Sekel, 1. Sam. 17, 5. 2) In engerer Bedeutung, die Art und Weise dieses Maßes. Ein Zentner Leipziger Gewicht, wie es in Leipzig üblich ist. Zehen Pfund Fleischergewicht, nach welchem das Fleisch gewogen wird, im Gegensatze des Kramergewichtes. So auch schwer Gewicht, leicht Gewicht. 3) Figürlich. (a) Die Erheblichkeit einer Sache, ihr Zusammenhang mit andern, ihre Folgen, ihre Wirkungen. Diese Lehre, diese Wahrheit ist von großem Gewichte. Das ist eine Sache von großem Gewichte. (b) Innere Stärke, in einigen Arten des Ausdruckes. Den Übeln, die uns bevorstehen, durch Furcht ein größeres Gewicht geben, als sie wirklich haben, sie größer, schmerzhafter machen. (c) Nachdruck, Einfluß auf den Willen. Lehren ohne Gewicht, welche nicht zugleich auf den Willen wirken. Gründe, deren Gewicht unläugbar ist. Seinen Ermahnungen ein Gewicht geben, sie mit kräftigen Bewegungsgründen begleiten. (d) Das Gewicht der Schreibart, das Verhältniß der Sache gegen die Zahl der Worte, und in engerer Bedeutung, die Eigenschaften, da mit wenig Worten viel gesagt wird. 2. Als ein Concretum, Diminut. Gewichtchen, Oberd. Gewichtlein, ein Körper von bestimmter Schwere, wornach das Maß der Schwere anderer Körper erforschet wird. Ein eisernes, bleyernes, messingenes Gewicht. Ein Pfundgewicht, Zentnergewicht, Lothgewicht u. s. f.

Anm. Im Schwabensp. Geuaege, im Nieders. Wigt, im Schwed. Wigt, im Engl. Weight, im Pohln. Gwicht. Siehe Wägen, ingleichen Gegengewicht, Gleichgewicht, Überge- wicht u. s. f. wo Gewicht in weiterer Bedeutung zuweilen auch für Schwere und Last gebraucht wird.


Gewichtig (W3) [Adelung]


Gewichtig, S. Wichtig.


Gewichtmacher (W3) [Adelung]


Der Gewichtmacher, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, eine Art Rothschmiede, welche sich vornehmlich aus die Verfertigung messingener Gewichte legen.


Gewierig (W3) [Adelung]


Gewierig, er, -ste, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen und einigen Hochdeutschen Kanzelleyen üblich ist, gewährend, eines Bitte, eines Verlangen gemäß. Wir gesinnen an euch, ihr wollet euch gegen ihn willfährig, förderlichst und gewierig erzeigen. Einem eine gewierige Antwort ertheilen. Ich zweifele nicht an dem gewierigen Erfolge dieser Sache. Von gewähren 4, wie langwierig von lange währen, das veraltete bierig, fruchtbar, von bären, tragen, u. s. f. daher es von einigen unrichtig gewührig geschrieben und gesprochen wird.


Gewillet (W3) [Adelung]


Gewillet seyn, S. Wollen.


Gewimmer (W3) [Adelung]


Das Gewimmer, des -s, plur. car. das Wimmern; ingleichen ein anhaltendes und wiederhohltes Wimmern.


Gewinde (W3) [Adelung]


Das Gewinde, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte winden. 1) Die Handlung des Windens; ohne Plural. 2) So viel Garn, als man füglich auf Ein Mahl aufwindet, in einigen Gegenden; Nieders. Windels. 3) Eine Benennung verschiedener gewundener Dinge. An einigen Degengefäße ist der mit Draht zierlich umwundene Theil des Griffes das Gewinde. An den Schrauben führen diesen Nahmen die Gänge der Schrauben, wegen ihrer gewundenen Gestalt. An Dosen, kleinen Gehäusen, Thüren u. s. f. ist es eine Art eines zierlichen Bandes, dessen zwey in einander gefügte Theile um einen Bolzen, oder um ein Niet beweglich sind; Franz. Charnier. In weiterer Bedeutung wird auch an allen Thür- und Fensterbändern der hohle Cylinder, der sich um die Haspe beweget, das Gewinde genannt.


Gewindebohrer (W3) [Adelung]


Der Gewindebohrer, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Zimmerleuten, ein großer Bohrer, Löcher in die Balken und Zapfen zu bohren.


Gewinn (W3) [Adelung]


Der Gewinn, des -es, plur. die -e, von dem folgenden Activo gewinnen, in dessen zweyten Bedeutung. 1. Die Handlung, da man etwas gewinnt, d. i. durch Arbeit, durch Bemühung erlangt, ohne Plural; in welcher Bedeutung es nur selten gebraucht wird. Doch kommt zuweilen der Gewinn der Schlacht, der Gewinn des großen Looses, u. s. f. in derselben vor. 2. Alles was man gewinnet, d. i. durch Arbeit und Bemühung erlangt, oder erlangen kann; wo es in der weitesten Bedeutung nur noch in einigen einzelnen Fällen gleichfalls ohne Plural üblich ist. Das Gut hat einen ansehnlichen Heugewinn, in der Landwirthschaft, es kann jährlich viel Heu einernten. Der Gewinn an Erz, an Metall, an Kohlen u. s. f. was man an Erz, an Metall, an Kohlen erhält, oder durch Arbeit zuwege bringt. Besonders und an gewöhnlichsten in folgenden einzelnen Fällen des Zeitwortes. 1) Im Handel und Wandel, der Überschuß, der auf eine Waare oder Arbeit nach Abzug aller Unkosten übrig bleibt; ohne Plural. Bey diesem Handwerke ist nicht viel Gewinn zu hoffen. Eine Waare ohne Gewinn verkaufen. Vielen Gewinn an einer Waare haben. Auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust, so daß so wohl der Gewinn, als auch der Verlust unter alle Theilnehmer gleich vertheilet werden. Zuweilen, obgleich selten, auch die Begierde nach Gewinn; dem Gewinne ergeben seyn, S. Gewinnsuche. Im gemeinen Leben hat man Für den Gewinn im Handel und Wandel viele, oft niedrige, oft aber auch possierliche Nahmen, welche zuweilen den Begriff des Unerlaubten mit bey sich führen; dahin gehören Profit, Beschores, Schmu, Jux u. s. f. 2) Was man in einer jeden Art von Wettstreite gewinnet, oder gewinnen kann; wo von mehrern Individuis dieser Art auch der Plural die Gewinne üblich ist. Der Gewinn, um welchen gewettet wird. Bey einem Pferderennen Gewinne aussetzen. Den Gewinn erlangen. Dies Gewinne austheilen. Die Gewinne in einer Glücksbude. In einigen Fällen auch der Preis, die Prämie. S. Der Gewinst. 3) Was man im Spiele gewinnet; der Gewinst. Mein Gewinn beläuft sich nicht hoch. Den Gewinn unter sich theilen. Um des Gewinnes willen spielen, in der Absicht zu gewinnen.

Anm. Im Nieders. nur Win, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Vuinne, im alten Franz. Vain, Vayn, jetzt Gain. Vortheil und Nutzen bezeichnen das Geschlecht, wovon Gewinn nur eine eingeschränkte Unterart ist.


Gewinnen (W3) [Adelung]


Gewinnen, verb. irreg. Imperf, ich gewann, Conjunct. ich gewänne; Mittelw. gewonnen; Imperat. gewinn. Es war, so wie das einfachere winnen, ehedem in einem sehr weiten Umfange von Bedeutungen üblich, von welchen die im Hochdeutschen noch gangbaren nur schwache Überreste sind. Es kommt in doppelter Gestalt vor. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. * Für gehen, wovon das Nieders. wanken, gehen, das Iterativum zu seyn scheinet, wo nicht winnen selbst eine Art eines Intensivi von wehen, wegen, bewegen ist, wovon durch eine sehr gewöhnliche Verwechslung der Blase- und Gaumenlaute auch unser gehen berühret; so wie von begehen beginnen, von sehen sinnen u. a. m. herkommen, S. -innen. Bey dem Notker ist winnen, grassari. In engerer Bedeutung, einen Ort durch Gehen erlangen, wohin unter andern auch das Lat. venire gehöret. In dieser ganzen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, indessen ist sie doch um einiger der folgenden Bedeutungen willen zu merken. 2. * Für arbeiten, einer Art der körperlichen Bewegung; in welcher Bedeutung noch das Schwed. inna und winna üblich sind, wo auch Winnuman einen Arbeiter bedeutet. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, liegt aber doch in einigen der folgenden zum Grunde. II. Als ein Activum, dessen Bedeutungen theils Fortsetzungen, theils Figuren der Bedeutungen de vorigen Neutrius sind. 1. * Handlungen oder Bewegungen vornehmen, deren Art aus dem Beysatze oder Zusammenhange näher bestimmt werden muß; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Herr - gewindt von Leder ewr gut schwert, Theuerd. Kap. 38, zieht es von Leder. Theuerdank gewann von stund sein schwert, Kap. 77. Der Held besteckt darinnen (in dem Loche) dermaß, das er nie gewinnen Mocht sein Fueß heraus wider, ebend. daß er seinen Fuß nicht wieder heraus bringen konnte. Einen Verbrecher aus der Stadt winnen, treiben, in den Brem. Statuten. In den gemeinen Sprecharten ist dafür oft gleichfalls bekommen üblich. 2. Durch Bemühung ein gewisses Ziel erreichen; nur noch in einigen einzelnen Fällen. Einen Hügel, einen Berg gewinnen, denselben durch Anstrengung erreichen. Wir konnten in vierzehn Tagen nicht mehr als fünf Meilen gewinnen, aller Bemühung ungeachtet zurück legen. Ehedem sagte man auch, und wohl noch jetzt: den Wald, das Dorf, die Stadt gewinnen, dahin gelangen. Zeit, Raum, Platz gewinnen, sich verschaffen, sie bekommen. 3. Durch Mühe, durch Arbeit hervor bringen, erlangen, sich verschaffen; nur in einigen Fällen. Sein Brot gewinnen, erwerben, verdienen. Ein Fischer der mit seinen Netzen Brot und Zufriedenheit gewann, Haged. Heu gewinnen, in der Landwirthschaft, es so wohl machen und hervor bringen, als auch einernten, bekommen. Wir haben diese Ernte wenig Getreide gewonnen. So auch von allen Feld- und Gartenfrüchten. Kohlen gewinnen, durch Brennen hervor bringen. Aus dem Erze Metall gewinnen, durch Schmelzen erhalten. So sagte man auch ehedem Habe gewinnen; 1 Mos. 12, 5. Die Thür aufgewinnen, aufbringen, eine Stadt eingewinnen u. s. f. 4. Besonders in einzelnen Fällen. 1) Die Oberhand über etwas erhalten, sich das Vermögen verschaffen, gewisse Veränderungen in andern Dingen hervor bringen zu können. (a) Überhaupt; nur noch in einigen einzelnen Fällen. Das Erz oder Erz gewinnen, im Bergbaue, es erbrechen, los brechen. Ein Gang, welcher hart zu gewinnen ist. Sandstein ist leicht zu gewinnen. Die Erze mit Feuer setzen, mit Schlägel und Fäustel gewinnen. Eine Stadt mit Gewalt, mit List, durch einen Überfall gewinnen, sie einnehmen, Könige gewinnen, Os. 11, 17, für bezwingen, sind im Hochdeutschen veraltet. Die Oberhand gewinnen, der mächtigere Theil werden. (b) Besonders. (aa) Durch Gewalt der Waffen, im Gefechte. Eine Schlacht, ein Treffen gewinnen. Das Treffen ist mit leichter Mühe gewonnen worden. Wer hat gewonnen? d. i. das Treffen. Nun haben wir gewonnen, figürlich, nun haben wir das Schwerste überstanden. Aber, den Sieg gewinnen, ist im Hochdeutschen veraltet. (bb) Im Wettstreite, er sey von welcher Art er wolle, gewinnet der, der den Preis davon träget. Den Preis gewinnen. Eine Wette gewinnen. Dahin gehöret auch der Wettstreit vor Gericht, wo derjenige gewinnet, dem vor Gerichte das Rechst gesprochen wird. Den Prozeß gewinnen. Er hat seine Sache gewonnen, oder er hat gewonnen. (c) Durch Liebe, durch Güte, durch Dienstleistungen. Eines Herz gewinnen. Nach dir kann nichts hinfort mein Herz gewinnen, Raml. Jemandes Vertrauen, Huld, Gunst, Liebe gewinnen. Das Volk durch seine Freygebigkeit gewinnen, auf seine Seite bringen. Sie muß durch Güte gewonnen werden, wenn ihr Schwur unkräftig werden soll, Dusch. Sie gewann ihn ein mit ihrem glatten Munde, Sprichw. 7, 21; besser gewann ihn, oder nahm ihn ein. (d) Durch Überredung, durch Überzeugung zum Beyfalle bringen. Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen, Matth. 18, 15. Den Jüden bin ich worden als ein Jüde, auf daß ich die Jüden gewinne, 1. Co. 9, 20, 21, 22. 2) Durch Arbeit oder Bemühung Überschuß über seine Kosten im Handel und Wandel erlangen, wo man nur alsdann gewinnet, wenn man mehr für eine Waare bekommt; als sie uns an Auslage und Unkosten zu stehen kommt; im gemeinen Leben verdienen. Wir gewinnen an dieser Waare nicht viel, an dieser Waare ist nicht viel zu gewinnen. Wir haben zehen Thaler daran gewonnen. Bey der Sache ist was zu gewinnen. Die Zeiten sind so schlecht, es ist nichts mehr zu gewinnen. Aber, in einer Stadt gewinnen, in derselben etwas zu erwerben suchen, Jac. 4, 13, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. 3) Durch Wagen erlangen, wo der Begriff der Arbeit oft verschwindet, und an dessen Statt der Begriff des Glückes eintritt, von allen Arten von Spielen, sie mögen nun eigentliche Glücks- oder auch andere Spiele seyn. Es wird alsdann so wohl von dem Spiele gebraucht, in welchem man der siegende Theil ist, ein Spiel gewinnen, das Spiel gewinnen, ingleichen absolute, Cajus hat gewonnen, nehmlich das Spiel; als auch von dem Gelde oder der Sache, die man dadurch erlanget, zehen Thaler gewinnen, und auch hier absolute, Cajus hat gewonnen, Decius aber verloren, Cajus hat in dem Spiele Geld gewonnen, Decius aber verloren. Das große Los in der Lotterie gewinnen. Das Spiel schlug ihm ein, und er gewann außerordentlich. Einem ein gewonnen Spiel machen, auch figürlich im gemeinen Leben, machen, daß er seine Absicht mit leichter Mühe erreicht. Einem gewonnen Spiel geben, bedeutet zuweilen eben dasselbe, zuweilen aber auch erkennen, daß der andere gewonnen habe, sein Vorrecht, seine Übermacht erkennen, welches man auch durch einem gewonnen geben, ausdruckt. Wie gewonnen, so zerronnen. 5. Im weitesten Verstande, eine gewisse Veränderung erleiden, welche durch den Accusativ ausgedruckt wird, wie bekommen. Ein Ansehen gewinnen, bekommen. Die Sache soll bald ein anderes Ansehen, eine andere Gestalt gewinnen. Es gewinnet den Anschein, als wenn u. s. f. Das Bild wird bald mehr Ähnlichkeit gewinnen. Geschmack an etwas gewinnen. Meine Liebe gewinnet dadurch einen großen Zuwachs. Ein Ende gewinnen, geendigt werden. Wenn wird die Sache einmahl einen Anfang gewinnen? Ich hoffe, die Sache soll noch den besten Fortgang gewinnen. Einen traurigen Ausgang gewinnen. Die unpersönliche Wortfügung: es wird mit der Sache einen guten, einen schlechten Ausgang gewinnen, läßt sich auf keine Weise empfehlen. Eine Person oder Sache lieb gewinnen, ist vielleicht der einzige Fall, da es in dieser Bedeutung mit einem Adverbio verbunden wird. Viele ähnliche Arten des Ausdruckes sind im Hochdeutschen veraltet, außer daß einige noch zuweilen bey den Dichtern vorkommen, aber gemeiniglich bloß um der Bequemlichkeit des Reimes willen. Die Königin groß Schrecken gewann, Theuerd. Einen Sohn gewinnen, bekommen. Ablaß gewinnen; jemanden zum Gevatter gewinnen; beyde noch im Oberdeutschen. Die Bauerschaft gewinnen, Bauer werden, im Nieder-Sächsischen. Der Flachs hat Knoten, der Feigenbaum Blätter, der Weinstock Augen gewonnen; einen Riß gewinnen; Lücken gewinnen; eine Zuversicht gewinnen; ein Herz zu arbeiten gewinnen, und andere Ausdrücke mehr sind eben so ungewöhnlich geworden. 6) Besonders Nutzen gewinnen, eine vortheilhafte Veränderung erleiden, wo es theils absolute steht, theils mit den Adverbiis viel, wenig u. s. f. verbunden wird. Wenn sie ein wenig geschmeidiger seyn wollen, so wird ihre gute Sache viel gewinnen. Durch die Feile kann deine Schreibart noch manches gewinnen. Gewinnt nicht unser Vergnügen schon, wenn wir es einem Freunde erzählen? Man sagt von einer Person, sie habe gewonnen, wenn sich ihre äußere Gestalt gebessert hat, so wie man im Gegentheile sagt, sie habe verloren. Das Hauptwort die Gewinnung ist nur in der 3ten und 4ten Bedeutung üblich. Die Gewinnung des Heues, des Erzes u. s. f. Anm. Ottfried gebraucht uuinnan und giuuinnan schon für nehmen, annehmen, erwerben, fechten, streiten u. s. f. von welcher letztern Bedeutung noch die Bedeutung des Sieges herstammet. Ja auch für stechen, verwunden, kommt es bey dem- selben vor. Im Schwedischen lautet es bald winna, bald durch eine gewöhnliche Verwechslung der Blase- und Gaumenlaute hinna, bald mit Weglassung beyder nur inna. Selbst das Franz. gagner, Gain, im mittlern Lat. guadagnare, gehöret hierher, indem es ehedem nur Vain lautete. Auch im Schwed. ist Gagn Gewinn, Vortheil, Sieg, bey dem Ulphilas gageigan gewinnen, im Griech. $, Lat. vinco, ich siege, welche nebst taufend andern am Ende alle zu dem weitläufigen Geschlechte dieses Wortes gehören. Im Deutschen wird das eine n häufig in ein d verwandelt, wie in winden, erwinden, überwinden, verwinden u. s. f. Selbst finden, Lat. invenire, gehöret hierher, viele anderer zu geschweigen.


Gewinner (W3) [Adelung]


Der Gewinner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gewinnerin, plur. die -en, welches nur im Spielen üblich ist, den gewinnenden Theil zu bezeichnen.


Gewinnst (W3) [Adelung]


Der Gewinnst, S. Gewinst.


Gewinnsucht (W3) [Adelung]


Die Gewinnsucht, plur. car. die Sucht, d. i. unmäßige, ungeordnete Begierde, nach Gewinn, so wohl im Handel und Wandel, als auch im Spielen.


Gewinnsüchtig (W3) [Adelung]


Gewinnsüchtig, -er, -ste, adj. et adv. mit der Gewinnsucht behaftet, in derselben gegründet. Ein gewinnsüchtiger Kaufmann. Gewinnsüchtig spielen.


Gewinnsüchtigkeit (W3) [Adelung]


Die Gewinnsüchtigkeit, plur. car. die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie gewinnsüchtig ist.


Gewinsel (W3) [Adelung]


Das Gewinsel, des -s, plur. car. das Winseln, besonders ein anhaltendes oder wiederhohltes Winseln. Ein klägliches Gewinsel irrer um ihn herum, Gleim. Ich bin des Gewinsels überdrüssig, Weiße.


Gewinst (W3) [Adelung]


Der Gewinst, des -es, plur. die -e, von dem Activo gewinnen, in einigen der eingeschränkten Bedeutungen desselben. 1) Dasjenige, was man im Handel und Wandel als Überschuß über seinen Aufwand bekommt; ohne Plural. Sie halten menschlichen Wandel für einen Jahrmarkt, geben vor, man müsse allenthalben Gewinst suchen, Welsch. 15, 12. Der Goldschmid Demetrius wendete denen vom Handwerk nicht geringen Gewinst zu, Apost. Gesch. 19, 24. Etwas des Gewinstes wegen thun. In dieser Bedeutung ist Gewinn in der edlern Schreibart beynahe üblicher. 2) Was man in jeder Art von Wettstreite gewinnet oder gewinnen kann. Den großen Gewinnst erhalten. Die Gewinste austheilen, zur Schau ausstellen. In welcher Bedeutung Gewinst üblicher ist als Gewinn. 3) Was man im Spiele gewinnet; ohne Plural. Mein Gewinst ist nicht beträchtlich. Seinen Gewinst unter die Armen vertheilen. Wo Gewinst und Gewinn gleich gebraucht werden. Anm. Im Nieders. Winst, Averwinst, im Dän. Holl. und Schwed. gleichfalls Winst, Vinst, Gevinst. Gewinst und Gewinn sind bloß in der Ableitungssylbe unterschieden, ohne daß dadurch die Bedeutung geändert würde. Bloß der Gebrauch ist in einigen Fällen mehr für das eine als für das andere. Eigentlich sollte es Gewinst geschrieben werden; allein um die Häufung der Mitlauter zu vermeiden, lassen mehrere Verbalia auf st das eine n weg, wie Kunst, Gunst, Dunst, Brunst u. s. f. von können, gönnen, dünne, brennen. Gewinsthaft, was Gewinn einträgt, ingleichen gewinnsüchtig, und die Gewinsthaftigkeit, für Einträglichkeit, ingleichen für Gewinnsucht, sind nur hin und wieder im gemeinen Leben üblich.


Gewirk (W3) [Adelung]


Das Gewirk, des -es, plur. inus. von dein Zeitwort wirken, in verschiedenen Bedeutungen desselben. 1. Die Handlung des Wirkens. Ingleichen mit dem Nebenbegriffe dieser Art und Weise des Wirkens. Ein leichtes, lockeres, festes Gewirk. 2. Was gewirket wird, oder gewirket worden, als ein Collectivum. 1) Ein gewirkter Zeug. Ihr Gewirk taugt nicht zur Decke, Es. 59, 6. 2) Bey den Bienen, die Wachsscheiben, worein sie das Honig tragen und ihre Jungen setzten, das Rooß, die Waben; wo das Wort in einigen hauchenden Mundarten auch das Gewürcht lautet.


Gewirr (W3) [Adelung]


Das Gewirr, des -es, plur. inus. die Handlung des Wirrens oder Verwirrens, und eine verworrene Sache selbst, so wohl eigentlich als figürlich. So wird im gemeinen Leben verworrener Zwirn so wohl, als eine jede andere verworrene Sache, eine Verwirrung, ein Gewirre genannt; Nieders. ein Wirwarr. S. Verwirren. Bey den Schlössern führet in engerer Bedeutung das Eingerichte oder die Besatzung, d. i. diejenigen künstlich versetzten Stückchen Metall, welche in die Einstriche des Schlüssels passen, und verhindern, daß nicht jeder Schlüssel das Schloß schließe, den Nahmen des Gewirres, wo es auch den Plural leidet.


Gewiß (W3) [Adelung]


Gewiß, -sser, -sseste, adj. et adv. Es kommt vornehmlich in doppelter Gestalt vor. I. Als ein Bey- und Nebenwort. 1. Eigentlich, fest, unbeweglich, ohne Gefahr zu fallen, zu weichen, oder zu wanken, wo es nur noch als ein Nebenwort gebraucht wird. Der Tisch steht nicht gewiß, er wackelt. Etwas gewiß halten, im gemeinen Leben. Das Bret liegt gewiß, fest, unbeweglich. 2. in weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Vor unwillkührlichen Bewegungen sicher, fest. Der Boden ist so schlüpfrig, daß man keinen gewissen Tritt hat. Ein Kupferstecher muß eine gewisse Hand, einen gewissen Grabstichel, ein Mahler einen gewissen Pinsel haben. Auch als ein Adverbium. Ich stehe hier nicht gewiß. Und stellete meine Füße auf einen Fels, daß ich gewiß treten kann, Ps. 40, 3. 2) Ohne Gefahr aufzuhören, oder verändert zu werden. Kein gewisses Einkommen haben. Mein Einkommen ist mir gewiß. Eine gewisse Besoldung, ein gewisser Gewinn. 3) Zuverlässig, worauf man sich verlassen kann. Das Pferd gehet sehr gewiß, hat einen gewissen Gang. Gebt mir ein gewisses Zeichen, Jos. 2, 12. Ich habe diese Nachricht von gewissen Leuten. 4) Ohne Gefahr des Gegentheils. Die Heirath ist so gewiß noch nicht. Der Tod ist uns allen gewiß. Dieser Gewinn ist mir gewiß. Der Ekel ist der gewisse Gefährte aller Überladungen. Der Friede ist gewiß. Der Tod ist die gewisse Strafe der Sünde. Folgen denn Ehre und Tugend so gewiß der Tugend nach, als man uns in unsern jüngern Jahren verheißt? Gell. 5) Besonders der Erkenntniß, der Überzeugung nach, wo dieses Wort so wohl objective, als subjective gebraucht wird. (a) Objective, von dem Daseyn eines Dinges, so fern es mit völliger Überzeugung erkannt wird. Die Sache ist keinem Zweifel mehr unterworfen, sie ist gewiß. Die Sache ist mehr als zu gewiß, d. i. völlig gewiß. Eine gewisse Wahrheit. Gewisse Nachricht von etwas haben. Das Gewisse für das Ungewisse nehmen. Es ist der gewisse, unläugbare, Aussatz. Es läßt sich davon nicht viel Gewisses sagen. Einem etwas für gewiß erzählen, als eine gewisse Sache. Moralisch gewiß, dessen Gegentheil aus vernünftigen Ursachen nicht zu befürchten ist; geometrisch, mathematisch gewiß; oder gewiß im engsten Verstande, dessen Gegentheil unmöglich ist. (b) Subjective, von der Überzeugung, von der Erkenntniß, und derjenigen Person, welche selbige hat, völlig von einer Sache überzeugt. Eine gewisse Überzeugung, Er kenntniß, von etwas haben. Der gewissen Hoffnung leben. Allein der Herr macht das Herz gewiß. Sprichw. 16, 2. Gib mir einen neuen gewissen Geist, Pf. 51, 12. Es wird mir immer gewisser, daß der Brief verloren gegangen ist. Etwas gewiß wissen, glauben. Ingleichen als ein Nebenwort, mit den Zeitwörtern seyn und werden und der zweyten Endung des Nennwortes.. Einer Sache gewiß seyn, völlig von derselben überzeugt seyn. In einer Sache gewiß seyn. Einer, oder von einer Sache gewiß zu werden suchen. O daß ich dieser Hoffnung gewiß wäre! Weiße. Der Hund macht den Jäger gewiß, wenn er ihm gewisse Zeichen gibt von dem was er suchet. Ich bin gewiß, daß er sie noch liebt. 6) Bestimmt, fest, unveränderlich, als ein Adjectivum allein, und ohne Comparation. Keine gewisse Lebensart haben. Sich einen gewissen Aufenthalt wählen. Er will sich zu nichts Gewissen verstehen. Daß Sonne und Gestirn ihren gewissen Lauf haben, Pf. 74, 16. Einen gewissen Entschluß fassen. 7) Nach einer noch weitern Figur gebraucht man es, doch gleichfalls nur als ein Adjectiv und ohne Comparation, von solchen Dingen, von welchen man nur einige allgemeine Bestimmungen weiß, oder die man nur allgemein bestimmen will. Ich verspüre eine gewisse Widersetzlichkeit bey mir, von der ich keinen Grund anzugeben weiß, ich verspüre etwas bey mir, wovon ich weiter nichts weiß, als daß es Widersetzlichkeit ist, von der u. s. f. Ich habe so eine gewisse Vermuthung, daß Greif der Dieb ist, eine dunkle, unbestimmte Vermuthung. Es hat mir es ein gewisser Reisender, ein gewisser Mensch gesagt, eine Person, von der ich weiter nichts weiß, als daß sie ein Reisender, ein Mensch ist. Ein gewisser Damon, ein Mensch, von dem ich weiter nichts weiß, als daß er Damon heißt. Ingleichen, wenn man es nicht für nöthig hält, eine Sache näher, als durch ein allgemeines Hauptwort zu bezeichnen. Die göttliche Begnadigung der Menschen ist an eine gewisse Ordnung gebunden, ohne von dieser Ordnung mehr zu bestimmen, als daß es Ordnung ist. In gewissen Nothfällen ist diese Sorgfalt nicht unnütz. Man hat eine gewisse Verläugnung seiner selbst in der Freundschaft zum Wunder der Tugend erhaben, die doch oft nur ein glücklicher Eigensinn des Naturells war, Gell. Es gibt ganze Völker, die an gewissen Vergnügungen keinen Geschmack finden. Zuweilen auch im Plural mit einem schwachen Nebenbegriffe der Vielheit, für einige, manche. Entbehret Damis ja gewisse Freuden des Geschmacks, so entbehret er sie, weil er sie nicht bedarf, Gell. Noch mehr in der Sprache des vertraulichen Umganges mit dem Nebenbegriffe der Bedenklichkeit, da man einer Person aus ihr nachtheiligen Ursachen nicht gern näher bestimmen will. Ein gewisser guter Freund von dir meint es nicht redlich. Ein gewisser handelt auch so. Ey, mein Fräulein ist kein gewisses Fräulein! Es hat meisten Theile gewisse Umstände mit denen Leuten, die man gewisse Leute nennt, Schleg. Oft auch der Verachtung. Ein gewisser Damon, ein Mensch, von dem nichts Merkwürdiges zu sagen ist, als daß er Damon heißt. Im mittlern Lat. wurde certus auf diese Art gebraucht, das quidam der Römer auszudrucken, wornach die Franzosen ihr certain gebildet haben. Daß dieses schon sehr frühe geschehen, erhellet aus dem übersetzten Isidor, wo quidam schon durch chiuuisso übersetzt wird. S. Sicher, welches bey einigen, obgleich nicht auf die beste Art, in eben diesem Verstande üblich ist. II. Als ein Adverbium. 1) Als ein versicherndes Nebenwort, das Gegentheil einer Sache von derselben zu verneinen. Er kommt gewiß. Er wird gewiß nicht kommen. Es gehet ganz gewiß. Es ist ihm gewiß zu viel geschehen, oder, gewiß, es ist ihm zu viel geschehen. Mir soll er es gewiß gestehen. 2) Oft auch nur eine Vermuthung zu begleiten. Sie wollen gewiß sehen, ob ich bey einer Lobeserhebung noch roth werde? Gell. Er hat es ihm gewiß mit Fleiß gesagt. Man wird ganz gewiß schon mit dem Essen auf uns gewartet haben. 3) Besonders, wenn selbige einen Verweis, die Bezeugung seines Unwillen enthält. Ich Werde es gewiß nicht gesehen haben, da er dich vorhin in der Nebenstube küßte? Gell. Du wirst gewiß nicht Zeit genug zu einer Herde kleiner Kinder kommen? ebend.

Anm. Im Isidor chiuuisso, bey dem Kero keuuisso, bey dem Ottfried giuuisso, im Angels. wis, im Nieders. wisse, im Schwed. wiss und wist. Es scheinet einem ersten Ursprunge nach zu dem Worte fest zu gehören, weil es mit demselben in einigen, besonders der ersten Bedeutung, überein kommt. S. auch Wissen. In der Form eines Adverbii war es bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern von einem sehr weiten Umfange der Bedeutung, indem es unter andern auch daher, aber, auch nehmlich, zwar u. s. f. bedeutete. Jemanden gewiß nehmen, ihn Verhaft nehmen, und, den greifet und führet ihn gewiß, Marc. 14, 44, sind im Hochdeutschen nur in der niedrigen Sprechart üblich.


Gewißheit (W3) [Adelung]


Die Gewißheit, plur. die -en, der Zustand, da eine Sache gewiß ist, in den weitern und figürlichen Bedeutungen dieses Wortes, ohne Plural; zuweilen aber auch eine gewisse Sache selbst, mit demselben. 1) Der Zustand, da man vor unwillkürlichen Bewegungen sicher ist. Die Gewißheit des Ganges. Die Gewißheit der Hand, des Pinsels, des Grabstichels. 2) Die Abwesenheit der Gefahr, des Aufhörens oder der Veränderung. Die Gewißheit seiner Besoldung, seiner Einkünfte. 3) Die Eigenschaft einer Sache, kraft welcher man sich auf dieselbe verlassen kann. Die Gewißheit einer Zusage. Auch zuweilen eine solche sichere, gewisse Sache selbst. Wegen einer Sache Gewißheit geben, d. i. ein sicheres Unterpfand. 4) Die Abwesenheit der Gefahr des Gegentheils. Die Gewißheit des Todes, des Friedens u. s. f. 5) Besonders in Ansehung der Erkenntniß. (a) Objective, das Daseyn eines Dinges selbst, so fernes mit Überzeugung erkannt wird. Die Gewißheit einer Wahrheit, einer Nachricht u. s. f. Zuweilen auch im Concreto, eine solche Sache selbst, in Ansehung der festen Überzeugung derselben. Die Wahrheiten müssen in uns zu Gewißheiten werden. (b) Subjective, derjenige Zustand der Erkenntniß, bey welchen keine Furcht des Gegentheils weiter vorhanden ist; ohne Plural. Etwas mit Gewißheit erkennen, einsehen. Eine Gewißheit von etwas haben. Etwas zur Gewißheit bringen. Jene Stille der Leidenschaft, jene Gewißheit der besten Erwartungen - ach, sie ist vielleicht unwiederbringlich verloren! Hermes. Die moralische Gewißheit, derjenige Zustand der Erkenntniß, da man keine vernünftige Ursache hat, das Gegentheil für wahr zu halten; die mathematische oder geometrische Gewißheit, wenn das Gegentheil als eine Unmöglichkeit erkannt wird. Es gibt viele Dinge, von welchen sich keine Gewißheit erlangen läßt.

Anm. Schon bey dem Ruvdeport im 9ten Jahrh. Kuisheit, in dem alten Fragmente auf Carln den großen bey dem Schilter Wisheid.


Gewißlich (W3) [Adelung]


Gewißlich, adv. welches im gemeinen Leben für das versichernde Nebenwort gewiß üblich ist, und noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Es ist gewißlich wahr. Er wird gewißlich, kommen.


Gewitter (W3) [Adelung]


Das Gewitter, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Überhaupt, das Wetter, die Witterung, der Zustand des Dunstkreises und dessen Veränderungen, in welcher Bedeutung es nur noch in dem Worte Ungewitter üblich, außer dem aber veraltet ist. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, der Ausbruch einer mit Schwefeldünsten oder elektrischer Materie angefülleten Wolke, ihre Auflösung in Blitz und Donner; im gemeinen Leben ein Wetter, Donnerwetter, im Oberd. auch ein Hochgewitter. Wir hatten heute drey heftige Gewitter. Das Gewitter schlägt ein. Vom Gewitter erschlagen werden. Ingleichen eine solche Wolke selbst; eine Gewitterwolke. Es stehet ein Gewitter am Himmel. Es ziehet sich ein Gewitter zusammen. Das Gewitter kommt herauf, gehet vorbey. S. Wetter und Wittern.


Gewitterregen (W3) [Adelung]


Der Gewitterregen, des -s, plur. ut nom. sing. der mit dem Ausbruche eines Gewitters verknüpfte Regen.


Gewitterschade (W3) [Adelung]


Der Gewitterschade, des -ns, plur. die -schäden, ein Schaden, welcher durch ein Gewitter verursacht wird.


Gewitterwolke (W3) [Adelung]


Die Gewitterwolke, plur. die -n, eine mit Schwefeldünsten oder elektrischer Materie angefüllte Wolke, welche unter gewissen Umständen sich in Blitz und Donner auflöset, ein Gewitter, eine Wetterwolke, Donnerwolke; zum Unterschiede von einer bloßen Regenwolke.


Gewitziget (W3) [Adelung]


Gewitziget, S. Witzigen.


Gewogen (W3) [Adelung]


Gewogen, -er, -ste, adj. et adv. Fertigkeit besitzend, jemanden wegen seines guten Verhaltens zu lieben, und in weiterer Bedeutung, überhaupt Liebe gegen einen Geringern empfindend; am häufigsten in Gestalt eines Nebenwortes. Einem gewogen seyn. Bleiben sie mir gewogen. Jemanden sich gewogen machen. Wir verbleiben euch in Gnaden gewogen, eine gewöhnliche Schlußformel höherer gegen ihre Unterthanen. In engerer Bedeutung wird dieses und das folgende Wort nur von der Neigung Höherer gegen Geringere gebraucht. Allein im gesellschaftlichen Umgange sind sie aus Höflichkeit auch unter Personen gleiches Standes sehr üblich.

Anm. Im Dän. bevaagen, im Schwed. bewagen. Es ist eigentlich das Mittelwort von wegen, gewegen, welches figürlich auch von der Neigung oder Bewegung des Gemüthes zu einer Person, besonders von der Liebe, Neigung, und dem Mitleiden gebraucht wurde. Ih wille thir wegen, ich will dir günstig seyn, in dem alten Fragmente auf Carls den Großen bey dem Schilter. Daher hier mit Frischen an keine Wage zu gedenken ist.


Gewogenheit (W3) [Adelung]


Die Gewogenheit, plur. inus. die Liebe zu einer Person um ihres guten Verhaltens willen, und in weiterer Bedeutung, jede Liebe zu einem Geringern. Gewogenheit gegen jemanden haben, empfinden. Sich eines Gewogenheit empfehlen. S. das vorige.


Gewohnen (W3) [Adelung]


Gewohnen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, Fertigkeit zu Empfindung oder Handlungen Einer Art, ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe bekommen, welches durch Nachahmung, mehrmahlige Wiederhohlung oder Erwartung ähnlicher Fälle geschiehet. Ich kann es an diesem Orte, in diesem Hause nicht gewohnen. Sprichw. Jung gewohnt, alt gethan. Im Hochdeutschen häufig mit der vierten Endung der Sache. Da Soldatenleben gewohnen. Man gewohnt endlich alles. Die man die süßen Herren nennt, und die das Denken nie gewohnen, Gell. Man führtes (das Füllen) streichelnd auf und nieder, Daß es den Zwang gewohnen soll, ebend. Im Oberdeutschen aber und der höhern Schreibart der Hochdeutschen, mit der zweyten. Der Arbeit, der Hitze, der Kälte gewohnen. Daß du nicht gewohnest der Narrheit, Sir. 23, 19. Man gewohnt der guten Tage eher als der bösen. Indessen ist statt dieses Zeitwortes das Mittelwort gewohnt mit den Zeitwörtern seyn und werden im Hochdeutschen beynahe üblicher, besonders anstatt der zusammen gesetzten Zeiten des Verbi gewohnen, wo es oft auch in weiterer Bedeutung von Dingen gebraucht wird, die man mehrmahls gethan und empfunden hat. Ich bin gewohnt, mit ehrlichen Leuten umzugehen. Er ist gewohnt früh aufzustehen. Wir sind nicht gewohnt, so spät zu essen. Ingleichen mit der vierten Endung. Das bin ich an ihm schon gewohnt. Man wird es leicht gewohnt. Man wird alles gewohnt. Noch mehr mit der zweyten. Des Unglückes, der Arbeit gewohnt seyn, Ich bin dessen nicht gewohnt. Eines Dinges gewohnt werden. Auch im Scherze von leblosen Dingen. Der Rock ist des Regens schon gewohnt.

Anm. Im Nieders. wennen, im Angels. geuuunian, im Oberdeutschen ehedem nur wohnen. Ich was vil vngewon Des ich nu wonen muos, Heinrich von Rugge. Kero gebraucht kiuuonen für gewohnt seyn, pflegen. Es gehöret zu dem Zeitworte wohnen, welches in der weitesten Bedeutung auch bleiben, von dem Verharren in einem Orte oder Zustande, bedeutete, S. dasselbe. Das Mittelwort gewohnt lautet im Isidor nur chiuuon, bey dem Ottfried giuuon, im Nieders. gewend.


Gewöhnen (W3) [Adelung]


Gewöhnen, verb. reg. act. welches das thätige Zeitwort des vorigen Neutris, gewohnen machen, d. i. Fertigkeit zu Empfindungen oder Handlungen einer Art ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe hervor bringen. Die Pferde an den Wagen, einen jungen Menschen zur Arbeit gewöhnen. Ein Kind von der Brust (oder zu anderm Getränke als der Muttermilch,) gewöhnen, welches auch oft nur schlechthin ein Kind gewöhnen, besser aber entwöhnen, genannt wird. Ingleichen als ein Reciprocum, sich an oder zu etwas gewöhnen. Zu einem strengen Gehorsam, zur Arbeit gewöhnt seyn.

Anm. Im Angels. wenian, im Nieders. wennen. Das Hauptwort die Gewöhnung wird am häufigsten nur von der Gewöhnung oder Entwöhnung eines Kindes gebraucht.


Gewohnheit (W3) [Adelung]


Die Gewohnheit, plur. die -en, von dem Neutro gewohnen. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, die Fertigkeit zu freyen Veränderungen einer Art, ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe. Wenn man eine Sache sehr oft thut, so wird endlich eine Gewohnheit daraus. Die Gewohnheit wird zur andern Natur. Etwas in Gewohnheit oder in der Gewohnheit haben, im gemeinen Leben. Es ist seine Gewohnheit so. Er blieb über seine Gewohnheit aus. Das ist wider meine Gewohnheit. Etwas aus bloßer Gewohnheit thun. In der Gewohnheit bleiben. Es bestehet nur in der Gewohnheit. Was thut Gewohnheit nicht? Das ist der Gewohnheit gemäß. Manchem ist das Stehlen zur Gewohnheit geworden. Gewohnheit macht den Fehler schön, Gell. Zuweilen auch in weiterer Bedeutung, eine jede oftmahlige Wiederhohlung einer und eben derselben Handlung. Das ist längst aus der Gewohnheit gekommen. 2) Als ein Concretum, freye Veränderungen einer Art ohne deutliches Bewußtseyn. Eine Gewohnheit an sich haben, an sich nehmen, ablegen. Üble Gewohnheiten an sich haben. Die Einbildung verleitet uns oft, daß wir Gewohnheiten für Gründe ansehen. In Absicht ganzer Gesellschaften sind Gewohnheiten eingeführte Arten des Verhaltens, welche man aus Nachahmung anderer beobachtet, ohne sich weiterer Gründe bewußt zu seyn; Moden, Blinde Gewohnheiten, welche bloß aus Nachahmungen anderer oder aus Erwartung ähnlicher Fälle geschehen. In den Rechten ist die Gewohnheit und das Gewohnheitsrecht ein Recht, welches durch einen langen Gebrauch eingeführet worden. S. Herkommen.

Anm. Schon bey dem Kero Keuuonaheit, Wonaheit, bey dem Ottfried Giuuonaheit, im Tatian Giuuoni, im Schwabensp. Wonheit, im Nieders. Wente, Woonte, Waante, Waanheit, Wenst, Gewenst, im Schwed. Wana, im Isländ. Vandi.


Gewohnheitssünde (W3) [Adelung]


Die Gewohnheitssünde, plur. die -n, eine Sünde, welche aus Gewohnheit begangen wird, oder zur Gewohnheit geworden ist.


Gewöhnlich (W3) [Adelung]


Gewöhnlich, -er, -ste, adj. et adv. was in den meisten oder doch in mehrern ähnlichen Fällen ist oder geschiehet. Die gewöhnliche Bedeutung eines Wortes. Das gehöret zu meinen gewöhnlichen Verrichtungen. Nach der gewöhnlichen Art denken. Die Gewitter sind im Sommer etwas sehr gewöhnliches. An dem gewöhnlichen Orte zusammen kommen. Den gewöhnlichen Gottesdienst abwarten. Auf die gewöhnliche Weise. Es ist ihm gewöhnlich, früh aufzustehen. Diese Kleidung ist hir nicht gewöhnlich. Bey Tische spricht man hier gewöhnlich nur wenig. So auch die Gewöhnlichkeit, plur. inus.


Gewölbe (W3) [Adelung]


Das Gewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. eine gewölbte, d. i. nach einem Bogen gemauerte Decke. Ein Gewölbe machen. Das Kreuzgewölbe, Kugelgewölbe, Muldengewölbe u. s. f. Ingleichen ein mit einer solchen Decke versehener Ort. In das Gewölbe gehen. In engerer Bedeutung, ein solcher zu Aufbehaltung allerley Waaren bestimmter gewölbter Ort; daher in weiterm Verstande in manchen Städten oft ein jeder Kramladen, wenn er gleich keine gewölbte Decke hat, ein Gewölbe genannt wird. Auch figürlich in der edlen Schreibart. Der Fluß, der schnell durch Fluren unter grünen Gewölben vorbey rauscht, Geßn.

Anm. Nieders. Wolfte, Welfte, Gewolfte, Dän. Hvälving, Schwed. Hwalf, Engl. Vault, Ital. Volta, Franz. Voute. S. Wölben. In den gemeinen Sprecharten lautet der Plural Gewölber.


Gewölbebock (W3) [Adelung]


Der Gewölbebock, des -es, plur. die -böcke, ein Bock, d. i. hölzernes Gerüst, über welchen ein Gewölbe gemauert wird.


Gewölbestein (W3) [Adelung]


Der Gewölbestein, des -es, plur. die -e, keilförmige Mauersteine, aus welchen die Gewölbe aufgeführet werden.


Gewölk (W3) [Adelung]


Das Gewölk, des -es, plur. die -e, eine Sammlung mehrerer Wolken. Das Gewölk hat sich ergossen, Opitz. Die Blitze schlängeln sich nicht durchs schwarze Gewölk, Geßn. Bis durch die Gewölke freundlich der Abendstern blinkt, Zachar.


Gewölle (W3) [Adelung]


Das Gewölle, des -s, plur. inus. bey den Jägern, diejenigen Haare oder Federn, welche die Raubvögel mit dem Raube hinunter schlucken, und den andern Tag wieder von sich geben. Von Wolle, in der weitesten Bedeutung.


Gewüchs (W3) [Adelung]


Das Gewüchs, S. Wuchs.


Gewühl (W3) [Adelung]


Das Gewühl, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte wühlen, ein mehrmahliges oder anhaltendes Wühlen. Ingleichen figürlich, eine verworrene Bewegung mehrerer Dinge neben einander, und diese Dinge selbst. Das unaufhörliche Gewühl sinnlicher Zerstreuungen und Belustigungen. Die Rinder hüpften mit frohem Gewühl um ihn her, Geßn. Ein frohes buntes Gewühl Von arbeitenden Menschen, von einzeln weidenden Herden, Zachar.


Gewührig (W3) [Adelung]


Gewührig, S. Gewierig.


Gewürk (W3) [Adelung]


Das Gewürk, S. Gewirk.


Gewürm (W3) [Adelung]


Das Gewürm, des -es, plur. inus. oder die Gewürme, sing. inus. ein Collectivum, entweder alle Würmer, d. i. diejenigen Thiere, welche zwar ein Herz mit einer Kammer und ein weißes Blut, aber keine Füße, und anstatt der Fühlhörner Fühlfäden haben, wodurch sie von den Insecten unterschieden sind, oder doch mehrere Thiere dieser Art, mehrere Würmer, zu bezeichnen. Allem Gewürm Speise geben, 1 Mos. 1, 30. Über alles Gewürm das auf Erden kreucht, v. 26.


Gewürz (W3) [Adelung]


Das Gewürz, des -es, plur. die -e, 1) Eigentlich, die Wurzeln einer Pflanze oder eines Baumes, in welcher Bedeutung es nur noch in Oberdeutschen üblich ist. Kleine Gewürze und Zäferchen der Kräuter, Altmann. Da es von Gras und Gewürzen seine Nahrung sucht, ebend. d. i. von Wurzeln. 2) In weiterer Bedeutung nannte man ehedem alle Pflanzen und Gewächse, besonders diejenigen, mit deren Blättern und Wurzeln man die Speisen schmackhaft zu machen suchte, Gewürze. 3) In noch weitere Bedeutung, ein jeder Körper von einem scharfen Geschmacke, dessen man sich bedienet, die Speisen schmackhaft zu machen. Salz ist das beste Gewürz. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung führen diesen Nahmen nur diejenigen Theile besonders ausländischer Pflanzen, deren man sich in den Küchen zu dieser Absicht bedienet, wo es als ein Materiale gebraucht wird und den Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten leidet; im gemeinen Leben Würze, im Nieders. Kruut, S. Kraut. Gewürz an die Speisen thun. Ein solches Gewürz heißet bey dem Willeram Stankuuurzo, d. i. wohlriechende Wurzel. S. Würze und Würzen.


Gewürzhaft (W3) [Adelung]


Gewürzhaft, er, -este, adj. et adv. dem Gewürze am Geschmacke und Geruche ähnlich. Gewürzhafte Kräuter. So auch die Gewürzhaftigkeit.


Gewürzhändler (W3) [Adelung]


Der Gewürzhändler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gewürzhändlerinn, plur. die -en, ein Handelsmann, der vornehmlich mit Gewürzen handelt; der Spezerey-Händler, Würzhändler, Materialist.


Gewürzkram (W3) [Adelung]


Der Gewürzkram, des -es, plur. car. der Kram, d. i. Handel im kleinen, mit Gewürzen; der Würzkram, Nieder. Kruutkram.


Gewürzkrämer (W3) [Adelung]


Der Gewürzkrämer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gewürzkrämerinn, plur. die -en, ein Krämer, d. i. Handelsmann im Kleinen, der mit Gewürzen handelt; ein Würzkrämer, Nieders. Kruutkramer.


Gewürzladen (W3) [Adelung]


Der Gewürzladen, des -s, plur. die -läden, ein Handlungsladen, in welchem Gewürz verkauft wird, der Würzladen; das Gewürzgewölbe, wenn es dabey ein Gewölbe ist.


Gewürzmühle (W3) [Adelung]


Die Gewürzmühle, plur. die -n, eine Art kleiner Stampfmühlen, Gewürz in großer Menge darin zu mahlen.


Gewürznägelein (W3) [Adelung]


Das Gewürznägelein, des -s, plur. ut nom. sing. noch häufiger aber, die Gewürznelke, plur. die -n, die Blume eines Ostindischen Baumes, welches getrocknet und als ein Gewürz an den Speisen gebraucht wird; die Würznelke, ingleichen nur Nelke schlechthin, Caryophyllus L. Den Rahmen hat sie von ihrer Gestalt, in welcher sie einiger Maßen, unser Gartennelken gleichet.


Geyen (W3) [Adelung]


* Geyen, verb. reg. act. welches nur in der Niederdeutschen Seesprache üblich ist, wo es ziehen zu bedeuten scheinet. Die Segel aufgeyen, d. i. zusammen oder gegen die Raa ziehen, welche vermittelst der Geytaue, Gietaue, oder Gytaue, zu geschehen pflegt, welche an den Ecken der Segel befestiget sind; Franz. Cargues. S. Giebe.


Geyer (W3) [Adelung]


1. Der Geyer, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, diejenige Ebene oben auf dem hohen Ofen, auf welcher man herum gehen kann, und von welcher die Kohlen und Eisensteine in den Ofen gestürzet werden. Es scheinet, daß es von gehen herstamme, welches dadurch wahrscheinlich wird, weil dieser Gang in einigen Gegenden auch die Sicht genannt wird. S. 2 Gicht.


Geyer (W3) [Adelung]


2. Der Geyer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Benennung verschiedener großen Raubvögel. So werden der Mausefalk, der Wannenweher, der Taubenfalk, der Baumfalk, eine Art Wasserschwalben, welche sich von dem Gewürme nähren u. a. m. selbst bey den Jägern und Vogelstellern sehr häufig mit dem Nahmen der Geyer belegt. 2) In engerer und richtigerer Bedeutung führet diesen Nahmen eine Art größerer Vögel mit vier bloßen Zehen welche Klein zu den Habichten in weiterer Bedeutung rechnet, und welche sich durch ihren mehr wasser - als senkrechten Körper, durch die kürzern und gekrümmten Füße und Schenkel, durch die größere Menge von Flaumfedern, durch den großen und weiten Kropf, vornehmlich aber durch ihren Aufenthalt bey den Äsern, und durch die gerade Gestalt des Schnabels bey der Wurzel, der sich erst am Ende in einen Haken krümmet, von den Adlern, Falken und andern Raubvögeln unterscheidet; Vultur Klein, nach welchem nur der Goldgeyer, der Hasengeyer oder Gänseaar, der Braungeyer oder Fischaar, der graue Geyer, der Hühneraar, der Geyeradler, der Kahlkopf, der Greifgeyer und der Kuttengeyer zu diesem Geschlechte gerechnet werden. S. diese Wörter, ingleichen Weihe. 3) Im gemeinen Leben, eine verdeckte Benennung des Teufels. Ich wollte, daß ihn der Geyer hohlte! Was, Geyer, sicht ihn an? Der Geyer! Sie nehmen die Sache sehr genau.

Anm. Ehedem Kir, Gyr, Gire, im mittlern Lat. Gira, im Engl. Geir, welches mit dem Griech. $ und $ sehr genau überein kommt. Gemeiniglich leitet man dieses Wort von gier, gierig, ab, weil diese Art der Raubvögel nicht nur auf ihren Raub sehr gierig, sondern auch sehr gefräßig ist, so wie das Lat. Vultur von velle abstammen soll. Allein da sie diese Eigenschaft mit allen größern Raubvögeln gemein haben, und das Geschrey einiger derjenigen Vögel, welche im gemeinen Leben mit dem Nahmen der Geyer beleget werden, sehr deutlich, gä, gä, lautet ( S. Geyerschlag,) so stehet es dahin, ob der Grund der Benennung nicht vielmehr in diesem Laute zu suchen ist. Das Griech. $ wird indessen gleichfalls von $, ich begehre, abgeleitet, wohin auch die Dänische und Schwedische Benennung dieses Vogels, Gam. Isländ. Gammur, zu gehören scheinet.


Geyeradler (W3) [Adelung]


Der Geyeradler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art großer Geyer, mit einem weißen Kopfe, dunkelrothen Backen und bunter Brust; Aquila vulturina Klein. Vultur Perenopterus L. der Bastardadler. Einige rechnen ihn zu de Adlern. Im Hebr. und Arab. heiß er Raham, welches Wort Michaelis behalten, Luther aber durch Storch übersetzt hat. Weil er kein lebendiges Thier anfällt, sondern bloß vom Aase lebt, so wird er auch von einigen der Aasgeyer genannt.


Geyereule (W3) [Adelung]


Die Geyereule, plur. die -n, eine Art Eulen, welche am Schnabel dem Geyer gleicht, am größten Theile des Leibes zie- gelfarbig ist, und mit kleinen weißen, schwarz eingefaßten Flecken versehen ist; Ulula vulturina Klein.


Geyerfalk (W3) [Adelung]


Der Geyerfalk, des -en, plur. die -en, S. Gerfalk.


Geyerkönig (W3) [Adelung]


Der Geyerkönig, des -es, plur. die -e, S. Kuttengeyer.


Geytau (W3) [Adelung]


Das Geytau, des -es, plur. inus. S. Geyen


Gezäh (W3) [Adelung]


Das Gezäh, oder das Gezäu, des -es, plur. die -e, ein nur in den gemeinen Sprecharten, besonders im Bergbaue übliches Wort, eine jede Art von Werkzeugen auszudrücken, wofür bey andern das Wort Gezeug üblich ist. Es wird am häufigsten collective gebraucht. Daher der Gezähkasten, im Bergbaue ein Kasten in dem Huthause, worin die Arbeiter ihr Berggezäh verwahren. im Nieders. bedeutet Tou, Getou, Towe, gleichfalls Geräth, und Brutoue Braugeräth. S. Tau und Zeug.


Gezänk (W3) [Adelung]


Das Gezänk, des -es, plur. die -e; ein anhaltender oder wiederhohlter Zank, und ein jeder Zank überhaupt; eine Zänkerey. Ein Gezänk anfangen. Vermeide das Gezänk der falsch berühmten Kunst, 1. Tim. 6, 20.


Gezanke (W3) [Adelung]


Das Gezanke, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Zanken.


Gezau (W3) [Adelung]


Das Gezau, S. Gezäh.


Gezauder (W3) [Adelung]


Das Gezauder, des -s, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Zaudern.


Gezeit (W3) [Adelung]


* Die Gezeit, plur. die -en, ein nur in den Niederdeutschen Seegegenden übliches Wort, eine bestimmte festgesetzte Zeit zu bezeichnen; Nieders. Getide. In engerm Verstande ist es die Zeit der Ebbe und Fluth, und die Abwechselung der Meereshöhe in Ebbe und Fluth selbst; Nieders. Getide, oder auch nur Tide, Engl. Tide. Eine Gezeit hat sechs Stunden, Ebbe und Fluth aber zusammen genommen zwölf Stunden, welches in und um Hamburg ein Ettmal genannt wird. Der Gezeit wahrnehmen, entweder der Ebbe oder auch der Fluth. Ottfried gebraucht Giziti für Ungewitter. S. Zeit.


Gezelt (W3) [Adelung]


Das Gezelt, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, die -er, das durch die müßige Partikel ge verlängerte Wort Zelt, welches noch im gemeinen Leben häufig gebraucht wird, dagegen Gezelt in der anständigen Sprechart üblicher geworden ist. Ein Gezelt aufschlagen, abbrechen. In Gezelten wohnen.

Anm. Schon bey dem Notker Kezelt, im Angels. Geteld. S. Zelt.


Gezeltbaum (W3) [Adelung]


Der Gezeltbaum, oder Zeltbaum, des -es, plur. die -bäume, derjenige Baum, welcher in der Mitte des Gezeltes aufgerichtet wird, dasselbe in der Höhe zu erhalten.


Gezeltpflock (W3) [Adelung]


Der Gezeltpflock, des -es, plur. die -pflöcke, diejenigen Pflöcke, mit welchen die Stricke, die das Gezelt ausgespannt halten, in der Erde befestiget werden.


Gezeltschneider (W3) [Adelung]


Der Gezeltschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schneider, welcher sich vornehmlich mit Verfertigung der Gezelte beschäftiget.


Gezeug (W3) [Adelung]


Das Gezeug, des -es, plur. inus. nur noch in den gemeinen Sprecharten, ein Werkzeug, noch mehr aber als ein Collectivum, mehrere Werkzeuge und Geräthschaften zu bezeichnen; in welcher Bedeutung schon Gizuogo bey dem Ottfried, und Giziuch in den Monserischen Glossen vorkommt. Daß man kein Eisengezeug im Bauen hörete, Kön. 6, 7. Salomo machte allen (alles) Gezeug, der (das) zum Hause des Herren gehörte, nehmlich einen goldenen Altar u. s. f. Kap. 7, 48. S. Gezäh.


Geziefer (W3) [Adelung]


Das Geziefer, S. Ungeziefer.


Geziege (W3) [Adelung]


* Geziege, adj. et adv. welches aus ähe verderbt und statt desselben für geschmeidig im Bergbaue üblich ist. S. Zähe.


Geziemen (W3) [Adelung]


Geziemen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. Es ist das ohne Noth verlängerte Zeitwort ziemen, welches aber durch geziemen in der anständigen Sprechart beynahe völlig verdränget worden, und wird am häufigsten als ein unpersönliches Zeitwort, wenigstens nie anders als in der dritten Person gebraucht. 1) Der Zeit, und in weiterer Bedeutung, dem Orte, den Umständen gemäß seyn, mit dem Reciproco sich. Es geziemet sich nicht, in der Kirche zu schlafen. Noch mehr aber, 2) dem Wohlstande gemäß sein. Solche Lustbarkeiten geziemen meinem Alter nicht mehr. Noch häufiger unpersönlich und mit dem Reciproco sich. Es geziemet sich nicht, der Gasse zu schreyen. Wie es sich geziemet. Ingleichen mit der dritten Endung der Person. Es geziemet Kindern nicht ältern Personen zu widersprechen. 3) Recht, billig seyn, dem Rechte, der Billigkeit nach zukommen, für gebühren. Es geziemet dir nicht, mit sechs Pferden zu fahren. Einem alle geziemende Ehre erweisen, welche ihm geziemet, im Oberdeutschen. Leben, wie es seinem Stande geziemet. S. Ziemen.

Anm. In der zweyten Bedeutung lautet es schon bey dem Ulphilas gatiman, timan, bey dem Ottfried, gizamen und zimen. So zimigotes manne, Ottfr. Dinero ecclesiae gezimet heiligheit, Notker. Wie wol mir froide zeme, Reinmar der Alte. Im Nieders. tamen, tämen, im Schwed. so wohl täme, als säme, söma, im Isländ. säma. Es stammet entweder von dem im Deutschen veralteten Time, die Zeit, Engl. Time, Lat. Tempus, her, der Zeit gemäß seyn, oder unmittelbar von dessen gleichfalls veralteten Stammworte, siemen, scheinen, wovon noch das Franz. sembler übrig ist, da es denn in der ersten eigentlichen Bedeutung wohl lassen, wohl anstehen, bedeuten würde. Das Engl. to seem heiß so wohl scheinen, als auch sich schicken, und Seemliness der Wohlstand. Im Isidor kommt auch das Hauptwort Zuomi, bey dem Ottfried Gizami, für Wohlstand, ingleichen für Ehre vor, womit auch das Griech. $, anständig, überein kommt. S. auch - Sam, welche Endung gleichfalls hierher gehöret.


Geziere (W3) [Adelung]


Das Geziere, des -es, plur. car. ein anhaltendes oder wiederhohltes Zieren, d. i. Affectiren, im gemeinen Leben. das Lächerliche dieses Gezieres.


Gezimmer (W3) [Adelung]


Das Gezimmer, des -s, plur. car. ein Collectivum, das sämmtliche Zimmerholz Einer Art, oder an einem Gebäude, und die daraus verfertigte Arbeit zu bezeichnen; das Zimmerwerk, die Zimmerung. Das Gezimmer in den Schächten, wozu Tragestämpel, Joche, Einstriche, Spreitzen u. s. f. gehören. Das Gezimmer ausbessern. Ein Gezimmer von Cedern, 1 Kön. 7, 3. S. Zimmern.


Gezücht (W3) [Adelung]


Das Gezücht, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen selten gewordenes Collectivum, die Zucht, d. i. die Jungen oder Nachkommen eines lebendigen Geschöpfes zu bezeichnen. Es kommt nur noch zuweilen im verächtlichen Verstande, so wie Brut vor. Ihr Ottergezücht, Matth. 3, 7; Kap. 12, 34; u. s. f. S. Zucht.


Gezwitscher (W3) [Adelung]


Das Gezwitscher, des -s, plur. car. das Zwitschern; ingleichen, ein anhaltendes oder wiederhohltes Zwitschern.


Gicht (W3) [Adelung]


1. Die Gicht, plur. die -en, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort von dem veralteten gihan, gehan, bekennen, gestehen, bejahen, ein Bekenntniß oder Geständniß zu bezeichnen, wovon noch das zusammen gezogene Beicht für Begicht, und an einigen Orten auch Urgicht und Gichtzettel üblich sind. S. diese Wörter. Eben so veraltet sind im Hochdeutschen gichtig, bekennend, gichtigen, zum Bekenntniß bringen, verzichten, bekennen, und andere mehr. Gicht, für Bekenntniß, und gichten, auf die Folter spannen, sind im Niedersächsischen noch nicht ganz veraltet.


Gicht (W3) [Adelung]


2. Die Gicht, plur. die -en, ein in dem Hüttenbaue, vornehmlich bey den hohen Öfen gangbares Wort. 1) Der ebene Gang auf den hohen Öfen, auf welchem man herum gehen kann, und von welchem die Kohlen und der Eisenstein in den Ofen geschüttet werden. Er wird auch der Gichtboden, ingleichen der Geyer genannt. S. 1 Geyer. 2) Das jedesmahlige Aufgehen frischer Kohlen und Eisensteins, eine Schicht; ingleichen, so viel Kohlen und Eisenstein, als in einem hohen Ofen auf Ein Mahl aufgegeben oder aufgelaufen, d. i. hinein gestürzet werden, welches nach der Größe des Ofens verschieden ist. Der hohe Ofen zu Burg in Vogtlande wird in zehen Gichten eingetheilet. Wenn eine Gicht niedergebrannt ist, wird eine neue Gicht Kohlen und Eisenstein nachgeschüttet, und nach sieben, acht bis neun Gichten wird Ein Mahl abgestochen, und das geschmolzene Eisen, welches sich gesammelt hat, heraus gelassen.

Anm. Frisch glaubt, daß dieses Wort aus Gift verderbet worden, und eigentlich so viel bedeutete, als auf Ein Mahl aufgegeben wird. Allein um der ersten Bedeutung willen ist es füglicher zu gehen zu rechnen, zumahl da für aufgeben auch auflaufen üblich ist, und der Gichtboden an einigen Orten auch der Laufboden, die Gichtbrücke aber die Laufbrücke genannt wird. Gicht bedeutet daher so viel als ein Gang, welches Wort in ähnlichen Fällen gebraucht wird. Kirchengicht sagt man an einigen Oberdeutschen Orten für Kirchgang, und bey dem Wehner kommt die Sonnenwende unter dem Nahmen der Sonnengicht vor. Auf ähnliche Art kommt von sehen Sicht, von geschehen Geschicht, von ziehen Zucht, von fliehen Flucht u. s. f. her. S. das folgende, ingleichen das Wort Schicht, welches durch Vorsetzung des Zischlautes aus Gicht entstanden zu seyn scheinet,


Gichtader (W3) [Adelung]


Die Gichtader, plur. die -n, bey einigen Wundärzten, eine Blutader, welche ein Ast der Brandader ist, vermuthlich, weil man sie in Anfällen der Gicht zu öffnen pflegte.


Gichtboden (W3) [Adelung]


Der Gichtboden, des -s, plur. die -böden, S. 2. Gicht.


Gichtbrüchig (W3) [Adelung]


Gichtbrüchig, adj. et adv. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, einen Menschen zu bezeichnen, dem von der Gicht, d. i. dem Schlage, alle Glieder gleichsam gebrochen, oder gelähmet worden: Paralyticus. Es kommt noch mehrmahls in Luthers Deutscher Bibel vor. Ulphilas braucht dafür uslitha, gleichsam entgliedert, Notker keuchtigot, gleichsam gegichtet, gegichtiget, Tatians Übersetzer lam und bettisiohh, eine alte Deutsche Bibel von 1462 litsüchtig. Das Hauptwort Gichtbruch kommt noch bey dem Golius vor, diejenige Art des Schlagflusses zu bezeichnen, der ein oder mehrere Glieder lähmet. in dem 1523 zu Basel nachgedruckten neuen Testamente Lutheri wird gichtbrüchig als ein fremdes Wort durch gichtsüchtig erkläret.


Gichtbrücke (W3) [Adelung]


Die Gichtbrücke, plur. die -s, bey den hohen Ofen, eine hölzerne Brücke, welche zur Gicht des Ofens führet, und worauf der Eisenstein und die Kohlen zur Gicht aufgelaufen werden; die Laufbrücke. S. 2 Gicht.


Gichtessenz (W3) [Adelung]


Die Gichtessenz, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -en, in den Apotheken, eine aus Branntwein und Spießglas oder andern Dingen zubereitete Essenz, die gichtische Materie in dem Körper aufzulösen; Essentia antiarthritica. S. 3. Gicht 1.


Gichtfieber (W3) [Adelung]


Das Gichtfieber, des -s, plur. inus. außer von mehrern Arten, ut nom. sing. ein zuweilen mit der Gicht verbundenes Fieber; Febris arthritica. S. 3 Gicht 1.


Gichtfluß (W3) [Adelung]


Der Gichtfluß, des -sses, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -flüsse, bey den Ärzten, diejenigen Flüsse, welche die Gelenke der Glieder einnehmen und aus verstopften Ausführungsgefäßen der Haut entstehen; im Gegensatze der rheumatischen Flüsse, welche die fleischigen Theile anfallen.


Gichthaus (W3) [Adelung]


Das Gichthaus, des -es, plur. die -häuser, an den hohen Ofen, der obere Theil des äußern hohen Ofengebäudes, wo sich die Gicht des Ofens befindet.


Gichtig (W3) [Adelung]


Gichtig, adj. et adv. von Gicht, Bekenntniß, S. 1 Gicht.


Gichtisch (W3) [Adelung]


Gichtisch, adj. et adv. im gemeinen Leben, mit der Gicht, Arthritis, behaftet, derselben ähnlich, in derselben gegründet. Die gichtische Materie auflösen. Im Nieders. heiß einer, der mit der Gicht geplaget ist, gichtig.


Gichtkolik (W3) [Adelung]


Die Gichtkolik, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -en, eine Kolik, oder ein Schmerz im Unterleibe, welcher von der dahin gegangenen gichtischen Materie entstehet.


Gichtmorchel (W3) [Adelung]


Die Gichtmorchel, plur. die -n, eine Art Morcheln oder Gichtschwämme mit einem eyförmigen Hute, der mit vielen kleinen Höhlungen, gezieret ist, und mit einem nackten runzeligem Stiele; Phallus esculentus L. Er wird gemeiniglich nur schlechthin Morchel genannt. S. Gichtschwamm.


Gichtrübe (W3) [Adelung]


Die Gichtrübe, plur. die -n, 1) Im gemeinen Leben, eine sympathetische Heilungsart, die reißende und kalte Sicht zu vertreiben. Einem eine Gichtrübe fetzen, d. i. Erde mit dem von der Gicht behaftete Gliede in ein Gefäß streichen und drücken, und in diese Erde eine Rübe pflanzen; da man denn glaubt, der Schmerz verliere sich, so bald die Rübe anfängt, Blätter zu treiben. 2) An einigen Orten ein Nahme der Zaunrüben oder vielmehr Zaunreben, Bryonia L. weil ihre Wurzel wegen ihrer zertheilenden Kräfte in der Gicht sehr heilsam ist.


Gichtschmerzen (W3) [Adelung]


Die Gichtschmerzen, sing. inus. Schmerzen, welche von der Gicht verursachet werden, mit derselben verbunden sind.


Gichtschwamm (W3) [Adelung]


Der Gichtschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art Schwämme, welche auf der obern Fläche des Hutes einen netzförmigen Überzug hat, auf der untern aber eben ist; Phallus L. Besonders diejenige Art, welche einen mit vielen kleinen Höhlungen versehenen Hut hat, in den schattigen Wäldern im August und September zum Vorscheine kommt, und womit der große Haufe Menschen und Vieh zur Begattung zu reitzen pfleget, daher er auch Hirschbrunst genannt wird; Phallus impudicus L. Es scheinet, daß er von dieser reitzenden antreibenden Kraft den Nahmen des Gichtschwammes erhalten, so fern Gicht ehedem überhaupt einen Anfall, starken Trieb bedeutet hat S. 3 Gicht.


Gichtwasser (W3) [Adelung]


Das Gichtwasser, des -s, plur. inus. außer von mehrern Arten, plur. ut nom. sing. in den Apotheken ein abgezogenes Wasser, womit die von der Gicht angegriffenen Glieder gewaschen werden, die Schmerzen zu stillen; Aqua antiarthritica.


Gichtwurz (W3) [Adelung]


Die Gichtwurz, plur. car. an einigen Orten eine Benennung des Diptams, Dictamnus L. dessen Wurzel in der fallenden Sucht sehr wirksam seyn soll.


Gichtzettel (W3) [Adelung]


Der Gichtzettel, des -e, plur. ut nom. sing. an einigen Orten der schriftliche Bericht eines Wundarztes, von dem Zustande einer Wunde; der Wundzettel. Sich gichten lassen heißt in Niedersachsen sich von einem Wundarzte ein Zeugniß über seine Wunde geben lasse. S. 1 Gicht.


Giebe (W3) [Adelung]


Die Giebe, plur. die -n, ein nur bey den Radlern bekanntes Wort, eine Winde zu bezeichnen, mit welcher der Draht gerade gerichtet wird; Franz. Tourniquet. In den Niederdeutschen Seestädten ist das Gyp ein Flaschenzug von zweyen Scheiben. Es scheinet zu dem Niederdeutschen Zeitworte geyen zu gehören, S. dasselbe und Göpel.


Giebel (W3) [Adelung]


1. Der Giebel, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen die Giebel, plur. die -n, in Obersachsen der Nahme eines sehr schmackhaften Teich- und Flußfisches, den man im gemeinen Leben zu den Karauschen rechnet, von denen er sich nur durch seine geringere Größe, durch seinen dickern Rücken und durch die gelbliche Farbe unterscheidet. So gilt mein Giebelfang, der oft die Netze reißt, Canitz. Er hält sich gern in moosigen und lehmigen Wassern auf und leichet alle vier Wochen. Er wird sehr oft mit dem Döbel oder Diebel verwechselt, ungeachtet er so wohl in Weißen, als in der Mark Brandenburg noch sehr davon unterschieden ist. Wegen seiner gelblichen Farbe heißt er an einigen Orten auch Gilblichen, daher Frisch mit Recht vermuthet, daß der Nahme Giebel gleiches Ursprunges ist, und etwa aus Gilbe verderbt worden. S. dieses Wort.


Giebel (W3) [Adelung]


2. Der Giebel, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt die oberste Spitze eines jedes Körpers; in welcher weiten Bedeutung es aber veraltet ist, außer daß es die Jäger einiger Gegenden noch zuweilen von dem Gipfel der Bäume brauchen. S. Gipfelbruch und Gipfelreich. Im Hochdeutschen braucht man es nur noch von der spitzig zulaufenden senkrechten Seite eines Daches, es mag sich nun solche an der Seite des Gebäudes oder an dessen Vordertheile befinden; in welchem letzteren Falle sie in der engsten Bedeutung ein Giebel genannt wird; Franz. Fronton, Lat. Frontispicium. Ein Haus mit einem Giebel. Ein steinerner Giebel. Der Giebel gehet nach der Gasse zu. Figürlich wird an einigen Orten, z. B. in der Mark Brandenburg, ein jedes Haus mit den dazu gehörigen Grundstücken an Äckern, Garten u. s. f. ein Giebel genannt; S. Giebelschloß.

Anm. In der engern Bedeutung lautet es im Nieders. Gebel im Holländ. Ghevel, im Engl. Gable, im mittlern Lat. Gabulum, im Schwed. Gafwel, im Franz. Gable. Ehedem bedeutete es auch das äußerste höchste Ende eines Dinges, den Gipfel daher bey dem Ulphilas ie Zinne des Tempels Gibla, in den Monseeischen Glossen Gipili die Stirn, bey dem Notker Houbet kibilla die Scheitel, ja bey den Schwäbischen Dichtern Gebel mehrmahls den Kopf selbst bedeutet. Ja von dem fuos unz uf den gebel Lobt nu diu werlt den helt us Oesterrich, der von Osterdingen. Womit das Griech. $, und das Hebr. $, das Ende, Isländ. Gafl. und $, endigen, sehr deutlich überein kommen. Ja in noch weiterm Verstande bedeutet es in den ältesten Sprachen ehedem einen jeden hohen Ort, einen Berg u. s. f. wie das Hebr. $, und Arab. Gibel, ein Hügel, Berg, wovon der Ätna bey den Sicilianern noch jetzt Mont-Gibelo heißt, und auch Gibraltar, Mohrisch Gebel Tarif, seinen Nahmen hat. S. Gabel, Gipfel, Kopf u. s. f.


Giebelbruch (W3) [Adelung]


Der Giebelbruch, S. Gipfelbruch.


Giebeldach (W3) [Adelung]


Das Giebeldach, des -es, plur. die -dächer. 1) Ein Dach, welches auf beyden Enden gerade aufgehende Giebel hat, und auch ein Satteldach genannt wird. 2) Ein Dach, welches vorn einen Giebel hat; in welcher Bedeutung auch kleine niedrige Dächer dieser Art, über vorspringende Theile eines Gebäudes, Giebeldächer genannt werden.


Giebelfeld (W3) [Adelung]


Das Giebelfeld, des -es, plur. die -er, in der Baukunst, das ebene Feld in einem Giebel; Latein. Tympanum, Franz. Tympan.


Giebelhaus (W3) [Adelung]


Das Giebelhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus mit einem Giebel. In engerer Bedeutung, ein Haus, dessen Giebel vorn heraus auf die Gasse gehet; zum Unterschiede von einem Quer- oder Zwerchhause.


Giebelmauer (W3) [Adelung]


Die Giebelmauer, plur. die -n, die Mauer, aus welcher ein Giebel bestehet.


Giebelschoß (W3) [Adelung]


Der Giebelschoß, des -sses, plur. die -sse, in einigen Provinzen, z. B. der Mark Brandenburg, ein Schoß oder Geschoß, welcher in den Städten von den Giebeln, d. i. den Häusern und ihrem Zubehör gegeben wird; zum Unterschiede von dem Hufenschosse.


Giebelschwalbe (W3) [Adelung]


Die Giebelschwalbe, S. Hausschwalbe.


Giebelseite (W3) [Adelung]


Die Giebelseite, plur. die -n, die schmale Seite eines Hauses, auf welcher sich ein Giebel befindet, oder doch befinden könnte.


Giebelspitze (W3) [Adelung]


Die Giebelspitze, plur. die -n, die oberste Spitze des Giebels. In der Zimmermannskunst auch die senkrechte Säule an einem Gebäude, woran sich die Säulen des Dachstuhles stämmen; der Giebelspieß, die Dachspitze.


Giebelzinne (W3) [Adelung]


Die Giebelzinne, plur. die -n, in der Baukunst, kleine Postamente an den Ecken und auf der spitze eines Giebels, Bildsäulen darauf zu setzen. Im Oberdeutschen auch in weiterer Bedeutung die oberste Spitze des Giebels. S. Zinne.


Gieben (W3) [Adelung]


Gieben, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist, mit aufgesperrten Munde und pfeifenden Tone nach Luft schnappen, ingleichen auf dies Art schreien, wie verschiedene Vögel zu thun gewohnt sind. Ich schau dich noch erhitzt und blutig vor mir stehn, Den abgematten Feind vor deinen Augen gieben, Hofmannsw. Im Nieders. giepen und jappen. Man hat davon auch das Frequentativum giepsen in eben der Bedeutung, welches aber gleichfalls in die niedrigen Sprecharten gehöret, und so wie jenes eine Nachahmung des damit verbundenen Schalles ist: S. Gaffen.


Gieke (W3) [Adelung]


Die Gieke, plur. die -n, im gemeinen Leben, ein blechernes Behältniß, einen Topf mit glühenden Kohlen hinein zu thun, und die Füße im Winter darüber wärmen; die Feuergieke, Nieders. Kike, im Oberd. eine Feuersorge, ein Feuerstübchen. Gieke, oder Kieke, wie es in den gemeinen Sprecharten lautet, war ehedem eine allgemeine Benennung eines jeden Behältnisses. Ein enges Gefängniß heißt noch jetzt an einige Orten eine Reiche, Engl. Cage. Im Angels. ist Ceac (sprich Kiek) ein Topf, im Schwed. Kagge, im Engl. Cag, im Franz. Caque, ein kleines Faß von einem gewissen Maße, und im Wallis. Cawg ein Becken. S. auch Kachel.


Gienaffe (W3) [Adelung]


Der Gienaffe, S. Gähnaffe.


Gienen (W3) [Adelung]


Gienen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und im Oberdeutschen für gähnen üblich ist, S. dasselbe.


Gienmuschel (W3) [Adelung]


Die Gienmuschel, plur. die -n, bey den Schriftstellern des Tierreiches, eine Muschel mit vollkommnem Scharniere, und einer runden Schale, deren Schloß mit Zähnen versehen ist, welche in einander eingreifen; Chama, Breitmuschel. Sie hat den Nahmen nach dem Griech. $ ein Gähner, weil sie sich in der See von einander thut, wie einer der da gähnet, S. - Gähnen.


Gier (W3) [Adelung]


Die Gier, plur. car. welches ehedem überhaupt für Begierde, d. i. sinnliches Verlangen üblich war, und auch in gutem Verstande gebraucht wurde. Jetzt kommt es nur von einer sehr heftigen und ungeordneten Begierde, größten Theils im harten und verächtlichen Verstande vor, besonders in den Zusammensetzungen Nachgier, Blutgier, Ehrgier u. s. f. nur in dem Worte Neugier oder Neugierde hat es seine alte gleichgültige Bedeutung noch behalten. S. Begier.


Gieren (W3) [Adelung]


"Gieren", verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur selten gebraucht wird, aber auch hier alle Mahl mit dem Nebenbegriffe einer sehr heftigen ungeordneten Begierde. Aufruhr, Rebellion, Betrug und Stolz giert sonst nach dem verwaisten Thron, Weiße. Weg mit den Augen! weg! ich kenne sie; voll Tücke Giert Raub und Blutbegier in jedem ihrer Blicke, ebend. Im Nieders. "giren", S. "Begehren".


Gierfalk (W3) [Adelung]


Gierfalk, S. Gerfalk.


Gierig (W3) [Adelung]


Gierig, -er, -ste, adj. et adv. eine sehr heftige ungeordnete Begierde nach etwas empfindend, und in einer solchen Begierde gegründet. Ein gieriger Bär, Sprichw. 28, 15. Gierig fressen, Sir. 37, 31. Sie scharrete das gewonnene Geld gierig zusammen, So auch in den Zusammensetzungen rach- gierig, ehrgierig, ruhmgierig, blutgierig, geldgierig. Nur neugierig allein hat den verächtlichen Nebenbegriff nicht.

Anm. Im Dän. giärig, im Nieders. girig, in Boxhorns Glossen kirilihho. S. Begierig und Gier.


Giersch (W3) [Adelung]


Der Giersch, S. Gersch.


Gierschwalbe (W3) [Adelung]


Die Gierschwalbe, S. Mauerschwalbe.


Gießbach (W3) [Adelung]


Der Gießbach, des -es, plur. die -bäche, ein Bach, welcher sein Wasser nicht aus Quellen, sondern nur aus zusammen gelaufenen Regen- und Schneewasser erhält, durch welchen sich das Regenwasser ergießet; ein Regenbach. Die Gefilde, Wodurch der Esse Gießbach rinnt, Raml.


Gießbad (W3) [Adelung]


Das Gießbad, des -es, plur. die -bäder, in der Arzneykunst, ein Bad, in welchem man mineralisches oder anderes Wasser auf gewisse Theile des Leibes gießen lässet.


Gießbank (W3) [Adelung]


Die Gießbank, plur. die -bänke, bey den Orgelbauern, eine lange viereckige Bank, das Zinn zu den Orgelpfeifen darauf auszugießen.


Gießbecken (W3) [Adelung]


Das Gießbecken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Becken, Wasser daraus die Hände dessen, der sich wäschet, zu gießen, das Handbecken, die Gießkanne, wenn es die Gestalt einer Kanne hat; zum Unterschiede von dem Waschbecken, worin man sich wäschet.


Gießblech (W3) [Adelung]


Das Gießblech, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, ein Blech, worauf die im Probirofen auf dem Scherben angesottenen Erze ausgesotten werden.


Gießbogen (W3) [Adelung]


Der Gießbogen, des -s, plur. die -bögen, in den Münzen, ein Werkzeug, worein das geschmolzene Silber zu den kleinen Münzen gegossen wird


Gießbuckel (W3) [Adelung]


Der Gießbuckel, plur. die -n, in der Chymie, ein kugelförmiges metallenes Geschirr, zwey gemischte Metalle, welche sich unter dem Schmelzen von einander scheiden, darein zu gießen. S. die Buckel.


Gießen (W3) [Adelung]


Gießen, verb. irreg. act. ich gieße, du gießest, Oberd. grußst, er gießet oder gießt, Oberd. geußt; Imperf. ich goß; Mittelw. gegossen; Imperat. gieß, Oberd. geuß; einen flüssigen oder flüssig gemachten Körper durch Umkehrung oder doch Neigung des Gefäßes haufenweise heraus fließen lassen. 1. Eigentlich. Wasser an die Speise, Wein in das Faß, ein geschmolzenes Metall in die Form gießen. Wasser aus einem Geschirre in das andere gießen. 2. Figürlich. (a) Für begießen, im gemeinen Leben. Die Blumen gießen, den Garten gießen, d. i. begießen. (b) Für vergießen; ein im Hochdeutschen unbekannter Gebrauch. Zu gießen Menschenblut, Opitz. (c) Es wird stark gießen, d. i. regnen, im gemeinen Leben. Es hat die Nacht außerordentlich gegossen, geregnet. (d) In eine Form gießen, von flüssig gemachten festen Körpern. Zinn, Bley gießen, in gewisse Formen. Etwas in eine Form gießen. Ingleichen auf solche Art hervor bringen. Glocken, Kanonen, Mörser, Schriften, Schüsseln, Teller gießen u. s. f. Ein gegossenes Bild. Gegossene Arbeit. (e) In reichem Maße mittheilen, in der höhern Schreibart. Ich will meinen Geist auf deinen Samen gießen, und meinen Segen, auf deine Nachkommen, Cf. 44, 3. Gott gießt seine Liebe in unsere Herzen. Das Hauptwort die Gießung ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich. S. Guß.

Anm. Bey dem Ottfried giezen, im Imperf. goz, im Imperat. kiuz, im Isländ. gusa, im Griech. $. Die Niedersächsische und die damit verwandten Mundarten verwandeln den Zischlaut in ein t, wie das Nieders, geten, das Holländ. ghieten, das Angels. geotan, das Dän. gyda, das Schwed. gjuta, und das Goth. giutan. Es scheinet ein Frequentativum zu seyn, dessen Stammwort noch in dem Griech. $ übrig ist. Man hatte ehedem auch ein Neutrum gießen, welches fließen bedeutete wie das Goth. gutan, wohin auch Gota, Giota ein Canal, das Lat. Gutta, ein Tropfen, und unser Deutsches Gosse gehören. Im Albanischen ist Gjusi eine jede Feuchtigkeit. Durch Vorsetzung des Zischlautes ist aus gießen unser schießen, und aus dem Niederdeutschen geten und keuten, welches letztere aus einem Gefäße in das andere gießen bedeutet, schütten entstanden, ungeachtet beyde von weiterm Umfange der Bedeutung sind. Im Chaldäischen bedeutet $, und im Ital. gettare, so wohl gießen, als schießen und werfen. Auch das Lat. jacere in der thätigen Bedeutung gehöret dahin. Siehe Schießen und Schütten.


Gießer (W3) [Adelung]


Der Gießer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) eine Person welche gießet. In den Eisenhämmern ist der Gießer derjenige Arbeiter, welcher die Kessel, Ofen, Töpfe u. s. f. gießet. Am häufigsten in den Zusammensetzungen Glockengießer, Schriftgießer, Stückgießer, Zinngießer, Gelbgießer, Rothgießer u. s. f. Fämin. die Gießerinn, plur. die -en. 2) im gemeinen Leben, ein Gefäß mit eine Röhre, so wohl die Gewächse im Garten, ( S. Gießkanne,) als auch in der Schifffahrt die Segel damit zu begießen; Nieders. Geter.


Gießerey (W3) [Adelung]


Die Gießerey, plur. die -en, eine Fabrik oder Werkstätte, in welcher allerley Bedürfnisse aus Metall gegossen werden; das Gießhaus, die Gießhütte, im Oberdeutschen auch die Gosse.


Gießerlohn (W3) [Adelung]


Der Gießerlohn, des -es, plur. inus. derjenige Arbeitslohn, welchen man für das Gießen, besonders für das Gießen einer Sache aus Metall bezahlet.


Gießfaß (W3) [Adelung]


Das Gießfaß, des -sses, plur. die -fässer, ein kleines Faß zum Gießen oder Begießen; auch zuweilen ein Gießbecken, da denn Faß noch seine weiteste Bedeutung eines jeden Gefäßes hat.


Gießform (W3) [Adelung]


Die Gießform, plur. die -en, bey verschiedenen Metallarbeitern, eine Form, geschmolzenes Metall darein zu gießen, welche bey andern ein Gießmodel, eine Gießflasche, ingleichen eine Patrone genannt wird.


Gießhaus (W3) [Adelung]


Das Gießhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, in welchem allerley Geräthe aus Metall gegossen werden; die Gießhütte, wenn es nur eine Hütte ist. S. Gießerey.


Gießkanne (W3) [Adelung]


Die Gießkanne, plur. die -n. 1) S. Gießbecken. 2) Ein Gefäß in Gestalt einer großen Kanne mit einer Röhre und einem trichterförmigen durchlöcherten Aufsatze, die Gewächse im Garten, die Leinwand auf der Bleiche u. s. f. damit zu begießen; Die Sprengkanne, Spritzkanne, der Sprengkrug, Spritzkrug, das Gießfaß, der Gießer, in Lippstadt die Brausekanne.


Gießkelle (W3) [Adelung]


Die Gießkelle, plur. die -n, eine eiserne Kelle, Metall, welches man gießen will, darin zu schmelzen, oder auch andere flüssige Körper daraus zu gießen.


Gießkessel (W3) [Adelung]


Der Gießkessel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Orgelbauern, ein eiserner Kessel, Zinn und Bley zu den Orgelpfeifen darin zu schmelzen.


Gießkrücke (W3) [Adelung]


Die Gießkrücke, plur. die -n, eben daselbst, ein viereckiger hölzerner, oben und unten offener Kasten mit beweglichen Querbretern, das zu den Pfeifen auf die Gießbank gegossene Zinn damit gleichsam zu glätten. Er wird auch die Zinnkrücke und die Schleuse genannt.


Gießkunst (W3) [Adelung]


Die Gießkunst, plur. inus. die Kunst allerley Geräth aus Metall zu gießen.


Gießlöffel (W3) [Adelung]


Der Gießlöffel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Löffel, flüssige oder flüssig gemachte Körper daraus zu gießen, oder auch andere Dinge zu begießen.


Gießmodel (W3) [Adelung]


Der Gießmodel, des -s, plur. die -n, S. Gießform.


Gießsand (W3) [Adelung]


Der Gießsand, des -es, plur. car. bey verschiedenen Metallarbeitern, derjenige Sand, in dessen Figuren das geschmolzene Metall gegossen wird; der Formsand.


Gießschaufel (W3) [Adelung]


Die Gießschaufel, plur. die -, in der Haushaltung, ein Gefäß in Gestalt einer Schaufel, flüssige Körper damit auszuschöpfen.


Gießstein (W3) [Adelung]


Der Gießstein, des -es, plur. inus. ein lockerer Granit, welcher in Frankreich gebrochen und in den Messingfabriken gebraucht wird.


Gießvogel (W3) [Adelung]


Der Gießvogel, des, plur. die -vögel, in einigen Gegenden eine Benennung des Wendehalses oder Nattervogels, ( S. diese Wörter,) vielleicht wegen seines Geschreyes, oder weil er starke Regengüsse vorher verkündigen soll, daher er auch der Wettervogel genannt wird.


Gießwerk (W3) [Adelung]


Das Gießwerk, des -es, plur. die -e, jedes gegossenes Werk oder Stück von größerer Art. In engerer Bedeutung führen diese Nahmen auf den Eisenhämmern die für das Hammerwerk gegossenen Stücke Eisen.


Gießzange (W3) [Adelung]


Die Gießzange, plur. die -n, bey den Metallarbeitern, eine Zange, die Tiegel mit dem geschmolzenen Metalle aus dem Feuer zu heben, und sie in die Form zu gießen.


Gietau (W3) [Adelung]


Das Gietau, des -es, plur. die -e, S. Geyen.


Gilbblume (W3) [Adelung]


Die Gilbblume, plur. die -n, S. Färberscharte.


Gilbe (W3) [Adelung]


Die Gilbe, plur. die -n, von dem Worte gelb, welches ehedem auch nur gilb lautete, im gemeinen Leben. 1. Die gelbe Farbe eines Körpers; ohne Plural. Die Gilbe des Saffrans, des Lehmes. 2. Ein gelber Körper, ein Körper, welcher eine gelbe Farbe hat, besonders in verschiedenen einzelnen Fällen. 1) Im Bergbaue und der Mineralogie, eine gewisse gelbe Erde, welche in mehrern Erd- und Steinarten angetroffen wird, und eigentlich eine Eisenerde von verwitterten Kiesen ist. 2) In andern Gegenden ist die Gilbe eine silberhaltige gelbe Bergart, welche mit gewachsenem Silber angeschmauchet ist, in reichen Gängen bricht, aber unflüssig und im Feuer schwer zu behandeln ist. In allen diesen Fällen ist der Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten üblich. S. auch Gilft, welches nur eine verderbte Aussprache dieses Wortes ist. Im Böhm. ist. Gil Thon oder Letten. 3. Ein Körper, mit welchem man andere Körper gelb färbet; in welcher Bedeutung so wohl der Genster oder Färberpfriemen, Genista tinctoria L. als auch die Färberscharte, Serratula tinctoria L. im gemeinen Leben Gilbe, Gilve, Gilbblume, Gilbkraut, Gilbenkraut, Gilbenblume u. s. f. genannt werden. S. das folgende Zeitwort.


Gilben (W3) [Adelung]


Gilben, verb. reg. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, so wohl als ein Neutrum, für gelb werden, als auch als ein Activum, für gelb machen. Die Gerste fängt an zu gilben, gelb zu werden. Der Saffran gilbt sehr stark, färbt sehr stark gelb.


Gilbicht (W3) [Adelung]


Gilbicht, -er, -ste, adj. et adv. im gemeinen Leben, etwas gelb, in das Gelbe fallend, gelblich.


Gilbig (W3) [Adelung]


Gilbig, adj. et adv. welches im gemeinen Leben, besonders im Bergbaue, für gelb üblich ist, Gilbe habend.


Gilbkraut (W3) [Adelung]


Das Gilbkraut, des -es, plur. die -kräuter, S. Gilbe 3. und Färberscharte.


Gilblich (W3) [Adelung]


Gilblich, -er, -ste, adj. et adv. welches im gemeinen Leben für gelblich üblich ist, ein wenig gelb, dem Gelben ähnlich. S. Gelblich.


Gilblichen (W3) [Adelung]


Das Gilblichen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, derjenige eßbare Fisch, welcher in andern Giebel genannt wird. S. 1 Giebel.


Gilbling (W3) [Adelung]


Der Gilbling, des -es, plur. die -e, S. Goldammer.


Gilbwurz (W3) [Adelung]


Die Gilbwurz, plur. inus. im gemeinen Leben, eine Benennung der Gelbwurz oder Curcuma, S. dieses Wort.


Gilde (W3) [Adelung]


Die Gilde, plur. die -n, ein Wort, welches in Niederdeutschland und den mitternächtigen Ländern am bekanntesten ist. 1) Eine geschlossene Gesellschaft, welche zu gewissen Zeiten auf gemeinschaftliche Kosten schmauset, dergleichen Gesellschaften ehedem sehr häufig waren. Im Angels. Gild, im Schwed. Gilde, im Engl. Guild. Daher denn in weiterer Bedeutung auch wohl ein jeder Schmaus, eine jede Zeche, und die dazu versammelten Personen, ein Gelag, eine Gilde genannt werden. 2) In noch weiterer Bedeutung, eine jede Gesellschaft, d. i. mehrere zu Erreichung einer gemeinschaftlichen Absicht verbundene Personen. Die Schützengilde, die Schützengesellschaft. Besonders sind in den Niedersächsischen Städten die Zünfte oder Innungen der Handwerker unter dem Nahmen der Gilden bekannt. In den meisten solcher Städte werden kleinere Zünfte Gilden, größere aber Ämter genannt, dagegen in Osnabrück, wo die gesammte Bürgschaft in Gilde und Wehr eingetheilet ist, die Gilde zehen Ämter oder große Gilden unter sich begreift. Anm. Es stammet wohl, wie schon die meisten Wortforscher behauptet haben, von Geld und gelten, ehedem gelden, her, und bezeichnet eigentlich eine solche Gesellschaft, welche sich zu gewissen gemeinschaftlichen Kosten verbindet, wie Gelag von zusammen legen; indem Geld ehedem auch von einer jeden Steuer, von einer jeden Anlage, selbst von Collecten gebraucht wurde. Ne villani collectam faciant quam vulgo Geldam vocant, heißt es in Capit. Karlomanni von 882 bey dem Schiltev, und in den Act. Synodi Duriens. Von 779 bey dem Harzheim kommt Gildonia für coetus, contubernium, vor. Indessen muß es doch auch schon sehr früh von Gemeinschaft, Verbindung überhaupt seyn gebraucht worden, indem es schon in der alten bekannten Entsagung des Teufels von 743 heißt: Forsachistu-allom diabol gelde? Entsagest du aller Gemeinschaft mit dem Teufel? S. Geld. Im Lappländischen ist Gelde eine Dorfschaft.


Gildebier (W3) [Adelung]


Das Gildebier, des -es, plur. inus. in Niedersachsen, Bier, welches von einer geschlossenen Gesellschaft gemeinschaftlich vertrunken wird, und die Versammlung dieser Gesellschaft selbst.


Gildebrief (W3) [Adelung]


Der Gildebrief, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein schriftliches Zeugniß, daß jemand ein Genoß einer Gilde oder Zunft ist; ein Zunftbrief.


Gildebruder (W3) [Adelung]


Der Gildebruder, des -es, plur. die -brüder, eben daselbst, ein Mitglied einer solchen Brüderschaft oder Gilde.


Gildemeister (W3) [Adelung]


Der Gildemeister, des -s, plur. ut nom. sing. der Vorgesetzte einer Zunft oder Gilde.


Gilft (W3) [Adelung]


Der Gilft, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein im Oberdeutschen für Gilde übliches Wort, einen gelben, besonders mineralischen Körper zu bezeichnen. So werden in den Oberdeutschen und Ungarischen Bergwerken gewisse reichhaltige Goldkiese Gilfte genannt. Siehe Gilbe 2.


Gilge (W3) [Adelung]


Die Gilge, plur. die -n, im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes, eine Lilie, aus welchem Worte es auch durch Versetzung der Buchstaben entstanden ist. S. Lilie.


Gilge (W3) [Adelung]


Gilge, oder Gilgen, ein im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes üblicher Mannsnahme, welcher aus Agidius verderbet worden, so wie die Franzosen aus eben demselben Gilles gebildet haben.


Gimf (W3) [Adelung]


Der Gimf, des -es, plur. die -e, bey den Knopfmachern, Gewisse Stücke Rundschnüre, deren sie sich zur Unterlage der Kleiderschleifen und zur dicken Einfassung der Knopflöcher bedienen. Daher die Gimfmühle, ein Drehrad, vermittelst dessen die Gimfe rund gedrehet werden. Etwa von Rumpf, welches in einigen Gegenden, dem Frisch zu Folge, ein kurzes dickes Ende, ingleichen ein abgeschnittenes Stück, einen Stumpf bedeutet? Im Griech. ist $ ein Nagel, im mittleren Lat. aber Gumphus, Gomfus, nicht nur ein Nagel, sondern auch ein Strick, ja eine jede Verbindung. In Niedersachsen hingegen sind Gimpen eine Art feiner mit Seide überzogener Schnüre, welche zum Frauenzimmerputze gebraucht werden.


Gimpel (W3) [Adelung]


Der Gimpel, des -s, plur. ut nom. sing. eine im gemeinen Leben, besonders Obersachsens und Oberdeutschlandes, übliche Benennung einer Art Dickschnäbler oder Finken, welche in Niedersachsen Domfaffen genannt werden, S. dieses Wort, ingleichen Blutfink. Das Wort Gimpel ist vermuthlich eine Nachahmung des ihm eigenthümlichen Geschreyes. Weil dieser Vogel bey aller seiner Gelehrigkeit sehr einfältig ist, so wird ein einfältiger Mensch in der niedrigen Sprechart auch wohl ein Gimpel genannt.


Eingang (W3) [Adelung]


Der Eingang, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -e, eine Art eines groben gestreiften baumwollenen Gewebes. In einer Urkunde des Grafen Heccard v. Autun bey dem du Fresne kommen Gangana, sirica cum spondale et tapete uno vor, und in einem Arest des Pariser Parlamentes von 1321 wird eines Scuti elevati acris formae de armis Burgundiae engingati de serico gedacht, welches letztere Wort Carpentier durch gewebt erkläret. Es scheinet also zu dem mittleren Lat. Ingenium, Enganum, Engannum, Kunst, und ingeniare, engannare, durch Kunst verfertigen, zu gehören; wenn es nicht vielmehr eine morgenländische Benennung ist, dergleichen mehrere Arten von Zeugen führen.


Ginst (W3) [Adelung]


Der Ginst, des -es, oder der Ginster, des -s, plur. inus. S. Geniste 2 und 1 Bram.


Gipfel (W3) [Adelung]


Der Gipfel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. Das Gipfelchen, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt, die oberste Spitze eines Dinges, am häufigsten von Bergen und Bäumen, seltener von Gebäuden. Den Gipfel eines Berges ersteigen. Den Gipfel eines Baumes abhauen. Figürlich, der höchste Grad, die höchste Stufe einer Sache. Den Gipfel der Ehre ersteigen, zur höchsten möglichen Ehre gelangen. Den Gipfel der Tugend, der Bosheit erreichen, es in der Tugend, in der Bosheit auf das höchste bringen.

Anm. Es bezeichnet, so wie Giebel, aus welchem Worte es entstanden ist, überhaupt das Höchste eines jeden Dinges. Das Stammwort von beyden findet sich noch in dem Hebr. $, eine erhabene Fläche, und dem Ehald. $, erhaben seyn, S. Giebel. Übrigens wird der Gipfel eines Berges im gemeinen Leben auch die Koppe, Kuppe, Franz. Coupeau, in Oberdeutschland der Kogel, in der Schweiz der Belch, der Gipfel eines Baumes aber in den gemeinen Mundarten auch der Ipfel, das Zopfende, das Zahlende, der Zagel, der Zwiesel, der Poll, der Tolber, und im Nieders. Swopp genannt. Im mittlern Lat. ist Capulus gleichfalls der Gipfel eines Baumes, und bey dem Hans Sachs findet sich Gipf für Gipfel.


Gipfelbruch (W3) [Adelung]


Der Gipfelbruch, des -es, plur. die -bruche, im Forstwesen, Fälle, wo die Gipfel der Bäume von dem sich daran hängenden Schnee und Glatteise brechen, welches auch ein Duftbruch, und nach der gemeinen Sprechart ein Giebelbruch genannt wird.


Gipfelreich (W3) [Adelung]


Gipfelreich, -er, -ste, adj. et adv. einen starken ausgebreiteten Gipfel habend, von den Bäumen im Forstwesen; in der gemeinen Sprechart giebelreich, sonst auch wipfelreich.


Girall (W3) [Adelung]


Girall, adj. et adv. und der Girall, des -es, plur. die -e, bey den Büchsenmachern, S. Drall.


Girgel (W3) [Adelung]


Der Girgel, und das Zeitwort Girgeln, S. in Gergel.


Giriren (W3) [Adelung]


Giriren, (sprich Dschiriren,) verb. reg. act. so aus dem Ital. girare, im Kreise bewegen, entlehnet und im Handlungswesen üblich ist, einen Wechselbrief an einen andern zur Einforderung oder Berechnung der Bezahlung übersenden.


Giro-Bank (W3) [Adelung]


Die Giro-Bank, (sprich Dschiro-Bank,) plur. die -bänke, im Handlungswesen, eine Bank, wo eine Summe Geldes durch bloße Berechnung an einen andern übertragen wird, dergleichen zu Hamburg, Nürnberg, Amsterdam und Venedig sind; zum Unterschiede von einer Zettelbank.


Girren (W3) [Adelung]


Girren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und durch Nachahmung den schnarrenden Laut der Turteltauben und einiger anderer Arten des Geflügels ausdruckt. Wie girrt die zärtere Taube so sanft! Utz. Die Taube lacht und girret, Die Wachtel schlägt, Haged. Auf dem moostchten Dach girrt schon der buhlende Tauber Um die Geliebte herum, Zach. Auch figürlich, ängstlich klagen, von dem Girren der Tauben, wenn sie sich nach ihres Gleichen sehnen. Da geht die Unglückselige und girrt ohnmächtige Seufzer unter die gaukelnden Weste, die ihren Spott damit treiben. Opitz gebraucht kirren von dem girren der Tauben, S. dieses Wort.


Gischen (W3) [Adelung]


Gischen, S. Gäschern.


Gischt (W3) [Adelung]


Der Gischt, S. Gäscht.


Gitter (W3) [Adelung]


Das Gitter, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Gitterchen, Oberd. das Gitterlein, ein jedes Werk das aus parallelen, oder kreuzweise mit einander verbundenen, oder auch verschränkten Stäben bestehet, in der edlen und anständigen Schreibart, so wie in der Sprache des gemeinen Umganges dafür Gatter üblich ist. Das Gitter um einen Altar, in einer Gerichtsstube. Ein eisernes Gitter vor einem Fenster. Ein Gitter an dem Geländer einer Treppe. Siehe, er stehet hinter unserer Wand, und gucket durchs Gitter, Hohel. 2, 9. Die Mutter Siffera heulte durchs Gitter, Nicht. 5, 28. In der Zeichnungskunst ist das Gitter ein viereckter Rahmen, dessen innerer Raum mit dünnen Faden durchkreuzet ist, Figuren aus dem Großen in das Kleine zu bringen.

Anm. S. Gatter, wo die Abstammung dieses Wortes bereits gezeiget worden. Herr Stosch glaubt mit Wachtern, daß Gitter bloß zum Durchsehen und Gatter bloß zum Abhalten sey. Allein, weder die Abstammung noch der Gebrauch bestätigen diesen Unterschied. Gatter, Nieders. Gadder, welches übrigens der Abstammung nach richtiger ist, ist vorzüglich der gemeinen, und Gitter vornehmlich der anständigern Sprechart eigen. Sprichw. 7, 6 kommt auch das ohne Noth verlängerte Oberdeutsche Gegitter vor. Popowitsch zeiget in seiner Untersuchung von Meere S. 316, daß die Österreichische und Steiermärkische Mundart kein Gitter kennet, sondern in allen Fällen Gatter schreibt und spricht, ob sie gleich das a, wenn ein Fenstergitter gemeinet wird, etwas heller hören lässet.


Gitterbett (W3) [Adelung]


Das Gitterbett, des -es, plur. die -en, ein mit einem Gitter verwahrtes Bett für Kinder, damit sie nicht heraus fallen.


Gitterblech (W3) [Adelung]


Das Gitterblech, des -es, plur. die -e, bey den Gürtlern, ein Gitter von Eisendraht, kleine Sachen darauf hin und wieder zu tragen.


Gitterfenster (W3) [Adelung]


Das Gitterfenster, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit einem Gitter verwahrtes Fenster.


Gittern (W3) [Adelung]


Gittern, verb. reg. act. in Gestalt eines Gitters verfertigen, nach Art eines Gitters verbinden, von welchem das Mittelwort gegittert am üblichsten ist. Im gemeinen Leben gattern.


Gitterschwamm (W3) [Adelung]


Der Gitterschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art Schwämme, welche eine rundliche gegitterte Gestalt haben, und nur im mittägigen Europa angetroffen werden; Clathrus L.


Gitterspath (W3) [Adelung]


Der Gitterspath, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, eine Art Spath, welche ein gitterförmiges Gewebe hat; zum Unterschiede von dem Blätterspathe.


Gitterstock (W3) [Adelung]


Der Gitterstock, des -es, plur. die -stöcke, bey den Tischlern, ein Werkzeug, allerley Gittern das gehörige Maß zu geben.


Gitterthor (W3) [Adelung]


Das Gitterthor, des -es, plur. die -e, ein mit einem Gitter versehenes Thor; im gemeinen Leben ein Gatterthor.


Gitterthür (W3) [Adelung]


Die Gitterthür, plur. die -en, eine Thür in Gestalt eines Gitters; im gemeinen Leben Gatterthür.


Gitterwerk (W3) [Adelung]


Das Gitterwerk, des -es, plur. die -e, ein jedes Werk oder verfertigtes Ding in Gestalt eines Gitters.


Gitterzaun (W3) [Adelung]


Der Gitterzaun, des -es, plur. die -zäune, an einigen Orten, eine Befriedigung um einen Garten oder Acker in Gestalt eines Gitters; ein Stacket.


Glacis (W3) [Adelung]


Das Glacis, (sprich Glaßi,) plur. ut nom. sing. im Festungsbaue, die gelinde Abdachung der äußersten Brustwehre an dem bedeckten Wege, welche sich an das Feld verlieret; die Feld- brustwehre. Aus dem Franz. Glacis. Im mittlern Lat. ist Glatia eine Fläche, von dem Deutschen glatt.


Glander (W3) [Adelung]


Der Glander, S. Galander.


Glander (W3) [Adelung]


Die Glander, plur. die -n, ein nur im Niedersächsischen bekanntes Wort, so wohl eine Eisscholle, als auch eine Schleifbahn der Kinder auf dem Eise zu bezeichnen. Daher das Zeitwort glandern, auf dem Eise schleifen. S. Gleiten. Ohne Zweifel von dem alten glan, glänzend, S. Glanz.


Glanz (W3) [Adelung]


Der Glanz, des -es, plur. car. außer in der zweyten Bedeutung von mehrern Arten und Quantitäten, die -e. 1. Diejenige Eigenschaft eines Körpers, da er entweder sehr viele eigene Lichtstrahlen von sich gibt, oder doch wegen seiner glatten Oberfläche sehr viele Lichtstrahlen zurück wirft; ohne Plural. 1) Eigentlich. ein heller, starker, schwacher, matter Glanz. ein blendender Glanz, der höchste Grad des Glanzes. Einen Glanz von sich geben. Der helle Glanz der Sonne. Das Holz hat von Natur keinen Glanz. Den Glanz verlieren. Einem Körper einen Glanz geben, durch Glättung seiner Oberfläche. Die Sonne zeiget sich in ihrem völligen Glanze. Der Glanz der Farben, in der Mahlerey, ihre Lebhaftigkeit. In weiterer Bedeutung überhaupt, das Verhältnis der Oberfläche eines Körpers gegen das Licht, welches sie von sich gibt, oder zurück wirft. 2) Figürlich. Der Glanz der Ehre, ein hoher Grad der äußeren Ehre, der bey vielen Bewunderung und Ehrfurcht erwecket. Man sondere den Begriff der Tugend von der Freundschaft ab, so verschwindet ihr Werth, und ihr heiliger Glanz verlieret sich nicht selten in die Finsterniß des Eigennutzes und der niedrigsten Selbstliebe, Gell. das vortheilhafte, mit Bewunderung begleitete Urtheil, welches andere von ihr fälleten. Eine Wahrheit in ihrem ganzen Glanze sehen, ihre vortheilhaften Folgen auf das deutlichste erkennen. 2. Ein glänzender Körper, in einigen einzelnen Fällen. So wird im Bergbaue eine glänzende Bergart, welche würfelig und blätterig, wie der Spath, bricht und oft viel Bley enthält, Glanz, Glanzerz oder Bleyglanz genannt. Auch die Mahler nennen eine gewisse glasichte Materie, welche sie zum Aufftreuen gebrauchen, Glanz. Anm, Bey dem Notker Glanz, Gelanz und Klanz, im Engl. Gleam and Glance, im Holländ. Glantz, im Dän. Glands, im Schwed. Glans, im Pohln. und Böhmischen Glanc. Im Oberdeutschen ist statt dessen von alten Zeiten her auch Glaß, Glast, Glest, Glis, Gliz üblich gewesen. Der tag mit siner glesten, König Wenzel. Din spilnder ougen glast, der von Gliers. Der lichten Sonnen glast, S. Sachs. Aus welchem Worte es durch die sonst nicht ungewöhnliche Einschaltung des n entstanden ist, wo es nicht unmittelbar von beyder gemeinschaftlichem Stammworte Glo, Lo, Licht, gloa, leuchten, herkommt. S. Glas, 1. Gleißen, Glau, Glühen u. s. f. Im Wallachischen ist glan glänzend, im Griech. $ glänzende Dinge, und $ ein Stern.


Glanz-Cantille (W3) [Adelung]


Die Glanz-Cantille, plur. die -n, bey den Drathziehern und Stickern, Cantillen, d. i. auf einer Drahtnadel zu einem hohlen Röhrchen gesponnener Drath, welcher zu Lahn geplättet wird und dadurch einen spiegelnden Glanz bekommt; zum Unterschiede von den Perl-Cantillen. Die letzte Hälfte ist das Franz. Cantille.


Glanz-Corduan (W3) [Adelung]


Der Glanz-Corduan, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein glatter und glänzender Corduan, zum Unterschiede von dem rauchen.


Glänzen (W3) [Adelung]


Glänzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Am häufigsten als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, Glanz von sich geben. 1) Eigentlich. Es glänzt wie ein Spiegel. Lebhafte und glänzende Augen. Eine glänzende Thräne rollt über deine Wangen herab. Die Sonne glänzt in voller Majestät. Alles, alles glänzt in reifer Schönheit. Glänzende Lufterscheinungen, in engerer Bedeutung, welche zwar glänzen, aber nicht brennen, zum Unterschiede von den feurigen. 2) Figürlich, Bewunderung und Ehrfurcht bey vielen erwecken; nach dem Franz. briller. Die vorzüglichen Vollkommenheiten, welche in Platons Werken glänzen. Besonders durch Wiß, durch Lebhaftigkeit, durch einnehmende Eigenschaften im Äußern. Große Gelehrte glänzen in Gesellschaften gemeiniglich nicht. Diejenigen, welche immer glänzen, immer bewundert werden wollen, werden selten geliebt. Seinen Verstand bloß darum verbessern, um damit zu glänzen; ist die Kleiderpracht des Verstandes, Gell. Der Telemach hat eine reiche und glänzende Sprache. Eine glänzende Schönheit. II. Als ein Activum, glänzend machen, in welcher Gestalt es bey verschiedenen Künstlern und Handwerkern üblich ist. Einen Hut glänzen, bey den Hutmachern, ihn mit kaltem Wasser bügeln. S. Glänzhammer.

Anm. Im Dän. glandse, im Holländ. glantsen, in den gemeinen Deutschen Mundarten glinstern, glesten, glinzern, glitzen, glitzern, welche insgesammt Intensiva von glo, glühen, sind. S. dasselbe, ingleichen Glanz.


Glanzerz (W3) [Adelung]


Das Glanzerz, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, S. Glanz 2. und Bleyglanz.


Glanzgras (W3) [Adelung]


Das Glanzgras, des -es, plur. von mehrern Arten die -gräser, ein Gras, welches zu den Pflanzen mit drey Staubfäden und zwey Staubwegen gehöret; Phalaris L. Vermuthlich wegen der glänzenden Oberfläche der Blätter einiger Arten desselben.


Glänzhammer (W3) [Adelung]


Der Glänzhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey verschiedenen Metallarbeitern, ein Hammer mit einer sehr glänzenden Bahn, gewisse Arbeiten damit durch Hämmern zu glänzen, d. i. glänzend zu machen; der Gleißhammer.


Glänzig (W3) [Adelung]


Glänzig, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben, besonders bey den Bergleuten, für glänzend üblich ist.


Glanzkäfer (W3) [Adelung]


Der Glanzkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Schriftstellern des Naturreiches, eine Art goldgrüner und schwarzer sehr glänzender Käfer, mit hervor ragenden gezähnten Freßzangen, und hervor ragenden Augen; Cicindela L. Andere nennen ihn Zangenkäfer.


Glanzkobalt (W3) [Adelung]


Der Glanzkobalt, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, in der Mineralogie, ein stahlderbes, speisiges Kobalterz, welches schwer ist, und ein dunkles, metallisches und glänzendes Ansehen hat.


Glanzkohle (W3) [Adelung]


Die Glanzkohle, plur. die -n, eine Art Steinkohlen, welche hart und glänzend, wie eine Eisenschlacke, sind; zum Unterschiede von den Pech- und Schieferkohlen.


Glanzleinwand (W3) [Adelung]


Die Glanzleinwand, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, eine geglättete und dadurch glänzend gemachte Leinwand.


Glanzschetter (W3) [Adelung]


Der Glanzschetter, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. in einigen Gegenden, diejenige Leinwand, welche gemeiniglich steife Leinwand genannt wird, und gleichfalls glänzend ist. S. Schetter.


Glanzstein (W3) [Adelung]


Der Glanzstein, des -es, plur. die -e, ein reichhaltiger glänzender Eisenstein, welcher mit vielen Farben angelaufen ist, und zu Saalfeld in Thüringen, auf der Insel Elba u. s. f. gebrochen wird.


Glas-Achat (W3) [Adelung]


Der Glas-Achat, des -es, plur. die -e, ein schwarzer, dem Achate ähnlicher glasartiger Stein, welcher eigentlich eine natürliche Schlacke feuerspeyender Berge ist, und so wohl auf der Insel Island, als in andern Gegenden, wo es dergleichen Berge gibt, gefunden wird. S. Glas 2.


Glas-Amiant (W3) [Adelung]


Der Glas-Amiant, die -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein Amiant mit durchsichtigen und zerbrechlichen Faden, welcher dem Glase gleichet.


Glasapfel (W3) [Adelung]


Der Glasapfel, des -s, plur. die -äpfel, eine Art Äpfel, welche eine schmierige und öhlige Feuchtigkeit ausdünsten, fettig anzufühlen sind, und wie Glas zerbrechen; Nieders. Smeerke, Smeerkeappel. Ingleichen eine Art Äpfel, mit einer glänzenden halb hellgrünen und halb gelben Schale; Eisapfel.


Glasarbeit (W3) [Adelung]


Die Glasarbeit, plur. die -en, eine jede Arbeit, bey welcher das Glas der vornehmste Gegenstand ist; ingleichen aus Glas verfertigte Dinge, im Plural und als ein Collectivum.


Glasartig (W3) [Adelung]


Glasartig, -er, -ste, adj. et adv. dem Glase an Art, d. i. Beschaffenheit der innern Theile ähnlich; ehedem glasachtig. Glasartige Steine, welche so wohl von außen dem Glase ähnlich sehen, als auch leichter in Glas verwandelt werden können; im Gegensatze der kalkartigen, gypsartigen und thonartigen Steine.


Glasasche (W3) [Adelung]


Die Glasasche, plur. von mehrern Arten, die -n, diejenige Asche, welche zum Glasmachen erfordert wird.


Glasauge (W3) [Adelung]


Das Glasauge, des -s, plur. die -n. 1) Ein künstliches Auge von Glas. 2) Ein Auge, welches um die Pupille einen dem Glase ähnlichen Ring hat, der den größten Theil des Auges einnimmt, besonders bey den Pferden; Schwed. Glosögd. Angels. Glaseneage.


Glasbirn (W3) [Adelung]


Die Glasbirn, plur. die -en, eine Art langer, dicker, citronengelber, glänzender Birnen, welche im November reifen; Eisbirn.


Glasblaser (W3) [Adelung]


Der Glasblaser, des -s, plur. ut nom. sing. in den Glashüttern, derjenige Arbeiter, welcher die gläsernen Gefäße vermittelst des Blasens durch ein Rohr verfertiget.


Glasbürste (W3) [Adelung]


Die Glasbürste, plur. die -n, eine Art Bürsten, an welcher die Borsten in einen Draht eingedrehet sind, und seitwärts aus einander gehen, die Gläser damit zu reinigen; der Glasräumer.


Glas-Casse (W3) [Adelung]


Die Glas-Casse, plur. die -n, ein Glashaus, welches als ein Flügel an ein Gewächshaus angebauet ist, und vermittelst angebrachter Thüren Gemeinschaft mit demselben hat; aus dem Franz. Caisse.


Glasdeckel (W3) [Adelung]


Der Glasdeckel, des -s, plur. ut nom. sing. ein gläserner Deckel, ein Deckel von Glas.


Glaser (W3) [Adelung]


Der Glaser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher Glasscheiben in Fenster und Thüren einsetzet; an einigen Orten der Bleyglaser, weil sie gemeiniglich in Bley gesetzet werden; dessen Gattinn die Glaserinn.


Gläsern (W3) [Adelung]


Gläsern, adj. et adv. aus Glas bestehend. Gläserne Geschirre. Eine gläserne Flasche. Zuweilen auch dem Glase ähnlich. Die Augen sehen gläsern aus, wenn sie einem trüben Glase gleichen.


Glaserz (W3) [Adelung]


Das Glaserz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Bergbaue, ein glänzendes, reichhaltiges Silbererz, welches bleyfarbig ist, zuweilen wie Fahlerz aussiehet, und ein mit Schwefel vererztes Silber ist. Es wird auch Silberglas genannt.


Glasfenster (W3) [Adelung]


Das Glasfenster, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fenster, so fern dessen Raum mit Glasscheiben ausgefüllet ist.


Glasfluß (W3) [Adelung]


Der Glasfluß, des -sses, plur. von mehrern Arten, die -flüsse, ein jeder Körper, durch dessen Zusatz ein anderer in Glas verwandelt, oder dessen Verglasung erleichtert wird. Siehe Fluß.


Glasfritte (W3) [Adelung]


Die Glasfritte, plur. von mehrern Arten, die -n, das Gemenge derjenigen Materialien, aus welchen das Glas bereitet wird; das Glasgemenge. S. Fritte.


Glasgalle (W3) [Adelung]


Die Glasgalle, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -n, der salzige Schaum, welcher sich in den Töpfen, worin das Glas geschmelzet wird, von der Glasmasse absondert; der Glasschaum, Glasschmalz, Glassalz Fel vitri. Ohne Zweifel, so fern Galle einen jeden Zusammenfluß von Feuchtigkeiten bedeutet.


Glasgemenge (W3) [Adelung]


Das Glasgemenge, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. S. Glasfritte.


Glasglocke (W3) [Adelung]


Die Glasglocke, plur. die -n, ein gläsernes Gefäß in Gestalt einer Glocke, welches man in den Gärten über manche Gewächse stürzet.


Glasgrün (W3) [Adelung]


Glasgrün, adj. et adv. dem gemeinen grünlichen Fensterglase an Farbe gleich.


Glashafen (W3) [Adelung]


Der Glashafen, des -s, plur. die -häfen, in den Glashütten, diejenigen thönernen Häfen oder Töpfe, worin das Glasgemenge zu Glas geschmelzet wird; der Glastopf.


Glashandel (W3) [Adelung]


Der Glashandel, des -s, plur. inus. der Handel mit Glas. Daher der Glashändler, oder Glaskrämer, im gemeinen Leben der Glasmann, Fäm. Die Glashändlerinn, Glaskrämerinn.


Glashart (W3) [Adelung]


Glashart, adj. et adv. dem Glase an Härte ähnlich. Der Stahl ist glashart, wenn er wie ein Glas bricht.


Glashaus (W3) [Adelung]


Das Glashaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, dessen Seiten aus Glas bestehen. Besonders im Gartenbaue, ein Haus, dessen Vorderseite aus hohen Fenstern bestehet, um so viel Sonnenstrahlen als möglich aufzufangen und den Gewächsen die nöthige Wärme zu verschaffen; ein Treibehaus.


Glashonig (W3) [Adelung]


Das Glashonig, des -es, plur. inus. eine Art Honiges, welche durchsichtig wie Glas ist, und auch Zuckerhonig genannt wird.


Glashülse (W3) [Adelung]


Die Glashülse, S. Hartriegel.


Glashütte (W3) [Adelung]


Die Glashütte, plur. die -n, ein Gebäude, worin so wohl Glas verfertiget, als das verfertigte Glas aufbehalten wird, mit allen dazu gehörigen Nebengebäuden.


Glasicht (W3) [Adelung]


Glasicht, -er, -ste, adj. et adv. dem Glase ähnlich. So nennen die Gärber das Leder glasicht, wenn es auf der einen Seite hart und brüchig ist. Derjenige Weißen, welcher eine braune Schale hat, wird bey den Müllern glasig, richtiger glasicht genannt. Das erstere würde eigentlich bedeuten, Glas enthaltend; ungeachtet die Wörter auf ig auch häufig von der Ähnlichkeit gebraucht werden.


Glasiren (W3) [Adelung]


Glasiren, S. Glasuren.


Glaskirsche (W3) [Adelung]


Die Glaskirsche, plur. die -n, eine Art hellrother halb durchsichtiger Gartenkirschen, welche einen etwas wässerigen Geschmack haben.


Glaskitt (W3) [Adelung]


Der Glaskitt, des -es, plur. inus. ein Kitt, zerbrochene Gläser damit wieder zusammen zu kitten.


Glaskopf (W3) [Adelung]


Der Glaskopf, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die Glasköpfe, in der Mineralogie und dem Bergbaue, ein glänzender strahliger, zuweilen auch schuppenförmiger Eisenstein. Er hat gemeiniglich eine runde oder halb runde Gestalt, woher auch die letzte Hälfte der Benennung rühret. Der rothe Glaskopf ist auch unter dem Nahmen des Blutsteines bekannt, S. dieses Wort.


Glas-Koralle (W3) [Adelung]


Die Glas-Koralle, plur. die -n, aus Glas verfertigte oder vielmehr nachgemachte Korallen; zum Unterschiede von den echten.


Glaskrämer (W3) [Adelung]


Der Glaskrämer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Glashandel.


Glaskraut (W3) [Adelung]


Das Glaskraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Pflanze, welche, weil sie scharf ist, auch zur Reinigung der Trinkgläser gebraucht wird; Mauerkraut, Wandkraut, S. Peterskraut, Repphühnerkraut, Tag und Nacht, Parietaria officinalis L. 2) Eine Pflanze, welche an dem Seestrande Europens wächset, und wegen der vielen salzartigen Theile, die sie enthält, zu Asche gebrannt, und so wohl zur Seife, als auch zum feinen Glase gebraucht wird; Glasschmalz, Glasschmelz, Kali, Salicornia L.


Glasmacher (W3) [Adelung]


Der Glasmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher Glas verfertiget, besonders, so fern er sein vornehmstes Geschäft daraus macht. Daher die Glasmacherkunst, plur. car. die Kunst Glas zu verfertigen; das Glasmachen.


Glasmahler (W3) [Adelung]


Der Glasmahler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, der mit Farben auf Glas mahlet. Ingleichen ein Künstler, der mit gefärbten Glase und mit Hülfe des Feuers mahlet; ein Emailleur, Schmelzmahler.


Glasmahlerey (W3) [Adelung]


Die Glasmahlerey, plur. die -en. 1) Die Kunst auf Glas, oder mit gefärbtem Glase im Feuer zu mahlen; ohne Plural, 2) Dergleichen Gemählde oder gemahlte Sachen selbst.


Glasmann (W3) [Adelung]


Der Glasmann, des -es, plur. die -männer, S. Glashandel und Glasträger.


Glasnuth (W3) [Adelung]


Die Glasnuth, plur. die -en, die Nuth oder kleine eckige Rinne in den Fensterrahmen, worein die Glasscheiben gesetzet werden. S. Nuth.


Glasofen (W3) [Adelung]


Der Glasofen, des -s, plur. die -öfen, ein Ofen, worin andere Körper zu Glas geschmelzet werden, besonders in den Glashütten.


Glas-Paste (W3) [Adelung]


Die Glas-Paste, plur. von mehrern Arten, die -n, ein jedes künstliches, besonders gefärbtes Glas, falsche aus gefärbtem Glase nachgemachte Edelsteine u. s. f. S. Paste.


Glasperle (W3) [Adelung]


Die Glasperle, plur. die -n, aus Glas nachgemachte Perlen; zum Unterschiede von den echten Perlen und Wachsperlen.


Glasräumer (W3) [Adelung]


Der Glasräumer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Glasbürste.


Glasraute (W3) [Adelung]


Die Glasraute, plur. die -en, eine veraltete Art der Fensterscheiben, in Gestalt einer Raute, d. i. eines geschobenen Viereckes.


Glassalz (W3) [Adelung]


Das Glassalz, S. Glasgalle.


Glasschaum (W3) [Adelung]


Der Glasschaum, des -es, plur. inus. S. Glasgalle.


Glasscheibe (W3) [Adelung]


Die Glasscheibe, plur. die -n, eine Scheibe von Glas, besonders eine solche Fensterscheibe; die Fensterscheibe.


Glasscherbe (W3) [Adelung]


Die Glasscherbe, plur. die -n, Scherben von zerbrochenes Glase, oder zerbrochenen gläsernen Gefäßen.


Glasschleifen (W3) [Adelung]


Das Glasschleifen, des -s, plur. car. das Schleifen des Glases, und die Kunst, dem Glase durch Schleifen eine jede verlangte Figur zu geben. Daher der Glasschleifer, des -s, plur. ut nom. sing. der diese Kunst verstehet und seine vornehmste Beschäftigung daraus macht.


Glasschmalz (W3) [Adelung]


Das Glasschmalz, des -es, plur. von mehreren Arten, die -e, 1) S. Glasgalle. 2) Eine Pflanze, S. Glaskraut 2.


Glasschmelzer (W3) [Adelung]


Der Glasschmelzer, des -s, plur. ut nom. sing. in den Blaufarbenwerken, derjenige Arbeiter, welcher die Farbenkobalte zu Glas schmelzet.


Glasschneider (W3) [Adelung]


Der Glasschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher allerley Figuren in Gläser schneidet oder schleifet.


Glasschrank (W3) [Adelung]


Der Glasschrank, des -es, plur. die -schränke, ein Schrank, in welchem allerley gläserne Geschirre verwahret werden. Zuweilen auch ein Schrank mit Glasthüren.


Glasschürer (W3) [Adelung]


Der Glasschürer, des -s, plur. ut nom. sing. in den Blaufarbenwerken, derjenige Arbeiter, welcher den Ofen besorget, und das geschmolzene Glas zur gehörigen Zeit aussticht. Siehe Schüren.


Glasstein (W3) [Adelung]


Der Glasstein, des -es, plur. die -e, ein weißer etwas meergrüner geäderter Stein in Italien, welcher ein wenig durchsichtig ist, und ein gutes Glas gibt, wozu er auch gebraucht wird; Quocolos. Er wird von einigen irrig zu den Marmorarten gerechnet.


Glasstock (W3) [Adelung]


Der Glasstock, des -es, plur. die -stöcke, ein gläserner Bienenstock.


Glasthür (W3) [Adelung]


Die Glasthür, plur. die -en, eine aus Glasscheiben ganz oder zum Theil zusammen gesetzte Thür.


Glasträger (W3) [Adelung]


Der Glasträger, des -s, plur. ut nom. sing. der Gläser zum Verkaufe herum träget; im gemeinen Leben der Glasmann.


Glastrog (W3) [Adelung]


Der Glastrog, des -es, plur. die -tröge, in den Blaufarbenwerken, ein großer Trog, in welchem das glühende Glas gelöschet wird.


Glastropfen (W3) [Adelung]


Der Glastropfen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Springglas.


Glasur (W3) [Adelung]


Die Glasur, plur. von mehrern Arten, die -en. 1) Der glasartige Überzug irdener Gefäße, welcher aus Bleyasche, Salz und Sand verfertiget wird. 2) Diese Mischung selbst, welche im Feuer die Glasur hervor bringet. 3) In der Mahlerey ist die Glasur, Franz. Glacis, ein Überzug von leichten Farben, welche wenig Körper haben, womit glänzendere Farben überzogen werden. S. Lasur.


Glasuren (W3) [Adelung]


Glasuren, im gemeinen Leben glasiren, verb. reg. act. mit einer Glasur überziehen.


Glasur-Erde (W3) [Adelung]


Die Glasur-Erde, plur. von mehrern Arten, die -n, diejenige Erde, oder vielmehr derjenige Sand, welcher mit zur Glasur genommen wird; im Oberd. Gleste. In weiterer Bedeutung, eine jede Erde, die man wegen ihres schönen Glases zum Schmelzwerke gebrauchen kann; Flußerde.


Glasweide (W3) [Adelung]


Die Glasweide, plur. die -n, eine Art Weiden, welche ein sehr brüchiges Holz haben, daher sie nur zu Zäunen gebraucht werden; Bruchweide, Knackerweide, Sprockweide, Roßweide, Felber, Salix fragilis L. Besonders brechen die jungen jährigen Reiser bey der geringsten Berührung wie Glas ab.


Glaswerk (W3) [Adelung]


Das Glaswerk, des -es, plur. inus. allerley aus Glas verfertigte Dinge, als ein Collectivum.


Glätscher (W3) [Adelung]


Der Glätscher, S. Gletscher.


Glatt (W3) [Adelung]


Glatt, -er, -este, (nicht glätter, glätteste,) adj. et adv. welches diejenige Eigenschaft der Oberfläche der Körper ausdruckt, wenn sie von allen fühlbaren Erhöhungen oder Ungleichheiten befreyet ist, im Gegensatze dessen was rauh ist. 1. Eigentlich. Das Holz mit dem Hobel, mit Bimssteine glatt machen. Das Eis ist glatt, weil man leicht darauf gleitet. Es ist sehr glatt zu gehen. 2. Figürlich. 1) Von fetten flüssigen Körpern, weil sie dem Gefühle glatt vorkommen. Ihre Kehle ist glatter denn Öhl, Sprichw. 5, 3. Nach einer noch weitern Figur von Getränken, welche dem Geschmacke angenehm sind. Der Wein gehet glatt ein, Sprichw. 23, 31. 2) Ohne Falten, ohne Krausen, ohne Besetzung, ohne zierliche Erhöhungen; in verschiedenen einzelnen Fällen. Eine glatte Dose, welche keine eingegrabene oder ausgetiefte Figuren hat. Ein glattes Halstuch, ohne Spitzen. 3) Ungemodelt, im Gegensatze des Gemodelten, S. Modeln. 4) Ohne Haare, im Gegensatze des rauch. Ein glattes Kinn, im Gegensatze eines bärtigen. 5) Schmeichelhaft, im gemeinen Leben. Einem glatte Worte geben. Eine glatte Zunge haben. Pictorius nennet einen Schmeichler einen Glättling. 6) Schön, geputzt, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens. Eine glatte Jungfer, ein glattes Mädchen, ein glattes Gesicht. 7) So, daß nichts zurück bleibt, für völlig, ganz, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens. Etwas glatt wegschneiden. Den Kopf glatt abhauen. Eine Wiese glatt abmähen. Einem etwas glatt abschlagen. Etwas glatt heraus sagen. Alles glatt aufessen. Das habe ich glatt vergessen. S. Platt.

Anm. Im Nieders. glad und glett, im Dän. glat, im Schwed. glad, im Pohln. gladki, Böhm. hladki. Es gehöret mit zu dem großen Geschlechte derjenigen Wörter, welche von lo, la, hell, Licht, und mit dem Hauchlaute glo, glu, abstammen, und mit mancherley Ableitungssylben auch mancherley Nebenbedeutungen bekommen. Glatt bezeichnet die Ursache des Glänzens, weil glatte Körper gemeiniglich auch zu glänzen pflegen. Ottfried gebraucht glat für glänzend noch von der Sonne. Daß der Gaumenlaut nicht wesentlich zum Stamme gehöret, erhellet unter andern auch aus dem Wend. Latki, glatt, und Deutschen Licht, Lohe u. s. f. Indessen ist er doch schon alt, weil schon im Hebr. $ glatt, im Ehald. $ die Politur, und im Arab. $ poliren bedeutet. S. Glatze. Ehedem bedeutete dieses Wort figürlich auch fröhlich, lustig, bey dem Kero clat, im Schwed. noch jetzt glad, im Engl. Dän. und Angels. gleichfalls glad, wohin auch das Lat. laetus gehöret, dem bloß der Gaumenlaut mangelt.


Glattbüchse (W3) [Adelung]


Die Glattbüchse, plur. die -n, bey den Jägern, eine Kugelbüchse, welche inwendig keine Züge hat.


Glattbutte (W3) [Adelung]


Die Glattbutte, plur. die -n, eine Art Butten oder Flunder, vermuthlich, weil sie keine Stacheln hat; Pleuronectes Rhombus L. die Elbbutte, weil sie in die Elbe geht.


Glätte (W3) [Adelung]


Die Glätte, plur. inus. außer in der zweyten Bedeutung von mehrern Arten, plur. die -n. 1) Die Eigenschaft eines Körpers, da derselbe glatt, d. i. ohne alle fühlbare Ungleichheiten und Erhabenheiten ist; im gemeinen Leben die Glattigkeit, Glattheit. Die Glätte des Eises, des Spiegels u. s. f. 2) Ein glatter Körper. Besonders ist unter diesem Nahmen die glasartige Schlacke des Bleyes bekannt, entweder weil sie wirklich glatt und fettig anzufühlen ist, oder auch wegen ihres Glanzes, da denn das Wort hier noch seine ursprüngliche Bedeutung haben und Glanz bedeuten würde. Die Glätte frischen, im Hüttenbaue, sie wieder zu Bley reduciren, S. Glättfrischen. Die gelbe Glätte ist unter dem Nahmen der Goldglätte, die weiße aber der Silberglätte bekannt, weil erstere den Glanz des Goldes, die letztere aber des Silbers hat. Im gemeinen Leben lautet dieses Wort gemeiniglich Glöth, Glöthe, wodurch Frisch verleitet worden, es von Loth, Bley, abzuleiten, als wenn es aus Gelöthe zusammen gezogen wäre. Im Schwed. heißt die Glätte Glitt, im Franz. Glette, im Böhm. Glet.


Glatteis (W3) [Adelung]


Das Glatteis, des -es, plur. car. dasjenige Eis, welches entstehet, wenn der Regen oder Nebel an den Körpern gefrieret und sie mit einer glatten Oberfläche überziehet; in der Schweiz auch Glanz.


Glatteisen (W3) [Adelung]


Glatteisen, verb. reg. welches nur im gemeinen Leben, als ein unpersönliches Neutrum mit haben üblich ist. Es glatteiset, es entstehet Glatteis. Es hat diese Nacht geglatteiset.


Glatteisen (W3) [Adelung]


Das Glatteisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Drechslern, ein Werkzeug, die Oberfläche der Körper damit glatt zu drechseln. Bey den Perrückenmachern ist es ein plattes eisernes Werkzeug, die untern Theile der Dressen an dem Kopfe damit zu brennen.


Glätten (W3) [Adelung]


Glätten, verb. reg. act. glatt machen, besonders so fern solches durch bloßes Reiben mit einem glatten Werkzeuge ohne Zuziehung eines andern Mittels geschiehet. So werden das Papier, gewisse Arten der Zeuge, vergoldete Dinge u. s. f. durch Steine, Walzen oder andere Werkzeuge geglättet. Daher die Glättung. Im Nieders. gniden, schwed. gnida, im Böhm. hladiti. S. auch Plätten.


Glätter (W3) [Adelung]


Der Glätter, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Person, welche glättet. Besonders gewisse Leute, welche ein eigenes Geschäft daraus machen, Papier und manche Arten der Zeuge zu glätten. Fämin. Die Glätterinn, plur. die -en. Zu den letzteren gehören die Klanderer in Niedersachsen, welche die Leinwand glätten, von Klander, Franz. Calander, eine Walze. 2) Ein Werkzeug, andere Körper damit zu glätten, in verschiedenen einzelnen Fällen.


Glätt-Factor (W3) [Adelung]


Der Glätt-Factor, des -s, plur. die -e, im Bergbaue, ein Factor, welcher die Glätte aus den Hütten in Empfang nimmt, sie verkauft, und das daraus gelösete Gelb berechnet; im gemeinen Leben Glöth-Factor.


Glättfäßchen (W3) [Adelung]


Das Glättfäßchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fäßchen von einem bestimmten Maße, die Glätte darin aufzubehalten oder zu verführen; das Glöthfässel.


Glattfeile (W3) [Adelung]


Die Glattfeile, plur. die -n, bey den verschiedenen Metallarbeitern, eine feine Feile, die aus dem Groben gefeilten Dinge damit glatt zu machen.


Glättfrischen (W3) [Adelung]


Das Glättfrischen, des -s, plur. car. im Hüttenbaue, die jenige Arbeit, da die Glätte gefrischet, d. i. wiederum in Bley verwandelt, oder zu Bley reduciret wird, welches Bley hernach Frischbley, die dazu bestimmte Glätte aber Frischglätte genannt wird.


Glättgasse (W3) [Adelung]


Die Glättgasse, plur. die -n, im Hüttenbaue, diejenigen Fugen in dem Treibeherde, wodurch die Glätte, wenn sie sich von dem Silber scheidet, abläuft; die Glöthgasse;


Glättglas (W3) [Adelung]


Das Glättglas, des -es, plur. die -gläser, ein unten auf dem Boden glatt abgeschliffenes Glas, genähete Waaren damit zu glätten.


Glätthaken (W3) [Adelung]


Der Glätthaken, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Eisen, mit welchem die Glättgasse zur gehörigen Zeit gemacht, und der Glätte nachgeholfen wird.


Glatthobel (W3) [Adelung]


Der Glatthobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, damit das Holz glatt zu hobeln; der Schlichthobel.


Glättholz (W3) [Adelung]


Das Glättholz, des -es, plur. die -hölzer, ein jedes hölzernes Werkzeug, andere Dinge damit zu glätten. Besonders bey den Schustern, ein glattes Holz, die Absätze und Ränder der Sohlen damit zu glätten.


Glättkeule (W3) [Adelung]


Die Glättkeule, plur. die -n, ein Stück Glas in Gestalt einer Keule oder Zwiebel, womit die Saffianmacher den schwarzen Saffian glätten.


Glättkolben (W3) [Adelung]


Der Glättkolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kolben, andere Körper damit zu glätten, besonders bey den Buchbindern, zu den Decken der Bücher.


Glättmühle (W3) [Adelung]


Die Glättmühle, plur. die -n, ein ausgehöhlter großer Stein, worin die Töpfer ihre Glätte bereiten.


Glättplatte (W3) [Adelung]


Die Glättplatte, plur. die -n, eine steinerne Platte, auf welcher die Papiermacher das Papier mit dem Glättsteine glätten.


Glättschicht (W3) [Adelung]


Die Glättschicht, plur. die -en, im Hüttenbaue, so viel Glätte, als bey einem Treiben, auf Ein Mahl von dem Silber abgehet.


Glättschiene (W3) [Adelung]


Die Glättschiene, plur. die -n, bey den Schustern, eine hölzerne Schiene, die Fläche der Sohlen damit zu glätten.


Glättstahl (W3) [Adelung]


Der Glättstahl, des -es, plur. die -stähle, ein stählernes Werkzeug verschiedener Metallarbeiter, andere Metalle damit zu glätten oder zu poliren.


Glättstein (W3) [Adelung]


Der Glättstein, des -es, plur. die -e, ein glatt geschliffener halb runder Stein, Papier, Leinwand u. s. f. damit zu glätten. Oft ist es auch nur ein Stück Glas in Gestalt eines solchen Steines. Schwed. Gnidsten, Nieders. Gnidsteen, Gnidelsteen.


Glättzahn (W3) [Adelung]


Der Glättzahn, des -es, plur. die -zähne, ein Wolfs- oder Schweinszahn, vergoldetes Holz, Leder, Papier u. s. f. damit zu glätten oder zu poliren.


Glatze (W3) [Adelung]


Die Glatze, plur. die -n, eigentlich, eine jede glatte oder kahle Fläche, doch nur noch in engerer Bedeutung, eine vor Alter oder durch Krankheiten von Haaren entblößte Stelle des Hauptes; im mittlern Lat. Glabella. Eine Glatze haben, bekommen. In den niedrigen Sprecharten auch figürlich für den Kopf selbst, in verächtlichem Verstande. Sonst kommen wir dir über die Glatze. S. auch Platte.


Glatzig (W3) [Adelung]


Glatzig, adj. et adv. eine Glatze habend, im gemeinen Leben.


Glatzkopf (W3) [Adelung]


Der Glatzkopf, des -es, plur. die -köpfe, im verächtlichen Verstande; ein Kopf mit einer Glatze, und figürlich auch eine Person mit einer Glatze.


Glau (W3) [Adelung]


Glau, -er, -este, adj. et adv. ein nur noch in den gemeinen Sprecharten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes übliches Wort. 1) Eigentlich, hell, heiter. Die Luft ist so glau. Im Angels. glew, im Isländ. glä. 2) Figürlich, scharfsichtig, klug, Nieders. glau. In welchem Sinne schon Kero claulihho für verständig gebraucht. Glaue manno sind bey dem Ottfried weise Männer.

Anm. Auch dieses Wort gehöret zu glühen; Licht, und dem veralteten lugen, sehen. Es ist zugleich das nächste Stammwort von unserm Hochdeutschen Klug und Schlau, siehe diese Wörter.


Glaube (W3) [Adelung]


Der Glaube, des -ns, dem -n, u. s. f. plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte glauben. I. In dessen veralteten thätigen Bedeutung, vermittelst eines Handschlages versprechen, und in weiterer Bedeutung versprechen überhaupt, die Zusage, das Versprechen und deren Erfüllung; ohne Plural. In welcher Bedeutung es nur noch im gemeinen Leben in den R. A. üblich ist, er hält weder Treu noch Glauben, auf guten Treu und Glauben, ich nehme es auf Glauben, auf das Wort. S. Glauben

Anm. II. In der mehr intransitiven Bedeutung, für wahr halten. 1. Als ein Abstractum, ohne Plural. 1) In der weitesten Bedeutung, der Beyfall, welchen man einem Satze gibt, der Zustand des Gemüthes, da man eine Sache für wahr hält. Keinen Glauben an Gespenster haben, ihr Daseyn nicht glauben. Bleiben sie bey dem Glauben, in der vertraulichen Sprechart, fahren sie fort, das zu glauben. Wenn er nur den Glauben hat, wenn er dieses nur glaubet, oder sich einbildet. 2) In engerer Bedeutung, der Beyfall, welchen man einem Satze gibt, um des Zeugnisses eines andern willen. (a) Eigentlich. Einer Sache Glauben beymessen, geben, sie glauben. Einer Person Glauben beymessen oder geben, ihr glauben um ihres eigenen Zeugnisses willen. Einer Sache oder Person Glauben zustellen, für beymessen oder geben, ist in der edlen Schreibart veraltet. Das ist über allen Glauben, kann unmöglich geglaubet werden. Einer Person oder Sache allen Glauben versagen. Ich werde bey ihm hoffentlich leicht Glauben finden, er wird mir hoffentlich leicht glauben. Zuweilen auch die Eigenschaft, vermöge welcher man jemanden um seines bloßen Zeugnisses willen Beyfall geben kann, die Glaubwürdigkeit. Durch mehrmahlige Unwahrheiten bringet man sich um allen Glauben. Du hast allen Glauben bey mir verloren. (b) In einigen engern Bedeutungen. aa) Im Handel und Wandel, der Beyfall, welchen man der Versicherung eines andern, und im engsten Verstande, seiner versprochenen Bezahlung oder Vergütung, um seines bloßen Zeugnisses willen gibt; der Credit. Ich habe ihm die Waare auf Glauben gegeben. Einem Glauben geben, d. i. Credit. Ingleichen auch hier subjective. Du hast keinen Glauben mehr bey mir, keinen Credit. Seinen Glauben retten, seinen Credit. bb) In der Theologie, der Beyfall, welchen man den Zeugnissen Gottes um der Versicherung Gottes willen gibt; in welcher Bedeutung dieses Wort in der Bibel und der biblischen Schreibart unter verschiedenen Einschränkungen üblich ist. (1) In der engsten Bedeutung, die Erwartung der Erfüllung aller Zusagen von Gott als unausbleiblich, um des göttlichen Zeugnisses willen. Der wahre Glaube, der selig machende Glaube, im Gegensatze des Mund- Wahn- und Heuchelglaubens. (2) In weiterer Bedeutung, die Fertigkeit, alle göttliche Aussprüche und Versicherungen für untrieglich zu halten. (3) In noch weiterer Bedeutung, die Erwartung der möglichsten Besserung seines Zustandes allein von Gott, um des göttlichen Zeugnisses willen; in welchem Verstande der Glaube auch die Hoffnung mit in sich begreift. Der Glaube an Gott. In allen diesen drey Bedeutungen findet so wohl ein wahrer und selig machender Glaube, als auch ein todter und falscher Glaube Statt. (4) In der weitesten Bedeutung bezeichnet es oft die ganze übernatürliche Fertigkeit rechtmäßiger Veränderungen. Dahin die biblischen R. A. gehören, im Glauben beharren, Glauben halten, den Glauben bewahren u. s. f. 2. Als ein Concretum, dasjenige was geglaubet wird, der Gegenstand des Glaubens; in welcher Bedeutung, die auch den Plural leidet, dieses Wort in folgenden Fällen üblich ist. 1) Eine kurze Formel der Glaubenslehre, der Inbegriff der wesentlichsten Glaubenswahrheiten; das Glaubensbekenntniß. Daher der apostolische Glaube, der Athanastsche Glaube. Den Glauben bethen, das Glaubensbekenntniß hersagen. 2) Der ganze Umfang aller Glaubenslehren, die jemand glaubet, die Religion. Der Jüdische Glaube, der christliche Glaube, der Türkische Glaube. Einen Glauben annehmen, bekennen. Seinen Glauben verläugnen. Weß Glaubens bist du? zu welcher Religion bekennnest du dich? Pflanzt Glauben mit dem Schwert und dünget sie mit Blut, Hall. - Ein allgemeiner Christ, Der aller Glauben Glied und keines eigen ist, ebend.

Anm. In allen diesen Bedeutungen im Isidor Chilaubi, Chilaupnisse, bey dem Kero Kilauba, bey dem Ottfried Gilouba, bey dem Willeram Geloube und Lowa, in dem alten Gedichte auf Carln den Großen bey dem Schilter Loube, im Nieders. Love und Glove, im mittlern Lat. Credentia und Credulitas. Das e am Ende ist das e euphonicum; die härtere Oberdeutsche Mundart schreibt nur Glaub, und spricht Glaup.


Glauben (W3) [Adelung]


Glauben, verb. reg. act. etwas für wahr halten. 1. In der weitesten Bedeutung dieses Ausdruckes, ohne Beziehung auf die Gründe, warum man etwas für wahr hält, im Gegensatze des Zweifels und der Verneinung, und mit der vierten Endung des Nennwortes. Einen Gott glauben, dem Satze, daß ein Gott sey, überhaupt Beyfall geben, ohne zu wissen warum. Es gibt immer noch Leute, welche Hexen und Gespenster glauben. Im gemeinen Leben auch mit dem Vorworte an, an Hexen und Gespenster glauben. Er muß daran glauben, sagt man im gemeinen Leben figürlich von jemanden, der einer unvermeidlichen Sache nicht entgehen kann. Ehedem glaubte man, daß sich die Sonne um die Erde bewege. Etwas für gewiß glauben, fest davon überzeugt seyn. Das glaub' ich, wenn wir allen helfen könnten, dann wären wir zu beneiden, Less. 2. In engerer Bedeutung, mit verschiedenen Nebenbegriffen und Einschränkungen. 1) Mit dem Nebenbegriffe des Ungrundes, für, sich einbilden. Bav glaubt, daß er ein vortrefflicher Dichter sey. Glaubest du etwa, daß du länger blühen wirst, als einen Frühling? Bey den Dichtern zuweilen auch als ein Reciprocum mit der vierten Endung der Sache. Daß Mops sich einen Dichter glaubt, Eron. 2) Mit dem Nebenbegriffe, der wahrscheinlichen Gründe, für vermuthen. Ich glaube, er wird nicht kommen, oder ich glaube nicht, daß er kommen wird. Ich habe es lange geglaubt, daß Greif der Dieb ist. Wer hätte das glauben sollen, daß dein Bruder so aus der Art schlagen würde? Er hatte sie, glaub' ich, gestern gesehen, d. i. wie ich glaube, oder vermuthe. Sich sicher glauben, glauben, daß man sicher sey. 3) Am häufigsten, einem Satze um des Zeugnisses eines andern willen Beyfall geben; zum Unterschiede von dem Wissen und der Überzeugung. (a) Eigentlich, mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache. Das kann ich unmöglich glauben. Ich glaube dir diesen Umstand gerne. Star hat schon so oft Unwahrheiten gesagt, daß man ihm nicht mehr glauben kann. Man kann seinen Worten nicht glauben. Glauben sie meinen Schwüren nicht? wo die Sache anstatt der Person in der dritten Endung stehet. Ich will es ihnen auf ihr Wort glauben. Das glaub' ich in Ewigkeit nicht. Es ist zu glauben. Ich wills glauben. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung der Sache. Thes gilaube man mir, Ottfr. Er sündet, swer des nicht geloubet, Kaiser Heinrich. (b) In engerer Bedeutung. (1) Im Handel und Wandel, eines Zusagen glauben, und ihm um deßwillen etwas anvertrauen; in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Einem Waaren glauben, d. i. auf Credit geben. (2) In der Theologie, einen Satz auf das Zeugniß Gottes für wahr halten. Ingleichen mit dem Vorworte an, an jemanden glauben, die Besserung seines Zustandes von ihm erwarten, um des Zeugnisses anderer willen. An Gott glauben, Gutes von ihm um seiner Versicherung willen erwarten; wo dieses Wort so wohl absolute und allein, als auch mit dem Vorworte an unter eben so vielen Einschränkungen üblich ist, als das Hauptwort Glaube, und in der Deutschen Bibel oft die ganze übernatürliche Fertigkeit der rechtmäßigen Veränderungen in sich begreift.

Anm. In dem Isidor lautet dieses Verbum chilauban, in dem alten Glaubensbekenntnisse aus dem achten Jahrh. gelobon, bey dem Ottfried giloubon, bey dem Kero kilauban, im Angels. gelyfan, geleawan, im Engl. to believe; woraus zu gleich erhellet, daß das g nicht zum Stammworte gehöret, sondern aus der Vorsylbe ge zusammen gezogen worden. Man findet auch wirklich nur louuen für glauben, und die Niedersachsen sagen noch jetzt nur löven. Es gehöret zu dem alten Worte, Laf. Lob, Laub, die Hand, von welchem Worte lauben, loben, so wohl active mit einem Handschlage versprechen, und hernach versprechen überhaupt, ( S. Glaube I.) als auch intransitive, ein solches Versprechen annehmen, und in weiterer Bedeutung, einen Satz für wahr halten, bedeutete. Daher der noch im Handel und Wandel einiger Gegenden übliche Gebrauch dieses Zeitwortes die erste eigentlich Bedeutung zu seyn scheinet. S. auch Erlauben, Geloben, Liefern und Urlaub. Gläuben für glauben ist eine im Hochdeutschen veraltete Form, welche im theologischen Verstande in der Deutschen Bibel häufig vorkommt, und von einigen Geistlichen aus bloßer Nachahmung beybehalten wird.


Glaubenfest (W3) [Adelung]


Glaubenfest, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, fest in seinem Glauben, d. i. von der Wahrheit seiner Religion gründlich überzeuget.


Glaubensähnlichkeit (W3) [Adelung]


Die Glaubensähnlichkeit, plur. inus. in der Theologie, der Zusammenhang der Glaubenslehren, dadurch sie so wohl unter sich, als mit ihrem gemeinschaftlichen Endzwecke verbunden werden; ingleichen, das daraus entstehende Verhältniß. Analogia fidei.


Glaubens-Artikel (W3) [Adelung]


Der Glaubens-Artikel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eben daselbst, ein Artikel, d. i. größerer Theil des Lehrgebäudes der Glaubenslehre; eine Glaubenslehre in engerer Bedeutung. 2) Eine jede wesentliche Grundwahrheit des gottesdienstlichen Lehrbegriffes. Das ist kein Glaubens-Artikel, figürlich, darf nicht unumgänglich geglaubet werden.


Glaubensbekenntniß (W3) [Adelung]


Das Glaubensbekenntniß, des -sses, plur. die -sse, eine kurze Formel der wesentlichen Grundwahrheiten des gottesdienstlichen Lehrbegriffes. Sein Glaubensbekenntniß ablegen. Das apostolische, das Athanastsche Glaubensbekenntniß, welche im gemeinen Leben nur der Glaube genannt werden. Das Augsburgische Glaubensbekenntniß.


Glaubensbothe (W3) [Adelung]


Der Glaubensbothe, des -n, plur. die -n, derjenige, welcher einen neuen Glauben, d. i. eine neue Religion verkündigt; ein Apostel.


Glaubensfrucht (W3) [Adelung]


Die Glaubensfrucht, plur. die -früchte, in der Theologie, alle guten Werke, so fern sie aus dem wahren Glauben herrühren.


Glaubensgenoß (W3) [Adelung]


Der Glaubensgenoß, des -ssen, plur. die -ssen, derjenige, welcher mit einem andern gleiches Glaubens ist, d. i. sich mit ihm zu einer und eben derselben Religion bekennet.


Glaubensgericht (W3) [Adelung]


Das Glaubensgericht, des -es, plur. die -e, ein Gericht über Gegenstände der Glaubenslehre; das Ketzergericht, so fern es wider Ketzer angestellet wird, die Inquisition.


Glaubensgrund (W3) [Adelung]


Der Glaubensgrund, des -es, plur. die -gründe, in der Theologie. 1) Eine Grundwahrheit der Heilsordnung, und der ganze Begriff dieser Wahrheiten. Die Lehre von der Bricht betrifft den Glaubensgrund nicht. 2) Dasjenige, worauf sich der Glaube, d. i. die ganze Religion, gründet, woraus sie erweislich wird, welches in der evangelischen Kirche allein die heil. Schrift ist. 3) Dasjenige, worauf sich der Glaube in Abstracto und subjective betrachtet gründet, welches die göttlichen Verheißungen sind. Der persönliche Glaubensgrund ist Christus.


Glaubenslehre (W3) [Adelung]


Die Glaubenslehre, plur. die -n. 1) Der ganze Umfang aller zur Heilsordnung gehörigen Wahrheiten, welche geglaubt, d. i. auf das Zeugniß Gottes angenommen werden müssen; die Dogmatik. 2) Einzelne Wahrheiten und Theile derselben, und in der engsten Bedeutung, eine Grundwahrheit, welche nothwendig geglaubet werden muß.


Glaubensreinigung (W3) [Adelung]


Die Glaubensreinigung, plur. die -en, ein in der evangelischen Kirche üblicher Ausdruck, die Wiederherstellung der Reinigkeit der Glaubenslehren, die Reformation, zu bezeichnen, mit einem etwas unbequemern Ausdrucke, die Glaubensverbesserung; besonders diejenige, welche im 16ten Jahrh. von Luthern und seinen Gehülfen bewerkstelliget wurde, welche daher auch wohl Glaubensreiniger, und auf eine unbequemere Art, Glaubensverbesserer genannt werden.


Glaubenssache (W3) [Adelung]


Die Glaubenssache, plur. die -n, eine jede Sache, welche den Glauben, d. i. die Religion, und den dazu gehörigen Umfang von Wahrheiten betrifft.


Glaubensverbesserung (W3) [Adelung]


Die Glaubensverbesserung, und Glaubensverbesserer, S. Glaubensreinigung.


Glaubenswort (W3) [Adelung]


Das Glaubenswort, des -es, plur. die -wörter, ein in der Theologie üblicher Ausdruck, die Pronomina possesiva mein, dein, sein u. s. f. in den Ausdrücken, mein Gott, mein Erlöser u. s. f. zu bezeichnen, weil der Glaube sich mit deren Anwendung auf sich selbst beschäftiget.


Glaubhaft (W3) [Adelung]


Glaubhaft, -er, -este, adj. et adv. Glauben, d. i. Beyfall habend, verdienend, so wie glaubwürdig. Ein glaubhafter Mann, ein glaubhaftes Zeugniß, dem man glauben kann. Daher die Glaubhaftigkeit. S. Glaubwürdig und Glaubwürdigkeit.


Gläubig (W3) [Adelung]


Gläubig, adj. et adv. von dem Hauptwörter Glaube, Glauben habend. 1) In der weitesten Bedeutung, einen Satz für wahr haltend; in welcher Bedeutung es nur in den Zusammensetzungen leichtgläubig, abergläubig, ungläubig üblich ist, in welchen Wörtern es zugleich die Comparation leidet. 2) In engerer Bedeutung heißt im Handel und Wandel ein Gläubiger derjenige, welcher einem andern Geld oder Waaren auf Glauben gegeben hat, und überhaupt ein jeder, dem ein anderer Geld oder Waaren schuldig ist, dessen Gläubiger, der Schuldherr, ehedem Glauber, Hinlehner, Lechner, Gelter, Schuldgläubiger, Latein. Creditor, im Gegensatze des Schuldners. 3) Im theologischen Verstande ist gläubig in der weitesten Bedeutung, den Glauben an Gott mit dem Munde bekennend, da oft alle äußere Glieder der wahren Kirche Gläubige oder die Gläubigen genannt werden. Im engern und gewöhnlichsten Verstande sind es nur die, welche durch Genehmhaltung der Heilsordnung das Recht haben, die möglichste Besserung ihres Zustandes von Gott zu erwarten. Ingleichen, alles was in dem Glauben gegründet ist. Ein gläubiges Vertrauen, ein gläubiges Gebeth u. s. f. 1 Tim. 5, 16, heißet eine gläubige Person weiblichen Geschlechtes wider den Sprachgebrauch eine Gläubiginn für Gläubige.

Anm. Bey dem Ottfried giloubig, bey dem Notker chlobig, im mittlern Lat. fidelis.


Glaublich (W3) [Adelung]


Glaublich, -er, -ste, adj. et adv. was sich glauben lässet, dessen Wahrheit wahrscheinliche Gründe für sich hat, wahrscheinlich; im Oberdeutschen glaubig. Es ist glaublich, daß sich die Sache so verhält. Philet verließ unter einem glaublichen Vorwande die Gesellschaft. Diese Umstände sind kaum glaublich.

Anm. Bey dem Notker geloublich. Für glaubwürdig, wahrhaft, ein Gesicht das glaublich war, 2 Macc. 15, 11, ingleichen für, vermittelst des Glaubens, wie bey dem Opitz: Darum muß dieß von uns seyn glaublich angenommen, Daß die Vollkommenheit in Gott sey ganz vollkommen, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Glaublichkeit (W3) [Adelung]


Die Glaublichkeit, plur. car. die Beschaffenheit eines Satzes oder einer Erzählung, nach welcher sie glaublich ist.


Glaublos (W3) [Adelung]


Glaublos, -er, -este, adj. et adv. keinen Glauben verdienend. Eine glaublose Sache, welche man nicht glauben kann. Ein glaubloser Mensch, welcher keinen Glauben verdienet. So auch die Glaublosigkeit.


Glaubwürdig (W3) [Adelung]


Glaubwürdig, -er, -ste, adj. et adv. des Glaubens würdig, d. i. den innern und äußern Umständen nach so beschaffen, daß man demselben seinen Beyfall nicht versagen kann. Eine glaubwürdige Erzählung, eine glaubwürdige Geschichte. Die Sache ist vollkommen glaubwürdig. Eine Sache glaubwürdig machen. Ein glaubwürdiger Mann, ein glaubwürdiger Geschichtschreiber.


Glaubwürdigkeit (W3) [Adelung]


Die Glaubwürdigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Person oder Sache, nach welcher sie glaubwürdig ist.


Glauch (W3) [Adelung]


Glauch, -er, -este, adj. et adv. welches nur im Bergbaue üblich ist; eine weißblaue, dem Schimmel ähnliche Farbe zu bezeichnen. Glauches Erz, glauches Gestein. Weil dergleichen Gestein alle Mahl taub, d. i. ohne Erzgehalt zu seyn pfleget, so heißt ein glaucher Gang eben daselbst auch so viel, als ein tauber oder leerer Gang.

Anm. Dieses Wort kommt mit dem Latein. glaucus sehr deutlich überrein. Aber ist es wohl glaublich, daß die Deutschen Bergleute es aus dem Lateinischen entlehnet haben sollten? Es gehöret mit dem Lat. vielmehr zu glühen. Licht und dem ganzen Geschlechte dieser Wörter, und mag ehedem eigentlich hell bedeutet haben. Im Isländ. ist glae noch jetzt hell. S. Glühen, Glau, Glanz, Licht u. s. f.


Glauchherd (W3) [Adelung]


Der Glauchherd, des -es, plur. die -e. 1) Im Bergbaue, ein Herd, dessen Breter sehr genau an einander gefüget und glatt seyn müssen, und welcher ohne Planen gebraucht wird, die gepochten Erze und Schlämme darüber zu waschen. 2) Bey den Vogelstellern, besonders Oberdeutschlandes, ist ein Glauchherd, ein kleiner Vogelherd.

Anm. Es scheinet nicht, daß dieses Wort mit dem vorigen etwas mehr als eine bloß zufällige Ähnlichkeit des Klanges gemein habe. Vermuthlich ist es durch Vorsetzung des Hauchlautes aus dem noch im Schwedischen üblichen Loge, eine Tenne gebildet. Das Lat. Lacus beschreibt Columella durch Spatia quaedam quadrata, quibus distinguuntur granaria, ubiseparatim ponuntur quaeque legumina. Herr Ihre, dem ich diese Stelle zu verdanken habe, führet auch das Wallis. Lawr, ein Boden, eine Fläche, das Finnische Lua, das Geräfel, und das Griech. $ eine Tenne, an. S. Lege, Flach und Lache.


Glede (W3) [Adelung]


+ Die Glede, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Büschel abgeschnittener Getreidehalmen, deren mehrere eine Garbe machen. S. 1 Gans. Ohne Zweifel vermittelst des vorgesetzten Hauchlautes von laden, welches ehedem überhaupt zusammen tragen, sammeln, bedeutete. Im Isländ. ist Hlad noch jetzt ein Haufen.


Glefe (W3) [Adelung]


* Die Glefe, plur. die -n, oder der Glefen, des -s, plur. ut nom. sing. ein nunmehr veraltetes Wort, welches ehedem sehr üblich war, und so wohl eine Lanze, einen Spieß, einen Speer, besonders von der Art, deren sich ehedem die Reiter im Kriege bedienten, als auch einen damit bewaffneten Reiter, wie auch eine Zahl von vier oder fünf Reitern, vermuthlich, weil sie einem Glefenreiter zur Bedienung oder zur Unterstützung waren, bedeutete. Daher die Glefener, ein mit einer Glefe bewaffneter Reiter, die Glefenbürger, die mit Lanzen bewaffneten Bürger in den Städten u. s. f.

Anm. Im Niders. Glävink, im Schwed. Glafwen, im Oberdeutschen ehedem auch Gläve, Gleve u. s. f. im mittlern Latein. Glavea. Im Wallis ist Glaif eine Sichel, im Engl. Glave, und im Franz. Glaive, ein Degen, Gladius. S. von diesem Worte Frischens, Wachters und vor allen Ihres Gloss.


Gleich (W3) [Adelung]


+ Das Gleich, des -es, plur. die -e, ein nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, übliches Wort, ein Gelenk, besonders ein Gelenk des thierischen Körpers, ingleichen die Absätze oder Knoten an dem Rohre, den Strohhalmen und andern Gewächsen zu bezeichnen. Daher die Gleichbeine, Ossa Sesamoidea, welche im Hochdeutschen Gelenkbeine genannt werden, gleichsüchtig, mit dem Podagra behaftet, und die Gleiche, das Podagra und Chiragra u. s. f. welche insgesammt nur noch im Oberdeutschen üblich sind. In einigen Gegegenden ist es weiblichen Geschlechtes, die Gleiche, plur. die -n. S. Gelenk.


Gleich (W3) [Adelung]


Gleich, ein Wort, welches überhaupt eine Übereinstimmung der Beschaffenheit oder Umstände bezeichnet, und in einer dreyfachen Gestalt üblich ist. I. Als ein Bey- und Umstandswort, gleicher, gleichste. 1. Gerade. 1) Eigentlich, den kürzesten Weg zwischen zwey Puncten zu bezeichnen. (a) Im Gegensatze dessen, was krumm ist, in einigen Fällen des gemeinen Lebens. Eine Schnur gleich ziehen. Das Krumme gleich machen. Mit gleichen Füßen aus dem Bette springen. Etwas gleich hämmern. Ich will es wieder gleich zu machen suchen, ich will diese Höflichkeit erwiedern, ich will sie zu vergelten suchen. (b) Von der Richtung, als ein Umstandswort allein. Wir wohnen dem Rathhause gleich über, demselben gerade gegen über. Unsere beyden Haushaltungen sind einander gleich entgegen gesetzet, gerade entgegen gesetzet. Gleich zu laufen, oder gehen, geradezu gehen, so wohl eigentlich, als auch figürlich, mit Vermeidung der durch den Wohlstand eingeführten Umschweife. (c) Von der Oberfläche, ohne merkliche Erhabenheiten, für eben, im Gegensatze des uneben oder ungleich; auch nur im gemeinen Leben. Auf gleicher Erde fallen. Am häufigsten als ein Umstandswort. Es ist alles gleich und eben. Das Brot gleich schneiden. Das Garn ist nicht gleich gesponnen. Den Boden gleich machen. 2) Figürlich. (a) Sich in allen seinen Theilen ähnlich. Mein kälteres Blut gleitet mit immer gleichem Laufe in seinen Ufern fort. (b) Recht, billig, dem Rechte, der Billigkeit gemäß, nach eben der Figur, welche in dieser Bedeutung der Wörter recht, gerecht, aequus, zum Grunde lieget, welche auch eigentlich gerade bedeuten. Die Unterthanen bey gleich und recht schützen. Gleich und recht handeln. Ein gleiches (billiges,) Urtheil über etwas fällen. S. Ungleich. Indessen ist es in dieser Bedeutung, in welcher es nur noch zuweilen im gemeinen Leben vorkommt, in der anständigen Schreibart veraltet. 2. Einerley Wesen, Beschaffenheit und Umstände habend, wo es, wenn es ein Umstandswort ist, alle Mahl die dritte Endung der Person erfordert. 1) Überhaupt, für ein und eben derselbe, so daß aller, oder doch merklicher Unterschied dadurch ausgeschlossen und geläugnet wird. So sagt man in der schärfsten Bedeutung in der Theologie, der Sohn Gottes und der heilige Geist sind dem Vater gleich, sie sind gleiches Wesens mit ihm, d. i. sie haben eines und eben dasselbe Wesen. Zu gleicher Zeit ankommen, oder zugleich, d. i. zu einer und eben derselben Zeit. Der Fluß Congo in dem Königreiche gleiches Nahmens. Am häufigsten von der völligen Übereinstimmung des Veränderlichen an mehrern Dingen, mit Verneinung des merklichen Unterschiedes. Ein Blatt von einem Baume, ein Ey ist dem andern gleich, wenn es eine und eben dieselbe Größe, Gestalt, Farbe u. s. f. hat. Weil er gleiche Neigungen und Absichten mit mir hat, Gell. eben dieselben. Bey dem ich eine gleiche Anlage des Verstandes und Herzens finde, ebend. Er siehet, daß er nicht allen auf gleiche Art wohl thun kann, ebend. Einem Gleiches mit Gleichem vergelten. Gehöret die Tugend nicht zur Freundschaft, so sind die Straßenräuber bey ihren gleichen Absichten rühmliche Freunde, Gell. Bey sonst gleichen Umständen. Gleiche Bewandtniß hat es damit. Gleicher Gestalt, auf eben dieselbe Art; im Oberdeutschen auch gleicher Weise, gleicher Maßen. Gleiche Strafe leiden. In gleichem Werthe stehen. Gleiches Alters mit einem seyn, oder in gleichem Alter. Er ist mir an Alter gleich. Sie sind sich an Schönheit, am Verstande, an Lebensart gleich. Er kommt ihm an Gelehrsamkeit nicht gleich. Im Hochdeutschen ist es in der Gestalt eines Beywortes in dieser Bedeutung nicht ohne alle Einschränkung üblich, wie wohl im Oberdeutschen, wo man es fast in allen den Fällen gebraucht, wo der Hochdeutsche lieber eben derselbe setzet. Indessen lassen sich diese Fälle nicht durch Regeln bestimmen, sondern müssen, so wie tausend andere, die auf dem Eigensinn des Gebrauches beruhen, durch die Übung erlernet werden. 2) In weiterer Bedeutung, von der völligen Übereinstimmung einiger Umstände, welche aus dem Zusammenhange ersehen werden müssen, so daß aller, wenigstens aller merklicher Unterschied zwischen diesen Umständen verneinet wird. (a) Überhaupt. Gleiches Maß, von eben demselben körperlichen Inhalte. Gleiches Gewicht, von einerley Schwere. Gleiche Personen, die sich am Stande gleich sind, die in keinem Verhältnisse der Unterwürfigkeit gegen einander stehen. Sie sind einander gleich, am Stande, an Würde. Eine gleiche Gesell- schaft, zwischen Personen, die einander nicht natürlich unterworfen sind, im Gegensatze einer ungleichen. Gleiches Sinnes seyn, in einer Sache eben dieselbe Gesinnung haben. Gleich sucht sich, gleich findt sich, oder gleich und gleich gesellt sich gern, im gemeinen Leben, von Personen gleiches Standes, oder gleicher Denkungsart. Besonders in den Redensarten meines, deines, seines gleichen u. s. f. wo das Wort die Übereinstimmung bald der Gemüthsart und Gesinnung, bald des äußern Standes u. s. f. anzeiget. Viele Leute können das Verdienst an ihres gleichen nicht dulden, an Personen, die ihnen dem Stande nach gleich sind. Er ist ja nur meines gleichen, von meinem Stande. Mit seines gleichen umgehen. O daß ich nicht längst einen Freund ihres gleichen gehabt habe! Less. der ihnen an Tugend, an Einsicht u. s. f. gleich ist. Des Mannes gleichen ist nicht mehr. S. Dergleichen, Deßgleichen, Gelichter, Ingleichen. Ingleichen als ein Umstandswort. Es ist, oder gilt mir alles gleich, ich halte eines nicht für höher, wichtiger u. s. f. als das andere. Einem gleich geachtet werden, am Stande, an Einsichten u. s. f. Ich kann dir nicht gleich laufen, nicht eben so geschwinde. Alle Tage gleich halten, Röm. 14, 5. Harmonische Empfindungen gleich gestimmter Seelen, Dusch. Sich einem gleich stellen. Einem gleich schreiben, eben so geschwinde, eben so schön. Er ist sich immer selbst gleich, er denkt, urtheilet, empfindet immer auf eine und eben dieselbe Art, zuweilen auch nur auf eine ähnliche Art; im Oberd. er ist immer der Gleiche. Eine Fortsetzung dieser Bedeutung S. bey dem Umstandsworte gleich. (b) Besonders in einigen einzelnen Fällen. (1) Von der Größe, an Größe gleich. Einen Körper in zwey gleiche Theile theilen. Auf gleichen Gewinn und Verlust handeln. Gleiche Schritte machen. Nacht und Tag sind gleich, wenn sie eine gleiche Zeitdauer haben. Vornehmlich werden Dinge in der Geometrie gleich genannt, wenn sie einerley Größe haben, übrigens aber in allen andern Umständen verschieden seyn können. Ein Triangel ist einem Quadrate gleich, wenn es einerley Flächeninhalt mit demselben hat, ein Winkel dem andern; wenn ihre Schenkel einerley Neigung gegen einander haben. In der Arithmetik sind Zahlen gleich, wenn sie eben so viel Einheiten enthalten. 4 + 3 ist gleich 7. (2) Von dem Verhältnisse, für gemäß. Die Strafe muß dem Verbrechen, die Belohnung dem Verdienste gleich seyn. Die Stimme ist gleich, in der Musik, eine gleiche Stimme, wenn die tiefsten Töne nicht stumpfer und matter, und die hohen nicht schreyender sind, als die mittlern. 3) In noch weiterer Bedeutung wird dieses Wort, besonders im gemeinen Leben, sehr häufig von einiger Übereinstimmung entweder der allgemeinen Beschaffenheit mehrerer Dinge, oder auch nur einiger Umstände derselben, für ähnlich gebraucht. Besonders von der Übereinstimmung in den Gesichtszügen. Der Sohn stehet dem Vater sehr gleich, gar nicht gleich. Er siehet ihm nur ein wenig gleich. Das Bild ist dem Originale überaus gleich. Das Porträt siehet mir nicht gleich. Das siehet ihm nicht gleich, auch figürlich, das ist seiner gewöhnlichen Art zu denken und zu handeln nicht gemäß. Als ein Beywort ist es in dieser Bedeutung zwar im Oberdeutschen, nicht aber im Hochdeutschen üblich. II. Als ein Umstandswort allein: 1. Eine völlige, oft aber auch nur einige Übereinstimmung der Umstände zu bezeichnen, für eben so; eine Fortsetzung der vorigen Bedeutungen, wo es besonders gern andern Umstandswörtern beygestellet wird. Gleich elend, gleich fromm, gleich ewig. Sie sind beyde gleich groß, gleich hoch, gleich alt, gleich reich, gleich geehrt. Das ist gleich viel, es ist eben so viel. Zuweilen auch mit der dritten Endung der Person. Ihm, gleich uns, Glauben beyzumessen, d. i. eben so wie uns. Zuweilen hat er zwar gleich dir gezweifelt, eben so wie du. Ingleichen in Gesellschaft vergleichender Bindewörter. Er thut, gleich als ob, oder als wenn er mich nicht gesehen hätte. Gleich als wenn es so seyn müßte. Aber als ein vergleichendes Umstandswort, mit als und wie allein, sich gleich wie andere halten, Sir. 32, 1; den heiligen Geist gleich als eine Taube herab fahren sehen, Matth. 3, 16, ist es im Hochdeutschen in der edlen Schreib- und Sprechart veraltet, wo man es nur noch in des dritten Endung des Nennwortes gebraucht. Du blühest gleich der Rose nur einen Frühling, so wie eine Rose. Gleich einem Bache, dessen Wasser unmerklich dahin fließet, fühlet die Seele ihre eigene Geschäftigkeit nicht. Gleich einem Strome, den sein Reichthum ungestüm macht, Dusch. Da brach, gleich einem Meteor, Das den Orion auslöscht und die Tyndariden, Prinz Heinrichs Geist hervor, Raml. Wo es auch zuweilen hinter dem Nennworte stehen kann. Wolken, die Gebirgen gleich am Saume des Meeres aufsteigen, Geßn. 2. Für genau, gerade, in der vertraulichen Sprechart. Es langt gleich noch zu einem Kleide, Gell. gerade, es reicht dazu hin, aber so daß nichts übrig bleibt. Das ist gleich der dümmste Einfall, den er hat haben können, Less. Zuweilen auch einen Ort genau zu bestimmen. Ich traf ihn schlafend an, gleich unter diesen Bäumen, Gell. Es ist gleich so groß, gleich so breit u. s. f. für gerade, genau so groß, so breit, sind nur im gemeinen Leben üblich. 3. Als ein Umstandswort der übereinstimmigen Zeit, und zwar, 1) etwas zu bezeichnen, welches genau oder unmittelbar zu der bestimmten Zeit geschiehet oder geschehen soll. Sich etwas gleich anfangs angelegen seyn lassen. Gleich nach dem Essen anfangen. Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an. Gell. Sie kommen gleich zur rechten Stunde. Er ist gleich jetzt gekommen, eben jetzt. Herr Damis hat gleich vorhin das Gegentheil behauptet, Gell. Zwey Mahl ist jetz und gleich der schöne Frühling kommen, Opitz. Es sind jetzt gleich drey Jahre, es sind jetzt gerade drey Jahre; es sind gleich jetzt (eben jetzt) drey Jahre. Die damahls gleich den Brunnen tranken, Gell. 2) Besonders für eben damahls, in der vertraulichen Sprechart und dem gemeinen Leben. Damöt war gleich nicht da. Es war gleich sein Bruder zugegen, als ich es ihm sagte. 3) Ingleichen, für eben, oder eben jetzt, auch nur im gesellschaftlichen Umgange. Hier kommt gleich mein Vater, Gell. Ich lese gleich in der Bibel, so kommt ein Bettler, ebend. Hier kommt sie gleich gegangen. Wir waren gleich im Begriffe zu ihnen zu kommen. 4) Auch von einer den Augenblick, eben jetzt, vergangenen Zeit. Das gnädige Fräulein hat gleich nach ihnen gefragt, Cron. Sie hat, wie ich gleich gehöret, ihr Ja schon von sich gegeben. 5) Noch mehr, den nächsten Augenblick der folgenden Zeit zu bezeichnen, in sehr kurzer Zeit. Ich will gleich kommen. Komm gleich wieder. Ich will den Fehler gleich wieder gut machen. Er wird gleich zornig. Wer wird den Augenblick gleich voller Argwohn seyn! Gell. Zuweilen auch mit dem verstärkenden Wörtchen so. Gehe sogleich hin, oder gehe gleich hin. Im gemeinen Leben wird es hier oft zu einem müßigen Flickworte. In großen Städten ist doch alles gleich anders. III. Als ein Bindewort, welches einen Gegensatz begleitet, besonders mit den Nebenwörtern wenn und ob. Ob-gleich, von einer vergangenen Zeit. Ich kann es ihm nicht gewähren, ob er gleich sehr darum gebethen hat. Ob du gleich da warest, so habe ich dich doch nicht gesehen. Wenn gleich, oder wenn - - gleich, von einer gegenwärtigen oder zukünftigen. Aber ich kann frey mit ihnen reden, wenn ich mich gleich irren sollte. Wenn du gleich hundert Augen hättest. Du bist verständiger als deine Schwester, wenn jene gleich schöner ist, Gell. Wenn gleich ihr Auge zürnt, so zürnt es dennoch schön, ebend. S. Obgleich und Wenn. Ingleichen mit Auslassung des ob und wenn, da denn auch die Stellung der Wörter verändert wird, und das Zeitwort voran tritt. Gründen sich seine Ansprüche gleich nicht auf außerordentliche Handlungen, so sind sie doch gegründet. Hat sie gleich nicht den schärfsten Verstand, so hat sie doch ein gutes Herz. Ist gleich sein Kleid nicht fein und bunt, Das Kleid kann ich verschmerzen, Weiße. Wo es in der dichterischen Schreibart auch zuweilen weggelassen werden kann. Doch ist sie nicht so schön, So ist sie nicht so stolz als du, ebend.

Anm. Gleich, so fern es eine Übereinstimmung der Beschaffenheit oder Umstände bezeichnet, lautet bey dem Kero kalihho, im Isidor chilihho, bey dem Ottfried gileicho, bey dem Notker gelich, im Tatian gilich, im Nieders. gliek. Das g ist aus der Vorsylbe ge entstanden, daher dieses Wort im Niedersächsischen auch nur like, im Dän. lige, im Engl. like, bey dem Alphilas leiks, im Schwed. lik, im Isländ. likr lautet. Da es mit gerade und eben in vielen, selbst figürlichen Bedeutungen, überein kommt, so ist sehr wahrscheinlich, daß es ursprünglich gerade bedeutet habe, welche Bedeutung auch noch jetzt nicht ganz veraltet ist. Indessen ist es doch schon sehr früh von der Übereinstimmung aller oder doch einiger Unterscheidungsstücke gebraucht worden, wie aus der letzten Sylbe in den Latein. Wörtern similis, talis, qualis und in den Griechischen $ und $, erhellet. Similis kommt mit dem Goth. samaliks, gleich, ähnlich; qualis, Griech. $, mit dem Gothischen qhileiks, im Deutschen zusammen gezogen welch, und talis, Griech. $, mit dem Gothischen tholik und dem Deutschen solch überein. S. Ähnlich, - Lich, Welch und Solch. Das Umstandswort der Zeit gleich, welches schon bey dem Kero galico und bey dem Ottfried gilich lautet, wird von einigen von jäh, oder gau, geschwinde abgeleitet, und für eine Zusammenziehung aus jählich oder gaulich gehalten. Allein der Ton, der hier auf der Sylbe lich lieget, und beweiset, daß sie die Haupt- und Stammsylbe ist, widerspricht dieser Ableitung. Wäre gleich in dieser Bedeutung aus jäh oder gau zusammen gesetzet, so müßte diese Sylbe den Ton haben, der sie auch vor aller Zusammenziehung hinlänglich würde gesichert haben. Man wird kein Beyspiel aufweisen können, wo bey der Zusammenziehung eines Wortes die Hauptsylbe, welche den Ton hat, wäre verschlungen, und dieser dadurch auf die Ableitungssylbe geworfen worden. Über dieß ist die Figur, wo die Übereinstimmung der Umstände auf die Übereinstimmung der Zeit übertragen wird, sehr leicht und begreiflich, so daß man nicht nöthig hat, für das Umstandswort der Zeit eine andere Ableitung ausfündig zu machen.


Gleicharmig (W3) [Adelung]


Gleicharmig, adj. et adv. gleiche, d. i. gleich lange Arme habend. Besonders von den Wagen. Eine gleicharmige Wage, dergleichen die gewöhnliche Kramerwage ist, im Gegensatze der ungleicharmigen.


Gleichartig (W3) [Adelung]


Gleichartig, adj. et adv. einerley Art habend, mit einem Griechischen Ausdrucke, homogen, in verschiedenen Bedeutungen der Wörter Art und gleich. Der gleichartige Flug des Federballes, dessen Bewegung sich immer gleich bleibet, im Gegensatze einer ungleichartigen Bewegung. S. Gleichförmig. So gleichartig auch die Sinne des Gefühles, des Geruches und des Geschmackes mit den Sinnen des Gesichtes und des Gehöres sind, Sulz. Gleichartige Körper, welche aus ähnlichen Bestandtheilen bestehen, im Gegensatze der fremdartigen oder heterogenen. So sind der Feuerstein und Achat gleichartige Steine, so fern sie sich beyde in Glas verwandeln lassen, der Marmor und Tophstein, so fern sie mit den Säuren aufbrausen. Gleichartige Zahlen in der Mathematik, welche sich auf einerley Sache beziehen, wie 4 Ducaten und 6 Ducaten.


Gleichartigkeit (W3) [Adelung]


Die Gleichartigkeit, plur. car. die Eigenschaft eines Dinges, da es mit einem andern gleichartig ist; Homogeneitas.


Gleichbedeutend (W3) [Adelung]


Gleichbedeutend, adj. et adv. einerley Bedeutung habend. Gleichdeutige oder gleichbedeutende Wörter, Synonyma, 1) welche einen und eben denselben Gegenstand oder Hauptbegriff ausdrucken oder bezeichnen, in welchem Verstande es im Deutschen, so wie in allen Sprachen gleichbedeutende Wörter genug gibt. 2) Welche diesen Gegenstand oder Hauptbegriff mit einerley Umständen, mit einerley Nebenbegriffen ausdrucken, in welcher Bedeutung es im schärfsten Verstande gar keine gleichbedeutende Wörter gibt. Gleichdeutig und gleichgültig haben vor gleichbedeutend den Vorzug, daß sich davon die Hauptwörter die Gleichdeutigkeit und Gleichgültigkeit bilden lassen, nur daß letzteres so wohl als gleichgültig wegen der subjectiven Bedeutung beyder Wörter einer Zweydeutigkeit unterworfen ist.


Gleichbein (W3) [Adelung]


Das Gleichbein, des -es, plur. die -e, S. das Gleich.


Gleichdeutig (W3) [Adelung]


Gleichdeutig, adj. et adv. S. Gleichbedeutend


Gleiche (W3) [Adelung]


1. Die Gleiche, plur. die -n, in einigen Gegenden Oberdeutschlandes, für das Gleich, d. i. das Gelenk. Zuweilen auch so viel als Gicht, weil sie die Gelenke angreift. S. das Gleich.


Gleiche (W3) [Adelung]


2. Die Gleiche, plur. inus. das Abstractum des Beywortes gleich, welches nur im gemeinen Leben für Gleichheit, d. i. gerade und ebene Beschaffenheit eines Dinges, üblich ist. Die Gleiche des Bodens, dessen ebene Beschaffenheit. Das Stabeisen in seine rechte Gleiche und Gerade bringen, in den Hammerwerken.


Gleichen (W3) [Adelung]


Gleichen, verb. reg. et irreg. Imperf. ich glich; Mittelw. geglichen. Welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit irregulärer Abwandelung und dem Hülfsworte haben, gleich seyn, in verschiedenen Bedeutungen des Wortes gleich. 1) So fern gleich eine völlige Übereinstimmung der Beschaffenheit, mit Ausschließung alles, wenigstens merklichen Unterschiedes bezeichnet. Ein Ey gleicht dem andern. Noch mehr in Ansehung gewisser Umstände. Einem an Reichthum, an Gelehrsamkeit, am Stande gleichen. Auch zuweilen absolute mit Verschweigung dieser Umstände. Der Weisheit mag Gold und Diamant nicht gleichen, Hiob. 28, 17; d. i. am Werthe, an Würde. Im Oberdeutschen wird es in dieser Bedeutung auch als ein Reciprocum gebraucht. Kein Gott Herr kann dir sich gleichen, Opitz, für gleichet dir. Wird deine Treu sich deiner Schönheit gleichen, ebend. Ihr gleichet euch der Kerzen bey Alexandria, Scultet. für, ihr gleichet ihr. Sogar mit regelmäßiger Abwandelung. - Der Schaar, der du an reinem Leben Und Sitten hast gegleicht, Opitz. 2) So fern es eine Übereinstimmung in nur einigen Umständen bezeichnet, für ähnlich seyn. Der Sohn gleichet dem Vater, wenn er ihm ähnlich siehet, oder ähnliche Neigungen hat. Das Porträt gleicht dem Originale, es gleicht ihm nur ein wenig. II. Als ein Activum, gleich machen. 1) Gleich, d. i. gerade und eben machen. Den Boden gleichen, ihn eben machen. Die Stabeisen gleichen, sie gerade richten. 2) Ein Ding einem andern gleich, d. i. völlig übereinstimmig machen, wenigstens in einigen Umständen. Eine Wage gleichen, beyden Armen einerley Schwere geben. Die Gewichte gleichen, sie abziehen, an Schwere einem gegebenen Gewichte gleich machen. Die Stücke in der Münze gleichen, ihnen einerley Gewicht geben. S. auch Eichen. 3) + Für vergleichen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Wem soll ich dich gleichen? Klagel. 2, 13. Die Tannenbäume waren seinen Ästen nicht zu gleichen, Ezech. 31, 8. 4) + Für gleich stellen, als ein Reciprocum; ein im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnlicher Gebrauch. Darum sollt ihr euch ihnen (den Heuchlern) nicht gleichen, Matth. 6, 8. Daher die Gleichung, S. solches hernach besonders.

Anm. Im Nieders. liken, im Dän. ligan. Billig sollte, der Analogie zu Folge, das Activum regulär abgewandelt werden, Imperf. ich gleichte, Mittelw. gegleicht, wie es auch Weish. 7, 9 heißt, ich gleichete ihr keinen Edelstein. Man sagt auch im gemeinen Leben völlig richtig, der Boden, das Eisen ist gegleicht worden. Indessen ist doch in dem zusammen gesetzten vergleichen im Hochdeutschen die irreguläre Conjugation überall üblich. S. dasselbe.


Gleicher (W3) [Adelung]


Der Gleicher, des -s, plur. ut nom. sing. der etwas gleich machet. Ehedem nannten einige in der Astronomie und Geographie den Äquator, oder die Linie, den Gleicher, den Gleichtheiler, oder die Gleichungslinie, entweder, weil er die Erdkugel in zwey gleiche Theile theilet, oder, weil die Sonne, wenn sie sich in einem Puncte desselben befindet, Tag und Nacht gleich macht. Auf den Blechhämmern werden gewisse Arbeiter Gleicher, Sehmheißgleicher und Vörderheißgleicher genannt, vermuthlich, weil ihre Beschäftigung ist, für die Gleichheit des Bleches Sorge zu tragen. Diejenigen, welche die Pairs in Frankreich, und die Peers in England, Lat. Pares curiae, im Deutschen Gleicher nennen wollen, haben damit um so viel weniger Beyfall finden können, da Gleicher eigentlich nur active gebraucht werden kann.


Gleichfalls (W3) [Adelung]


Gleichfalls, ein verknüpfendes Bindewort, für auch, ebenfalls, einen gleichen, d. i. eben denselben Fall zu bezeichnen. Cajus sahe dich nicht, und ich habe dich gleichfalls nicht erblicken können. Haben sie gleichfalls Lust dahin zu gehen? Bey dem Ottfried nur gilihe. Im Oberdeutschen ist dafür ebener Maßen, ebenmäßig üblich; dagegen gleichfalls daselbst für gleichsam gebraucht wird. Die Sonne wird verdunkelt werden und gleichfalls einen härenen Sack anziehen.


Gleichfarbig (W3) [Adelung]


Gleichfarbig, adj. et adv. einerley Farbe habend. Daher die Gleichfarbigkeit.


Gleichförmig (W3) [Adelung]


Gleichförmig, -er, -ste, adj. et adv. gleiche, d. i. eben dieselbe Form habned, doch nur in weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Einerley Art und Weise habend, für gleichartig, in einigen Fällen. Die gleichförmige Bewegung, welche immer einerley Geschwindigkeit behält und auch die gleichartige genannt wird. Gott gleichförmig seyn, ähnlich, sein Verhalten aus Gottes Eigenschaften herleiten. 2) Wie es das gegenseitige Verhältniß erfordert, für gemäß, nach dem Lat. conformis; im Hochdeutschen auch nur in einigen Fällen. Der Natur gleichförmig seyn. Den göttlichen Gesetzen gleichförmig leben.


Gleichförmigkeit (W3) [Adelung]


Die Gleichförmigkeit, plur. car. die Eigenschaft, da eine Sache der andern oder auch sich selbst gleichförmig ist. Die Gleichförmigkeit der Bewegung, da sie immer einerley Geschwindigkeit behält. Die Gleichförmigkeit in seinem Verhalten. Die Gleichförmigkeit mit sich selbst, die Fertigkeit, sein Verhalten aus einerley Bewegungsgründen herzuleiten. Die träge Gleichförmigkeit des Geschichtsschreibers, für Einförmigkeit. Zuweilen auch für Ähnlichkeit. Die Gleichförmigkeit mit Gott, in der Theologie, die Fertigkeit, die Eigenschaften Gottes zum Grunde seines Verhaltens zu gebrauchen.


Gleichgeleit (W3) [Adelung]


Das Gleichgeleit, des -es, plur. die -e, ein Gesammtgeleit, wo alle Geleitsherren einander an Würde und Gerechtsamen gleich sind.


Gleichgradig (W3) [Adelung]


Gleichgradig, adj. et adv. gleiche Grade habend, besonders in der Seefahrt, wo gleichgradige Seekarten, solche Karten sind, wo die Fläche und ihre Theilungslinie geradelinig sind; zum Unterschiede von den reducirten.


Gleichgültig (W3) [Adelung]


Gleichgültig, -er, -ste, adj. et adv. gleiche Geltung, Gültigkeit oder Werth habend, entweder absolute, oder doch in Ansehung unserer Empfindung. 1. Objective, in verschiedenen Bedeutungen der Wörter gleich und gelten. 1) Gleichgültige Münze, welche einerley Werth und Cours hat. Gleichgültige Wörter, in der Sprachkunst, welche einerley Gegenstand, und in engerer Bedeutung denselben auch mit einerley Umständen und Nebenbegriffen bezeichnen, dergleichen es im schärfsten Verstande gar nicht, wohl aber unter verschiedenen Umständen gibt. Um der Vieldeutigkeit des Wortes gleichgültig willen, nennet man diese Wörter lieber gleichbedeutende oder gleichdeutige. Die Freyheit ist oft ein gleichgültiger Ausdruck des Gewissens, wird oft für das Gewissen gebraucht. Gleichgültige Sylben, ancipites, in der Prosodie, welche lang und kurz gebraucht werden können; gleichzeitige. Es ist nicht gleichgültig, (gilt nicht gleich viel,) was ein Prediger seinen Zuhörern vorträgt. Gleichgültige Handlungen, in der Sittenlehre, welche keinen sittlichen Werth haben, weder gut noch böse sind. Zuweilen sind auch gleichgültige Dinge, unerhebliche, unwichtige, welche von keinen merklichen Folgen sind. 2) Von der Übereinstimmung desjenigen in zwey Dingen, worauf man vermöge eines gewissen Endzweckes siehet. Es ist mir sehr gleichgültig, ob du kommst, oder wegbleibest. Ingleichen auch von Dingen, gegen welche man weder Lust noch Unlust, weder Liebe noch Haß empfindet. Dieser Mensch ist mir sehr gleichgültig. Wenn bin ich ihnen denn so gleichgültig geworden? Gell. 2. Subjective, weder Lust noch Unlust über etwas empfindend, und in diesem Zustande der Empfindung gegründet, gleichmüthig; eine Fortsetzung der vorigen Figur. Gleichgültig gegen das Unglück anderer seyn. Gegen einen Gegenstand sehr gleichgültig bleiben. Ein kalter gleichgültiger Mensch. Sie that gegen ihren Mann sehr gleichgültig. Eine gleichgültige Miene. Die gleichgültige und schläfrige Art des Vortrages.


Gleichgültigkeit (W3) [Adelung]


Die Gleichgültigkeit, plur. car. derjenige Zustand, da ein Ding gleichgültig ist. 1) Objective, da eine Sache mit einer andern einen gleichen Werth hat, entweder absolute; aber doch unserer Empfindung, unserm Urtheile nach. Die Gleichgültigkeit einer Münze, der Wörter u. s. f. Besonders von dem sittlichen Werthe. Die Gleichgültigkeit einer Handlung. 2) Subjective, Abwesenheit der Lust und Unlust gegen eine Sache; Gleichmuth, Gleichmüthigkeit, Gleichsinn. Wir wurden mit außerordentlicher Gleichgültigkeit empfangen. Gleichgültigkeit gegen andrer Wohlfahrt, ist Kaltsinn.


Gleichheit (W3) [Adelung]


Die Gleichheit, plur. inus. das Abstractum des Beywortes gleich, im Gegensatze der Ungleichheit. 1) So fern dasselbe gerade und eben bedeutet, die gerade und ebene Beschaffenheit eines Körpers. Die Gleichheit einer Stange Eisen, im gemeinen Leben die Gleiche. Die Gleichheit des Bodens, einer Fläche. 2) Die völlige Übereinstimmung der Beschaffenheit zweyer Dinge oder ihrer Umstände, mit Verneinung des merklichen Unterschiedes zwischen den letztern, so wohl überhaupt, als auch in Betrachtung gewisser Umstände. Die Gleichheit des Maßes, in Ansehung des körperlichen Raumes, des Gewichtes, in Ansehung der Schwere. Die Gleichheit im Austheilen beobachten. Die Gleichheit des Alters, des Standes u. s. f. Personen von einerley Wesen und Natur, welche einander nicht natürlich unterworfen sind, befinden sich in einer äußern Gleichheit. Alle Lehrer haben einerley Amt, sie stehen also in einer Gleichheit. Die Gleichheit der Gemüther. Die Gleichheit der Stimmen, wenn sie an Zahl gleich sind. In der Mathematik bestehet die Gleichheit in der völligen Übereinstimmung der Größe. Zuweilen wird es so wie das Beywort gleich auch von dem gehörigen Verhältnisse zweyer oder mehrerer Dinge gebraucht. Die Gleichheit in Austheilung der Belohnungen beobachten, sie nach dem Verhältnisse der Verdienste austheilen. Die Gleichheit in Bestrafung der Verbrechen. Die Gleichheit der Stimme in der Musik, das gehörige Verhältniß ihrer Stärke in den hohen und tiefen Tönen gegen die mittlern. 3) In weiterer Bedeutung, auch zuweilen von einiger Übereinstimmung in der allgemeinen Beschaffenheit, für Ähnlichkeit. Was hat der Tempel Gottes für eine Gleichheit mit den Götzen? 2 Cor. 6, 16. Die Gleichheit zweyer Personen im Gesicht. Die Gleichheit eines Gemähldes mit dem Originale. Es ist keine Gleichheit in dem Gemählde. Im Isidor Ebanchiliihnissa.


Gleichklang (W3) [Adelung]


Der Gleichklang, des -es, plur. von mehrern Arten, die -klänge, der Zustand, da zwey oder mehr Dinge einerley Klang haben. Der Gleichklang der Wörter, welcher unter andern die Reime bildet.


Gleichlaufend (W3) [Adelung]


Gleichlaufend, adj. et adv. welches das Mittelwort von der R. A. gleich laufen ist, und von einigen Neuern eingeführet worden, das Lat. parallel zu ersetzen, einerley Abstand von einander beobachtend, in einerley Richtung mit einem andern Dinge fortgehend. Gleichlaufende Linien, Parallel-Linien. Gleichlaufende Flächen. Bey andern auch gleichläufig.


Gleichläufig (W3) [Adelung]


Gleichläufig, -er, -ste, adj. et adv. 1) S. das vorige. 2) In verschiedenen Künsten bey einigen für regulär, analogisch, den Regeln der Kunst, dem ganzen Zusammenhange gemäß. Gleichläufige Zeitwörter, in der Sprachkunst, reguläre, welche andere gleichfließende nennen. Daher die Gleichläufigkeit in beyden Fällen.


Gleichlaut (W3) [Adelung]


Der Gleichlaut, des -es, plur. inus. die Übereinstimmung des Lautes; der Gleichklang. In der Musik ist es die Übereinstimmung der Töne dem Verhältnisse nach, die Consonanz. Sie gibt euch auch nicht umsonst die melodiereiche Leyer Für jeden im glücklichen Gleichlaut gestimmt, Zachar.


Gleichlautend (W3) [Adelung]


Gleichlautend, adj. et adv. einerley Laut habend. Gleichlautende Wörter. Zwey gleichlautende Abschriften, welche aus einerley und eben denselben Worten bestehen.


Gleichmaß (W3) [Adelung]


Das Gleichmaß, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches einige Neuere für Verhältniß, Proportio, eingeführet haben; von Maß, mensura, nicht aber von Maße, modus, in welchem letztern Falle es die Gleichmaße heißen müßte. Brockes gebraucht dafür die Ebenmaße.


Gleichmäßig (W3) [Adelung]


Gleichmäßig, adj. et adv. von gleich, und Maße, modus, eine völlige so wohl, als einige Übereinstimmung auszudrucken, besonders im Oberdeutschen. Sich einer gleichmäßigen Übereilung im Urtheilen schuldig machen, einer ähnlichen, eben einer solchen. Das Nebenwort gleichmäßig wird im Oberdeutschen häufig für gleichfalls gebraucht.


Gleichmuth (W3) [Adelung]


Der Gleichmuth, des -es, plur. car. welches von einigen für Gleichgültigkeit gebraucht wird, denjenigen Zustand des Gemüthes zu bezeichnen, da es weder Lust noch Unlust gegen eine Sache empfindet. Endlich erwartet er, gleich eines fremden Mannes Besuche, den Tod mit Gleichmuth, Raml. Es kommt nur im gutem Verstande vor, dagegen Gleichgültigkeit auch von einer fehlerhaften Abwesenheit der Lust und Unlust gebraucht werden kann. S. Gleichsinn.


Gleichmüthig (W3) [Adelung]


Gleichmüthig, -er, -ste, adj. et adv. für gleichgültig, so fern es subjective und in gutem Verstande stehen sollte. So auch das Hauptwort die Gleichmüthigkeit, plur. inus. für Gleichmuth.


Gleichnahmig (W3) [Adelung]


Gleichnahmig, adj. et adv. einen und eben denselben Rahmen habend. Gleichnahmige Winkel und Seiten, in zwey Figuren, in der Geometrie, welche beyderseits in Einer Ordnung auf einander folgen.


Gleichniß (W3) [Adelung]


Das Gleichniß, des -sses, plur. die -sse, welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. + Als ein Abstractum, ohne Plural, die Gleichheit, d. i. Ähnlichkeit einer Sache mit einer andern zu bezeichnen; in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Da Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach dem Gleichniß Gottes, 1 Mos. 5, 1. Im Isidor Chiliichnissu, bey dem Kero Kelichenisse, bey dem Notker Glichnisso, im Angels. Gelicnys, Licnysse. 2. Als ein Concretum. 1) + Ein körperliches Bild, welches eine andere Person oder Sache abbilden oder doch vorstellen, einige Ähnlichkeit mit derselben haben soll; ein gleichfalls veralteter Gebrauch. Du sollt dir kein Bildniß, noch irgend ein Gleichniß machen, weder deß u. s. f. 2 Mos. 20, 4. Und verwandelten ihre Ehre in ein Gleichniß eines Ochsens, Pf. 106, 20. Was für ein Gleichniß wollet ihr Gott zurichten? Es. 40, 18. Im Notker Kelichenisse. 2) Ein Wort oder eine Rede, welche eine uneigentliche oder bildliche Vorstellung einer andern Sache enthält. So ist das Wort stehen ein Gleichniß, weil es die dadurch bezeichnete Sache unter dem Bilde des Schmiegens und Krümmens vorstellig macht. In diesem weitesten Verstande sind die meisten Wörter in allen Sprachen Gleichnisse, Gleichnißwörter, oder Figuren. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, eine Rede, welche eine andere Sache unter einem sinnlichen Bilde begreiflich macht, mit Bezeichnung des Gegenbildes, wodurch es sich von einer Allegorie unterscheidet; eine Gleichnißrede. In der engsten Bedeutung unterscheidet man ein Gleichniß von einer bloßen Vergleichung dadurch, daß jenes vollständiger und mehr ausgeführet ist, als diese. Jemanden ein Gleichniß geben. Gleichnisse können nur erläutern, nicht aber beweisen. Im Oberdeutschen ist es in dieser Bedeutung sehr häufig weiblichen Geschlechtes, ( S. - Niß,) welches auch Luther mehrmahls beybehalten hat, der es über dieß auch für Allegorie gebraucht. Ein solches Gleichniß, Parabola, nennt Notker Widermezza und Widermezzungo, von widermezzen, vergleichen, ingleichen Wortbilida; Kero aber übersetzt Exemplum, ein Beyspiel, durch Keleisanit.


Gleichnißrede (W3) [Adelung]


Die Gleichnißrede, plur. die -n, eine Rede, oder ein Satz, welcher ein Gleichniß enthält, S. das vorige.


Gleichnißwort (W3) [Adelung]


Das Gleichnißwort, des -es, plur. die -wörter, Siehe Gleichniß 2.


Gleichsam (W3) [Adelung]


Gleichsam, ein vergleichendes Bindewort, einen Ausdruck zu begleiten, der den vorher gegangenen durch ein Bild, durch eine Ähnlichkeit erläutern soll; quasi. Alle Wunderwerke der Religion sind gleichsam Gemählde der göttlichen Eigenschaften, Gell. Die Einbildungskraft gibt den Gedanken des Verstandes gleichsam die eigenthümlichen Mienen, wodurch sie sich leicht von einander unterscheiden lassen, Gell. Bey dem Spiele kann man die Natur gleichsam auf der That ertappen. Für gleich mit der dritten Endung, oder für gleich als, oder nur als, eine völlige oder doch größere Übereinstimmung anzudeuten, ist es nur im Oberdeutschen üblich. Gleichsam (gleich) denen von Bern, begaben sich auch die von Zürch zu Feld, Stumpf. Ihr thut gleichsam, als ginge es euch nichts an, ihr thut, als u. s. f. Er hält ihn gleichsam als einen Sclaven. Anm. Bey dem Ulphilas mit Versetzung der Wörter samaleiko, in dem alten Fragmente eines Gedichtes auf Carln den Großen bey dem Schilter lichtesain, bey dem Notker nur samo, im Dän. ligesam, im Schwed. likasom. Da sam schon an und für sich wie bedeutet, so scheinet gleich in dieser Zusammensetzung die Übereinstimmung zu mildern, und zu einem bloßen ähnlichen Bilde herab zu setzen.


Gleichschenkelig (W3) [Adelung]


Gleichschenkelig, adj. et adv. welches nur in der Geometrie von Triangeln üblich ist. Ein gleichschenkeliger Triangel, an welchem zwey Seiten gleiche Länge haben; Isosceles, Triangulum aequicrurum. S. Schenkel.


Gleichseitig (W3) [Adelung]


Gleichseitig, adj. et adv. gleiche Seiten habend. 1) Gleiche, d. i. gerade, ebene Seiten habend. 2) Seiten von gleicher Größe oder Länge habend. In diesem Verstande ist in der Geometrie ein gleichseitiger Triangel, an welchem alle drey Seiten gleich sind. Isopleuron, Triangulum aequilaterum. 3) Figürlich, von beyden Seiten in gleicher Stärke, in gleichem Maße. In so fern die Freundschaft eine gleichseitige Übereinstimmung des Charakters voraus setzt, Gell. Dem Enthusiasmus in der Freundschaft, der sich nur auf gleichseitige Neigungen des Temperaments gründet, ebend.


Gleichsinn (W3) [Adelung]


Der Gleichsinn, des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen wenig gebräuchliches Wort. 1) Einerley, eben dieselbe Gesinnung zu bezeichnen. 2) Für Gleichmuth, oder Gleichgültigkeit subjective.


Gleichstellung (W3) [Adelung]


Die Gleichstellung, plur. inus. von der R. A. sich gleich stellen, diejenige Handlung, da man sich einem andern, oder einer andern Sache gleich stellet. Alle Gleichstellung der Welt, der Eitelkeit vermeiden.


Gleichstimmig (W3) [Adelung]


Gleichstimmig, adj. et adv. welches zuweilen in der Musik für harmonisch gebraucht wird. Ingleichen zuweilen für einstimmig, übereinstimmig. Grundsätze, welche mit den beson- dern Gesinnungen so vieler einzelnen Leute gleichstimmig gemacht werden sollen.


Gleichtheiler (W3) [Adelung]


Der Gleichtheiler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gleicher.


Gleichung (W3) [Adelung]


Die Gleichung, plur. die -en, von dem Activa gleichen. 1) Die Handlung, da man etwas gleichet, d. i. gleich; eben macht; ohne Plural. In diesem Verstande ist die Gleichung in dem Deichbaue, die Abebnung der abhängigen Seite eines Deiches nach der See zu, welches vermittelst der Gleichungserde, oder Rasen, geschiehet. In der Algebra ist es die Belegung einer und eben derselben Sache mit zwey dem Werthe nach gleichen Nahmen. 2) Ein solcher Ausdruck, eine solche Formel selbst; Aequatio. So ist z. B. 7 + 5=6 + 6 eine Gleichung oder Äquation.


Gleichungslinie (W3) [Adelung]


Die Gleichungslinie, plur. die -n, S. Gleicher.


Gleichwie (W3) [Adelung]


Gleichwie, ein vergleichendes Neben- und Bindewort. 1) Für das einfache wie, eine Übereinstimmung mit einem andern Dinge zu bezeichnen; in welchem Verstande es nur im Oberdeutschen und gemeinen Leben der Hochdeutschen üblich ist. Ist doch der Mensch gleichwie nichts, Pf. 114, 4. Ein Ding ist gleichwie mans nimmt. Er lebt gleichwie ein Engel. Man wird dich strafen gleichwie die andern. 2) Einen Satz zu begleiten, welcher eine Vergleichung enthält. Am häufigsten im Vordersatze, da denn im Nachsatze also oder so folget. Gleichwie das Gold besser ist als das Kupfer; also u. s. f. Zuweilen auch im Nachsatze. Ihr sollt vollkommen seyn, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist, Matth. 5, 48. Auch in dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen, wenigstens in der edlen Schreibart, ungewöhnlich geworden, wo man entweder so wie dafür gebraucht, oder auch der ganzen Rede eine andere Wendung gibt. Im Tatian sama so.


Gleichwohl (W3) [Adelung]


Gleichwohl, ein Neben- und Bindewort, welches sich auf einen vorher gegangenen Satz beziehet, für, dessen ungeachtet, dennoch. Man hatte alle nöthige Anstalten getroffen, gleichwohl ist er entwischt. Man hat ihn schon mehrmahls todt gesagt; aber er lebt gleichwohl noch, oder, und gleichwohl lebt er noch. Die Zeit ist so nahe; gleichwohl sehe ich noch wenig Anstalten dazu. Ich habe eine so reiche Erbschaft gethan, und gleichwohl bin ich nicht zufrieden, Gell. Nichts scheint uns von den Pflichten der Verwandtschaft mehr frey zu sprechen, als Undank und Laster, und gleichwohl müssen wir diesen Undank am ersten zu ertragen trachten, ebend. Zuweilen mit Verschweigung des Satzes, worauf es sich beziehet. Was seyn soll, schickt sich gleichwohl. Wo es oft die Gestalt einer bloßen Versicherung annimmt, welche sich auf eine dunkele Art auf einen vorher gegangenen Satz beziehet. Mit dem Tode ist gleichwohl nicht zu scherzen. Im Oberdeutschen gleichwohlen, im Niders. likers, schoonsi, schöners, im Schwed. like fullt.


Gleichzeitig (W3) [Adelung]


Gleichzeitig, adj. et adv. 1) Was zu einerley Zeit ist oder geschehet. Gleichzeitige Empfindungen. Ein gleichzeitiger Geschichtschreiber, der zur Zeit der von ihm beschriebenen Geschichte lebt. 2) Gleichzeitige Sylben, in der Prosodie, welche lang oder kurz gebraucht werden können; gleichgültige. So auch die Gleichzeitigkeit.


Gleis (W3) [Adelung]


Das Gleis, S. Geleise


Gleiße (W3) [Adelung]


Die "Gleiße", plur. inus. eine giftige Pflanze, welche dem Schierlinge, noch mehr aber der "Petersilie" ähnlich siehet, und in den Europäischen Kraut- und Gartenländern wächset; "Gneiß", "Tobkraut", "wilde Petersilie", "Hundspetersilien", "kleiner Schierling", "Aethusa L." Sie hat den Nahmen von dem "Gleißen" oder dem "Glanze", welchen ihre Blätter auf der untern Seite haben, wodurch sie sich auch am sichersten von der "Petersilie" unterscheiden lässet. In andern Gegenden wird der "Dort", oder die "Trespe", "Bromus L." die "Gleiße" genannt.


Gleißen (W3) [Adelung]


1. Gleißen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eigentlich mit glänzen einerley bedeutet, aber doch nur von einem geringern und schwächern Grade des Glanzes gebraucht wird. Das Gold gleißet nicht, wenn man den Rost nicht abwischet, Bar. 6, 23. Es ist nicht alles Gold was gleißet. Iz ne ist niht alles golt thaz tha glizzet, Fragm. de bello Caroli. Isn sei auch alles golt niht Das man doch gleisen siht, Stryk. Und wenn du dich gleich mit Laugen wüschest - so gleißet doch deine Untugend desto mehr von mir, Jer. 2, 22; wo es in weiterer Bedeutung für sichtbar seyn stehet. Im Hochdeutschen ist es im gemeinen Sprachgebrauche veraltet, und kommt daselbst nur zuweilen noch bey den Dichtern vor. Wenn er ein wenig Licht von oben her sieht gleißen, Opitz. Laßt ihr nur darum ewge Baue gleißen, Um schnell dieselben wieder einzureißen? Kleist.

Anm. In Boxhorns Glossen clizzan, im Dän. glise. Im Oberdeutschen gehet es in einigen Gegenden irregulär; Imperf. ich gliß Mittelw. geglissen, bey dem Opitz. Das Hauptwort der Gleiß, oder die Gleiße, Glanz, bey dem Notker Glizeme, ist im Hochdeutschen völlig veraltet. Im gemeinen Leben gebraucht man für gleißen auch glitzen, glinzen, glitzern, Engl. to glister, glitter, Isländ. glitta, Schwed. glittra. S. Glänzen, Glas, Glatt, Glühen u. s. f.


Gleißen (W3) [Adelung]


2. Gleißen, verb. reg. welches im Hochdeutschen wenig bekannt ist. 1) Active, verstellter Weise, durch Verstellung, nachahmen. Er gleißet einen Traurigen, er stellet sich traurig. Die Soldaten gleißeten die Flucht, stelleten sich als flöhen sie. 2) Als ein Neutrum, den Schein einer guten Sache haben. Gleißende Worte, gleißende Reden, Zach. heuchlerische, verstellte Worte und Reden. Heißt gleißen Frömmigkeit und Andacht Heucheley, Hall.

Anm. Es ist nur um der folgenden abgeleiteten Wörter willen zu merken. Man könnte es füglich als eine Figur des vorigen Zeitwortes ansehen, wenn es nicht unläugbar von gleich abstammete und eigentlich gleichsen lautete, welche Gestalt es im Oberdeutschen auch noch hat, woraus die Hochdeutschen mit Ausstoßung des Hauches gleißen, Gleißner u. s. f. gebildet haben. Gleichsnen, gleichsen bedeutet im Pictorius sich verstellen, und vergleichsnen, verhehlen. Im Isidor ist Chiliihsamo die Verstellung, und bey dem Kero Lihhisarro, bey dem Ottfried Lichicera, in Tatian Lihhizar, und bey dem Notker Kelihseara, Lihhisar, ein Heuchler, Gleichßner. Daß aber das ch schon sehr frühe ausgestoßen worden, erhellet aus dem leisan und kileisinen, welches bey dem Kero in weiterer Bedeutung nachahmen bedeutet, wie auch aus dem Angels. glesan, Engl. to glose, schmeicheln. Im Oberdeutschen ist für gleißen auch gleimen und leimen, und für Gleißner auch Gleimer, Leimer üblich.


Gleißhammer (W3) [Adelung]


Der Gleißhammer, des -s, plur. die -hämmer, in einigen Hammerwerken, ein eiserner Hammer mit einer gleißenden oder glänzenden Bahn, Metalle damit glänzend zu machen; bey andern der Glänzhammer. S. 1 Gleißen.


Gleißner (W3) [Adelung]


Der Gleißner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gleißnerinn, plur. die -en, überhaupt eine jede Person, welche von außen anders zu scheinen sucht, als es ihrer Gemühtsfassung gemäß ist, und in engerer und gewöhnlicher Bedeutung, welche einen bessern Schein des Verhaltens zu haben sucht, als die innere Beschaffenheit es verstattet; ein Wort, welches in dem gemeinen Sprachgebrauche selten wird, und nur noch zuweilen für Heuchler in der höhern und dichterischen Schreibart vorkommt. Doch läßt der Gleißner bald sein Hohngelächter schallen, Wenn sein Altar versinkt, und seine Götzen fallen, Haged. S. 2 Gleißen.


Gleißnerey (W3) [Adelung]


Die Gleißnerey, plur. inus. die Bemühung, von außen anders, und besonders besser zu scheinen, als die innere Beschaffenheit es verstattet, ingleichen die Fertigkeit dieser Bemühung, die Heucheley; im Oberdeutschen und der höhern Schreibart der Hochdeutschen. Die, so in Gleißnerey Lügenredner sind, 1 Tim. 4, 2. Sein Wesen ist nichts als Gleißnerey. Dein Weinen, dein Gebeth ist falsche Gleißnerey, Gryph.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern Glissenheit, Klissenheit; im Oberdeutschen auch Gleimerey. S. 2 Gleißen.


Gleißnerisch (W3) [Adelung]


Gleißnerisch, adj. et adv. im gemeinen Leben Oberdeutschlandes, in der Gleißnerey gegründet, heuchlerisch. Gleißnerische Worte, Geberden.


Gleiten (W3) [Adelung]


Gleiten, verb. irreg. neutr. Imperf. ich glitt; Mittelw. geglitten. Es bezeichnet eine Bewegung auf einer glatten aber schlüpfrigen Fläche, und ist in einer doppelten Gestalt üblich. I. Mit dem Hülfsworte seyn. 1) Sich auf oder über einer glatten Fläche leicht fort bewegen. Der Schlitten gleitet auf dem Eise leicht dahin. Der Wein will nicht gleiten, im gemeinen Leben, will nicht hinunter. Auch figürlich in der höhern Schreibart, von einer sanften gleichförmigen Bewegung. Mein kühleres Blut gleitet mit gleichem Laufe in seinen Ufern fort. - Sanft wie das Morgenroth Das über frische Rosen gleißet, Utz. 2) Auf einer glatten oder schlüpfrigen Fläche eine unwillkühliche Bewegung machen, besonders mit den Füßen, für ausgleiten; in der niedrigen Sprechart glitschen, im Nieders. glippen, glisken, in Baiern ränzeln, in Österreich auskrollen, Ital. crollare. Zu seiner Zeit soll ihr Fuß gleiten, 5 Mos. 32, 35. Die Hoffnung des Verächters - ist wie ein gleitender Fuß, Sprichw. 25, 19. Meine Tritte hätten (wären) beynahe geglitten, Ps. 73, 2. Das Pferd, der Ochs ist geglitten. Auch figürlich in der höhern Schreibart, aus Übereilung, aus Unvorsichtigkeit einen Fehler begehen. Aber bin ich gleich geglitten Dennoch steh ich wieder auf, Gryph. II. Mit dem Hülfsworte haben, sich auf einer glatten Fläche, besonders auf dem Eise, fortbewegen machen, sich auf dem Eise fortgleiten machen; im Hochdeutschen auch schleifen, in Thüringen und Meißen glandern, in Baiern halezen, hälscheln, von hal, schlüpfrig, in andern Gegenden kahscheln, wo auch Kahschel eine solche Schleifbahn ist; im Nieders, fliddern, flindern, im Schwed. kana. Sie haben den ganzen Tag geglitten.

Anm. In der ersten Bedeutung lautet es im Nieders. gliden, in den Monseeischen Glossen giliten, im Schwed. glida, im Angels. glidan, im Engl. to glide, im Franz. glisser. Man könnte es füglich von glatt herleiten, wenn man nicht häufige Spuren hätte, daß leiten, welches jetzt nur active gebraucht wird, ehedem auch gehen, reisen, ja sich bewegen überhaupt bedeutet hätte, woraus durch Vorsetzung der Sylbe ge und deren Abkürzung unser gleiten geworden ist. Bey dem Ulphilas ist leithan, im Angels. lithan, im Schwed. lida, im Wallisischen llitro, gehen bey dem Kero kelitan zurück gehen, weggehen, in den Monseeischen Glossen gilidan reisen, wovon im Nieders, noch das Mittelwort leden, für verwichen, von einer Zeit gebraucht, üblich ist. Im Griech. ist $ gleichfalls ich gehe. S. Leiten, ingleichen Schlitten, welches durch Vorsetzung des Zischlautes aus gleiten entstanden.


Gletscher (W3) [Adelung]


Der Gletscher, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in der Schweiz übliches Wort, die von den Schnee- und Eisbergen in großen oft ungeheuren Stücken herunter sinkenden und aus den Thälern hervor getriebenen Eisklumpen zu bezeichnen, welche sich zwischen den fruchtbaren Bergen zeigen. Die Gletscher sind nichts anders als ein Auswurf von den auf den Gipfeln der Berge sich befindenden Eismeeren, welcher sich nach und nach von denselben ablöset, in die Thäler sinkt, und daselbst zuweilen ganze Berge von Eis bildet. An einigen Orten heißen diese Eisstücke Firner, daher die Eisberge, von welchen diese Firner oder Gletscher kommen, zuweilen gleichfalls Firner oder Gletscher genannt werden. Das letztere Wort stammet ohne Zweifel von Glacies, oder doch mit demselben von einem gemeinschaftlichen ältern Stammworte ab. S. Glanz und Glas. Ein solcher Klumpen Schnee, der von den Bergen in die Thäler rollt, heißt in der Schweiz eine Lauwine, S. dieses Wort.


Glette (W3) [Adelung]


Die Glette, S. Glätte.


Gleve (W3) [Adelung]


Die Gleve, S. Glefe.


Glied (W3) [Adelung]


Das Glied, des -es, plur. die -er, Diminut. das Gliedchen. Oberd. Gliedlein. 1. + Die bewegliche Verbindung zweyer Theile eines Körpers, und der Ort dieser Verbindung, das Gelenk; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche indessen doch aus einer Stelle des Sachsenspiegels bey dem Frisch v. Lid erweislich ist, auch noch in den Zusammensetzungen Gliedschwamm und Gliedwasser angetroffen wird, und als die erste Bedeutung dieses Wortes angesehen werden muß. 2. Der vermittelst einer solchen beweglichen Verbindung oder eines solchen Gelenkes mit dem andern verbundene Theil selbst. 1) Eigentlich, wo dieses Wort (a) in der weitesten Bedeutung nur noch in einigen Fällen üblich ist. Die Glieder einer Kette, welche auch Gelenke genannt werden. Im Nieders. heißt ein beweglicher Deckel noch ein Lid, und eben diese Bedeutung hat die letzte Sylbe in dem Hochdeutschen Augenlied. (b) In engerer Bedeutung, die durch Gelenke mit einander verbundenen äußern Theile des Leibes. In diesem Verstande werden die Finger, Hände, Arme, Füße, Beine u. s. f. Glieder genannt. Seine gesunden Glieder haben. Ein Glied verrenken. Schmerzen in allen Gliedern empfinden. Die Zunge ist ein kleines Glied, Jac. 3, 5. Auf eine etwas uneigentlichere Art führet diesen Nahmen das männliche Glied, nach welchem einige auf eine völlig unschickliche Art auch das weibliche Glied gebildet haben, welches eben so wenig ein Glied genannt werden kann, als solches von der Nase oder andern Theilen des Leibes üblich ist. Auch den Kopf pfleget man nicht ein Glied zu nennen, ungeachtet er ein beweglicher Theil des Körpers ist. Wohl aber führen die kleinern beweglichen Theile der größern Glieder in einigen R. A. nur schlechthin den Nahmen der Glieder. Eines Gliedes lang, d. i. eines Gliedes am Finger. 2) Figürlich, wo die Theile eines Ganzen in verschiedenen Fällen mit diesem Nahmen belegt werden. (a) An verschiedenen Pflanzen, besonders an den Grasarten, wird der zwischen zweyen Knoten oder Absätzen befindliche Theil, der Schuß, gleichfalls ein Glied genannt. (b) Im Kriegswesen führet eine Reihe an einander geschlossener Soldaten in Ansehung des ganzen Haufens schon von alten Zeiten her den Nahmen eines Gliedes. Dew musten meren der Glieder, Hornegk. Aus dem Gliede treten. Das Regiment mußte in drey Gliedern aufmarschieren. (c) In der Baukunst sind die Glieder diejenigen kleinern Theile, welche eine so genannte Ordnung ausmachen. (d) In der Vernunftlehre führen diesen Nahmen die Theile eines Schlusses, Termini, welche vor ihrer Stellung das Vorderglied, Mittelglied und Hinterglied genannt werden. (e) In der Rechenkunst heißen die Theile eines Verhältnisses, oder diejenigen Größen, welche man mit einander vergleicht, gleichfalls Glierer, Termini; da denn die erste den Nahmen des Vordergliedes und die letzte des Hintergliedes führet. (f) Die einzelnen Personen einer Familie, in Ansehung ihrer Verwandtschaft, der Grad; doch nur in absteigender Linie. Joseph sahe Ephraims Kinder bis ins dritte Glied, 1 Mos. 50, 23, bis zu seinen Urenkeln. Der du die Missethat der Väter heimsuchest bis ins dritte und vierte Glied. (g) Eine einzelne Person einer Gesellschaft. Ein Rathsglied, ein Glied des Rathes. Ein Glied der Gemeine, der Kirche, der bürgerlichen Gesellschaft. Ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft. Der Menschenfreund siehet die Menschen insgesammt als Glieder der großen Familie Gottes an, Gell. In einigen Fällen ist dafür Mitglied üblicher.

Anm. Bey dem Stryker Gelid, bey andern, ohne den aus dem Präfixo ge entstandenen Gaumenbuchstaben, nur Lid, wie bey dem Kero Lid, im Tatian Lido, im Nieders. Lid, Let, im Dän. Lid, im Schwed. Led, bey dem Ulphilas Lithus. Ohne Zweifel von leiten, biegen, bewegen, Schwed. lida. S. Gleiten

Anm. und Leiten.


Gliederbrand (W3) [Adelung]


Der Gliederbrand, des -es, plur. car. eine Art des Brandes oder vielmehr des Schlages, bey dem Rindviehe, welcher vornehmlich die Glieder und Knochen angreift, daher er auch der Knochenbrand genannt wird; zum Unterschiede von dem Herzbrande und Leberbrande.


Gliederhaken (W3) [Adelung]


Der Gliederhaken, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Seilern, ein mit Gelenken oder Gliedern versehener Haken.


Gliederig (W3) [Adelung]


Gliederig, adj. et adv. Glieder habend; welches aber nur in Zusammensetzungen grobgliederig, großgliederig, starkgliederig, schwachgliederig, dreygliederig u. s. f. üblich ist.


Gliederkette (W3) [Adelung]


Die Gliederkette, plur. die -n, eine Halskette mit Gliedern, zum Unterschiede von einer Panzerkette.


Gliederkrankheit (W3) [Adelung]


Die Gliederkrankheit, plur. die -en, eine jede Krankheit, welche vornehmlich die Glieder und deren Gelenke angreift, worunter die Gicht mit ihrer Unterarten eine der vornehmsten ist, die daher im Oberd. auch die Gliedsucht, das Gliederweh, die Gleichsucht genannt wird.


Gliederlahm (W3) [Adelung]


Gliederlahm, adj. et adv. lahm an den Gliedern. Gliederlahm werden.


Gliedermann (W3) [Adelung]


Der Gliedermann, des -es, plur. die -männer, bey den Mahlern, ein hölzerner Mann, und unter weiterer Bedeutung auch ein hölzernes Thier mit beweglichen Gliedern, die Stellungen, Gewänder u. s. f. darnach zu mahlen; im Franz. und Engl. Manequin, gleichsam Männchen.


Gliedern (W3) [Adelung]


Gliedern, verb. reg. act. mit Gliedern versehen; von welchem aber nur das Mittelwort gegliedert zuweilen vorkommt. In der Zusammensetzung zergliedern ist es üblicher.


Gliederpuppe (W3) [Adelung]


Die Gliederpuppe, plur. die -n, eine mit biegsamen Gliedern versehene Puppe.


Gliederweh (W3) [Adelung]


Das Gliederweh, des -es, plur. car. ein jeder anhaltender Schmerz in den Gliedern, besonders so fern er von der Gicht herrühret, und diese Krankheit selbst; der Gliederschmerz.


Gliederwein (W3) [Adelung]


Der Gliederwein, des -es, plur. inus. ein Wein, welcher auf verschiedene heilsame Kräuter und Wurzeln gegossen worden, und wider die Gicht getrunken wird.


Gliederweise (W3) [Adelung]


Gliederweise, adv. in Gliedern, nach Art der Glieder. Gliederweise marschiren, bey den Soldaten.


Gliedkraut (W3) [Adelung]


Das Gliedkraut, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -kräuter. 1) Eine Pflanze, von welcher einige Arten in Deutschland, andere aber in wärmern Gegenden wachsen; Sideritis L. Besonders diejenige Art, welche auch unter dem Nahmen des Berufkrautes bekannt ist; Sideritis Scordioides L. 2) Eine andere Pflanze eben dieser Classe, welche am häufigsten Betonien genannt wird; Betonica officinalis L. 3) Das Eisenkraut; Stachys annua L. 4) Das Behen; Cucubalus Behen L. Alle diese Pflanzen führen diesen Nahmen wegen ihrer Wirkung wider die Gicht oder Gliederkrankheit.


Gliedlich (W3) [Adelung]


Gliedlich, adj. et adv. welches nur in der letzten figürlichen Bedeutung des Wortes Glied zuweilen gebraucht wird, in dem Verhältnisse eines Gliedes einer Gesellschaft gegründet. Eine Person von der gliedlichen Gemeinschaft einer Gemeine absondern. Das gliedliche Verhältniß aller einzelnen Personen gegen die ganze Gesellschaft.


Gliedmaß (W3) [Adelung]


Das Gliedmaß, des -es, plur. -en, ein Glied; ein Wort, welches nur noch in der anständigen Sprechart von den Gliedern des menschlichen Leibes, besonders von den größern, auch wohl zuweilen von Gliedern größerer Thiere, gebraucht wird; da es denn im Plural am üblichsten ist. Starke Gliedmaßen haben. Die Gliedmaßen seines (des Leviathans) Fleisches hangen an einander, Hiob 41, 14. Diese Gliedmaßen hat mir Gott vom Himmel gegeben, 2 Mac. 7, 11. Seine gesunden Gliedmaßen haben. Und ich an deinem Leibe ein Gliedmaß ewig bleibe, in dem Liede, Wo soll ich fliehen hin; in welcher figürlichen Bedeutung es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.

Anm. Im Nieders. Ledemat, im Holländ. Ledemaete, im Schwed. Ledamot. Die letzte Hälfte ist nicht das Hochdeutsche Maß, mensura, sondern das alte Mat, Mot, Verbindung, Vereinigung, wovon Mat im Holländischen noch einen Gesellen, Collegen, Mot im Isländ. Bewegung, Versammlung, und möten im Nieders. begegnen, entgegen gehen, Möte und Gemöte, Engl. Meeting, Begegnung bedeutet. Die Hoch- und Oberdeutschen haben das t ihrer Gewohnheit nach in den Zischlaut verwandelt und Maß daraus gemacht, und es scheinet, daß unser Masche, Mischen, und vielleicht auch Metze, gleichfalls davon abstammen. Gliedmaß bedeutet also, so wie Glied, eigentlich und zunächst das Gelenk eines Gliedes, in welchem Verstande es im Nieders. Holländ. und Schwed. noch jetzt gebraucht wird. Einige gebrauchen es im männlichen Geschlechte, der Gliedmaß, allein, alsdann müßte es in den folgenden Endungen entweder des -es, plur. die -e, oder des -en, plur. die -en, haben; beyde Abänderungen aber sind ungewöhnlich.


Gliedschwamm (W3) [Adelung]


Der Gliedschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine kalte, weiche, schwammige Geschwulst an einem Gelenke des menschlichen Leibes, besonders an dem Knie, welche den Gebrauch des Gliedes verhindert, und die nahe gelegenen Theile schwindend macht; Fungus articulorum.


Gliedwasser (W3) [Adelung]


Das Gliedwasser, des -s, plur. inus. 1) Eine kleberige Feuchtigkeit, welche aus den Gelenkdrüsen der Menschen und Thiere abgesondert wird, und die Gelenke schlüpfrig macht; Axungia, bey einigen der Gelenksaft, die Gelenkschmiere, im Nieders. Ledewater, und schon in dem Friesischen Gesetze Liduwagi. 2) Ein starker Fluß eines wässerigen Wesens, welcher bey Verletzung der Gelenke sehr gemein ist, und oft das Schwinden der Glieder verursacht, und dieses wässerige Wesen selbst. Das Gliedwasser haben. Das Gliedwasser stillen.


Gliedwassersucht (W3) [Adelung]


Die Gliedwassersucht, plur. car. eine Wassersucht, welche aus einem Überflusse des Gliedwassers entstehet.


Glimmen (W3) [Adelung]


Glimmen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1) + Eigentlich glänzen, doch nur von einem schwächern Glanze; in welcher im Hochdeutschen ungewöhnlichen Bedeutung es noch in Niedersachsen für funkeln gebraucht wird. S. Glimmer und Glimmern. 2) Ohne Flamme mit schwachem Feuer brennen. Es glimmet noch ein Funke unter der Asche. Glimmender Zunder. Das glimmende Docht, Es. 42, 3. Wenn eine brennbare Sache Feuer fängt, so glimmet sie erst, dann fängt sie an zu brennen. Anm. In Niederdeutschen ist dafür glören, glösen, in Baiern glosen üblich. Im Engl. ist to gleam, im Schwed glimma, im Angels. gelioma, leoman, glänzen, scheinen, leuchten, und bey dem Ulphilas Lauhmon, und im Angels. Leoma, Licht, welches uns zugleich auf die Abstammung des Lat. Lumen führet. S. Glanz, Glühen, Licht u. s. f. Im Oberdeutschen wird glimmen auch zuweilen für glühen gebraucht, wo man auch das Hauptwort der Glimm, ein Funke, und das Beywort glimm, glühend, hat. Glimme, Kohlen, Lohenst. Ein glimmer Kost, ebend. In eben dieser Mundart wird es, wenigstens in einigen Gegenden, irregulär abgewandelt, Imperf. ich glomm, Mittelw. geglommen, welches auch wohl einige Hochdeutsche nachthun.


Glimmer (W3) [Adelung]


Der Glimmer, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. ein taubes thonartiges Mineral, welches aus glänzenden glatten Blättchen zusammen gesetzet ist; Mica. Es kommt so wohl in Gestalt eines Steines vor, da es denn nach Maßgebung seiner gelben oder weißen Farbe, im gemeinen Leben Katzengold und Katzensilber genannt wird; als auch in Gestalt einer Erde, da es auch glimmerige Erde, Glimmererde, Terra micacea, Ammochrysos, heißt. Nach einer nicht ungewöhnlichen Verwechselung der Gaumen- und Blaselaute ist dafür an einigen Orten auch Flimmer üblich. S. dieses Wort. In einigen Oberdeutschen Gegenden bedeutet Glimmer, Engl. Glimmer, noch jetzt einen schwachen Schein, einen Schimmer. S. Glimmern.


Glimmerig (W3) [Adelung]


Glimmerig, adj. et adv. Glimmer enthaltend, dem Glimmer ähnlich. Glimmerige Erde, glimmeriger Thon. S. das vorige. Im gemeinen Leben einiger Gegenden auch für glimmernd, schimmernd.


Glimmern (W3) [Adelung]


Glimmern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, das Iterativum von glimmen ist, und in den gemeinen Mundarten, besonders Niedersachsens am häufigsten vorkommt, einen schwachen zitternden Glanz von sich geben. Im Dän. glimre, im Schwed. glimra, im Engl. to glimmer. Zuweilen auch flimmern, S. Glimmer und Flimmern.


Glinzen (W3) [Adelung]


* Glinzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber so, wie das Iterativum glinzern, nur in den gemeinen Sprecharten für glänzen üblich ist. Das Schwert glinzet, Ezech. 21, 15.


Glitschen (W3) [Adelung]


* Glitschen, S. Gleiten.


Globosit (W3) [Adelung]


Der Globosit, des -en, plur. die -en, Eine Art gewundener, einfächeriger versteinerter Schnecken, welche fast kugelrund, in der Mitte dickbäuchig und mit einer weiten Öffnung versehen sind; Globosites.


Glocke (W3) [Adelung]


Die Glocke, plur. die -n, Diminut. das Glöckchen, Oberd. Glöcklein. 1. Eigentlich, ein metallenes hohles Werkzeug in Gestalt eines stumpfen ausgeschweiften Kegels, welches gemeiniglich inwendig mit einem Klöppel versehen ist, andern durch ihren Klang ein gewisses Zeichen zu geben. Besonders die größern Werkzeuge dieser Art. 1) Im weitern Verstande. Glocken gießen. Eine Glocke gießen. S. Glockengießer. Mit der Glocke läuten, oder die Glocke läuten, durch Bewegung derselben, welche zugleich den Klöpel in Bewegung bringt, den verlangten Schall hervor bringen. * Mit der Sauglocke läuten, in der niedrigen Sprechart, Zoten hervor bringen. Etwas an die große Glocke schlagen, figürlich, es öffentlich bekannt machen. Der Glöckchenston oder Glöckleinton, ein Register in den Orgeln, welches wie Glöckchen klingt. 2) In engerer Bedeutung, im gemeinen Leben, eine Schlaguhr, Die Glocke hat noch nicht zehn geschlagen; Die Glocken schlagen in der Stadt nicht überein. Was ist die Glocke? in Niedersachsen für, wie viel Uhr ist es? Die Glocke ist acht, eben daselbst, es ist acht Uhr. 2. Figürlich, wegen der Ähnlichkeit in der äußern Gestalt. 1) Verschiedene Gefäße, welche die Gestalt einer Glocke haben. Dergleichen sind die gläsernen Glocken der Gärtner, sie über gewisse Arten von Pflanzen zu decken, die Glocken der Wassertäucher, sich darunter unter dem Wasser zu erhalten, die Glocke an der Luftpumpe, die Glocken in der Chymie, glockenförmige Gefäße zur Bereitung der sauern Geister, die Glocken der Wäscherinnen, Manchetten, Krausen u. s. f. darauf auszustoßen, von der Ähnlichkeit mit einem Glockenklöp- pel, wozu bey glatter Wäsche das Plätteisen gebraucht wird, die glockenförmigen Stürzen über die Schüffeln u. s. f. 2) Bey den Jägern, ein glockenförmiges Garn zum Hühnerfange im Winter, S. Glockengarn. 3) Die glockenförmigen Kelche gewisser Blumen, und diese Gewächse selbst. So wird die Halswurz, Campania Trachelium und glomerata L. von einigen wilde Glöckchen, die Akeley aber an einigen Orten Glocken genannt, S. Glockenblume. 4) Eine ehemalige Art der Kleider beyder Geschlechter in Gestalt einer Glocke; im mittlern Lat. Cloca.

Anm. In der ersten eigentlichen Bedeutung lautet dieses Wort im Nieders. Klokke, im Engl. Clock, im Angels. Clugga, im Wallis. Cloch, im Franz. Cloche, im mittlern Lat. Gloccus, Clocca, Glogga, im Dän. Klokke, im Schwed. Klocka, Es stammet wohl, wie schon Wachter bemerkt, von dem veralteten klochen, klocken, her, wofür jetzt klopfen üblich ist, welches schon bey dem Kero clochon lautet, und zu dem Geschlechte der Wörter locken, Glucke u. s. f. gehöret. Hagen bey dem Pez nennt noch den Klöppel Clechel. Glocke und Schelle sind zunächst nicht der Größe, sondern der verhältnißmäßigen Dicke des Metalles nach unterschieden. Einige hauchende Oberdeutsche sprechen das g zu Anfange dieses Wortes wie ein ch, die Hochdeutschen mit dem dem g eigenthümlichen Laute, die Niedersachsen und Niedersächsischen Hochdeutschen wie ein gewöhnliches k aus, und pflegen es auch so zu schreiben.


Glöckeln (W3) [Adelung]


Glöckeln, verb. reg. act. mit kleinen Glöckchen läuten, im gemeinen Leben.


Glockenapfel (W3) [Adelung]


Der Glockenapfel, des -s, plur. die -äpfel, eine Art langer walzenförmiger weißlicher und blaßgelber Apfel, deren lockere Kerne klappern; Kernapfel, Klapperapfel, Schlotterapfel.


Glockenbirn (W3) [Adelung]


Die Glockenbirn, plur. die -en, eine Art Birnen, welche die Gestalt einer Glocke haben.


Glockenblume (W3) [Adelung]


Die Glockenblume, plur. die -n, ein Nahme verschiedener Pflanzen, deren Blumen glockenförmig sind. 1) Der Akeley, S. dieses Wort. 2) Der Campanula L. welche viele Unterarten unter sich begreift, worunter auch der Rapunzel und der Frauenspiegel gehören. 3) Einer Art der Winde, welche an den Zäunen wächset, und auch Zaunwinde, Zaunglocken, Weißglocke genannt wird; Convolvulus sepium L. Und vielleicht noch anderer mehr.


Glockenförmig (W3) [Adelung]


Glockenförmig, adj. et adv. die Form, d. i. Gestalt einer Glocke habend.


Glockenfrau (W3) [Adelung]


Die Glockenfrau, plur. die -en, im gemeinen Leben einiger Gegenden, eine Frau, welche mit einer kleinen Glocke Almosen einsammelt.


Glockengarn (W3) [Adelung]


Das Glockengarn, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Garn in Gestalt einer Glocke, die Repphühner im Winter darunter zu fangen; die Glocke, das Glockennetz.


Glockengießer (W3) [Adelung]


Der Glockengießer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher vornehmlich Glocken aus Metall gießet. Dessen Gattinn die Glockengießerinn.


Glockengut (W3) [Adelung]


Das Glockengut, des -es, plur. inus. S. Glockenspeise.


Glockenhaus (W3) [Adelung]


Das Glockenhaus, des -es, plur. die -häuser, an einigen Orten, wo die zum Behuf des Gottesdienstes nöthigen Glocken nicht auf den Thurme hangen, ein Haus, worin sie befindlich sind und geläutet werden.


Glockenist (W3) [Adelung]


Der Glockenist, des -en, plur. die -en, ein Deutsches Wort mit einer Lateinischen Endung, wie Harfenist, Blumist, Lautenist, u. s. f. denjenigen zu bezeichnen, der das an einem Orte befindliche Glockenspiel zur gehörigen Zeit zu spielen verbunden ist. S. - Ist.


Glockenklang (W3) [Adelung]


Der Glockenklang, des -es, plur. inus. der Klang der Glocken; ingleichen ein Klang, der diesem ähnlich ist.


Glockenläuter (W3) [Adelung]


Der Glockenläuter, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, dessen Amt ist, die Glocken zum Behuf des Gottesdienstes zu läuten, und der, wenn die Glocken durch Treten geläutet werden, auch der Glockentreter heißt.


Glockenleisten (W3) [Adelung]


Der Glockenleisten, des -s, plur. ut nom. sing. in der Baukunst, ein Leisten, welcher dem halben Durchschnitte einer Glocke der Länge nach gleichet.


Glockenmantel (W3) [Adelung]


Der Glockenmantel, des -s, plur. die -mäntel, an einigen Orten, ein Weibermantel, welcher unten weit und einer Glocke beynahe ähnlich ist.


Glockennetz (W3) [Adelung]


Das Glockennetz, des -es, plur. die -e, S. Glockengarn.


Glockenschlag (W3) [Adelung]


Der Glockenschlag, des -es, plur. die -schläge, der Schall der Glocke einer Schlaguhr, womit sie die Stunde, oder deren Theile anzeiget. Mit dem Glockenschlage kommen.


Glockenschwengel (W3) [Adelung]


Der Glockenschwengel, des -s, plur. ut nom. sing. der Schwengel an einer Glocke, wodurch sie in Bewegung gesetzet wird. S. Schwengel.


Glockenseil (W3) [Adelung]


Das Glockenseil, des -es, plur. die -e, dasjenige Seil, womit eine Glocke gezogen, und zum Läuten gebracht wird.


Glockenspeise (W3) [Adelung]


Die Glockenspeise, plur. inus. 1) Diejenige Mischung von einem Theile Zinn und acht bis vier Theilen Kupfer, woraus die Glocken, Bildsäulen, Mörser u. s. f. gegossen werden; Glockengut, Stückgut, Franz. Bronze. S. Speise. 2) Im Bergbaue, eine kobaltartige heißgrätige Bergart, welche sich nicht gern aus dem Ofen bringen läßet, und zuweilen etwas Silber hält.


Glockenspiel (W3) [Adelung]


Das Glockenspiel, des -es, plur. die -e, eine musikalische Erfindung von mehreren harmonisch zusammen geordneten Glocken, welche wie ein Clavier gespielet werden. Es ist eine Brabantische Erfindung, und das erste Glockenspiel ist zu Aalft verfertigt worden.


Glockenstube (W3) [Adelung]


Die Glockenstube, plur. die -n, dasjenige Behältniß auf den Thürmen u. s. f. wo eine oder mehrere Glocken hangen.


Glockenstuhl (W3) [Adelung]


Der Glockenstuhl, des -es, plur. die -stühle, dasjenige Gestell oder Gerüst, worauf und worin eine Glocke hänget, so wohl bey großen Glocken auf den Kirchhöfen, Kirchtürmen u. s. f. als auch bey kleinern, in den Schlaguhren, in welchen letztern das gekrümmte Eisen, woran die Glocke befestigt ist, der Glockenstuhl genannt wird. S. Gestühle und Stuhl.


Glockentaufe (W3) [Adelung]


Die Glockentaufe, plur. die -n, in der Römischen Kirche, die Einsegnung oder Einweihung neu gegossener Glocken vermittelst einer Art der Taufe.


Glockenthaler (W3) [Adelung]


Der Glockenthaler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Thaler, welche Herzog August zu Braunschweig schlagen ließ, und worauf das Bild einer Glocke gepräget ist.


Glockenthurm (W3) [Adelung]


Der Glockenthurm, des -es, plur. die -thürme, ein zum Behuf der Glocken gebauter Thurm, besonders an einer Kirche.


Glockentreter (W3) [Adelung]


Der Glockentreter, des -s, plur. ut nom. sing. S. Glockenläuter.


Glöckner (W3) [Adelung]


Der Glöckner, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kirchenbedienter geringerer Art, welcher unter andern auch die Läutung der Glocken zur bestimmten Zeit besorget, und an andern Orten der Kirchner oder Küster genannt wird.


Gloms (W3) [Adelung]


+ Der Gloms, des -es, plur. inus. ein nur in Preußen übliches Wort, eine gewisse kalte Milch zu bezeichnen, welche in Niedersachsen Sültemilch, und in Obersachsen Comps oder Kompis genannt wird. So wird er sich an Gloms und an Pomocheln laben, Can.


Glorie (W3) [Adelung]


Die Glorie, (dreysylbig) plur. inus. ein aus dem Latein. Gloria entlehntes Wort, die Herrlichkeit, den höchsten Grad der Ehre, der Hoheit, der Majestät zu bezeichnen, welches noch in einigen alten Kirchenlieder vorkommt. Bey den Mahlern wird eine Vorstellung des offenen Himmels mit Engeln, Heiligen u. s. f. figürlich eine Glorie genannt, Franz. Gloire, wo von mehrern solcher Vorstellungen auch der Plural, die -n, gebraucht wird, Das Nieders. Glorje, ein heftiges Kohlen- und Flammenfeuer, gehöret nicht hierher, sondern zu dem Nieders. glören, glühen.


Glorreich (W3) [Adelung]


Glorreich, -er, -ste, adj. und adv. welches aus Glorie, Herrlichkeit, und reich zusammen gesetzet ist. Die glorreichen Werke der Hand Gottes. Mein Perseus flog in diesem Augenblicke Herab von seiner Warte, schwang Sein glorreich Eisen, Raml.


Glorwürdig (W3) [Adelung]


Glorwürdig, -er, -ste, adj. et adv. der Glorie, d. i. der höchsten Ehre würdig. Se. verstorbene kaiserliche Majestät glorwürdigen Gedächtnisses.


Glosse (W3) [Adelung]


Die Glosse, plur. die -n, aus dem Griech. und Lat. Glossa, die Auslegung eines unbekannten oder dunkeln Wortes, und zuweilen auch im Singular von einer ganzen Sammlung solcher Erklärungen. Glossen über etwas machen, im gemeinen Leben, Anmerkungen. S. Randglosse.


Glöthe (W3) [Adelung]


Die Glöthe, S. Glätte.


Glotzen (W3) [Adelung]


* Glotzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist. 1) Leuchten, scheinen, glänzen, im Oberdeutschen. Faules Holz glotzet im Finstern. 2) Mit großen hervor stehenden Augen sehen, oder ansehen. Mit den Augen glotzen, sie aufsperren. Daher das Glotzauge, ein großes hervor siehendes Auge, und ein Mensch, der solche Augen hat, der auch wohl ein Glotzer genannt wird.

Anm. Im Nieders. klotzen. Frisch hatte den wunderlichen Einfall, es in der zweyten Bedeutung von Klotz abzuleiten. Es ist ein Intensivum von dem noch im Dän. und Schwed. üblichen Zeitworte gloe, glo, aufmerksam ansehen, welches vermittelst des Gaumenlautes von dem noch im Griech. vorhandenen Zeitworte $. $, ich sehe, abstammet und mit zu dem großen Geschlechte der Wörter Glänzen, Glühen, Licht u. s. f. gehöret S. Glau. Von diesem lo und glo, sehen, kommt das Griech. $, ich sehe, und ich glänze, das Isländ. glogva, sehen, und gloggsyn, deutlich, das Schwed. glötta, glutta, sorgfältig betrachten, das Dän. glotte, gucken, und das Deutsche glotzen her. S. auch glühen.


Gluchzen (W3) [Adelung]


Gluchzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und in der anständiger Schreibart für glucken und glucksen gebraucht wird, den ähnlichen Laut auszudrucken, welchen die Hühner machen, wenn sie die Küchlein führen. Indeß, daß der majestätische Hahn seine gluchzenden Hennen im Hofe umher führt, Geßn. S. Glucken. Auch für schluchzen, singultire, ist in einigen Oberdeutschen Gegenden gluchzen üblich. S. Schluchzen, welches durch Vorsetzung des Zischlautes davon herstammet.


Glück (W3) [Adelung]


Das Glück, des -es, plur. car. 1. Derjenige Umstand, da uns unser Vorhaben gelinget, d. i. da solches durch eine Verknüpfung von Umständen, die nicht unmittelbar in unserer Gewalt sind, unserm Verlangen gemäß erfolget. Einem zu seinem Vorhaben, zu einer Reise Glück wünschen, wünschen, daß ihm sein Vorhaben, seine Reise gelingen möge. Glück auf den Weg! Glück auf! ein gewöhnlicher Wunsch der Jäger und Bergleute an einander. Jemanden zu oder bey einer angenehmen Begebenheit Glück wünschen, ihm wünschen, daß sie nach seinem Verlangen ausschlagen möge. S. Glückwunsch. Glück zu oder in etwas haben. Weder Glück noch Stern zu etwas haben. Gott gebe Glück dazu! Sein Glück versuchen, versuchen, ob es ihm gelingen wolle. S. Glücken. 2. In weiterer Bedeutung, eine jede Verknüpfung solcher vortheilhaften Umstände, die wir nicht vorher sehen können, wenigstens nicht in unserer Gewalt zu haben glauben, ein günstiger Zufall. Zu allem Glücke war niemand zugegen. Ich kam zu allem Glücke dazu. Er hat von Glück zu sagen, daß er noch so davon gekommen ist. Das war noch ein Glück, daß sich der Wind legte. Es ist dein Glück, oder es ist ein Glück für dich, daß ich es nicht gesehen habe. Es stehet dir ein großes Glück bevor. Ein Mensch hat viel Glück, so wohl, wenn ihm alles gelinget, was er unternimmt; als auch, wenn sich ohne sein Zuthun viele vortheilhafte Umstände für ihn ereignen. Star hat mehr Glück als Verstand, mehr Glück als Recht. Es weiß sich nicht ein jeder in sein Glück zu finden, wenn er solche Umstände nicht gehörig zu nutzen weiß. Einem Glück bringen, im Scherze, durch seine Gegenwart machen, daß der andere im Spielen gewinnet. Im Glücke sitzen, ansehnlich gewinnen. In weiterer Bedeutung zuweilen für einen jeden ungefähren Zufall. Es war ein bloßes Glück, daß ich ihn noch antraf. 3. Besonders, ein Umstand, eine Sache, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste, wenigstens in einem sehr hohen Grade, verbessert wird. 1) In dem weitesten Verstande. Dieses Glück ist für dich zu groß. Es ist ihm ein unverhofftes Glück widerfahren. Ein kluger König ist des Volkes Glück, Weish. 6, 26. Meine Tränen beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das Glück meiner Tage war, Cron. Was Gott über mich verhängt, wird in der Folge Glück für mich werden. Gegen das Glück eines guten Nahmens empfindlich seyn. Das Glück eines guten Gewissens genießen. Gesundheit ist ein großes Glück. Wo dieses Wort in der gesellschaftlichen Sprache des höflichen Umganges oft gar sehr gemißbraucht wird. Seitdem ich das Glück hatte, sie das letzte Mahl zu sehen. Gönnen sie mir das Glück ihrer Gegenwart. 2) Im engern Verstande, der ganze Zusammenhang aller derjenigen Umstände, wodurch unsere Wohlfahrt auf das möglichste befördert wird. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, diesem Ziele unserer Wünsche. Was aber ist das Glück? Was alle Thoren meiden; Der Zustand wahrer Luft, und dauerhaften Freuden, Haged. Welcher Zustand doch eigentlich die Glückseligkeit ausmacht. 3) Im engsten Verstande, der Zustand der möglichsten Vollkommenheit unseres äußeren Zustandes. Sein Glück verscherzen. Jemanden an seinem Glücke hindern. Er hat sein Glück gemacht, er ist glücklich geworden. Ich habe das Glück meines Freundes gemacht, habe ihn glücklich gemacht. Das sind nicht Tugenden eines Weichlinges, den das Glück verzärtelt hat, Dusch. 4. Oft verbindet man mit diesem Worte den Begriff eines gewissen Wesens, von welchem der gute Erfolg unserer Unternehmungen und Wünsche abhänget, und welches diejenigen Dinge, welche man zur äußern Wohlfahrt für nothwendig hält, nach bloßer Willkühr austheilet; welches Wesen, so fern es nach der Mythologie der Griechen und Römer als eine Untergottheit vorgestellet wurde, auch die Glücksgöttin genannt wird; Lat. Fortuna. Dem Glück im Schooße sitzen. das Glück will ihm wohl, hasset dich. Das Glück ist unbeständig. Das Glück hat es mir bescheret. Dem Glücke seinen Gang lassen.

Anm. Die Bemühungen der Wortforscher sind bey diesem Worte bisher nicht glücklich gewesen. Älterer zu geschweigen, so leitet es Frisch sehr unwahrscheinlich von Loos ab, und Ihre getrauet sich nicht einmahl, eine Ableitung zu versuchen. Die Ursache dieser fruchtlosen Bemühungen ist wohl, weil es mit allen seinen Ableitungen und Zusammensetzungen in unsern ältesten Schriften so selten vorkommt. Ich habe es im Stryker und den Schwäbischen Dichtern zuerst gefunden, wo es Gelucke heißt. Daß das G nicht zum Stamme gehöre, erhellet aus den verwandten Sprachen. Im Nieders. heißt das Glück nur Luck, im Fries. Lock, im Engl good Luck, gutes Glück, ill Luck, Unglück, widriges Glück, im Schwed. Lycka, im Dän. Lykke, Mir scheinet es wahrscheinlich, daß es zu dem Worte gelingen gehöret, weil Notker das Glück Ein Mahl Lingiso nennet; denn daß das n vor den Hauch- und Kehllauten sehr zufällig ist, wird bey diesem Buchstaben gezeiget werden. Merkwürdig ist aber doch, daß in andern gleichbedeutenden Wörtern der Begriff der Geschwindigkeit der herrschende ist, um den ungefähren Zufall, der das Glück ausmacht, zu bezeichnen. So heißt das Glück bey dem Notker Framspuote, und im Nieders, Spood, von dem noch in Niedersachsen üblichen spoden, eilen. Das veraltete Selde, das Lat. Salus, unser Seil, u. s. f. würden eine ähnliche Ableitung ertragen, und sich theils aus dem Lat. salire, theils aus dem Deutschen eilen, und Nieders. hilde, geschwinde, hurtig, erklären lassen. Indessen wäre es doch noch immer zu viel gewagt, wenn man um deßwillen Glück und gelingen zu dem Geschlechte der Wörter fliegen, fliehen, und gleich stalim, rechnen wollte, so gewöhnlich auch die Verwechselung der Blase- und Kehllaute ist.


Glucke (W3) [Adelung]


Die Glucke, plur. die -n, S. Gluckhenne.


Glücken (W3) [Adelung]


Glücken, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben, bey manchen auch seyn erfordert, aber auch unpersönlich gebraucht, wird, für gelingen, eines Verlangen und Absicht gemäß erfolgen, besonders so fern dieser Erfolg nicht in unserer Gewalt stehet, sondern von der Verbindung der Umstände außer uns abhänget. Es glückt manchem in bösen Sachen, Sir. 29, 9. Weil es ihm so glückte wider seine Freunde, 2 Macc. 5, 6. Es glückt ihm alles. Dieses Mahl hat es dir geglückt, Konnte ich glauben, daß diese Unwahrheit glücken würde? Es glücken nicht alle Anschläge. Den Niedrigsten auf Erden Ists oft durch Witz und durch Verstand geglückt, Gell.

Anm. Im Nieders. lükken, lukken, im Dän. lykkes. Im Oberdeutschen gebraucht man es häufig mit dem Hülfsworte haben. In dem zusammen gesetzten beglücken kommt es auch als ein Activum vor. S. Glück 1.


Glucken (W3) [Adelung]


Glucken, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und im gemeinen Leben den laut nachahmet, den die Hühner von sich geben, wenn die brüten wollen, oder wenn sie ihre Jungen führen. Die Henne glucket den ganzen Tag.

Anm. Im Nieders. klukken, im Dän. klukke, im Latein. glocire, glocitare, im Griech. $, im Ital. chiocciare. S. Glucksen und Gluchzen, ingleichen Schlucken und Schluchzen, welche einen ähnlichen Schall in andern Fällen ausdrucken.


Glückhaft (W3) [Adelung]


Glückhaft, -er, -este, adj. et adv. welches im Oberdeutschen am gewöhnlichsten ist, für glücklich.


Glücklich (W3) [Adelung]


Glücklich, -er, -ste, adj. et adv. welches in seinen meisten Bedeutungen die Stelle des ungewöhnlichen glückig vertritt, und nicht so wohl dem Glücke ähnlich, als vielmehr Glück habend, in dem Glücke gegründet, bedeutet. 1) Einen guten Erfolg seiner Bemühungen, seiner Absicht habend, so fern dieser Erfolg, wenigstens großen Theils, auf einem bloßen Zufalle beruhet. So wohl subjektive, als auch objective, darin gegründet. Ein Mahler, der im Treffen sehr glücklich ist. Ein glücklicher Mahler. Ein glücklicher Schütze. Ein Glücklicher Spieler. Ein glücklicher Liebhaber, der das Ziel seiner Wünsche erreichet. Kinder, denen man das abschlägt, was andere bekommen, pflegen gemeiniglich ihre glücklichern Brüder zu beneiden. Eine glückliche Gabe zu scherzen besitzen, Glückliche Wendungen, glückliche Bilder, glückliche Gedanken, die dem Gegenstande gemäß gewählet sind, und ihre Absicht nie verfehlen. Ein glückliches Gedächtniß haben. Das glückliche Genie der nordischen Völker zur Poesie. Ein glücklicher Wurf. Die Sache ist sehr glücklich von Statten gegangen. Ein glücklicher Anfang, ein glücklicher Ausgang. Seinen Freunden eine glückliche Reise wünschen, Eine lange Reise glücklich endigen. 2) Eine Verknüpfung vortheilhafter Umstände genießend, so wohl in einzelnen Fällen, als in mehreren, ingleichen so wohl eigentlich und subjective, als auch figürlich und objective, in einer solchen vortheilhaften Verknüpfung gegründet, derselben gemäß. Ein glücklicher Mensch, der in einem Falle, oder auch in mehrern, eine solche vortheilhafte Verbindung der Umstände erfähret. Im Spiele glücklich seyn. Das Treffen war für die Russen glücklich. Der Muth ist ein glückliches Gefühl der gespannten Kräfte des Körpers. Eine glückliche Erziehung genossen haben. Die Verlängerung seiner selbst in der Freundschaft ist oft nur ein glücklicher Eigensinn des Naturells. Die Demuth hat die glücklichen Einflüsse auf das Vergnügen und Beste der Welt. 3) Besonders, so fern dadurch unsere Wohlfahrt auf die möglichste, oder doch auf eine sehr merkliche Art befördert wird. Wo es oft im gesellschaftlichen Leben und aus Höflichkeit von Dingen gebraucht wird, die zu unserer Wohlfahrt eigentlich nicht das mindeste beytragen. Ich bin noch nicht so glücklich gewesen, ihn zu sehen. Machen sie mich so glücklich und beehren sie mich mit ihrem Besuche. 4) In noch engerer Bedeutung, die ganze Verbindung solcher Umstände habend und erfahrend, wodurch die Wohlfahrt, und in der engsten Bedeutung die äußere Wohlfahrt, auf das möglichste befördert wird, und in dieser Verbindung der Umstände gegründet. Ein glücklicher Mann, der sich in einem solchen Zustande befindet. Seinen Freund glücklich machen, ihn in einen solchen Zustand versetzen. Ich bin durch dich glücklich geworden. Nur der ist wirklich glücklich, der ein gutes Gewissen hat. Glückliche Zeiten, da Tugend und Unschuld noch meine Gespielinnen waren! Glückliches Volk, dem das Laster des Stolzes auch dem Nahmen nach unbekannt ist! Im Engl. lucky, im Dän. lykkelig.


Glücksball (W3) [Adelung]


Der Glücksball, des -es, plur. die -bälle, figürlich, ein Mensch, der in seinem Leben sehr abwechselnden unvermutheten Zufällen ausgesetzet ist, mit welchem das Glück gleichsam als wie mit einem Balle spielet.


Glücksbaum (W3) [Adelung]


Der Glücksbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, Ostindisches Gewächs, welches wie Biesam riecht; Clerodendrum fortunatum L. Eine Art desselben, deren Blumen einen sehr stinken- den Geruch haben, wird der Unglücksbaum genannt; Clerodendrum infortunatum L.


Glücksbude (W3) [Adelung]


Die Glücksbude, plur. die -n, eine Waaren-Lotterie, welche in einer Bude angestellet wird, wo man für eine geringe Einlage ansehnliche Preise gewinnen kann. Daher der Glücksbüdner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Glücksbüdnerinn, diejenige Person, welche der Unternehmer einer solchen Waaren-Lotterie ist. S. Glückstopf.


Glückselig (W3) [Adelung]


"Glückselig", -er, -ste, adj. et adv. ein Wort welches in allen denjenigen Bedeutungen angetroffen wird, in welchen "glücklich" üblich ist, vielleicht nur, weil es um eine Sylbe länger ist, daher es auch im Oberdeutschen am häufigsten vorkommt.

1) In der ersten Bedeutung des Wortes "glücklich". Zeuch hinauf und fahre glückselig, 1 Kön. 22, 12, 15, glücklich, deinen Wünschen, deinen Absichten gemäß. Hiskia war glückselig in allen seinen Werken, 2 Chron. 32, 30, es gelang ihm alles. Also vollendete Salomo das Haus des Herren - glückseliglich, 2 Chron. 7, 11.

2) In dessen zweyten Bedeutung. Ein glückseliger Mensch, dem unerwartete vortheilhafte Umstände begegnen. Er erinnerte sich der glückseligen Schlachten, die sie vor gethan hatten, 2 Macc. 15, 9. Zu einer glückseligen Stunde ankommen, in einer glückseligen Stunde geboren werden.

3) In dessen dritten Bedeutung, wo es sogar auch im gesellschaftlichen Umgange aus Höflichkeit gebraucht wird. So wird der Herr mit dir seyn, und wirst (so) glückselig seyn, daß du dem Herrn ein Haus bauest, 1 Chron. 23, 11. Machen sie mich so glückselig, und besuchen sie mich.

4) Besonders in dessen vierten Bedeutung, die möglichste Wohlfahrt genießend, und in derselben gegründet, dieselbe befördernd. Und der Herr war mit Joseph, daß er ein glücklicher mann ward, 1 Mos. 39, 2. Denn aber wirst du glückselig seyn, wenn du hältest, daß du thust nach den Geboten und Rechten, u. s. f. 1 Chron. 23, 13. War ich nicht glückselig? - Hatte ich nicht gute Ruhe? Hiob. 3, 26. Siehe das sind die Gottlosen, die sind glückselig in der Welt, und werden reich, Ps. 73, 12. In den drey ersten Bedeutungen fängt es im Hochdeutschen an zu veralten, in der vierten aber wird es selbst in der edlen und höhern Schreibart noch mit "glücklich" gleichbedeutend gebraucht. Glückselig sind wir, die wir einer guten Erziehung genossen haben, Gell. Ich sah, glückseliges Berlin, Die Göttinn deines Stroms u. s. f. Raml.

Anm. Im Dän. "lycksalig". im Schwed. gleichfalls "lycksalig". "Selig" hat in dieser Bedeutung nichts mit dem Worte "selig beatus", gemein, sondern ist das in mehrern andern Wörtern befindliche Worte "selig", welches von "sal" abstammet, und mit der Nachsylbe "-ig", und mit "-lich" in dem Worte "glücklich" so ziemlich einerley Bedeutung hat. S. - "Sal" und "Selig".


Glückseligkeit (W3) [Adelung]


Die Glückseligkeit, plur. die -en, von dem vorigen Worte. 1) Die höchste Wohlfahrt, deren man unter gewissen Umständen fähig ist, besonders diese Wohlfahrt in dem gegenwärtigen Zustande in der sichtbaren Welt; ohne Plural. Seine Glückseligkeit in etwas setzen. Epikur setzte die Glückseligkeit des Menschen in der Empfindung des Vergnügens. In engerer Bedeutung, die Empfindung und der Genuß dieses Zustandes. Eine kurze, eine dauerhafte Glückseligkeit. In der engsten Bedeutung führet nur die letztere, oder der Zustand einer dauerhaften Freude diesen Nahmen. Alle Welt ist darin einig, daß die Glückseligkeit, so fern der Mensch sie erreichen kann, ein Zustand ist, in welchem das Vergnügen den Schmerz überwiegt, Sulz. 2) Eine Sache, welche diesen Zustand gewähret, welche uns eine lebhafte und dauerhafte Freude verschaf- fet. Ein zufriedenes Gemüth ist eine der vornehmsten Glückseligkeiten dieses Lebens. Die Wollust, welche der Wein gibt, gehöret zu den vergänglichen Glückseligkeiten.


Glucksen (W3) [Adelung]


Glucksen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und das Intensivum des Zeitwortes glucken ist, aber so wie dieses, nur im gemeinen Leben von dem Glucken oder Glucksen der Hühner, im Oberdeutschen aber auch für schluchzen gebraucht wird, wo der Schluchzen auch der Glucks genannt wird. S. Gluchzen und Schluchzen.


Glücksfall (W3) [Adelung]


Der Glücksfall, des -es, plur. die -fälle. 1) Ein unvermutheter vortheilhafter Zufall, der mehr von den Umständen außer uns, als von uns selbst abhängt. Es war ein bloßer Glücksfall, daß ich ihn antraf. 2) In engerer Bedeutung, ein solcher Zufall, wenn er unsere Wohlfahrt auf eine merkliche und unvermuthete Art befördert.


Glücksgut (W3) [Adelung]


Das Glücksgut, des -es, plur. die -güter, ein Gut, dessen Erlangung und Bewahrung mehr von dem Glücke, d. i. der Verbindung vortheilhafter Umstände außer uns, als von uns selbst abhänget. Reichtum, Ehre, Gesundheit, hoher Stand u. s. f. sind solche Glücksgüter.


Glückshafen (W3) [Adelung]


Der Glückshafen, des -s, plur. die -häfen, S. Glückstopf.


Glückshändchen (W3) [Adelung]


Das Glückshändchen, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, der Nahme einer Wurzel, welche an dem Fichtelberge gefunden werden, und einer halb geschlossenen Kinderhand ähnlich sehen soll, weil man glaubt, daß derjenige, der sie bey sich trägt, in allen seinen Unternehmungen glücklich sey.


Glückshaube (W3) [Adelung]


Die Glückshaube, plur. die -n, in dem gemeinen Aberglauben, wenn bey der Geburt die Hant, in welcher das Kind liegt, zu stark ist, als daß sie zur rechten Zeit zerreißen könnte, weil das ein glückliches Kind werden soll.


Glückskind (W3) [Adelung]


Das Glückskind, des -es, plur. die -er, in der vertraulichen Sprechart, eine Person, welche in allen ihren Unternehmungen glücklich ist; ingleichen welcher mehrere unerwartete Glücksfälle widerfahren. Es sind ja ein rechtes Glückskind, Gell.


Glücksmännchen (W3) [Adelung]


Das Glücksmännchen, Oberd. Glücksmännlein, de -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Benennung des Altrauns, weil er Glück bringen soll. S. Altraun.


Glücksrad (W3) [Adelung]


Das Glücksrad, de -es, plur. die -räder. 1) Dasjenige Rad, auf welchem das Glück, so fern man es in den schönen Künsten als eine Person abbildet, stehend vorgestellet wird, die Abwechselung und Ungewißheit derjenigen Zufälle zu bezeichnen, von welchem unsere Wohlfahrt in der sichtbaren Welt gemeiniglich abhängt. 2) In den Lotterien dasjenige Rad, in welchem die Lose unter einander gemischt, und aus welchem sie gezogen werden.


Glücksritter (W3) [Adelung]


Der Glücksritter, des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich ein irrender Ritter, welcher auf gut Glück, d. i. in Erwartung vortheilhafter Glücksfälle in der Welt herum irret. In weiterer Bedeutung, ein jeder Mensch, der auf Abenteuer ausgehet. Zuweilen auch eine scherzhafte glimpfliche Benennung eines Spitzbuben.


Glücksruthe (W3) [Adelung]


Die Glücksruthe, plur. die -n, S. Wünschelruthe


Glücksspiel (W3) [Adelung]


Das Glücksspiel, des -es, plur. die -e, ein Spiel, in welchem alles auf das Glück, d. i. auf einen ungefähren vortheilhaften Zufall, und nicht auf die Geschicklichkeit des Spielenden ankommt; ein Hazard-Spiel.


Glücksstand (W3) [Adelung]


Der Glücksstand, des -es, plur. inus. 1) Der Zustand des Glückes, d. i. der äußern Wohlfahrt, besonders in Ansehung des zeitlichen Vermögens. Die verrückte Lage seines Glücksstandes 2) Ein glücklicher Zustand. Sein Glücksstand ist vorbey. Das Vertrauen auf Gott, dieser hohe Glücksstand der Seele, Hermes.


Glücksstern (W3) [Adelung]


Der Glücksstern, des -es, plur. die -e, ein glücklicher Stern, eine figürliche Benennung des Glückes, so fern man ehedem den Sternen allerley glückliche oder unglückliche Einflüsse in die menschlichen Schicksale zuschrieb. Durchs liebe Ungefähr das manches Glücksstern ist, Michael.


Glückstopf (W3) [Adelung]


Der Glückstopf, des -es, plur. die -töpfe, dasjenige Gefäß, aus welchem in den Glücksbuden die Lose gezogen werden; im Oberdeutschen und der edlern Schreibart der Hochdeutschen der Glückshafen. Daher die Glücksbüdner an einigen Orten auch Glückstöpfer und Glückshafner genannt werden; Nieders. Luckpot.


Glückszirkel (W3) [Adelung]


Der Glückszirkel, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemalige Art eines betrieglichen Glücksspieles oder einer Glücksbude, wo die Gewinste von der Bewegung eines herum gedreheten eisernen Zirkels abhingen, dessen Bewegung aber der Eigenthümer vermittelst eines daran gestrichenen Magnetes regierete.


Glückwunsch (W3) [Adelung]


Der Glückwunsch, des -es, plur. die -wünsche, ein jeder Wunsch, vermittelst dessen man jemanden Glück wünschet. In engerer Bedeutung, ein solcher Wunsch, so fern er bey einer feyerlichen angenehmen Gelegenheit abgeleget wird; eine Gratulation. Einem seinen Glückwunsch abstatten, ihm gatulieren.


Glühe (W3) [Adelung]


Die Glühe, plur. car. ein nur bey verschiedenen Eisenarbeitern übliches Wort, der Zustand, da das Eisen glühet.


Glühen (W3) [Adelung]


Glühen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es eigentlich leuchten, bedeutet, aber nur noch in engerer Bedeutung von solchen von dem Feuer durchdrungenen Körpern gebraucht wird, welche eine starke Hitze und Licht von sich geben, ohne in eine Flamme auszubrechen; oder wo das Feuer auf der Oberfläche der Körper sichtbar wird, ohne in eine Flamme auszubrechen. 1. Eigentlich. Die Kohlen glühen noch unter der Asche. Glühende Kohlen. Das Eisen glühet. Glühend seyn, glühend machen, glühend werden. Messing, das im Ofen glühet, Offenb. 1, 15. Ein glühender Ofen, der voller Gluth ist, Dan. 3, 6. Das Gold glühet in dem Tiegel. Bey verschiedenen Metallen, z. B. dem Eisen, dem Golde, Silber, Kupfer. Messing, ist es der höchste Grad der Hitze der vor dem Schmelzen vorher gehet. Das Eisen glühet roth, und wenn man die Hitze verstärket, weiß. 2. Figürlich. 1) Heiß oder warm seyn; in welcher Bedeutung man es nur in der R. A. glühender Wein gebraucht, solchen Wein zu bezeichnen, welchen man heiß gemacht, und oft mit Gewürzen u. s. f. versetzt hat. 2) Die Augen glühen, wenn sie eine heftige Leidenschaft durch einen starken Glanz verrathen. 3) Besonders von der Höhe der rothen Farbe. Das glühende Abendroth, Geßn. Ein glühend Roth umfärbt seine Wangen, Haged. Auch von der Wärme verbundenen Farbe des Gesichtes. Ich merke, daß mein Gesicht glühete, vor Scham. Besonders in der höhern Schreibart, so fern diese warme Röthe ein Merkmal der Gesundheit, der blühenden Jugend, und angenehmer Empfindungen ist. Der jugentlichen Gesundheit Rosenfarbe glühete auf seinen Wangen, Geßn. Auf dessen Wangen eine ewige Jugend glühet. Und, ach, wie schwebte das glühende Mädchen im himmlischen Tanze daher! Weiße. 4) Einen hohen Grad lebhafter Begierden oder Leidenschaften empfinden. Wenn er mit glühendem Eifer die Qualen der Höle schildert. Alle glühen nach Ehre, Raml. II. Als ein Activum, glühend machen. Das Eisen glühen. Das Silber glühen, in den Münzen und bey den Silberarbeitern, es um desto besser bearbeiten zu können. Verschiedene Eisenarbeiter gebrauchen statt dieses Zeitwortes nur wärmen, so wie sie für glühend oft nur warm sagen.

Anm. In der ersten eigentlichen Bedeutung des Neutrius bey dem Notker cluon, in dem Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter glouen, im Nieders. gloien, glöggen, glaren, glören, im Holländ. gloeyen, im Angels. glowan, im Engl. to glow. Notker gebraucht es auch für brennen. In der allgemeinen Bedeutung für leuchten, scheinen, ingleichen für sehen, kommt es noch in dem Gedichte auf den heil. Anno vor, wo glien glänzen ist. Im Nieders. ist glau, im Angels. glew, heiter, helle, im Dän. gloe, gaffen, im Schwed glo aufmerksam sehen, und gloa, Isländ. glia, funkeln, glänzen. Siehe Glänzen, 1 Gleißen, Glimmen, Glotzen, Glau u. s. f. In einigen Ausgaben der deutschen Bibel stehet Dan. 10, 6 noch das veraltete glu, glun, für glühend.


Glühfarbe (W3) [Adelung]


Die Glühfarbe, plur. inus. die rothgelbe Feuerfarbe des glühenden Eisens.


Glühfeuer (W3) [Adelung]


Das Glühfeuer, des -s, plur. inus. glühendes Feuer, glühende Kohlen; zum Unterschiede des Flammenfeuers. Ingleichen, ein solcher Grad des Feuers, worin das Eisen glühend wird.


Glühofen (W3) [Adelung]


Der Glühofen, des -s, plur. die -öfen, ein Ofen in welchem die Kugeln bey Belagerungen geglühet werden. Der Glührost, der Rost, worauf dieses geschiehet.


Glühpfanne (W3) [Adelung]


Die Glühpfanne, plur. die -n, eine Pfanne, worin man in den Münzen das Silber glühet.


Glühsand (W3) [Adelung]


Der Glühsand, des -es, plur. car. in einigen Gegenden, z. B. in Thüringen, eine Benennung einer Art des Sandsteines, welcher in den Flötzgebirgen in einer beträchtlichen Tiefe gebrochen wird; weil er wegen des beygemischten Thones im Feuer dauert.


Glühtasse (W3) [Adelung]


Die "Glühtasse", plur. die -n, Diminut. Das Glühtäßchen, bey den Probirern, eine kleine Tasse von Gold oder Silber, das ausgelangte Goldkorn darin glühend, und vor dem Abwägen trocken zu machen.


Glühwachs (W3) [Adelung]


Das Glühwachs, des -es, plur. von mehreren Arten und Quantitäten, die -e, bey verschiedenen Metallarbeitern, eine Mischung von Wachs, Grünspan, Vitriol, Röthel und Borax, womit die vergoldeten Sachen bestrichen und abgeglühet werden, der Vergoldung dadurch eine hohe Farbe zu ertheilen.


Glumm (W3) [Adelung]


+ Glumm, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, für trübe. Du trübest das Wasser mit deinen Füßen, und machest seine Ströme glumm, Ezech. 32, 2. Im Ober- und Niederdeutschen ist es im gemeinen Leben noch jetzt üblich; Nieders. glum, Engl. gloomy. Im Oberd. ist der Glumm der Koth, limus, Schlamm, welches durch Vorsetzung des Zischlautes daraus gebildet worden, glümmen, Nieders. glummen, trübe machen. S. Lehm. Ein anderes Wort ist das Meklenburgische Glumm, ein unter der Asche glimmendes Feuer zu bezeichnen, welches zu glimmen gehöret.


Glupen (W3) [Adelung]


* Glupen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur in den niedrigen Sprecharten, besonders Niedersachsens, üblich ist, mit einer finstern bösartigen Miene von unten auf, oder auch von der Seite, ansehen, wie es tückische Leute, oder auch die, welche ein böses Gewissen haben, zu thun pflegen. Daher heißt eben daselbst glupisch oder glupsk tückisch, Griech. $.


Gluth (W3) [Adelung]


Die Gluth, plur. die -en, ein heftiges Feuer, besonders so fern es mit einer Menge glühender Kohlen verbunden ist; zum Unterschiede von einer bloßen Flamme. 1) Eigentlich. Die Gluth ergriff das nächst daran stehende Haus. Die Arbeiter in der Glashütte müssen vor der stärksten Gluth arbeiten. Durch Gluthen, die er ringsum angelegt, Schleg. Im Oberdeutschen wird es auch häufig für glühende Kohlen gebraucht, welche schon im Tatian gluoti heißen in welcher Bedeutung es auch in der Deutschen Bibel nicht selten ist. Und soll einen Napf voll Gluth vom Altar nehmen, 3 Mos. 16, 12. Es wird nicht eine Gluth seyn, dabey man sich wärme, Es. 47, 14. Lege den Topf leer auf die Gluth, auf daß er heiß werde, Ezech. 24, 11. Daher in eben dieser Mundart eine Kohlenpfanne nur eine Gluthpfanne, eine Kohlenschaufel nur eine Gluthschaufel u. s. f. genannt wird. 2) Figürlich, diejenigen heftigen Leidenschaften, Empfindungen und Begierden, welche sonst auch ein Feuer genannt werden, in der poetischen Schreibart. Dann ergreift die heilige Gluth den Busen des Dichters, Zachar. Verliere deinen Werth, So wird sich meine Gluth den Augenblick verlieren, Gell.

Anm. In Oberschwaben Gluat, im Nieders. Gloot, bey dem Notker Cluot, und bey dem Stryker Gluete. Im Schwed. ist Glöd, im Dän. Glod, Gloe, im Angels. Gled, im Wallis. Glo, gleichfalls eine Kohle. S. Glühen.


Glühbaum (W3) [Adelung]


Der Glühbaum, des -es, plur. die -bäume, im Forstwesen, ein hohler Baum, welcher den Aschenbrennern zum Ausbrennen angewiesen wird. Auch diejenigen Bäume, welche zum Verbrennen in die Glashütte geliefert werden.


Gluthpfanne (W3) [Adelung]


Die Gluthpfanne, plur. die -n, S. Gluth. 1.


Gnaden (W3) [Adelung]


+ Gnaden, verb. reg. act. Gnade erweisen, gnädig erhalten, mit der dritten und vierten Endung der Person. Kinadeuns, Kero, erbarme dich unser. Ginado min, Ottfr. Du aber Herr genade mir Von wegen deines Nahmens Zier, Opitz. Im Hochdeutschen ist es völlig veraltet, wo es nur noch im gemeinen Leben in den R. A. gehöret wird, gnad uns Gott! Gott erbarme sich unser! Den Gott gnade, dem Gott gnade, dem Gott gnädig seyn wolle, wenn man von einem Verstorbenen spricht. Für günstig seyn, kommt es bey den Schwäbischen Dichtern häufig vor. S. Begnadigen.


Gnadenbelohnung (W3) [Adelung]


Die Gnadenbelohnung, plur. die -en, die unverdiente Belohnung eines rechtmäßigen Verhaltens. Besonders in der Theologie, 1) die unverdiente göttliche Belohnung des rechtmäßigen Verhaltens der Christen; ohne Plural. 2) Dasjenige, womit dieses Verhalten aus Gnade belohnet wird, der Gnadenlohn. S. dieses Wort.


Gnadenberuf (W3) [Adelung]


Der Gnadenberuf, des -es, plur. inus. in der Theologie, die Einladung oder Bearbeitung der Menschen zur Bekehrung; die Gnadenberufung, der Gnadenruf, oder nur schlechthin die Berufung der Beruf.


Gnadenbezeigung (W3) [Adelung]


Die Gnadenbezeigung, plur. die -en, die Bezeigung der Gnade, d. i. der unverdienten Neigung gegen einen Geringern Viele Gnadenbezeigungen von dem Landesherren erhalten haben.


Gnadenbier (W3) [Adelung]


Das Gnadenbier, des -es, plur. von mehrern Quantitäten, die -e, in einigen Gegenden, dasjenige Bier, welches von den gewöhnlichen Abgaben an die Obrigkeit befreyet ist.


Gnadenbild (W3) [Adelung]


Das Gnadenbild, des -es, plur. die -er, in der Römischen Kirche, ein wunderthätiges Bild.


Gnadenbrief (W3) [Adelung]


Der Gnadenbrief, des -es, plur. die -e, eine Urkunde, worin ein Höherer einem Geringern eine Gnade erweiset, ein Privilegium u. s. f.


Gnadenbrot (W3) [Adelung]


Das Gnadenbrot, des -es, plur. car. im gemeinen Leben, der Unterhalt, welchen man jemanden aus Gnade, das ist, aus Barmherzigkeit ertheilet. Das Gnadenbrot bey jemanden essen.


Gnadenbrunnen (W3) [Adelung]


Der Gnadenbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing., im gemeinem Leben einiger katholischen Gegenden, eine jede mineralische Quelle, ja oft auch eine Salzquelle, weil man sie als eine vorzügliche göttliche Gnade ansiehet.


Gnadenbund (W3) [Adelung]


Der Gnadenbund, des -es, plur. inus. in der Theologie, der Bundesvertrag Gottes mit den Menschen in Ansehung ihrer Seligkeit. Der Gnadenbund Gottes mit den Juden, welcher auch der Werkbund heißt, weil er mehr an die Verdienstlichkeit äußerer Werke gebunden war, im Gegensatze des Gnadenbundes im neuen Testamente.


Gnadengabe (W3) [Adelung]


Die Gnadengabe, plur. die -n, in der Theologie, jede von Gott gewirkte rechtmäßige Veränderung in den Menschen, so fern sie als ein unverdientes Geschenk betrachtet wird.


Gnadengehalt (W3) [Adelung]


Der Gnadengehalt, des -es, plur. die -e, ein Gehalt, welchen ein Höherer einem Geringern aus Gnade, d. i. aus unverdienter Neigung ertheilet, besonders so fern er verdienten, aber zum fernern Dienste untüchtigen Personen bewilliget wird; das Gnadengeld.


Gnadengeld (W3) [Adelung]


Das Gnadengeld, des -es, plur. von mehreren Summen oder Quantitäten, die -er S. das vorige.


Gnadengroschen (W3) [Adelung]


Der Gnadengroschen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Schaumünze, welche ein Höherer einem Geringern als ein Zeichen seiner Gnade schenket; ein Gnadenpfenning. 2) im Bergbaue einiger Gegenden, ein gewisses Geld, welches von dem gemachten Silber in Zehenten als eine Beysteuer an arme Zechen gegeben wird, und von der Mark 1/3 Thlr. bis 1 Thlr. beträgt; S. Gnadensteuer.


Gnadengut (W3) [Adelung]


Das Gnadengut, des -es, plur. die -güter. 1) In der Theologie, jedes Gut, welches ein Gläubiger von Gott erlangt; der Gnadenschag. 2) In dem Salzwerke zu Halle werden diejenigen Thalgüter, welche den landesfürstlichen Dienern verschrieben worden, Gnadengüter genannt.


Gnadenjagd (W3) [Adelung]


Die Gnadenjagd, plur. die -en, die Jagd, welche einem Geringern von dem Forstherren ohne Entgeld auf gewisse Zeit verstattet wird; das Gnadenjagen.


Gnadenjahr (W3) [Adelung]


Das Gnadenjahr, des -es, plur. die -e, ein Jahr, in welchem ein Geringerer eine gewisse unverdiente Gnade von einem Höhern zu genießen hat. Ein solches Gnadenjahr ist, wenn der Witwe oder den Kindern die Besoldung eines verstorbenen Bedienten noch auf ein ganzes Jahr gelassen wird, ein halbes Gnadenjahr, wenn sie solche nur ein halbes Jahr genießen; an einigen Orten ein Nachjahr, Nieders. Najaar. In einigen Domstiftern, z. B. zu Trier und Cöln, ist es das Jahr nach dem Absterben eines Domherren, in welchem dessen Einkünfte entweder unter die übrigen Domherren vertheilet, oder zum gemeinschaftlichen Nutzen angewendet werden; Annus Gratiae. Auch pflegt man den Unterthanen wegen erlittener Landplagen, ingleichen neuen Anbauern, gewisse Frey- oder Gnadenjahre zu verstatten, worin sie von allen oder doch gewissen Abgaben frey sind.


Gnadenkette (W3) [Adelung]


Die Gnadenkette, plur. die -n, eine goldene Kette, welche Fürsten zuweilen als ein Zeichen ihrer Gnade an verdiente Personen verschenken.


Gnadenkraft (W3) [Adelung]


Die Gnadenkraft, plur. die -kräfte, in der Theologie, die dem Menschen zur Erlangung und Behauptung der rechtmäßigen Fertigkeit von Gott ertheilten Kräfte.


Gnadenkraut (W3) [Adelung]


Das Gnadenkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche in den feuchten Gegenden des mittägigen Europa wächset, und ein sehr heftiges Brech- und Purgiermittel ist; Gratiola L.


Gnadenlehen (W3) [Adelung]


Das Gnadenlehen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Lehen, welches einem Geringern aus Gnade von dem Lehensherren ertheilet wird; besonders wenn es in einer Anwartschaft auf ein Lehen bestehet. 2) An einigen Orten werden auch die Gnadengehalte, welche aus der landesfürstlichen Kammer ertheilet werden, mit diesem Nahmen beleget.


Gnadenlohn (W3) [Adelung]


Der Gnadenlohn, des -es, plur. inus. ein unverdienter Lohn; besonders in der Theologie, das Gute, welches Gott dem Menschen wegen seines rechtmäßigen Verhaltens, wozu er schon vorher verpflichtet war, ertheilet.


Gnadenmeister (W3) [Adelung]


Der Gnadenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Handwerkern, ein Meister, welchen das Handwerk aus Gnade aufgenommen hat.


Gnadenmittel (W3) [Adelung]


Das Gnadenmittel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Theologie, eine jede Sache, welche Gott als ein Mittel zur Anrichtung und Erhaltung des Gegenstandes verordnet hat; das Heilsmittel.


Gnadenordnung (W3) [Adelung]


Die Gnadenordnung, plur. inus. diejenige Ordnung, an welche Gott diese Ertheilung des Gnadenstandes und der künftigen Wohlfahrt gebunden hat; Heilsordnung.


Gnadenort (W3) [Adelung]


Der Gnadenort, des -es, plur. die -örter, in der Römischen Kirche, ein Ort, an welchem sich ein Gnadenbild befindet.


Gnadenpfennig (W3) [Adelung]


Der Gnadenpfennig, des -es, plur. die -e, S. Gnadengroschen 1.


Gnadenreich (W3) [Adelung]


Das Gnadenreich, des -es, plur. inus. in der Theologie, die ganze Gesellschaft der mit Gott und Christo verbundenen Menschen auf Erden, das Reich der Gnade, in der deutschen Bibel das Himmelreich; im Gegensatze so wohl des Naturreiches, als des Reiches der künftigen Herrlichkeit.


Gnadenreich (W3) [Adelung]


Gnadenreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Gnade, besonders in theologischen Reden und Schriften.


Gnadensache (W3) [Adelung]


Die Gnadensache, plur. die -n, eine Sache, welche bloß die Gnade der Landesherren betrifft, und nur von derselben erwartet werden kann, z. B. Gnadengelder, Befreyung von Abgaben u. s. f. zu welchen in manchen Ländern ein eigenes Collegium angeordnet ist.


Gnadenstand (W3) [Adelung]


Der Gnadenstand, des -es, plur. car. in der Theologie, der Zustand der wieder hergestellten göttlichen Gnade, derjenige Zustand eines Menschen, da er der göttlichen Gnade mit Gewißheit versichert seyn kann. Aus dem Gnadenstande fallen, diesen Zustand verlieren.


Gnadensteuer (W3) [Adelung]


Die Gnadensteuer, plur. die -n, eine Beysteuer, welche von dem Landesherren aus bloßer Gnade bewilliget wird. Besonders im Bergbaue, diejenige Beysteuer, welche armen Zechen aus der Zehent-Casse gereichet wird, und wozu die Gnadengroschen angewendet werden, S. dieses Wort.


Gnadenstoß (W3) [Adelung]


Der Gnadenstoß, des -es, plur. die -stöße, derjenige Stoß auf das Herz oder Genick, welcher einem zum Rade verurtheilten Missethäter von dem Henker aus obrigkeitlicher Gnade gegeben wird, um seiner Qual dadurch desto eher ein Ende zu machen. Auch das Säckchen mit Schießpulver, welches lebendig zum Scheiterhaufen verurtheilten Verbrechern an den Nacken gehänget wird, pflegt aus eben dieser Ursache mit diesem Nahmen beleget zu werden.


Gnadenstuhl (W3) [Adelung]


Der Gnadenstuhl, des -es, plur. inus. ein Nahme, welchen in der Deutschen Bibel und bey dem Gottesdienste der ehemahligen Juden der Deckel über der Bundeslade führet, weil er der Sitz des sichtbaren Zeichens der Herrlichkeit Gottes war, von welchem dem Jüdischen Volke die göttliche Gnade ertheilet wurde; der Versöhnungdeckel, Griech. $. In den Deutschen Bibeln des 15. Jahrh. wird er Sydel, Bettstatt, Betttafel genannt. Figürlich wird dieser Ausdruck im N. T. mehrmahls von Christo gebraucht.


Gnadenverheißung (W3) [Adelung]


Die Gnadenverheißung, plur. die -en, in der Theologie, eine jede göttliche Verheißung, so fern sie aus unverdienter Gnade herrühret.


Gnadenwahl (W3) [Adelung]


Die Gnadenwahl, plur. inus. in der Lutherischen Kirche, die göttliche Wahl oder Bestimmung einzelner Menschen zur Selig- keit, nach deren vorher gesehenen rechtmäßigen Verhalten; die Vorherbestimmung, mit einem Latein. Ausdrucke die Prädestination. in der reformierten Kirche ist die Prädestination mit Auslassung der Einschränkung, die unbedingte göttliche Bestimmung der Menschen zur Verdammniß und Seligkeit.


Gnadenwapen (W3) [Adelung]


Das Gnadenwapen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wapen, welches einem Geringern als ein Zeichen der Gnade von einem Höhern ertheilet wird.


Gnadenwerk (W3) [Adelung]


Das Gnadenwerk, des -es, plur. die -e, in der Theologie, jedes Werk Gottes, welches zunächst auf die rechtmäßige Beschaffenheit des Menschen abzielet. Dergleichen Gnadenwerke sind die Erlösung, der Gnadenberuf, die Heiligung u. s. f. Im Gegensatze der Naturwerke.


Gnadenwirkung (W3) [Adelung]


Die Gnadenwirkung, plur. die -en, eben daselbst, jede Wirkung Gottes in dem Menschen, welche zur Wiederherstellung der rechtmäßigen Beschaffenheit desselben gehöret, eine jede Veränderung, welche durch geoffenbarte Wahrheiten in dem Gemüthe vorgehet.


Gnadenzeichen (W3) [Adelung]


Das Gnadenzeichen, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes feyerliches sichtbares Zeichen der Gnade eines Höhern gegen einen Geringern, dergleichen Gnadenketten, Gnadengroschen u. s. f. sind.


Gnadenzeit (W3) [Adelung]


Die Gnadenzeit, plur. inus. diejenige Zeit, welche dem Menschen zur Wiedererlangung der verlorenen göttlichen Gnade bestimmt ist, welches die Zeit seines Aufenthaltes in der gegenwärtigen sichtbaren Welt ist; Die Gnadenfrist.


Gnädig (W3) [Adelung]


Gnädig, -er, -ste, adj. et adv. Gnade hegend, in der Gnade gegründet, in einigen Bedeutungen des Hauptwortes. 1) Für geneigt, gewogen; in welcher Bedeutung es nur noch hin und wieder im Oberdeutschen üblich ist. 2) Am häufigsten von der Neigung eines Höhern gegen einen Geringern, und in dieser Neigung gegründet. Einem gnädig seyn. Sich sehr gnädig gegen jemanden erweisen. Einen gnädigen Herren haben. Gott sey uns gnädig! Der gnädige Gott. Der gnädige Einfluß Gottes. Wo es zugleich als ein Ehrenmittel in den schon bey dem Worte Gnade angezeigten Fällen gebraucht wird. Gnädiger Herr, Gnädige Frau, werden vornehme Adelige nicht nur von ihren Unterthanen und Bedienten, sondern auch von andern bürgerlichen Personen, Gnädigster Herr, Gnädigste Frau, fürstliche und churfürstliche Personen, Allergnädigste aber kaiserliche und königliche Personen werden genannt. 3) Besonders, so fern sich diese Neigung in Erlassung oder Milderung der verdienten Strafe äußert. Um gnädige Strafe bitten, d. i. um gelinde Strafe, um Nachlaß, Milderung der Strafe. Ein gnädiges Urtheil. Wo es im gemeinen Leben oft figürlich für gelinde, sanft, überhaupt gebraucht wird. Er ist noch ganz gnädig davon gekommen, mit geringem Verluste, mit geringen Schmerzen u. s. f. Machen sie es gnädig. Ein gnädiger Regen, ein gelinder, sanfter Regen.

Anm. Bey dem Ottfried ginadig, ehedem auch nur genade, gnade, im Oberdeutschen gnadselig. Das alte Oberdeutsche Nebenwort gnädiglich, bey dem Ottfried ginadlicho, bey dem Winsbeck genedeklich, welches noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, ist im Hochdeutschen veraltet.


Gnatze (W3) [Adelung]


+ Die Gnatze, oder Gnätze, plur. inus. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, die Krätze, und in weiterer Bedeutung einen jeden der Krätze ähnlichen nassen Ausschlag zu bezeichnen. Das Gesetz von der Gnätze, e Mos. 14, 56. Im Nieders. ist Gnatz der Grind, die Krätze, gnatzig, krötzig, grindig. Entweder von Naß, netzen, weil dieser Ausschlag mit salzigen Feuchtigkeiten verbunden ist, oder wahrscheinlicher von dem Nieders. gnieden, reiben, Griech. $, so wie Krätze von kratzen abstammet. S. Gneiß und Gneiden.


Gneiß (W3) [Adelung]


1. + Der Gneiß, des -es, plur. inus. ein nur im Oberdeutschen für Krätze und Grind übliches Wort, welches mit Gnatze einerley Bedeutung und Ursprung hat, und auch Gnisch, Gnasch, Kneist, Geneis lautet, wo es in weiterer Bedeutung oft alles bezeichnet, was durch Reiben, Schaben u. s. f. von einer Sache abgehet. Sägegenist, Sägespäne. Gleichfalls von dem Nieders. gnieden und Oberd. gneißen, reiben, schaben. Im Angels. ist cnysan, cnyssan, zerstoßen, bey den Pergamentmachern kneußen schaben, und im Oberd, neisen wühlen.


Gneiß (W3) [Adelung]


2. Der Gneiß, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, eine Benennung einer schieferigen, sehr vermischten und überaus harten Steinart, welche von allen Farben angetroffen wird, mit Schlägel und Eisen fast nicht zu gewinnen ist, das Erz im Schmelzen sehr raubet, und sich schwer von demselben scheiden lässet. In den Freybergischen Bergwerken ist es eine Schieferart, welche aus Quarzkörnern, Glimmer und Steinmark bestehet. Der rothe Gneiß, der in Ungarn Zinnopel heißt, eisenhalzig, so wie der braune und rothbraune. Die Bergleute sprechen dieses Wort auch Neiß und Kneiß aus. Bey den Jägern einiger Gegenden wird das kleine, schieferige, graue und weiße Gestein, von welchem der Boden aussiehet als wenn er gepflas=tert wäre, Steinknatz genannt, S. Knauer.


Gneiße (W3) [Adelung]


+ Die Gneiße, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des kleinen Schierlinges, der sonst auch Gleiße genannt wird; vermuthlich aus einer sonst nicht ungewöhnlichen Verwechselung des l und n. S. Gleiße. Aus eben der Ursache bedeutet Gneist, Gnist, im Oberdeutschen Loderasche, glühende Funken, von gleißen, glänzen.


Gneißicht (W3) [Adelung]


Gneißicht, adj. et adv. dem Gneiße ähnlich, im Bergbaue; Gneißig, Gneiß enthaltend, S. 1 Gneiß.


Gnieden (W3) [Adelung]


+ Gnieden, verb. reg. act. welches nur im Nieders. üblich ist, mit einem glatten Körper reiben, um etwas dadurch zu glätten. Daher der Gniedstein, der Glättstein. S. Glätten und 1 Gneiß


Gnom (W3) [Adelung]


Der Gnom, des -es, plur. die -en, ein Griechisches Wort, mit welchem die ehemaligen Kabbalisten gewisse Erdgeisterchen bezeichneten, welche von dem Abte von Villars und dem Pope in die Dichtkunst der Neuern wieder eingeführet worden; zum Unterschiede von den Sylphen oder Luftgeisterchen, den Nymphen oder Wassergeisterchen, und Salamandern oder Feuergeisterchen.


Gnomonik (W3) [Adelung]


Die Gnomonik, plur. inus. aus dem Griech. und Lat. Gnomonica, die Kunst, Sonnenuhren zu verfertigen; die Sonnenuhrkunst.


Gnug (W3) [Adelung]


Gnug, Gnüge, Gnügen, S. Genug u. s. f.


Gnurren (W3) [Adelung]


Gnurren, S. Knurren


Gödeleisen (W3) [Adelung]


Das Gödeleisen, des -s, plur. von mehreren Arten und Quantitäten, ut nom. sing. 1) Eine Art Eisen, welche auf den hohen Öfen gemacht wird, indem der Siuter oder die Schlacken gestampfet werden, da denn das Leichte im Wasser mit weggehet, das Gute und Schwere aber zurückbleibet. Es wird auch Wascheisen, ingleichen gewaschenes Eisen genannt. Vielleicht von gut, Nieders. god. 2) Eine Art des geschmiedeten und gezeichneten Eisens; zum Unterschiede von dem Kroneisen, Siegeleisen, Harzereisen, Saaleisen u. s. f.


Goding (W3) [Adelung]


Das Goding, der Gograf, S. in Gauding u. s. f.


Gögler (W3) [Adelung]


Der Gögler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Buchfink.


Gökelhahn (W3) [Adelung]


Der Gökelhahn, des -es, plur. die -hähne, im gemeinen Leben, der Nahme des Hühnerhahnes, zum Unterschiede von den Hähnen anderer Vögel; von dem Laute, welchen er von sich gibt, daher er an andern Orten auch Kückelhahn, Göker, Güker, Göggel, u. s. f. genannt wird, wohin auch das Franz. Coq und das Lat. Gallus gehören. S. Gackern und Gaksen.


Gohre (W3) [Adelung]


Die Gohre, S. Gahre.


Göhre (W3) [Adelung]


Die Göhre, S. Gahre, ingleichen Gehre.


Göhren (W3) [Adelung]


Göhren, die Göhrung, S. Gehren, Gehrung.


Golander (W3) [Adelung]


Der Golander, des -s, plur. ut nom. sing. S. Eisvogel.


Gold (W3) [Adelung]


Das Gold, des -es, plur. inus. das reinste, schwerste, kostbarste und feuerbeständigste Metall, welches gelb von Farbe ist, und von Alters her zum Maßstabe des Werthes der Dinge angenommen worden. Gediegenes, oder gewaschenes Gold, im Gegensatze des vererzten. Gemünztes, ungemünztes Gold. In Gold arbeiten, allerley Geräth aus Gold verfertigen. In Gold einfassen. Mit Gold überziehen. Gesponnenes Gold, Faden, welche mit einem zarten geplätteten und vergoldeten Drahte umsponnen sind. Geschlagenes Gold, zu zarten Blättern geschlagenes Gold. Bruniertes Gold, dasjenige Gold, welches über eine glatte Fläche gestrichen und mit dem Brunirstahle poliret wird. Mattes Gold, welches unter dem brunirten geleget wird. Mosaisches Gold, das über Stuckaturarbeit in Blättern aufgetragene Gold, welches an gewissen Stellen mit Braun schattieret wird. Gold machen, andere Metalle oder Mineralien in Gold zu verwandeln suchen. Es ist nicht alles Gold was gleißet. S. 1 Gleißen. Gold waschen, die in dem Flußsande befindlichen Goldkörner sammeln, S. Goldwäsche. Figürlich auch gemünztes Gold. Hundert Thaler in Gold, gemeiniglich in Golde. Eine Summe in Golde bezahlen, besser in Gold. In Schleswig hält eine Hufe Landes sechs Mark Goldes, vermuthlich, weil sie ehedem so viel galt. Sie ist eine Frau, die nicht mit Golde (mit Gold) zu bezahlen ist. Ingleichen goldene Gefäße. Du sollst bey mir wohnen und aus Gold trinken, Geßn. Wie auch die glänzende Goldfarbe in der höhern Schreibart. Des Würmchens Flügel sind grünliches Gold, Geßn. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch von dem Goldglanze der untergehenden Sonne. Die Sonne geht zu Golde, Tschudi, geht unter.

Anm. Bey dem Kero Cold, bey dem Ottfried Gold, bey dem Willeram Guold, im Holländ. Gout, im Angels. und Engl. Gold, im Dän. Guld, im Schwed Gull, beydem Ulphilas Gulths, bey den Krimmischen Tartarn Goltz, im Pohln. Zloto. Entweder von gelb, Nieders. geel, Pohlnisch zloty, oder auch mit Geld von gelten, weil man schon von den ältesten Zeiten den Werth der Dinge darnach bestimmt und diese damit gegolten, d. i. bezahlet hat. So ungebräuchlich der Plural dieses Wortes im gemeinen Leben ist er in den Bergwerken, wo man von mehrern Arten und Quantitäten des Goldes oder der Golderze die Golde, die Gölder oder Golder sagt. Ja in dem Reichsabschiede unter dem Kaiser Maximilian von 1476 werden die Goldbergwerke im Plural gleichfalls Golder genannt. S. auch Gulden und Gülden.


Goldader (W3) [Adelung]


Die Goldader, plur. die -n, im Bergbaue, eine Ader, d. i. ein Gang, welcher Gold oder Golderz enthält.


Goldadler (W3) [Adelung]


Der Goldadler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme des größten Adlers, welcher auch der Steinadler genannt wird; wegen seiner goldgelben Farbe. Aquila Chrysaetos oder aurea Klein.


Goldammer (W3) [Adelung]


Die Goldammer, plur. die -n, eine Art Ammern, mit einer goldgelben Brust, welche sich im Winter häufig um die Scheuern aufhält; Emberiza Citrunella L. Emberiza flava Klein. Im gemeinen Leben Gelbling, Gilbling, Grünsink, in der Mark Brandenburg wegen ihrer grüngelben Farbe Grünschling, Grinsling, im Henneberg. Goldmar, im Mecklemburg. Gröning. S. Ammer.


Goldapfel (W3) [Adelung]


Der Goldapfel, des -s, plur. die -äpfel. 1) Eine Art goldfarbener Apfel; die Gold-Renette, Engl. und Franz. Pepin. 2) Eine Art Nachtschattens, welche ursprünglich in dem wärmern Amerika wächset, und deren Frucht, welche den Apfeln gleichet, in Italien wie die Gurken gegessen wird; Liebesapfel, Solanum Lycopersicum L.


Goldarbeiter (W3) [Adelung]


Der Goldarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein jeder, dessen vornehmste Beschäftigung in Verarbeitung oder Bearbeitung des Goldes bestehet, dahin denn auch die Goldspinner, Goldplätter, Weber reicher Zeuge u. s. f. gehören. Besonders 2) ein Künstler, welcher allerley Geräth und Geschmuck aus Gold, vermittelst des Hammers und Feuers verfertiget; im gemeinen Leben ein Goldschmid.


Goldauge (W3) [Adelung]


Das Goldauge, des -s, plur. die -n, eine Art wilder Änten mit einem purpurrothen Kopfe, bunten Flügeln und Rücken, und goldgelben Augen; Baumänte, Anas clangula Klein. L.


Goldbad (W3) [Adelung]


Das Goldbad, des -es, plur. inus. in der Chymie bey der Reinigung des Goldes, das gegossene Spießglas, wodurch diese Reinigung geschiehet.


Goldbaum (W3) [Adelung]


Der Goldbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, ein Äthiopischer Baum; Leucadendron Concarpodendrum L.


Goldbergwerk (W3) [Adelung]


Das Goldbergwerk, des -es, plur. die -e, ein Bergwerk, in welchem auf Gold gebauet wird; im gemeinen Leben eine Goldgrube.


Gold-Beryll (W3) [Adelung]


Der Gold-Beryll, des -es, plur. die -e, ein Beryll, in dessen meergrünen Farbe etwas gelbes eingemischet ist, und der von einigen zu den Chrysolithen gerechnet wird; Chrysoberyllus.


Goldblatt (W3) [Adelung]


Das Goldblatt, des -es, plur. die -blätter, Diminut. das Goldblättchen, Oberd. Goldblättlein, das zu einem Blatte, oder dünnen Blättchen geschlagene Gold; im gemeinen Leben Goldschaum. S. Goldschläger und Blattgold.


Goldblech (W3) [Adelung]


Das Goldblech, des -es, plur. die -e, Diminut. das Goldblechlein, das zu einem Bleche oder Blechlein geschlagene Gold.


Goldblume (W3) [Adelung]


Die Goldblume, plur. die -n, eine Benennung verschiedener Pflanzen, deren Blumen eine goldgelbe Farbe haben. Besonders der Wucherblume, Chrysanthemum segetum L. der Ringelblume, Calendula L. der Dotterblume, Caltha L. u. a. m.


Golddistel (W3) [Adelung]


Die Golddistel, plur. die -n, eine Pflanze, welche in den wärmern Ländern Europens wächset; Scolymus L.


Golddraht (W3) [Adelung]


Der Golddraht, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, Draht der aus Gold, zuweilen auch nur aus vergoldetem Silber gezogen ist.


Goldeiche (W3) [Adelung]


Die Goldeiche, plur. die -n, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Art des Silberbaumes, welche am Vorgebirge der guten Hoffnung wächset, deren Blätter den Weidenblätter gleichen, und wie Gold glänzen, wenn die Sonne ihre Strahlen darauf wirft; Proea Conifera L.


Golden (W3) [Adelung]


Golden, adj. et adv. von Gold, aus Gold verfertiget. 1. Eigentlich. Goldene Gefäße, goldene Ketten u. s. f. Einem goldene Berge versprechen, ausschweifende Dinge. 2. Figürlich. 1) Vergoldet, so wohl im gemeinen Leben als auch in der höhern Schreibart. Da wo sein goldner Wagen durch gedrängte Reihen entzückter Augen rollt, Raml. 2) Dem Golde an Farbe gleich, goldgelb. Jetzt drückt sie das Geflecht der goldnen Haare zurechte, Geßn. In goldnen Locken wallte sein Haar, ebend. 3) Ein Ding, an welchem ein Theil von Gold ist, in verschiedenen einzelnen Fällen. Die goldne Bulle, das goldene Siegel an manchen Urkunden, und eine mit einem goldenen Siegel versehene Urkunde selbst. S. Bulle. Eine goldene Uhr, an welcher das Gehäuse von Gold ist. In goldenem Stäcke gekleidet, in einem reich mit Gold durchwirkten Zeuge. S. Goldstoff. 4) Im hohen Grade vortrefflich, schätzbar. Die Zeit ist golden, ist dem Golde an Werthe gleich zu schätzen. Wirst legen deine Zeit, Die Zeit die gülden ist, an güldne Tapferkeit, Opitz. Die goldene Zeit, dasjenige erste Weltalter, ehe noch der Luxus, und dessen Gefolge, die Laster, den Menschen bekannt waren; im Gegensatze der ehernen und eisernen. Da noch kein Gold nicht war, da war die güldne Zeit, Opitz. Die goldene Aue, eine sehr fruchtbare Gegend in Nordthüringen an der Unstrut. Die goldene Regel, in der Rechenkunst, die Regel de Tri, wegen ihres großen Nutzens. Die goldene Zahl, in der Zeitrechnung, diejenige Zahl, welche anzeiget, das wie vielte ein gegebenes Jahr in dem Mondzirkel sey; wegen ihres großen Nutzens in der Berechnung des Osterfestes. Die goldene Ader, der Ausfluß des Geblütes um den Ausgang des Mastdarmes, Haemorrhois, und die in der Gegend des Mastdarmes befindlichen Äste der Pulsader, durch welche das Geblüt senen Ausfluß nimmt, Arterie haemorrhoidalis; gleichfalls wegen des großen Nutzens, welchen viele Ärzte diesem Blutflusse zuschreiben. Die blinde goldene Ader, wenn das Geblüt keinen Ausgang bekommt, sondern sich am Ausgange des Mastdarmes kleine Hügelchen setzen; Haemorrhoides coecae, im Gegensatze der fließenden, verae. Er ist noch golden gegen ihn, im gemeinen Leben, ungleich besser als er. Goldner Mann, goldnes Kind, in de vertraulichen Sprechart der Meißner, eine Art der Schmeicheley, S. Goldkind. 5) Prächtig, in der dichterischen Schreibart. Die phantasierenden Sinnen Schweiften in goldnen Träumen umher, Zachar.

Anm. Bey dem Notker und Willeram guldin, im gemeinen Leben der Oberdeutschen gülden, welche unangenehme Form sich nicht nur in Luthers Bibel, sondern selbst in vielen witzigen Schriften der Neuern erhalten hat. S. Gulden, Gülden und Güldisch. Ungeachtet diejenigen Beywörter, welche eine Materie andeuten, eigentlich keiner Comparation fähig sind, so leiden sie doch solche in einigen figürlichen Bedeutungen. So auch golden. Doch damals waren auch die güldensten (goldensten) der Zeiten, Utz.


Golderz (W3) [Adelung]


Das Golderz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, Erz, welches einen beträchtlichen Theil Gold enthält, goldhaltiges Erz.


Gold-Fabrik (W3) [Adelung]


Die Gold-Fabrik, plur. die -en, eine Fabrik, in welcher aus Goldfäden Tressen, reiche Zeuge, Stickereyen u. s. f. verfertiget werden, und welche, weil eben diese Arbeiten auch mit den Silberfäden Statt finden, am häufigsten eine Gold- und Silberfebrik genannt wird.


Goldfaden (W3) [Adelung]


Der Goldfaden, des -s, plur. die -fäden, ein mit zartem Goldlahne übersponnener Faden.


Goldfalb (W3) [Adelung]


Goldfalb, adj. et adv. der falben oder blaßgelben Farbe des reinen und natürlichen Goldes an Farbe gleich. Ein goldfalbes Pferd, oder eine Goldfalbe.


Goldfarbe (W3) [Adelung]


Die Goldfarbe, plur. inus. 1) Die Farbe, welche das Gold in seinem natürlichen Zustande hat, noch mehr aber die hochgelbe in das Rothe fallende Farbe, zu welcher dieselbe durch die Kunst erhöhet wird. Dem Leder oder Holze eine Goldfarbe geben. S. Goldgelb. 2) Bey den Mahlern auch dasjenige Gold, welches man in Blättchen über mehrere Lagen von Farben legt.


Goldfarben,Goldfarbig (W3) [Adelung]


Goldfarben, oder Goldfarbig, adj. und adv. der Farbe des Goldes gleich. S. Goldgelb.


Goldfinger (W3) [Adelung]


Der Goldfinger, des -s, plur. ut nom. sing. der vierte Finger der Hand, von dem Daumen an, weil man an demselben die Ringe zu tragen pflegt; Angels. Goldfynger. Bey dem Henisch heißt er auch der Arztfinger, vielleicht weil der Doctorring an demselben getragen wird.


Goldfink (W3) [Adelung]


Der Goldfink, des -en, plur. die -en, ein Nahme, welchen an einigen Orten der Dompfaff oder Gimpel führet, wegen seiner röthlich gelben Brust; Angels. Goldfinc, Dän. Goldfinke.


Goldfirniß (W3) [Adelung]


Der Goldfirniß, des -sses, plur. von mehreren Arten, die -sse, ein gelber Firniß, mit welchem man vergoldete Sachen, oder andere Dinge zu überziehen pfleget, ihnen eine Goldfarbe zu geben.


Goldfliege (W3) [Adelung]


Die Goldfliege, plur. die -n, ein Nahme, welchen man an einigen Orten dem Blattkäfer, Chrysomela L. gibt, wegen seiner hohen wie Gold glänzenden Farben, um derentwillen er an andern Orten Goldschmid genannt wird.


Goldflimmer (W3) [Adelung]


Die Goldflimmer, plur. die -n, die kleinen glänzenden Goldblätter, welche sich zuweilen in dem Sande der Flüsse und Bäche befinden, und daselbst gesammelt werden; Goldflinker, Goldflitter, Waschgold, in der gemeinen Sprache der Bergleute Goldflitschen, Flitschgold. S. Flimmer und Flitsche.


Goldflitter (W3) [Adelung]


Die Goldflitter, plur. die -n, Flittern von Gold, S. das vorige und Flitter.


Goldforelle (W3) [Adelung]


Die Goldforelle, Oberd. Goldfohre, plur. die -n, siehe Goldbrassen.


Goldfuchs (W3) [Adelung]


Der Goldfuchs, des -es, plur. die -füchse, ein goldfarbenes Pferd.


Goldfuß (W3) [Adelung]


Der Goldfuß, des -es, plur. die -füße, eine Art Falken, mit weißen Flecken auf dem erdfarbenen Rücken und goldfarbigen Füßen; Falco manibus aureis, rostro nigricante, Klein.


Goldgang (W3) [Adelung]


Der Goldgang, des -es, plur. die -gänge, ein Gang, auf welchem Golderze oder Goldkiese streichen, im Bergbaue.


Goldgehalt (W3) [Adelung]


Der Goldgehalt, des -es, plur. die -e, dasjenige, was ein anderer Körper an Gold in sich enthält.


Goldgelb (W3) [Adelung]


Goldgelb, adj. et adv. 1) ein hohes reines Gelb, welches mit der Farbe des Goldes in seinem natürlichen Zustande überein kommt, und auch citronengelb genannt wird, weil es der Farbe der Citronen gleicht, nur daß es einen metallischen Glanz hat. 2) Eine noch höhere gelbe Farbe, welche derjenigen Farbe des verarbeiteten Goldes gleicht, welche ihm die Goldarbeiter gemeiniglich durch die Kunst mitzutheilen pflegen.


Goldgeschiebe (W3) [Adelung]


Das Goldgeschiebe, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Geschiebe, in welchem Gold oder Golderz angetroffen wird; ingleichen gediegene Goldkörner, oder Stücken Golderz, welche in einem solchen Geschiebe ungetroffen werden.


Da (W3) [Adelung]


Da Goldgewicht, des -es, plur. die -e. 1) Diejenige Art des Gewichtes, nach welcher die Schwere des Goldes bestimmet wird; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Gold nach dem Goldgewichte, 1 Chron. 29, 14. 2) Als ein Conzertum - ein Körper von bestimmter Schwere, nach welchem das Gold gewogen wird.


Goldgeyer (W3) [Adelung]


Der Goldgeyer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Geyer mit goldgelben Halse, Brust und Füßen, welcher auch Moßweihe, Maßweihe, Maßweher genannt wird; Vultur aureus. Klein.


Goldglanz (W3) [Adelung]


Der Goldglanz, des -es, plur. inus. ein goldgelber, dem Golde ähnlicher Glanz.


Goldglätte (W3) [Adelung]


Die Goldglätte, plur. inus. 1) Die gelbe Glätte, welche wegen des starken Feuers eine goldgelbe Farbe erhalten hat; zum Unterschiede von der weißen Glätte, oder Silberglätte. 2) Eine Art des Golderzes in Tirol, zu Prat und Stilfes im Vinstgaue, welches röthlich von Farbe ist, auch Bley und Silber enthält aber am Goldgehalte arm ist. In welcher Bedeutung die letzte Hälfte wohl so viel als Glanz ist.


Goldgranat (W3) [Adelung]


Der Goldgranat, des -en, plur. die -en, eine Art dunkelrother Granaten, welche Gold enthalten sollen, aber eigentlich schwarze Eisensteinkörner sind, welche der Magnet ziehet, und nur zuweilen zufälliger Weise Gold enthalten. Man findet sie als Geschiebe so wohl in den Flüssen, als in der Dammerde.


Goldgräupchen (W3) [Adelung]


Das Goldgräupchen, des -s, plur. ut nom. sing. kleine Körner gediegenen Goldes oder Golderzes, welche als Geschiebe zuweilen in den Flüssen angetroffen werden; Goldkörner.


Goldgries (W3) [Adelung]


Der Goldgries, des -es, plur. von mehreren Arten, die -e, ein goldhaltiger Gries, d. i. grober Sand.


Goldgrube (W3) [Adelung]


Die Goldgrube, plur. die -n, im gemeinen Leben, ein Goldbergwerk. Auch figürlich, eine Quelle des Reichthumes und des Wohlstandes. Der Ackerbau ist die beste Goldgrube eines Landes.


Goldgrund (W3) [Adelung]


Der Goldgrund, des -es, plur. die -gründe. 1) Bey den Mahlern und Vergoldnern, diejenige Farbe, auf welche das Goldblättchen im Vergolden gelegt wird. Der Plural wird hier nur von mehrern Arten gebraucht. 2) Ein Grund oder Thal, in dessen Bächen Goldsand gefunden wird; dergleichen Goldgründe es am Rheinstrome gibt.


Goldgülden (W3) [Adelung]


Der Goldgülden, an einigen Orten auch Goldgulden, des -s, plur. ut nom. sing. eine Goldmünze, welche ehedem sehr häufig in verschiedenen Ländern gepräget wurde, in manchen auch noch jetzt theils in Natura; theils als eine Rechnungsmünze üblich ist. Heut zu Tage gilt ein Hannöverischer Goldgulden 2 Thlr. 3 Gr. ein gestämpelter Holländischer, welcher aber eine Silbermünze ist, 18 Gr. 3 Pf. ein neugestämpelter Holländischer, 16 Gr. 6 Pf. ein Goldgülden im Reiche, 2 Thlr. ein Rheinischer Goldgulden, 2 Thlr. 2 Gr. ein Rheinischer Gulden oder Goldgulden, eine Goldmünze, welche in Aachen geschlagen worden, 2 Thlr. 4 Gr. Alles in Louis d'or zu 5 Thlr. gerechnet. In den Sächsischen Gerichten wird ein Goldgülden zu 1 Thlr. 22 Gr. 6 Pf. gerechnet. Diese Münze hat den Nahmen Goldgülden, der sonst eine Tautologie seyn würde, zum Unterschiede von den silbernen Gulden. S. Gulden und Gülden.


Goldhaar (W3) [Adelung]


Das Goldhaar, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein goldfarbenes Haar. Figürlich. 1) Eine Art des Mooses, dessen mit einem Deckel versehene Büchse auf einem kleinen Boden sitzet; Frauenhaar, Venushaar, Widertod, Polytrichum L. Es wächset in den feuchten und unfruchtbaren Gegenden Europens und hat den Nahmen von den kleinen goldfarbigen Stengelchen, welche die Büchse tragen. 2) Eine Pflanze, welche theils in Canada und Afrika, theils in dem gemäßigten Europa wächset; Chrysocoma L.


Goldhafer (W3) [Adelung]


Der Goldhafer, des -s, plur. inus. ein gutes Futtergras, welches dem Hafer gleichet, in Deutschland, England und Frankreich wächset, und gegen die Sonne einen schönen goldgelben Glanz hat; Avena flavescend L.


Goldhähnchen (W3) [Adelung]


Das Goldhähnchen, Oberd. Goldhähnlein, des -s, plur. ut nom. sing. der kleinste Vogel in Europa, welcher eine Art der Zaunkönige ist, und den Nahmen theils von seiner gelben Farbe, theils von seinem goldgelben Kamme oder Büchsel auf dem Kopfe hat; Weidenzeifig, Tannenmeise, Haubenkönig, Sommerzaunkönig, Ochsenauge, Sträußchen, Waldzeischen, Berghähnchen, Sommerkönig, Tyranchen, Trocylus Aristi und Plin. Motacillus Regulus L.


Goldhaltig (W3) [Adelung]


Goldhaltig, -er, -ste, adj. et adv. Geld enthaltend. Goldhaltige Erze, Kiese u. s. f.


Goldkäfer (W3) [Adelung]


Der Goldkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Benennung aller derjenigen Käfer, deren Flügeldecken einen Goldglanz haben. Besonders eines grünlichen Käfers mit einem unbewehrten Kopfe und Brustschilde, der sich gern auf den Blumen aufhält, und auch Spanische Fliege genannt wird, ungeachtet er von den eigentlichen Spanischen Fliegen sehr verschieden ist; Scarabeus auratus L.


Goldkalk (W3) [Adelung]


Der Goldkalk, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e. 1) Ein in Kalk verwandeltes, d. i. entweder durch die Gewalt des Feuers, oder auch durch Säuren, seines brennbaren Wesens beraubtes Gold; calciniertes Gold. 2) Im Bergbaue, eine zusammen gesinterte Erdart, welche, zuweilen Gold bey sich führet.


Goldkies (W3) [Adelung]


Der Goldkies, des -es, plur. von mehreren Arten, die -e, ein goldhaltiger Kies, Kies, welcher einen merklichen Theil Goldes enthält.


Goldkind (W3) [Adelung]


Das Goldkind, des -es, plur. die -er, in der vertraulichen Sprechart der Meißner, ein schmeichelhafter Ausdruck, ein liebes, werthes Kind zu bezeichnen, welches man nach dem Unterschiede des Geschlechtes auch wohl einen Goldsohn, eine Goldtochter zu nennen pflegt. Ja, ja, thue es, meine Goldtochter, Gell. In eben diesem Verstande auch wohl mit andern Hauptwörtern. O, mein guter Goldmann! Gell.


Goldkluft (W3) [Adelung]


Die Goldkluft, plur. die -klüfte, im Bergbaue, eine Kluft, welche Golderz oder gediegenes Gold enthält.


Goldklumpen (W3) [Adelung]


Der Goldklumpen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Klumpen, d. i. großes unförmiges Stück Goldes.


Goldkönig (W3) [Adelung]


Der Goldkönig, des -es, plur. die -e, in der Scheidekunst, der König, d. i. Kegel oder Conus, welcher erhalten wird, wenn man geschmolzenes Gold durch Spießglas in eine Gießbuckel gießet, da es denn noch vieles Spießglas bey sich führet. S. König.


Goldkorn (W3) [Adelung]


Das Goldkorn, des -es, plur. die -körner, Diminut. das Goldkörnchen, Oberd. Goldkörnlein, Gold in Gestalt eines Kornes oder Körnchens; im Bergbaue Goldkräupchen.


Goldkrähe (W3) [Adelung]


Die Goldkrähe, plur. die -n, S. Blaukrähe.


Goldkrone (W3) [Adelung]


Die Goldkrone, plur. die -n, eine Krone, d. i. mit einer Krone bezeichnete Münze, von Gold, zum Unterschiede von den Silberkronen. Sie wurden ehedem in verschiedenen Ländern Europens, besonders in Frankreich, geschlagen, und galten weniger als ein Ducaten. Eine Französische Goldkrone gilt 2 Thlr. 12 Gr. 6 Pf. den Louis d'or zu 5 Thlr. gerechnet. S. Krone und Sonnenkrone.


Goldküste (W3) [Adelung]


Die Goldküste, plur. die -n, in der Seefahrt und Erdbeschreibung, eine Benennung derjenigen Küsten in Afrika und Judien, von welchen man Gold oder Goldsand herzubringen pfleget. Besonders ist unter diesem Nahmen die Küste von Guinea bekannt.


Gold-Lack (W3) [Adelung]


Der Gold-Lack, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e. 1) Ein goldfarbener Lack-Firniß. 2) Eine Art Blumen, welche den gelben Veilchen gleicht, aber von höherer gelber Farbe ist.


Goldlahn (W3) [Adelung]


Der Goldlahn, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein zu Lahn geplätteter Golddraht. Siehe Lahn.


Goldlasur (W3) [Adelung]


Der Goldlasur, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein mit goldgelben Flecken versehener Lasur oder Lasurstein, welche Flecken eingesprengter Kies sind, den einige für Gold gehalten haben.


Goldletten (W3) [Adelung]


Der Goldletten, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten. ut nom. sing. ein goldhaltiger Letten, welcher zuweilen bey den Klüften angetroffen wird.


Goldlilie (W3) [Adelung]


Die Goldlilie, plur. die -n, eine Lilie mit gelben goldfarbenen Blumen, deren jede an ihrem Stängel nur einen Tag dauert.


Goldlutte (W3) [Adelung]


Die Goldlutte, plur. die -n, in den Goldbergwerken, eine Lutte oder ein Schlämmherd, auf welchem der Goldschlich geschlämmet oder gewaschen wird. S. Lutte.


Goldmacher (W3) [Adelung]


Der Goldmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher das Geheimnis sucht, oder zu besitzen vorgibt, geringere Metalle oder Mineralien in Gold zu verwandeln; ein Alchymist, Adept. Da kommt unser Mann, tiefsinnig als ein Goldmacher, Weise. Daher die Goldmacherkunst, das Goldmachen, und verächtlich die Goldmacherey, die Alchymie.


Goldmann (W3) [Adelung]


Der Goldmann, des -es, plur. die -männer, siehe Goldkind.


Gold-Markasit (W3) [Adelung]


Der Gold-Markasit, des -en, plur. die -en, Markasiten oder Schwefelkiese, so fern sie in goldhaltigen Gebirgen brechen, und goldhaltig sind.


Goldmerle (W3) [Adelung]


Die Goldmerle, plur. die -n, S. Goldamsel.


Goldmilz (W3) [Adelung]


Die Goldmilz, plur. inus. eine Pflanze, welche an den feuchten und schattigen Orten Europens wächset, und auch gelber Steinbrech genannt wird; Chrysosplenium L.


Goldmünze (W3) [Adelung]


Die Goldmünze, plur. die -n, eine jede Münze, d. i. Geldart, von Gold, als ein Collectivum. Ingleichen, eine goldene Schau- oder Denkmünze, auch von einzelnen Stücken.


Goldpapier (W3) [Adelung]


Das Goldpapier, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ganz vergoldetes oder doch mit vergoldeten Blumen, oder bunten Blumen auf einem vergoldeten Grunde versehenes Papier.


Goldpatscher (W3) [Adelung]


Der Goldpatscher, des -s, plur. ut nom. sing. S. Goldschläger.


Goldplätter (W3) [Adelung]


Der Goldplätter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Goldplätterinn, plur. die -en, in den Gold- und Silber- fabriken, diejenige Person, welche den runden Gold- oder Silberdraht plättet und in Lahn verwandelt.


Goldprobe (W3) [Adelung]


Die Goldprobe, plur. die -n, die Probe, so wohl des Goldes, um dessen Reinigkeit zu erforschen, als auch der Erze und anderer Metalle, ihren Goldgehalt zu erfahren.


Goldpurpur (W3) [Adelung]


Der Goldpurpur, des -s, plur. inus. ein purpurrother Goldlack, welcher aus dem mit Gold gesättigten Königswasser vermittelst einer Zinn-Solution niedergeschlagen wird.


Goldquarz (W3) [Adelung]


Der Goldquarz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein goldhaltiger Quarz.


Goldrabe (W3) [Adelung]


Der Goldrabe, des -n, plur. die -n, eine Art großer schwarzer Raben in der Wetterau, deren schwarze glänzende Farbe an der Sonne wie Gold spielet.


Goldregen (W3) [Adelung]


Der Goldregen, des -s, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. in der Feuerwerkskunst, ein goldgelber Feuerregen, zum Unterschiede von dem Silberregen u. s. f. S. Feuerregen.


Goldreich (W3) [Adelung]


Goldreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Gold oder von Gold, d. i. viel Gold in sich enthaltend. Ein goldreicher Zeug, ein goldreiches Erz, eine goldreiche Küste.


Goldring (W3) [Adelung]


Der Goldring, des -es, plur. die -e, ein goldener Ring.


Goldrose (W3) [Adelung]


Die Goldrose, plur. die -n, Diminut. Goldröschen, Oberd. Goldröslein, in einigen Gegenden, eine Benennung des Kirschisoppes, Cistus Helianthemum L. welcher auch Erdpfau, Heidenisopp und Sonnengünzel genannt wird. S. Kirschisopp.


Goldruthe (W3) [Adelung]


Die Goldruthe, plur. -n, eine Pflanze, welche zum Theil auf den trocknen Wiesen und in den Wäldern Europas wächset, und wegen ihrer heilenden Kraft auch gülden Wundkraut, heidnisch Wundkraut, Machtheil, Machtkraut, Wundkraut genannt wird; Solidago L.


Goldsaffran (W3) [Adelung]


Der Goldsaffran, des -es, plur. inus. S. Knallgold.


Goldsand (W3) [Adelung]


Der Goldsand, des -es, plur. inus. ein goldhaltiger Sand, Sand, welcher Gold bey sich führet, und in verschiedenen Flüssen angetroffen wird. Derjenige, welchen man in der Trau in Steyermark findet, wird, weil er sehr eisenschüssig ist, Eisenhart genannt.


Goldschaum (W3) [Adelung]


Der Goldschaum, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben, das zu zarten Blättchen geschlagene Gold, besonders das unechte, S. Metallgold.


Goldscheider (W3) [Adelung]


Der Goldscheider, des -s, plur. ut nom. sing. in den Goldbergwerken, derjenige Künstler, welcher das Gold von dem Silber scheidet.


Goldschläger (W3) [Adelung]


Der Goldschläger, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher das Gold zu zarten Blättchen schläget; im gemeinen Leben und aus Verachtung ein Goldpatscher.


Goldschlich (W3) [Adelung]


Der Goldschlich, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, das ein Schlich verwandelte, d. i. gepochte und gewaschene Golderz. Ingleichen der einem Schliche ähnliche Bodensatz des Goldsandes.


Goldschmid (W3) [Adelung]


Der Goldschmid, des -s, plur. die -schmiede. 1) Ein Künstler, welcher vermittelst des Hammers und Feuers allerley Geräthschaften und Schmuck aus Gold und Silber verfertiget; in der anständigen Sprechart ein Goldarbeiter, Angels. und Engl. Goldsmith, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno schon Goltsmit. 1) An einigen Orten, eine Benennung der Goldfliege, siehe dieses Wort.


Goldschwefel (W3) [Adelung]


Der Goldschwefel, des -s, plur. inus. ein mit gemeinem Schwefel versetzter und vermischter Arsenik.


Goldseife (W3) [Adelung]


Die Goldseife, plur. die -n, eine Anstalt, wo das Gold aus dem Flußsande oder auch aus der Dammerde geseifet, d. i. gewaschen wird; die Goldwäsche. S. Seife.


Goldsinter (W3) [Adelung]


Der Goldsinter, des -s, plur. inus. ein goldhaltiger Sinter, dergleichen in den Ungarischen Goldbergwerken angetroffen wird.


Goldsohn (W3) [Adelung]


Der Goldsohn, des -es, plur. die -söhne, S. Goldkind.


Goldspinner (W3) [Adelung]


Der Goldspinner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Goldspinnerinn, plur. die -en, eine Person, welche seidene Fäden mit Goldlahne überspinnet.


Goldstaub (W3) [Adelung]


Der Goldstaub, des -es, plur. inus. ein in Staub oder unfühlbares Pulver verwandeltes Gold.


Goldstein (W3) [Adelung]


Der Goldstein, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, eine Benennung so wohl eines goldhaltigen Steines, als auch des Probirsteines; ingleichen zuweilen auch des Chrysolithes.


Goldsticker (W3) [Adelung]


Der Goldsticker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Goldstickerinn, plur. die -en, eine Person, welche allerley Figuren mit Gold- oder Silberfäden auf andere Dinge sticket.


Goldstoff (W3) [Adelung]


Der Goldstoff, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein Zeug, in welchen Blumen von Seide auf einem goldenen Grunde gewebet sind, Goldstück; zum Unterschiede von dem Silberstoffe oder Silberstücke, Franz. Drap d'or. S. Stoff.


Goldstück (W3) [Adelung]


Das Goldstück, des -es, plur. die -e. 1) Ein noch unverarbeitetes Stück Gold. Goldstücke aus Ophir, Es. 13, 12. Noch mehr, 2) eine Goldmünze, so wohl zum Ausgeben, als auch eine solche Schaumünze. 3) Auch der Goldstoff wird im gemeinen Leben häufig ohne Artikel Goldstück genannt. Ein Kleid von Goldstück.


Goldstufe (W3) [Adelung]


Die Goldstufe, plur. die -en, eine Stufe, d. i. Stück, Golderz; ingleichen eine jede Stufe, in und auf welcher Gold befindlich ist.


Goldtalk (W3) [Adelung]


Der Goldtalk, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein goldfarbener Talk, welcher aber nichts weniger als Gold enthält; zum Unterschiede von den auf andere Art gefärbten Talkarten.


Gold-Tinctur (W3) [Adelung]


Die Gold-Tinctur, plur. von mehrern Arten, die -en, in der Arzeneykunst, ein geistiger vermischter flüssiger Körper, welcher aufgelösetes Gold in sich enthalten soll, dergleichen man mehrere Arten hat; Tinctura Solis, bey einigen auch trinkbares Gold, Trinkgold.


Goldtochter (W3) [Adelung]


Die Goldtochter, plur. die -töchter, S. Goldkind.


Goldwage (W3) [Adelung]


Die Goldwage, plur. die -n, eine Wage, Gold, und besonders Goldmünzen darauf zu wägen. Nun, nun, wer wird denn alle Worte auf die Goldwage legen? Weiße, d. i. sie auf das sorgfältigste prüfen, untersuchen.


Goldwäsche (W3) [Adelung]


Die Goldwäsche, plur. die -n, S. Goldseife. Daher der Goldwäscher, der das Gold aus dem Sande oder der Erde auf diese Art wäschet. S. Waschen.


Goldwasser (W3) [Adelung]


Das Goldwasser, des -s, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. ein abgezogener Branntwein, in welchem geschlagene Goldblättchen schwimmen; dergleichen vornehmlich in Danzig verfertiget wird.


Goldweide (W3) [Adelung]


Die Goldweide, plur. die -n, S. Dotterweide.


Goldwespe (W3) [Adelung]


Die Goldwespe, plur. die -n, eine Art Wespen, welche in den Mauern bauet, mit starken und hohen goldenen Farben pranget, und mit Freßzangen und flachen durchsichtigen Flügeln versehen ist; Chrysis L.


Goldwirker (W3) [Adelung]


Der Goldwirker, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, der mit Gold- und Silberfäden wirket, Goldstoff verfertiget.


Goldwurz (W3) [Adelung]


Die Goldwurz, plur. inus. oder die Goldwurzel, plur. die -n. 1) Ein Nahme der großen Schwalbenwurzel, oder des großen Schöllkrautes, Chelidonium majus L. welche einen saffranfarbigen beißenden Saft gibt. 2) Der wilden Lilie, oder des so genannten Türkischen Bundes; Lilium Martagon L.


Goldzahn (W3) [Adelung]


Der Goldzahn, des -es, plur. die -zähne, im Bergbaue, Zähne, d. i. kleine Stängelchen, gediegenen Goldes, welche zuweilen durch das Gestein setzen.


Golkrabe (W3) [Adelung]


Der Golkrabe, des -n, plur. die -n, im gemeinen Leben, eine Benennung des ganz schwarzen Raben, der am häufigsten der Rabe schlechthin genannt wird, zum Unterschiede von den Krähen, welche an einigen Orten gleichfalls Raben genannt werden. Vermutlich von dem Laute, welchen er im Sitzen von sich gibt, und welcher Gluck lautet. Um seiner Schwärze willen wird er auch Kohlrabe genannt.


Gölle (W3) [Adelung]


1. Die Gölle, plur. die -n, im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein zusammen gelaufenes stehendes Wasser, ein Sumpf, eine Pfütze; im Oberd. Güllen, im mittlern Lat. Golla und Golena. In dieser Bedeutung ist es ein sehr altes Wort, welches unter andern auch bey verschiedenen Sibirischen Nationen noch sehr üblich ist, wo Goll, Koll, Kall, oder Kull, einen Binnensee, und Gulga einen Bach bedeutet. Im Albanischen ist Ggjoll gleichfalls ein Sumpf. Wenn man den Übergang der verwandten Buchstaben mit in Anschlag bringet, so gehören auch Wal, Welle und Quelle, ingleichen das Lat. Palus, ein Sumpf, mit hierher. S. 3 Galle, Golf und Kolke.


Gölle (W3) [Adelung]


2. Die Gölle, plur. die -en, in verschiedenen Gegenden, besonders Niedersachsens, eine Benennung der kleinsten Art Ruderschiffe, welche vorn und hinten spitzig sind, und einen geschärften Kiel haben; wo dieses Wort bald Gelle, bald aber auch Jölle, Jelle, Jolle lautet. In und um Bremen, wo man auch Göllen in der jetzt gedachten Bedeutung hat, sind Jalken und Tjalken eine Art kleiner Seeschiffe, welche beynahe die Gestalt eines Schmackschiffes haben. Gellen oder Holzgellen sind auf der Spree und Elbe lange große Kähne 80 Fuß lang und 18 breit, welche zur Verführung des Holzes dienen. Im Schwed. bedeutet Jelle, im Dän. Jolle, und im Franz. Jol, ein jedes kleines Both, einen Lahn. Es scheinet, daß dieses Wort zu Galee, Galeere, und mit demselben zu denjenigen gehöre, welche überhaupt ein Gefäß, oder etwas Hohles bedeuten. S. Gelte, Kelle, Kelch, Schale u. s. f. wohin auch das Lat. Olla Gerechnet werden muß.


Goller (W3) [Adelung]


1. Der Goller, S. Koller.


Goller (W3) [Adelung]


2. Der Goller, ein Vogel, S. Grünspecht.


Golsch (W3) [Adelung]


+ Der Golsch, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine Art eines Barchentes mit blauen Streifen zu bezeichnen, der besonders zu Ulm häufig verfertiget wird, wo dieses Wort auch Kolsch und Kölsch lautet. Frischlin nennet dieses Gewirk Gallischen Zwilch, entweder, weil es eine Gallische, d. i. Französische, oder Wälsche Erfindung ist, oder auch von dem Oberdeutschen Külle, Kölsche, blaue Striemen von Schlägen, wegen der blauen Streifen dieses Ge- wickes. Ein solches Stück Golsch, welches auch nur ein Golsch schlechthin genannt wird, hält 72 Ellen, und ein Faß Golsche oder Golschen hält 30 Stück.


Gölse (W3) [Adelung]


Die Gölse, plur. die -n, im Oberdeutschen, eine Benennung derjenigen Mücken, welche sich durch ihre hell tönende Stimme verrathen, und welche man in Ober- und Niedersachsen Schnaken nennet; Culex L. Franz. Cousin, welches durch Wegwerfung des l daraus entstanden. von dem alten gala, galen, singen, daher dieses Wort richtiger Gälse geschrieben werden sollte. S. Gällen.


Gölsen (W3) [Adelung]


Gölsen, verschneiden, castriren, S. Gelzen.


Golter (W3) [Adelung]


Golter, eine Decke, S. Kolter.


Gölzen (W3) [Adelung]


Gölzen, verschneiden, S. Gelzen.


Gondel (W3) [Adelung]


Die Gondel, plur. die -n, ein in Italien, besonders zu Venedig, übliches Fahrzeug ohne Segel, welches hinten und vorne sehr spitzig zusammen gehet, und zugleich an beyden Enden hoch aufgeworfen ist. In der Mitte hat es einen mit Türen und Fenstern versehenen Kasten, wie eine Kutsche. Aus dem Ital. Gondola. Daher gondelartig, nach der Art der Gondel, besonders in Ansehung der spitzen zusammen laufenden und hoch aufgeworfenen Vorder- und Hintertheile. Im Oberdeutschen ist Gon ein Schöpftopf. Daher der Gondelier, (dreysylbig,) aus dem Ital. Gondeliere, der Schiffer, welcher mit einer Gondel fähret.


Gönnegeld (W3) [Adelung]


Das Gönnegeld, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -er, an einigen Orten, so viel als Angabe, Angeld, Handgeld.


Gönnen (W3) [Adelung]


Gönnen, verb. reg. et irreg. act. Imperf. ich gönnete und ich gonnte; Mittelw. gegönnet und gegonnt. Es hat nur noch einige seiner ehemahligen Bedeutungen übrig behalten, und wird in denselben mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache verbunden. 1) Den Besitz einer Sache von einem andern, und überhaupt, eine Veränderung an einem andern gerne sehen, Vergnügen oder doch Zufriedenheit darüber empfinden. Es müssen zu Schanden werden, die mir Übels gönnen, Ps. 40, 15. Willst du meinen Kummer nicht den Trost des Schlafes gönnen? Weiße. Einem nicht die Luft gönnen, ihm nicht die Augen im Kopfe gönnen, im gemeinen Leben, ihm nicht das geringste Gute gönnen. Die vierte Endung kann auch mit dem Bindeworte daß umschrieben werden, doch so, daß das Zeitwort das Wörtchen es bekommt. Jedermann gönnet es ihm, daß u. s. f. In einigen, vielleicht aber nur wenigen Fällen, kann es auch verbissen werden. Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, daß ich Recht behalte, Ps. 35, 27. Im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung der Sache. Wem die gött (die Götter) des sigs und der eren günden wolten, in dem 1514 gedruckten Deutschen Livius. Du gonnst mir der ern nicht, Theuerd. Kap. 81. S. Mißgönnen. 2) Verstatten, erlauben, für vergönnen, in einigen Redensarten. Gönne mir, daß ich mich an dir ergetze, Philem. v. 20. was übrig bleibet von denen Waisen, denen will ich das Leben gönnen, Jerem. 49, 11. Die Tage, die uns die Vorsehung gönnet, zu leben verstattet. 3) In noch engerer Bedeutung, mittheilen, widerfahren lassen, in der Sprache der gesellschaftlichen Höflichkeit. Gönnen sie uns die Ehre ihrer Gesellschaft, ihres Besuches. Haben sie die Gnade, mir ihre mündlichen Befehle zu gönnen.

Anm. In Nieders. gunnen, im Angels. geunnan, bey dem Ottfried gionnan. Das g ist aus der Vorsylbe ge entstanden, daher es dem Ottfried auch nur onnan, d. i. dem Notker unnen, im Angels. unnan, im Schwed. und Isländ. unna lautet. In der Bedeutung des Gebens war es ehedem noch häufiger, indem Ottfried, Notker und andere es mehrmahls für geben, schenken, mittheilen gebrauchen. Das g ist in den hauchenden Sprachen schon sehr alt, wie denn das Hebr. $, Gunst, und $, sich erbarmen, damit verwandt zu seyn scheinen. Ihre rechnet auch das veraltete minnen, lieben, zu dem Geschlechte dieses Wortes; mit mehrerer Gewißheit lässet sich unter wünschen dahin rechnen, S. Dasselbe. Das doppelte n scheinet ein Intensivum zu verrathen, daher es ohne Zweifel zu dem Zeitworte ahnen, empfinden, und dem veralteten Ond, Aund, Geist gehöret, welche Wörter ehedem zu Bezeichnung mehrerer Veränderungen des Geistes und des Gemüthes gebraucht wurden. S. Ahnden. In der Conjugation dieses Wortes sind die Zeiten und Mundarten sehr verschieden. Die dritte Person des Präsens lautet bey dem Ottfried gan, die dritte der mehrern Zahl im Imperfecto ondun. An andern Orten hat er auch das Zeitwort gionstan, im Imperf. gionsta, wovon unser Gunst noch ein Überbleibsel ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden lautet es noch jetzt im Mittelworte gegonnen. Im Hochdeutschen ist die reguläre Form, ich gönnete und gegönnet die üblichste. Das Hauptwort die Gönnung ist völlig ungebräuchlich.


Gönner (W3) [Adelung]


Der Gönner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gönnerinn, plur. die -en. 1) Überhaupt, eine Person, welche der andern Gutes gönnet, ihr geneigt ist. In dieser weitesten Bedeutung wird in dem 1501 zu Rom gedruckten Deutsch-Italiänischen Vocabulario der gunner durch lo amico übersetzt. In einigen Gegenden, selbst Obersachsens, wird dieses Wort, auch noch in eben diesem Verstande in Titulaturen von Höhern gegen Geringere gebraucht, so wie anderwärts in eben diesem Verstande das Wort Freund üblich. Ehrbare gute Gönner, redet der Amtmann in Sachsen den gewissen feyerlichen Gelegenheiten die Zimmerleute an. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist es eine Person, die unser Glück aus Wohlwollen befördert; wo es zugleich ein Titel ist, welches Geringere solchen Personen zu geben pflegen, welche höher und vornehmer sind als sie.


Gönnerschaft (W3) [Adelung]


Die Gönnerschaft, plur. inus. das Verhältnis eines Gönners.


Göpel (W3) [Adelung]


Der Göpel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Bergbaue übliches Wort, dasjenige senkrecht stehende Hebezeug zu bezeichnen, wodurch Erz und andere Dinge aus den Gruben gezogen werden. Der Pferdezöpel, welcher von Pferden umgedrehet wird, zum Unterschiede von den Wasser- und Windgöpeln, welche von dem Wasser und von dem Winde in Bewegung gesetzet werden. In engerer Bedeutung, ein solches Hebezeug, welches von Pferden getrieben wird, ein Treiber; da denn in weiterer Bedeutung oft eine jede Wasserkunst, welche von Pferden in Bewegung gesetzet wird, ein Göpel oder eine Göpelkunst heißt. Auch das über einem solchen Göpel aufgeführte runde, oben spitzig zugehende Gebäude ist unter dem Nahmen eines Göpels bekannt.

Anm. Man könnte die spitzige Beschaffenheit dieses Gebäudes als den Hauptbegriff in diesem Worte ansehen, da es denn nur eine harte Aussprache der Wörter Giebel und Gipfel seyn würde. Allein es scheinet mit mehrern Rechte zu dem Zeitworte heben zu gehören, welches im Wendischen gibam lautet, und durch eine harte Aussprache aus Hebel verderbt zu seyn, obgleich das g anstatt des h auch in andern Fällen nicht selten ist, siehe Giebe und Geyen.


Göpelherd (W3) [Adelung]


Der Göpelherd, des -es, plur. die -e, im Bergbaue der runde Platz bey einem Pferdegöpel, auf welchem die Pferde im Kreise herum gehen; der Göpelplatz, die Rennbahn.


Göpelhund (W3) [Adelung]


Der Göpelhund, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein längliches Stück Holz mit eisernen Zacken an einer eisernen Kette an dem Göpel. S. Hund.


Göpelkette (W3) [Adelung]


Die Göpelkette, plur. die -n, eben daselbst, diejenige Kette, womit die Tonnen vermittelst des Göpels aus dem Schachte getrieben werden; das Göpelseil, wenn es gleich eine Kette ist.


Göpelkorb (W3) [Adelung]


Der Göpelkorb, des -es, plur. die -körbe; eben daselbst, ein aus starkem runden Hölzern bestehender Korb, um welchen die Göpelkette gewunden wird.


Göpelkreuz (W3) [Adelung]


Das Göpelkreuz, des -es, plur. die -e, ein hölzernes Kreuz, worauf das Gezimmer des Göpels ruhet; der Göpelsteg.


Göpelkunst (W3) [Adelung]


Die Göpelkunst, plur. die -künste, S. Göpel.


Göpelpferd (W3) [Adelung]


Das Göpelpferd, des -es, plur. die -e, diejenigen Pferde, wodurch der Göpel getrieben wird.


Göpelplatz (W3) [Adelung]


Der Göpelplatz, des -es, plur. die -plätze, S. Göpelherd.


Göpelseil (W3) [Adelung]


Das Göpelseil, des -es, plur. die -e, S. Göpelkette.


Göpelspindel,Göpelspille (W3) [Adelung]


Die Göpelspindel, oder Göpelspille, plur. die -n, derjenige dicke Baum in der Mitte des Göpels, woran sich der Göpelkorb befindet, und welcher das Hauptstück des ganzen Hebezeuges ist.


Göpelsteg (W3) [Adelung]


Der Göpelsteg, des -es, plur. die -e, S. Göpelkreuz.


Gor (W3) [Adelung]


Gor, Koth, Dünger, ein veraltetes Wort, S. 2 Gare, Garstig und Hornung.


Göre (W3) [Adelung]


Die Göre, die Gährung, S. Gahre.


Görge (W3) [Adelung]


Görge, Genit. Görgens, Dat. Görgen, ein im gemeinen Leben aus Georg zusammen gezogener Mannsnahme, wofür in andern, besonders Niedersächsischen Gegenden Jürge und Jürgen üblich ist. Für Görgen ist mir gar nicht bange, Der kommt durch seine Dummheit forte, Gell. S. Georg.


Gork (W3) [Adelung]


Der Gork, S. Kork.


Gorl (W3) [Adelung]


Der Gorl, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im gemeinen Leben, eine Art eines starken runden gedrehten Fadens, dessen man sich zu Auszierung allerley Nähwerkes bedienet. Daher die Gorlspitze, eine Art Spitzen, wo die Blumen aus solchem Gorl gebildet und mit allerhand Spitzenstichen ausgefüllet sind. Aus dem Latein. Cordula, Chordula.


Görlein (W3) [Adelung]


Das Görlein, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, eine Benennung der Zuckerwurzel; Sium Sisarum L.


Gorre (W3) [Adelung]


Die Gorre, ein schlechtes Pferd, S. Gurre.


Gose (W3) [Adelung]


Die Gose, plur. car. der Nahme eines Weißbieres, welches in und um Goslar aus dem Wasser des Flusses Gose gebrauet wird, von welchem es auch den Nahmen hat.


Göse (W3) [Adelung]


Die Göse, ein Fisch, S. Alant.


Göspe (W3) [Adelung]


Die Göspe, die halb geschlossene hohle Hand, S. Gäspe.


Gößchen (W3) [Adelung]


Das Gößchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine am Nieder-Rheine und in Niedersachsen übliche Scheidemünze, welche im Osnabrückischen 5 3/4 Pfennige, in Braunschweig 6 Pfennige, und im Cöllnischen, wo sie auch Jöstcher genannt wird, 1 + Clevischen Stüver oder 1 2/3 Albus, oder 20 Häller gilt.


Gosse (W3) [Adelung]


Die Gosse, plur. die -n, von dem Zeitworte gießen. 1) Ein Gießhaus; doch nur in einigen Oberdeutschen Gegenden. 2) Die Öffnung in den Küchen, durch welche man das unreine Wasser aus- und weggießet; der Guß, Ausguß, Durchguß, und weil solche gemeiniglich vorne mit einem ausgehöhlten Steine versehen ist, der Gußstein, Spülstein, Wasserstein. Im Bergbaue ist es ein hölzerner oder steinerner Trog, worein die Kunstgezeuge ihr Wasser ausgießen. 3) Dasjenige Gerinne auf oder an den Gassen oder gepflas=terten Wegen, durch welches das Regenwasser abfließet, die Gassenrinne, Nieders. die Renne, Rönne, der Rönnstein, Putte; von der ehemahligen Bedeutung des Wortes gießen, da es auch für fließen gebraucht wurde. Im mittlern Lat. ist Gota ein Canal, und im Niedersächsischen wird die Dachrinne zwischen zwey Häusern eine Gote oder Gaute genannt. Im Tatian ist Giozo eine Meerenge, Straße.


Gothe (W3) [Adelung]


Der Gothe, des -n, plur. die -n, Fämin. die Gothinn, der Nahme einer ehemaligen Germanischen Völkerschaft, welche sich vornehmlich durch ihre Wanderungen von den Künsten des Balthischen Meeres nach Schweden, dem schwarzen Meere, Pannonien, Italien, Frankreich uns Spanien auszeichnete, und von ältern und neuern unkritischen Schriftstellern häufig mit den Geten, einer ganz verschiedenen Thracischen Völkerschaft, verwechselt worden. So wohl der König von Schweden, als der König von Dänemark führen diese Gothen noch jetzt in ihren Titeln: allein wegen des h in diesem Worte erregte der Schwedische Gesandte auf dem Nimwegischen Friedens-Congresse, einen lebhaften Streit gegen den Dänischen, indem er behauptete, nur allein sein Hof sey befugt, Gothen zu schreiben, dagegen der Dänische Goten oder Gotten schreiben müsse; ein Streit, der nicht anders als durch eine Auskunft beygelegt werden konnte. S. Pussendorfs res Brandenburg. B. 15, Kap. 69.


Gothisch (W3) [Adelung]


Gothisch, adj. et adv. den Gothen gehörig, ähnlich, in ihren Sitten und ihrem Geschmacke gegründet. Der Gothische Geschmack, die Gothische Bauart, welche sich durch lange dünne Säulen, hohe spitzige Gewölbe und Bogen, und übermäßige Schnörkel und Spitzen in der Verzierungen auszeichnet. Die ersten Spuren dieses Geschmackes finden sich in den Gebäuden, besonders Kirchen, welche König Theodorik (+ 526) in dem Obern Italien aufführte. Indessen sind die Gothen wohl nicht Urheber dieses Geschmackes, sondern sie haben ihn wahrscheinlich nur während ihres Aufenthaltes in der Nähe von Asien und dem Griechischen Reiche angenommen und in Europa verbreitet.


Gott (W3) [Adelung]


Der Gott, des -es, plur. die Götter. 1) Ein jedes Wesen höherer Art, welches nach dem Lehrbegriffe der heidnischen Religionen den Grund von den Veränderungen in der Welt und in den menschlichen Dingen enthalten soll. Gute Götter, böse Götter. Die obern Götter, die untern Götter, die Halbgötter. Himmelsgötter, Höllengötter, Waldgötter u. s. f. In welcher Bedeutung auch das weibliche Geschlecht die Göttinn üblich ist, S. solches hernach besonders. Ein jeglicher schrie zu seinem Gott, Jon. 1, 5. 2. In engerer und vorzüglicher Bedeutung, dasjenige höchste Wesen, welches den Grund aller Dinge in sich enthält, ohne Plural; wo dieses Wort, wenn es ein Beywort bey sich hat, oder wenn von diesem Wesen in einer gewissen Beziehung geredet wird, den Artikel bekommt, in welchem Falle es auch im Dativo Gotte haben kann. Der ewige, der gütige Gott. Der Gott Jacobs, der Gott Abrahams. Der Gott des Friedens, Röm. 15, 33. Dem gote dem ich da dienen soll, Reinmar der Alte. Dem ewigen Gotte Hohn sprechen. Dem Gotte Abrahams dienen. Obgleich dieses e in der dritten Endung auch häufig, ja fast gemeiniglich, wegbleibet. Gesegnet seyst du dem höchsten Gott, der Himmel und Erden besitzet, 1 Mos. 14, 19, 22. Gesegnet bist du Tochter vom Herrn dem höchsten Gott, Judith 13, 23. Mit Bücken vor dem hohen Gott, Mich. 6, 6. Hohn zu sprechen dem leben- digen Gott, 2 Kön. 19, 4; und so in andern Stellen mehr. Noch häufiger gebraucht man dieses Wort ohne Artikel als einen eigenthümlichen Nahmen des höchsten Wesens, da denn das e in der dritten Endung niemahls Statt finden kann. Einen Gott glauben. An Gott glauben. Sich an Gott versündigen. Seine Seele Gott (nicht Gotte) befehlen. Gott dienen. Die Alten sagten auch hier, Gotte. Gote thiononti, Ottfr. An iro Gote, an ihrem Gott, Notk. Mit Gote, mit Gott, Ottfr. So auch Kero, der Übersetzter Isidors und andere. Die zweyte Endung wird nach dem Vorgange der Deutschen Bibel auch oft gebraucht, den persönlichen Gegenstand auszudrucken. Die Liebe Gottes, nicht nur Gottes Liebe gegen seine Geschöpfe, sondern auch die Liebe der Menschen gegen Gott. Die Furcht Gottes, die Furcht vor und gegen Gott. Ja in der Deutschen Bibel wird die zweyte Endung nach Hebräischer Art mehrmahls gebraucht, etwas Großes, Vortreffliches in seiner Art anzudeuten. Ein Berg Gottes, ein hoher Berg. 1 Mos. 23, 6 heißt Abraham wegen seines vorzüglichen Ansehens ein Fürst Gottes. Um Gottes willen, bedeutet im gemeinen Leben oft so viel als umsonst. Im gemeinen Leben so wohl, als auch zuweilen in der edlen Schreibart ist dieses Wort sehr üblich, die Ausdrücke aller Arten von Gemüthsbewegungen, Betheuerungen, Wünschen u. s. f. zu begleiten. Gott! wie verwundest du mein schon zerrißnes Herz! Weiße. Gott! wie stehest du aus, meine Tochter! ebend. Ach, daß Gott erbarme! Ausdrücke eines hohen Grades des Schmerzens. Gott sey gelobt, Gottlob, Gott sey Dank, gewöhnliche Formeln, seine Erkenntlichkeit gegen Gott wenigstens mit dem Munde an den Tag zu legen. Ich befinde mich, Gott sey Dank! recht wohl. Die Sache gehet, Gottlob! erwünscht von Statten. Gott belohne es ihnen! Gott vergelte es ihnen! in der niedrigen Sprecharten Gotteslohn! jemanden die Belohnung einer Wohlthat von Gott anzuwünschen. Wollte Gott! daß ich ihn nie wieder sehe! Geliebt es Gott, wills Gott, so Gott will, im gemeinen Leben, für, wenn es Gott beliebt. Ich werde, geliebt es Gott, morgen abreisen. Wir werden die Sache, wills Gott, nächstens zu Stande bringen. Bewahre Gott, behüthe Gott, oder Gott bewahre, Gott behüthe, seine Abneigung von etwas an den Tag zu legen. Gerechter Gott! Allmächtiger Gott! u. s. f. Ausrufungen eine Verwunderung in unangenehmen Fällen zu bezeichnen. Gott weiß es! (im gemeinen Leben, weiß Gott!) So wahr Gott lebt! Gott ist mein Zeuge, so wahr mir Gott helfe! Bey Gott! u. s. f. Arten der Betheuerung, wohin auch das niedrige Gott strafe mich! oder Straf mich Gott! gehöret. Gott helf! im gemeinen Leben, Helf Gott! der gewöhnliche Wunsch bey dem Niesen eines andern, dessen Ursprung sich in dem tiefsten Alterthume verlieret. Gott befohlen, eine größten Theils veraltete Abschiedsformel. Das niedrige Gotts! Gotts tausend! eine jede heftige Gemüthsbewegung auszudrucken, wird oft auch in Botz tausend! Potz tausend! Potz! der Tausend! u. s. f. verstümmelt, vermuthlich, um den Mißbrauch des göttlichen Nahmens dadurch zu verbergen. Er hat ihn hinter Gott und vor Gott, d. i. auf die inständige Art, gehöret gleichfalls in die niedrigste Sprache des Pöbels. 3. Figürlich. 1) Eine Person von vieler Macht und großem Ansehen; in welcher Bedeutung es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt, das Hebr. El und Elohim auszudrucken. So heißt 2 Mos. 4, 16 Moses Aarons Gott. Kap. 7, 1 setzt der Allmächtige Mosen als einen Gott über Pharao. So bringe ihn sein Herr vor die Götter, 2 Mos. 21, 6; Kap. 22, 8, 9; vor die Obrigkeit. Gott stehet in der Gemeine Gottes und ist Richter unter den Göttern, Ps. 82, 1. Ihr seyd Götter und allzumahl Kinder des Höchsten, V. 6. Im Hochdeutschen kommt es in dieser Bedeutung nur noch zuweilen in der höhern Schreibart von Königen und unumschränkten Fürsten vor. Wie lange schwingt die rasende Megäre Die Fackel, Götter dieser Welt? Raml. 2) Ein Gegenstand einer übertriebenen, ausschweifenden Verehrung; ohne Plural. Denen der Bauch ihr Gott ist, Phil. 3, 19. Einen Gott aus etwas machen. Wo doch das Wort Abgott üblicher ist. Anm. Bey dem Ulphilas Gud, bey dem Kero Cot, bey dem Ottfried Got, bey dem Notker Kot, im Nieders. God, in der zweyten Endung Gades, in der dritten Gade, im Angels. und Engl. God, im Schwed. und Dän. Gud, im Pers. Choda. Der Plural lautet bey dem Ulphilas Guda, bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern Cote, Gote, und noch in dem 1514 gedruckten Deutschen Livius Götte, im Angels. aber schon im 9ten Jahrhunderte Godar. Schon Luther leitete dieses Wort von gut her, welchem nachmahls viele andere Wortforscher gefolget sind. Allein das Wort ist zu alt, und die Begriffe der ältesten Völker von dem höchsten Wesen sind zu unbestimmt, als daß sich hier etwas bestimmen ließe. Wahrscheinlich ist es indessen, daß dieses Wort mit dem alten Skandischen Nahmen des höchsten Wesens, Odin, Eines Stammes ist, woraus durch Vorsetzung des Blaselautes auch Wodan gebildet worden. Wenn man ferner auf die aus so viel tausend Fällen erweisliche Verwechselung der ähnlichen und verwandten Buchstaben stehet, so wird es sehr einleuchtend, daß diese Wörter von dem Gothischen Thiuth, dem Scyth. Zeut, Seit, dem Lappländischen Seita, dem Ägypt. Zeut und Theut, dem Griech. $, $, $, dem Lat. Deus, dem alten Schwed. Dis., This und im Fämin. Disa, und andern Nahmen des höchsten Wesens mehr, nicht so verschieden sind, als man dem ersten Augenblicke nach denken sollte. In vielen der folgenden Zusammensetzungen bedeutet die zweyte Endung Gottes, daß eine Sache den Gottesdienst und die dazu gehörigen Personen, oft aber auch, daß sie die Armen betreffe, denen man um Gottes willen Gutes zu thun verbunden ist.


Götterblume (W3) [Adelung]


Die Götterblume, plur. die -n, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Pflanze, welche in Virginien einheimisch ist; Dodecatheon L.


Göttergeruch (W3) [Adelung]


Der Göttergeruch, des -es, plur. inus. eben daselbst, eine Pflanze, welche in dem südlichen Afrika angetroffen wird, und einen überaus angenehmen Geruch hat; Diolma L.


Göttergleich (W3) [Adelung]


Göttergleich, adj. welches nur in der dichterischen Schreibart gebraucht wird, den Göttern gleich. Der göttergleiche Ulyß, Raml.


Götterlehre (W3) [Adelung]


Die Götterlehre, plur. die -n, die Lehre von den erdichteten Gottheiten der alten heidnischen Völker, und ein Buch, worin dieselbe erhalten ist; mit einem Griechischen Ausdrucke die Mythologie, die Fabellehre, Göttergeschichte.


Göttermahl (W3) [Adelung]


Das Göttermahl, des -es, plur. die -e, in der dichterischen Schreibart, eine Mahlzeit der erdichteten heidnischen Götter.


Götteroper (W3) [Adelung]


Die Götteroper, plur. die -n, in den schönen Künsten, eine Oper, in welcher die auftretenden Personen Götter sind; zum Unterschiede von der Heldenoper.


Götterspeise (W3) [Adelung]


Die Götterspeise, plur. inus. in der Fabellehre der Griechen und Römer, diejenige schmackhafte Speise, welche die Götter zu sich nehmen pflegten; im Griech. Ambrosia. Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches führet diesen Nahmen eine Pflanze; welche theils in Virginien und Canada, theils aber auch in Toscana und Kappadocien wild wächset; Ambrosia L.


Götterspruch (W3) [Adelung]


Der Götterspruch, des -es, plur. die -sprüche, der geheimnisvolle Ausspruch eines erdichteten Gottes; ein Orakel.


Göttertrank (W3) [Adelung]


Der Göttertrank, des -es, plur. car. in der Götterlehre der Griechen und Römer, dasjenige Getränk, welches die Götter zu sich nehmen pflegten, welches freylich nichts Schlechtes seyn mußte; Griech. Nektar.


Gottesacker (W3) [Adelung]


Der Gottesacker, des -s, plur. die -äcker, der zur Begrabung ehrlicher Todten bestimmte Platz, nach einem alten Gebrauche, alles, was einiger Maßen mit der Religion in Verbindung stehet, nach Gott zu benennen; besser der Leichenacker; der Kirchhof, so fern er sich an und um eine Kirche befindet, im Oberd. der Freyhof, ehedem die Leichlege.


Gottesdienst (W3) [Adelung]


Der Gottesdienst, des -es, plur. inus. 1) Eine jede Handlung, welche um Gottes willen und zu dessen Ehre, geschiehet, und der ganze Umfang mehrerer Handlungen dieser Art. Ein unmittelbarer Gottesdienst, eine solche Handlung, wenn sie eigentlich um Gottes willen vollbracht wird, zum Unterschiede von dem mittelbaren. Der innere Gottesdienst, mehrere solche auf Gott gerichtete Handlungen des Gemüthes, im Gegensatze des äußern, wenn solcher in äußern Handlungen bestehet. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung führet dieser letztere nur schlechthin den Nahmen des Gottesdienstes, wo es denn als ein Collectivum von allen oder doch mehrern solchen äußern Handlungen gebraucht wird. Der öffentliche Gottesdienst, der öffentlich und mit Läutung der Glocken verrichtet wird, im Gegensatze des Privat-Gottesdienstes und Hausgottesdienstes. Einen freyen Gottesdienst haben, die Freyheit, Gott durch äußere Handlungen nach Vorschrift seiner Kirche dienen zu können. 3) In der engsten Bedeutung, der öffentliche Gottesdienst, so fern er von ganzen Gesellschaften eingerichtet worden. Den Gottesdienst halten, verrichten, welches von Geistlichen oder doch an deren Stelle geschiehet. Dem Gottesdienste beywohnen, denselben abwarten, denselben versäumen. Der Gottesdienst ist aus, ist zu Ende. Anm. Von einzelnen gottesdienstlichen Handlungen ist es in der zweyten und dritten Bedeutung im Hochdeutschen ungewöhnlich, ungeachtet es in der Deutschen Bibel einige Mahl in dieser Bedeutung vorkommt. Im Schwabensp. wird eine Wallfahrt ein Gotzdienst genannt, und Hornegk gebraucht für Gottesdienst Gottes-Ec.


Gottesdienstlich (W3) [Adelung]


Gottesdienstlich, adj. et adv. zum Gottesdienste gehörig, in demselben gegründet. Jede Pflicht, welche um Gottes willen erfüllet wird, ist eine gottesdienstliche Handlung. Besonders in der zweyten und dritten Bedeutung des Hauptwortes, in dem äußern und öffentlichen Gottesdienste gegründet, dazu gehörig. Der gottesdienstliche oder geistliche Stand, der Zustand derjenigen Personen, welche zur Verrichtung des öffentlichen Gottesdienstes bestimmet sind, und die Gesellschaft dieser Personen selbst. die gottesdienstliche Gesellschaft, die Gesellschaft derjenigen Personen, welche Gott auf einerley äußere Art dienen. In engerer Bedeutung ist gottesdienstlich bey einigen so viel als religiös, d. i. Fertigkeit besitzend, die zur Gemeinschaft mit Gott gehörigen Übungen auf das genaueste abzuwarten, und in dieser Fertigkeit gegründet; welche Fertigkeit daher auch wohl die Gottesdienstlichkeit genannt wird.


Gottesfrieden (W3) [Adelung]


+ Der Gottesfrieden, des -s, plur. inus. ein nunmehr veraltetes Wort, wodurch man ehedem die feyerlich verordnete Un- verletzlichkeit alles zum öffentlichen Gottesdienste gewidmeter Personen und Sachen andeutete. S. Frieden


Gottesfurcht (W3) [Adelung]


Die Gottesfurcht, plur. car. die Furcht vor Gott, doch nur in engerm Verstande, die Gesinnung, und in noch engerer Bedeutung, die Fertigkeit, um Gottes willen alles zu vermeiden, was demselben mißfällig ist, da es denn zuweilen den Umfang aller Pflichten gegen Gott ausdruckt. Es ist keine Gottesfurcht an diesem Orte, 1 Mos. 20, 11. Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heucheley sey, Sir. 1, 34.


Gottesfürchtig (W3) [Adelung]


Gottesfürchtig, -er, -ste, adj. et adv. Gottesfurcht besitzend, in derselben gegründet. ein gottesfürchtiger Mensch, oder ein Gottesfürchtiger. Gottesfürchtige Gesinnungen. Ein gottesfürchtiges Betragen. Bey dem Ottfried goleforaht, im Tatian gotforht.


Gottesfürchtigkeit (W3) [Adelung]


Die Gottesfürchtigkeit, plur. inus. die Gottesfurcht als eine Fertigkeit betrachtet; ein größten Theils veraltetes Wort, wofür Gottesfurcht üblicher ist.


Gottesgebärerinn (W3) [Adelung]


Die Gottesgebärerinn, plur. car. ein nur in der Römischen Kirche übliches Wort, die Jungfrau Maria, als Mutter des Gottmenschen Christi zu bezeichnen.


Gottesgeld (W3) [Adelung]


+ Das Gottesgeld, des -es, plur. inus. außer von mehrern Summen, die -er, S. Gottesgroschen.


Gottesgelehrsamkeit (W3) [Adelung]


Die Gottesgelehrsamkeit, plur. car. die gesammte Lehre von Gott, seinen Eigenschaften und Werken, ingleichen subjective die Kenntniß oder Wissenschaft dieser Lehre; die Theologie, nach einer veralteten Form noch bey einigen die Gottesgelahrtheit oder Gottesgelehrtheit, im Oberd. die Gottheit. Die natürliche Gottesgelehrsamkeit, Theologia naturalis, so fern sie aus natürlich bekannten Wahrheiten hergeleitet wird; zum Unterschiede von der geoffenbarten, oder der Lehre von der Vereinigung der Menschen mit Gott aus der nähern Offenbarung, welche die Gottesgelehrsamkeit im engsten Verstande genannt wird. Sich der Gottesgelehrsamkeit widmen. Viel Gottesgelehrsamkeit besitzen.


Gottesgelehrt (W3) [Adelung]


Gottesgelehrt, adj. welches in Gestalt eines Hauptwortes am üblichsten, der Gottesgelehrte, des -n, plur. die -n, dessen vornehmste und eigentliche Wissenschaft die Gottesgelehrsamkeit ist; mit einem Griechischen Ausdrucke, ein Theologe. In engerer Bedeutung, der eine wissenschaftliche Kenntniß von den geoffenbarten Wahrheiten hat, und seines Berufes wegen dazu verbunden ist.


Gottesgroschen (W3) [Adelung]


Der Gottesgroschen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, das Handgeld, welches auf einen Vertrag gegeben wird, weil es den Armen zu Gute kommt; das Gottesgeld, der Gottespfennig, im mittlern Lat. Denarius Dei. S. Angeld. An manchen Orten wird um eben dieser Ursache willen auch das Miethgeld des Gesindes mit diesem Nahmen beleget.


Gotteshaus (W3) [Adelung]


Das Gotteshaus, des -es, plur. die -häuser, eine im Hochdeutschen nur noch im gemeinen Leben übliche Benennung einer Kirche, eines dem Dienste Gottes zunächst gewidmeten Hauses; in welchem Verstande in der Deutschen Bibel auch der Tempel zu Jerusalem mehrmahls diesen Nahmen führet. Im Oberdeutschen werden auch die Klöster Gotteshäuser genannt. Daher in der Schweiz so wohl als Niedersachsen Klosterunterthanen noch häufig Gottesleute genannt werden, so wie in den Graubünden derjenige Bund, oder näher verbundene Bezirk, in welchem das Bisthum Chur lieget, der Gotteshausbund heißt. Bey dem Ottfried Goteshus.


Gotteskasten (W3) [Adelung]


Der Gotteskasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten oder Behältnis, worein dasjenige Geld geleget wird, welches zum Behuf des öffentlichen Gottesdienstes und der dazu gehörigen Personen und Gebäude gewidmet ist; an einigen Orten die Gotteslade. Ingleichen der ganze Vorrath dieses Geldes nebst den darüber gesetzten Personen.


Gotteskuh (W3) [Adelung]


Die Gotteskuh, plur. die -kühe, im gemeinen Leben einiger Gegenden, eine eiserne Kuh, welche auf einem gewissen Gute haftet, und zum Gebrauche der Kirche oder Kirchendiener bestimmt ist.


Gotteslästerer (W3) [Adelung]


Der Gotteslästerer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gotteslästerinn, plur. die -en, eine Person welche Gott lästert, d. i. Gott wissentlich grobe Unvollkommenheiten beyleget, welche seiner allgemein bekannten Natur zuwider sind; bey dem Notker Kegotscelto, Griech. und Lat. Blasphemus.


Gotteslästerlich (W3) [Adelung]


Gotteslästerlich, -er, -ste, adj. et adv. einer Gotteslästerung gleich, ähnlich, in derselben gegründet. Gotteslästerliche Reden führen.


Gotteslästern (W3) [Adelung]


Das Gotteslästern, des -s, plur. car. ein nur noch zuweilen im gemeinen Leben übliches Wort, die Handlung zu bezeichnen, da man Gott lästert. Gotteslästern hat überhand genommen, Hos. 4, 2.


Gotteslästerung (W3) [Adelung]


Die Gotteslästerung, plur. die -en, eine Rede, wodurch man Gott grobe Unvollkommenheiten beylegt, welche seiner allgemein bekannten Natur zuwider sind; Griech. und Lat. Blasphemia. Gotteslästerungen ausstoßen. In Carls V. Halsgerichtsordn. heißt Gotteslästerung: "so einer Gott zumißt, das Gott nicht bequem ist, oder mit seinem Worten Gott, das ihm zustehet, abschneidet." Im Tatian kommt dafür Bismarunga vor.


Gottesläugner (W3) [Adelung]


Der Gottesläugner, des -s, plur. ut nom. sing. Fäm. die Gottesläugnerinn, plur. die -en, eine Person, welche die Wirklichkeit oder das Daseyn Gottes läugnet; nach dem Griech. ein Atheist, welches einige sehr unschicklich durch Ohngötter übersetzet haben.


Gottesläugnung (W3) [Adelung]


Die Gottesläugnung, plur. inus. die Läugnung der Wirklichkeit Gottes, die Atheisterey, und mit einem sehr schlecht gewählten Ausdrucke, die Ohngötterey.


Gotteslehen (W3) [Adelung]


Das Gotteslehen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein geistliches Lehen, oder Kirchenlehen, welches gottesdienstlichen Personen zustehet.


Gotteslohn (W3) [Adelung]


Der Gotteslohn, des -es, plur. car. der Lohn, oder die Belohnung einer guten Handlung von Gott, im gemeinen Leben, und am häufigsten ohne Artikel. Einem Gotteslohn wünschen. Gotteslohn! oder Gotzlohn! die gewöhnliche Formel dieser Anwünschung. Einen Gotteslohn verdienen, d. i. diesen Wunsch, einen Dank. Wer einem seine Wohlthaten auf den Fingern vorzurechnen weiß, sucht etwas mehr als das bloße Gotteslohn!


Gottespfennig (W3) [Adelung]


Der Gottespfennig, des -es, plur. die -e, S. Gottesgroschen.


Gottespferd (W3) [Adelung]


Das Gottespferd, des -es, plur. die -e, ein Insect, S. Heupferd.


Gottesurtheil (W3) [Adelung]


Das Gottesurtheil, des -es, plur. die -e, eine ehedem übliche Art der gerichtlichen Beweise, da die Offenbarung der Schuld oder Unschuld unmittelbar von Gott erwartet wurde; im mittl. Lat. Ordalium. Dahin denn auch der Zweykampf gerechnet wurde, vornehmlich aber die Feuerprobe, oder die Probe des glühenden Eisens, die Wasserprobe u. s. f.


Gottesverächter (W3) [Adelung]


Der Gottesverächter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gottesverächterinn, plur. die -en, eine Person, welche Gott vorsetzlich verachtet. Verleumder, Gottesverächter, Frevler, Röm. 1, 30. Für das Hauptwort die Gottesverachtung, welches Sir. 19, 21 vorkommt, ist die Verachtung Gottes üblicher.


Gottesvergessen (W3) [Adelung]


Gottesvergessen, im gemeinen Leben auch gottvergessen, adj. et adv. der Wohlthaten Gottes, seiner Abhängigkeit von Gott uneingedenk, und in dieser Gesinnung gegründet. Ein gottvergessener Mensch. Ein gottvergessenes Betragen. Gottvergessen handeln. Das Mittelwort der vergangenen Zeit stehet hier für das Mittelwort der gegenwärtigen, der Gottes vergessen hat, wie in ehrvergessen, pflichtvergessen u. s. f.


Gottesvergessenheit (W3) [Adelung]


Die Gottesvergessenheit, im gemeinen Leben Gottesvergessenheit, plur. car. derjenige Zustand des Gemüthes, da man seinen Pflichten gegen Gott uneingedenk ist, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit dieser Vergessenheit.


Gottfried (W3) [Adelung]


Gottfried, Gottfrieds, ein eigenthümlicher Mannsnahme Deutschen Ursprunges, der Frieden mit Gott hat, mit Gott versöhnet ist; im Nieders. Götje, Latein. Godofredus, Gothofredus.


Gottheil (W3) [Adelung]


Das Gottheil, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme einer Pflanze, S. Brunelle 1.


Gottheit (W3) [Adelung]


Die Gottheit, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum, das göttliche Wesen, die göttliche Natur; ohne Plural. In den Götzen ist keine Gottheit, Bar. 6, 50. Gottes unsichtbares Wesen, das ist, seine ewige Kraft und Gottheit, Röm. 1, 20. Die Gottheit Christi, des heiligen Geistes. 2) In der edlen Schreibart, Gott selbst, so wohl von dem einigen wahren Gott, ohne Plural, als auch von erdichteten und vorgegebenen Göttern. Die Werke der Natur sind Abdrücke der Gottheit, Gell. Der Mystiker, der sich in gedankenlosen Entzückungen mit der Gottheit auf das genaueste verbunden glaubt, Zimmermann. Heidnische Gottheiten.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker Koteheiti, Gotheit, im Schwabenspiegel Gothait, dagegen Kero dafür Cotohundii, Isidors Übersetzer Gotnissa und Ottfried Gotniss haben. Im Dänischen und Schwedischen ist dafür Guddom üblich. Im Oberdeutschen gebraucht man die Gottheit zuweilen auch für Gottesgelehrsamkeit, welches aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.


Göttinn (W3) [Adelung]


Die Göttinn, plur. die -en, ein Gott weiblichen Geschlechtes, eine weibliche Gottheit, doch nur von den erdichteten oder dichterischen Gottheiten. Die Göttin Diana. Ich sah, glückseliges Berlin, Die Göttin deines Stroms - Mit ihren Schwänen ziehn, Raml.


Göttlich (W3) [Adelung]


Göttlich, adj. et adv. Gott, oder einem Gotte ähnlich, gleich, von demselben herrührend, in dessen Wesen gegründet. Das göttliche Wesen. Die göttliche Majestät, die Majestät Gottes. Der göttliche Segen, der göttliche Wille, das göttliche Gesetz. Die göttliche Natur Christi, dessen dem göttlichen Wesen gleiche Natur. Ein göttlicher Eifer, ein Eifer um Gottes willen und den Pflichten gegen Gott gemäß. Einen göttlichen Ursprung haben, von Gott. Ein göttlicher Wandel, 2 Petr. 1, 3, der nach den Eigenschaften und dem Verhalten Gottes eingerichtet ist. Göttlich gesinnet seyn. Eine göttliche Einsicht, welche auf das Zeugniß Gottes gegründet ist. Der große Gedanke, Gott regieret - die Schicksale der Menschen - ist göttliche Beruhigung des Herzens in Unfällen und Leiden, Gell. Der göttliche Adel unserer Seele ebend. Ein großer Mißbrauch ist es, wenn dieses Wort von einigen, besonders witzigen Schriftstellern für vortrefflich, in einem hohen Grade vorzüglich, gebraucht wird, da man denn oft von einem göttlichen Verstande, von einem göttlichen Gedanken, ja wohl gar von einer göttlichen Schönheit hören muß. Im Isidor gotliih, bey dem Notker gotelich, bey dem Kero aber cotohundiu.


Göttlichkeit (W3) [Adelung]


Die Göttlichkeit, plur. car. 1) Das göttliche Wesen, die göttliche Natur, die Gottheit; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Ehret seine Göttlichkeit, Weil ihr selber göttlich seyd, Opitz. 2) Der göttliche Ursprung. Die Göttlichkeit der Offenbarung, der heiligen Schrift. Die Göttlichkeit einer Weißagung. Die Göttlichkeit der Sendung Mosis. Bey dem Notker ist Guotlichi die Herrlichkeit, Majestät Gottes. In einem alten Vocabulario von 1482 wird Göttlichkeit auch für Andacht, und göttlich für andächtig gebraucht. Das ungewöhnliche Zeitwort göttlichen für vergöttern, kommt bey dem Kaisersberg vor.


Gottlos (W3) [Adelung]


Gottlos, -er, -este, adj. et adv. los von Gott. 1) Von der Verbindlichkeit gegen Gott befreyet, oder doch bemühet, sich von der Verbindlichkeit gegen Gott los zu machen, und in dieser Gesinnung gegründet; in welcher weitern Bedeutung alle unbekehrte Menschen in der Deutschen Bibel und biblischen Schreibart gottlose Menschen oder Gottlose genannt werden. 2) Außer der biblischen Schreibart gebraucht man dieses Wort in engerm Verstande, für in hohem Grade lasterhaft, und in dieser Beschaffenheit gegründet. Ein gottloser Mensch. Eine gottlose That. Ein gottloses Leben führen. Gottlos handeln. Im Scherze ist es im gemeinen Leben auch zuweilen für leichtfertig, muthwillig üblich. 3) In der engsten Bedeutung ist ein Gottloser zuweilen ein Gottesläugner, ein Atheist, und gottlos in dieser Denkungsart gegründet. Eine gottlose Lehre, welche zur Gottesläugnung führet. In welcher letzten Bedeutung schon Notker kuotelos gebraucht, so wie das Holländ. godloos atheistisch, und das Isländ. Gudleysi die Gottesläugnung bedeuten.


Gottlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Gottlosigkeit, plur. die -en, von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1. Als ein Abstractum, und ohne Plural. 1) Im weitesten Verstande, der unbekehrte Zustand eines Menschen; wo es aber doch am seltensten ist. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, wird es von demjenigen Zustande gebraucht, wo ein Mensch vorsetzlich bemühet ist, sich von der Verbindlichkeit gegen Gott los zu machen; im Gegensatze der Gottseligkeit. 2) In noch engerer Bedeutung, der Zustand herrschender grober Laster. 3) In der engsten, die Gottesläugnung, Atheisterey. Lehren, welche zur Gottlosigkeit führen. 2. Als ein Concretum, gottlose Handlungen, besonders in der zweyten Bedeutung des Beywortes. Allerley Gottlosigkeiten begehen.


Gottmensch (W3) [Adelung]


Der Gottmensch, des -en, plur. inus. in der Theologie, eine Benennung Christi, die in ihm zu Einer Person vereinigte göttliche und menschliche Natur zu bezeichnen; Griech. $.


Gottschalk (W3) [Adelung]


Gottschalk, Gen. Gottschalks, ein Deutscher männlicher Vornahme, welcher einen Knecht oder Diener Gottes bedeutet; im Longobard. Geodiscalc. S. Schalk.


Gottselig (W3) [Adelung]


Gottselig, -er, -ste, adj. et adv. bemühet, oder Fertigkeit besitzend, Gott zum Grunde seines ganzen Verhaltens zu gebrauchen, alle seine Handlungen zu Gottes Ehre einzurichten, und in dieser Gesinnung gegründet; im Gegensatze des gottlos. Gottselig leben. Ein gottseliger Mensch. Ein gottseliger Wandel. Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, Tim. 6, 6. Im Nieders. gotthillig. Daß die letzte Hälfte hier nicht das Beywort selig, beatus, sondern die Ableitungssylbe - selig ist, wird bey diesem Worte gezeiget werden. Gottselig ist daher ungefähr so viel wie göttlich, so fern es den göttlichen Eigenschaften, dem göttlichen Verhalten gemäß bedeutet.


Gottseligkeit (W3) [Adelung]


Die Gottseligkeit, plur. car. die Bemühung, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, Gott zum Grunde seines ganzen Verhalten zu gebrauchen, alle seine Handlungen zu Gottes Ehre einzurichten; im Gegensatze der Gottlosigkeit.


Gottvergeß (W3) [Adelung]


Das Gottvergeß, des -sses, plur. inus. ein Nahme, unter welchem in einigen Gegenden der Andorn, Marrubium L. bekannt ist.


Gottvergessen (W3) [Adelung]


Gottvergessen, S. Gottesvergessen.


Götze (W3) [Adelung]


Der Götze, des -n, plur. die -n, 1) Eine erdichtete Gottheit, in welcher jetzt ungewöhnlicher Bedeutung es einige Mahl in der Deutschen Bibel vorzukommen scheinet. 2) Das körperliche Bild einer solchen erdichteten Gottheit, und in engerer Bedeutung, ein solches durch die Kunst verfertigtes körperliches Bild; mit einem glimpflichern Ausdrucke ein Abgott, Idolum. Rahel stahl ihres Vaters Götzen, 1 Mos. 31, 19. Jener Götzen sind Silber und Gold, von Menschen Händen gemacht, Pf. 115, 4. Die Götzen der Lappländer sind unförmliche Steine. 3) Figürlich, aber nur im verächtlichen Verstande, ein jeder Gegenstand einer übertriebenen Verehrung oder Hochschätzung. Ich bin seit einer Stunde darüber her, diesen Götzen meines Herzens zu zerstören.

Anm. In den ältern Oberdeutschen Schriften findet sich dieses Wort nicht. Es scheinet ein Diminutivum von Gott zu seyn, woraus denn der verächtliche Nebenbegriff, der demselben anklebet, begreiflich wird. Im mittlern Lat. kommt Deunculus gleichfalls von einem Götzen vor. Die Isländische Sprache hat darin etwas besonders, daß sie den wahren Gott im männlichen Geschlechte Gud, einen erdichteten Gott aber und dessen körperliches Bild, im ungewissen God, Godit, nennet. Indessen stehet es noch dahin, ob unser Deutsches Götze auch wirklich von Gott abstammet, und nicht vielmehr von gießen, im Alemannischen ehedem giozan, oder auch von dem veralteten gesten, bilden, wovon Frisch aus dem Pictorius das veraltete entgesten, entstellen, anführet; so daß Götze eigentlich ein jedes körperliches Bild, ein gegossenes oder geschnitztes Bild, und in engerm Verstande ein solches Bild eines Gottes bezeichnen würde. S. Öhlgötz. Im Schwed. bedeutet Gott, und im Isländ. Gjätt, eine Pfoste.


Götzenbild (W3) [Adelung]


Das Götzenbild, des -es, plur. die -er. 1) Ein Götze, in der zweyten Bedeutung; zum Unterschiede von Götze, so fern es ehedem auch die erdichtete Gottheit selbst bedeutete. 2) Das Bild, die Abbildung eines Götzen, in der zweyten Bedeutung, so fern sie bloß zur historischen Kenntniß, und nicht zur Verehrung dienet.


Götzendiener (W3) [Adelung]


Der Götzendiener, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Götzendienerinn, plur. die -en, im verächtlichen Verstande, eine Person, welche körperlichen Bildern erdichteter Gottheiten göttliche Ehre erweiset.


Götzendienst (W3) [Adelung]


Der Götzendienst, des -es, plur. inus. die göttliche Verehrung, welche körperlichen Bildern erdichteter Gottheiten erwiesen wird.


Götzenhaus (W3) [Adelung]


Das Götzenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein öffentliches Haus, in welchem ein oder mehrere Götzen verehret werden; der Götzentempel, wenn es ein Tempel ist. Jerem. 43, 13 kommt das ungewöhnliche Götzenkirche in diesem Verstande vor.


Götzenholz (W3) [Adelung]


Das Götzenholz, des -es, plur. car. in einigen Gegenden, eine Benennung der Weißpappel, Populus alba L. welche ein weiches, leicht zu bearbeitendes Holz hat, und an andern Orten auch Heiligenholz genannt wird; vermuthlich von dem Gebrauche, den man ehemahls davon gemacht, Götzen und Heilige daraus zu schnitzen.


Götzenopfer (W3) [Adelung]


Das Götzenopfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Opfer, welches den Götzen gebracht wird.


Götzenpfaff (W3) [Adelung]


Der Götzenpfaff, des -en, plur. die -en, eine verächtliche Benennung eines Götzenpriesters, oder Priesters körperlicher Bilder erdichteter Gottheiten.


Götzentempel (W3) [Adelung]


Der Götzentempel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Götzenhaus.


Grab (W3) [Adelung]


Das Grab, des -es, plur. die Gräber, von dem Verbo graben. 1. Eigentlich, eine in der Erde gegrabene oder verfertigte Öffnung; doch nur so fern zur Beerdigung eines Verstorbenen bestimmt ist. Ein Grab machen. Ein gewölbtes, ein ausgemauertes Grab. Eine Leiche in das Grab senken, legen. Den Verstorbenen zu Grabe tragen. Mit der Leiche zu Grabe gehen, d. i. sie zur Beerdigung begleiten. Schon den einen Fuß im Grabe haben, wahrscheinlicher Weise bald sterben müssen, auf der Grube gehen. Eine Meinung, einen Argwohn, eine Wunde u. s. f. mit in das Grab, oder mit in die Grube nehmen, sie bis an seinem Tod an sich haben. Wir wollen nicht reden, ich will so stille seyn, wie das Grab. Ingleichen der Ort, wo ein Verstorbener begraben liegt, besonders so fern er von außen durch eine Erhöhung, oder auf andere Art kenntlich ist. Unter den Gräbern herum gehen. Aus dem Grabe auferstehen. Ein prächtiges Grab. S. Gruft und Grube. 2. Figürlich. 1) Der Tod, der Zustand des Todes. Einem bis in das Grab getreu, ergeben verbleiben. Besonders in der höhern Schreibart. Eine Freundschaft, die sich über das Grab hinaus bis in die grenzenlose Ewigkeit mit ihren Vortheilen verbreitet, Gell. In der Finsterniß des Grabes (nach dem Tode) leuchten die Verdienste weit heller, als wenn das Licht des Lebens sie verdunkelt, Weiße. 2) Das Ende, der Untergang, in einigen Fällen, in der edlen Schreibart. Die Vertraulichkeit ist das Grab der Sitten und der Freundschaft. Ihre Aufrichtigkeit wird nie das Grab der Hochachtung, weil sie durch Bescheidenheit gemäßiget wird, Gell. Anm. Bey dem Ottfried Grap, im Plural Grebir, bey dem Notker Grab, Crab, im Tatian im Plural so wohl Grebu als Grebir, im Nieders. Graf, im Angels. Graefe, im Dän. Grav, im Böhm. Hrob, im Pohln. Grob, im mittlern Lat. Fossa. S. Graben.


Grabbeln (W3) [Adelung]


* Grabbeln, verb. reg. act. welches nur in den niedrigen Sprecharten üblich, und das Iterativum von greifen ist, oft hin und her greifen, oft begreifen. Nieders. grabbeln, Engl. to grabble. S. Kriebeln.


Grabegesellschaft (W3) [Adelung]


Die Grabegesellschaft, plur. die -en, eine Gesellschaft, d. i. Anzahl mehrere verbundener Personen, welche zum Begräbnisse eines ihrer Mitglieder eine festgesetzte Summe steuern.


Grabeisen (W3) [Adelung]


Das Grabeisen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) S. Grabscheit. 2) S. Grabstichel.


Grabekelle (W3) [Adelung]


Die Grabekelle, plur. die -n, im Gartenbaue, eine Kelle wie eine Mäurerkelle, behuthsam damit zu graben oder etwas auszugraben.


Grabeland (W3) [Adelung]


Das Grabeland, des -es, plur. die -länder, ein Stück Landes, welches umgegraben worden, oder umgegraben werden soll; zum Unterschiede desjenigen Landes, welches gepflüget wird.


Graben (W3) [Adelung]


Der Graben, des -s, plur. die Gräben, eine jede in die Erde gegrabene Öffnung von beträchtlicher Länge, besonders so fern sie zur Ableitung oder zum Aufenthalte des Wassers bestimmt ist, sie sey übrigens tief und breit oder nicht; ob man gleich Grä- ben von beträchtlicher Breite und Tiefe am liebsten Canäle nennet. Einen Graben machen, ziehen, aufwerfen, im Nieders. einen Graben schießen. Ein trockner Graben, im Gegensatze eines Wassergrabens. Einen Graben um eine Stadt führen, eine Stadt mit einem Graben umgeben. Einen Graben räumen, von dem Schlamme und andern Unrathe reinigten. Die Gräben ausfüllen. S. auch Stadtgraben, Landgraben, Laufgraben, Kunstgraben, Schießgraben, Schlitzgraben u. s. f.

Anm. In vielen besondern Fällen bekommen die Gräben nach Maßgebung der Absicht, wozu sie bestimmt sind, besondere Benennungen. Ein Graben auf dem Acker zur Ableitung des Wassers heißt in Niedersachsen Waterlöse, Gete, Loop, Riehe, Riege, (welches mit dem Lat. Rivus überein kommt,) Rille, ( S. Riolen,) Schlot, Dobbe, Schluchter, welches aber auch einen Haufen bedeutet, eine Wieke, ein Deep oder Tiefe u. s. f. Im Hochdeutschen eine Abzucht, im Oberdeutschen auch eine Dohle, ein Feldgang, im Bergbaue eine Rösche. Derjenige graben, worein die Fächser geleget werden, heißet im Weinbaue ein Wendegraben oder Gewand, an andern Orten ein Rottgraben. Diejenigen Gräben am Ende der Weinberge, welche das abschießende Wasser, auffangen, werden in Franken Schläge, Gräben aber, welche das Wasser aus den Weinbergen ableiten, Klingen genannt, dagegen in Thüringen Klingen breite aber nicht tiefe Gräben zur Erzeugung der Brunnenkresse sind. Ein aus einem Flusse geleiteter Canal heißt im Osnabrückischen eine Utspieke. In andern Fällen bekommen die Gräben nach Maßgebung ihrer Breite und Tiefe besondere Nahmen. Wetter ist in Niedersachsen ein tiefer Graben, Graft, Holländ. Gracht, ein großer Graben, ein Canal. Eine kleine Rinne zur Ableitung des Wassers von ein bis zwey Fuß tief und weit, heißt im Bremischen und Hannöverischen eine Grüppe, Angels. Gruepe, dagegen sie, wenn sie über zwey Fuß tief und weit ist, erst ein Graben genannt wird; so wie an andern Orten Niedersachsens ein geringer Wassergraben ein Klemmschlot ist. Übrigens bedeutet das Wort Graben im Osnabrückischen auch einen durch Graben aufgeworfenen Damm, so wie Deich so wohl ein ausgegrabenes Wasserbehältniß, als einen aufgeworfenen Damm, Schluchter so wohl einen Haufen, als einen Graben, und das mittlere Lat. Fossa und Fovea so wohl einen aufgeworfenen Erdhaufen, als einen Canal bedeuten.


Graben (W3) [Adelung]


Graben, verb. irreg. act. ich grabe, du gräbst, er gräbt; Imperf. ich grub; Mittelw. gegraben; Imperat. grabe. 1. Mit einem härtern Werkzeuge Figuren in Metall, Stein u. s. f. durch Vertiefung bringen. 1) Eigentlich. Eine Schrift in einen Felsen, in Marmor graben. Eines Nahmen in Erz, in Metall graben, ein Wappen in Gold, ein Petschaft in Stein graben; wofür doch stechen üblicher ist, so daß graben in dieser ganzen Bedeutung in der höhern und dichterischen Schreibart noch am häufigsten gebraucht wird. Und sollt zween Onychsteine nehmen, und darauf graben die Nahmen der Kinder Israel, 2 Mos. 28, 9. Gott habe sie (die Gesetztafeln) selbst gemacht, und selber die Schrift darein gegraben Kap. 32, 16. S. Grabstichel. 2) Figürlich. die Empfindungen der Männer dringen langsamer ein und graben sich tiefer, Gell. 2. Besonders auf ähnliche Art Höhlungen in die Erde machen; S. Grabscheit. Mit dem Finger, mit dem Grabscheite in die Erde graben. Tief in die Erde graben. Durch einen Berg graben. Nach Wasser graben. Ingleichen durch Graben hervor bringen. Eine Grube graben. Einem eine Grube graben, figürlich, ihm einen Unfall vorbereiten. Einen Brunnen, einen Keller, einen Canal graben. Einen Grund graben, den Raum dazu in die Erde graben. Ingleichen figürlich, für ausgraben, durch Graben aus der Erde dringen. Kräuter, Wurzeln graben. Lehm, Torf, Steinkohlen u. s. f. graben. Schätze graben. Im gemeinen Leben auch mehrmahls für umgraben. Im Garten graben lassen, d. i. die Erde umgraben lassen, um sie zum Säen oder Pflanzen der Gewächse locker zu machen. Graben mag ich nicht, Luc. 16, 3. Das Hauptwort die Grabung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.

Anm. Schon bey dem Ulphilas graban, bey dem Ottfried und Notker graben, im Nieders. graven, im Dän. grave, im Schwed. grafwa, im Wallis. crafa, alles in beyden Bedeutungen dieses Wortes, besonders in der ersten, in welcher auch das Franz. graver üblich ist. Da die älteste Art des Schreibens darin bestand, daß man die verlangten Züge in einen festen Körper grub, so bedeutet $ im Griech. und to grave im Engl. auch schreiben, woraus durch Vorsetzung des Zischlautes das Lat. scribere und unser schreiben geworden. Graben selbst gehöret zu dem Geschlechte des Zeitwortes reiben, von welchem es durch die Vorsetzung des ge oder g gebildet worden. S. Grübeln, Grube und Gruft. Übrigens ist für graben in der zweyten Bedeutung im Nieders. auch gruppen; welches das Intensivum davon ist, ingleichen spitten und sloten üblich.


Grabenfüller (W3) [Adelung]


Der Grabenfüller, des -s, plur. ut nom. sing. im Scherze, schlechte untaugliche Soldaten, welche man beym Sturmlaufen zuerst aufopfert, um durch ihre Körper den Festungsgraben auszufüllen; im verächtlichen Verstande auch wohl ein jeder gemeiner Soldat.


Grabensteiger (W3) [Adelung]


Der Grabensteiger, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Steiger, welcher die Aufsicht über einen Flöß- oder Kunstgraben führet.


Gräber (W3) [Adelung]


Der Gräber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gräberinn, plur. die -en, eine Person, welche gräbt, oder aus dem Graben in der zweyten Bedeutung ihre vornehmste Beschäftigung macht. Gräber im Garten halten. In den Torständern ist der Gräber derjenige Arbeiter, welcher den Torf aus der Erde gräbt; zum Unterschiede von dem Stecher, der ihn nach der Länge und Breite absticht. S. auch Brunnengräber, Schanzgräber, Schatzgräber, Todtengräber, Torfgräber u. s. f. Figürlich nennt man eine Art Käfer, welcher den todten Mäusen und andern Thieren unter der Erde nachgräbt, und seine Eyer darein legt, Silpha vespillo L. den Gräber. Von andern wird er der Aaskäfer genannt.


Grabhügel (W3) [Adelung]


Der Grabhügel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hügel, so fern er über ein Grab errichtet, oder das Zeichen eines Grabes ist, dergleichen Hügel noch hin und wieder aus den Zeiten vor Einführung des Christenthumes angetroffen, und im gemeinen Leben Riesenbetten, Huhnenbetten, Hühnergräber, und in einigen Gegenden Sachsens Kielberge, Pilberge und Drülberge genannt werden. S. diese Wörter.


Grabkraut (W3) [Adelung]


Das Grabkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, der Wermuth, weil er gern auf den Gräbern wächset.


Grablied (W3) [Adelung]


Das Grablied, des -es, plur. die -er, ein Lied, welches bey dem Grabe, d. i. Begräbnisse einer Person gesungen wird; wofür doch Begräbnißlied und Leichengesang üblicher sind.


Grabmeißel (W3) [Adelung]


Der Grabmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Grabstichel.


Grabschaukel (W3) [Adelung]


Die Grabschaukel, plur. die -n, im Gartenbaue, eine flach ausgehöhlte eiserne Schaufel, die Gänge damit gleich zu machen und zu reinigen, die Löcher zu den Bäumen damit auszugraben oder auszuschaufeln u. s. f.


Grabscheit,Grabescheit (W3) [Adelung]


Das Grabscheit, oder Grabescheit, des -es, plur. die -e, ein mit Eisen beschlagenes, vorne scharfes, zuweilen auch spitziges Werkzeug, damit in die Erde zu graben, oder die Erde damit umzugraben; im Oberdeutschen ein Grabeisen, und wenn es vorne spitzig ist, ein Grabstichel, in Niedersachsen, wenn es vorne breit ist, ein Escher, Asker, Ascher, und wenn es spitzig ist, ein Spaten, eine Spade. S. Spaten und Scheit.


Grabschicht (W3) [Adelung]


Die Grabschicht, plur. die -en, in den Marschländern, die Schicht, d. i. das Aufhören von der Arbeit, welche den Arbeitern an einem Deiche wegen eines Begräbnisses verstattet wird.


Grabschrift (W3) [Adelung]


Die Grabschrift, plur. die -en, eine Schrift, welche zum Andenken eines Verstorbenen auf dessen Grab oder Grabmahl gesetzet wird.


Grabstätte (W3) [Adelung]


Die Grabstätte, plur. die -n, die Stelle eines Grabes, oder eines begrabenen Verstorbenen; ingleichen die Stätte oder Stelle, welche zu einem Grabe bestimmt ist. Im Tatian Grabasteti.


Grabstein (W3) [Adelung]


Der Grabstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, mit welchem ein Grab bedecket wird; der Leichenstein.


Grabstichel (W3) [Adelung]


Der Grabstichel, des -s, plur. ut nom. sing. ein stählerner Griffel der Kupferstecher und anderer Metallarbeiter, erhabene oder vertiefte Figuren damit in Metall zu graben oder zu stechen; der Stichel, das Grabeisen, der Grabmeißel. S. Stichel.


Grabtuch (W3) [Adelung]


Das Grabtuch, des -es, plur. die -tücher, die Bekleidung, womit man ehedem die Leichen zu umwickeln pflegte; ein jetzt mit der Sache selbst veraltetes Wort, welches noch Isch. 11, 14 vorkommt.


Grabzeichen (W3) [Adelung]


+ Das Grabzeichen, des -s, plur. ut nom. sing. das Zeichen oder Denkmahl eines Grabes; ein gleichfalls ungewöhnliches Wort. Grabzeichen aufrichten, Jer. 31, 11. S. Grabmahl.


Grachel (W3) [Adelung]


Die Grachel, plur. die -n, in einigen Gegenden, die langen zerbrechlichen Spitzen oder Stacheln an den Getreideähren, welche in andern Gegenden Agen, in Niedersachsen aber Acheln heißen. S. Agen und Granne. Daher wird dasjenige Wasser-Insect, welches zwey ähnliche Stacheln auf dem Kopfe hat, und auch der Haferwurm heißt, in der Lausitz und andern Gegenden Grachelwurm genannt. S. Haferwurm.


Grad (W3) [Adelung]


1. Der Grad, die Schärfe. S. Grath.


Grad (W3) [Adelung]


2. Der Grad, des -es, plur. die -e. 1. Eigentlich, ein Schritt, ingleichen die Staffel oder Stufe einer Treppe; in welchen Bedeutungen es im Hochdeutschen veraltet ist, außer daß an einigen Orten, z. B. zu Mainz und Erfurt, die steinernen Treppen, welche nach den Domkirchen führen, noch die Grade, und die Plätze vor demselben vor den Graden genannt werden. 1. Figürlich. 1) In der Mathematik, der 36ste Theil eines jeden Zirkels, welcher wieder in 60 Minuten, so wie diese in 60 Secunden, getheilet wird. Daher in der Geographie, der 50ste Grad der Länge, der 50ste Theil des Äquators von dem ersten Meridian an; der 40ste Grad der Breite, oder der Polhöhe, der 40ste Theil eines eingebildeten Zirkels, der durch die Pole und den Scheitelpunkt eines Ortes gehet, von dem Äquator an gerechnet. In dieser Bedeutung lautet der Plural, wie so viele andere Wörter, welche ein Maß, Gewicht u. s. f. bezeichnen, wenn ein Zahlwort dabey ist, nur Grad, nicht Grade; sechs Grad. 2) In der Genealogie, die Entfernung von gemeinschaftlichen Ältern der Abstammung nach. In gleichem Grade mit einander verwandt seyn, der Abstammung nach gleich weit von den gemeinschaftlichen Ältern entfernet seyn, dergleichen von Geschwistern, ersten, andern und dritten Geschwisterkindern Statt findet; in ungleichem Grade mit einander verwandt seyn, wenn der eine Theil dem gemeinschaftlichen Stamme näher ist, als der andere, wohin die Verwandtschaft mit dem Vatersbruder, Mutterbruder u. s. f. gehöret. Geschwister sind, nach dem canonischen Rechte, im ersten Grade verwandt, oder machen den ersten Grad aus; nach dem bürgerlichen Römischen Rechte sind sie im zweyten Grade verwandt. Ehedem war dafür im Deutschen das Wort Sippzahl und im Nieders. Magtale üblich, die Grade der Verwandtschaft zu bezeichnen, von Sippe und Mage, Verwandtschaft. 3) In noch weiterm Verstande, die Einschränkung der Beschaffenheit, ihrer innern Stärke nach, die Größe der Beschaffenheit, quantitas, qualitatis. Die Grade des Feuers, in der Chymie. Der Grad der Hitze, der Kälte, der Luftschwere. S. Gradleiter. Seine Zärtlichkeit nimmt bereits nach dem Grade ab, nach welchem die meinige zunimmt. Sein Zögern mißfällt mir im höchsten Grade. Die besondern Umstände einer Gesellschaft bestimmen die Art und den Grad besonderer Pflichten, Gell. Ich kenne die Grade der Standhaftigkeit ihres Geschlechtes auf das genaueste. Er ist in sehr hohem Grade strafbar. Das bekümmert mich im äußersten Grade. In einigen Fällen kann dafür Stufe und Staffel gebraucht werden, S. diese Wörter; aber in den meisten ist im Hochdeutschen Grad nur allein üblich, dagegen die Oberdeutschen ihr Staffel weit häufiger anwenden.

Anm. In den drey figürlichen Bedeutungen ist es unstreitig aus dem Lat. Gradus entlehnet. Allein, was die erste eigentliche betrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, daß es ein altes Deutsches Wort ist, welches zu dem noch im Oberdeutschen üblichen graden, graten, gehöret, woraus vermittelst der Vorsetzung des Zischlautes unser schreiten entstanden ist, S. dieses Wort, und welches mit dem Latein. gradi aus Einer Quelle herstammet. Von graden, graten, schreiten, hat man in den gemeinen Sprecharten das Intensivum grätschen, mit ausgesperrten Beinen gehen, und dessen Diminut. grätscheln, S. diese Wörter.


Gradation (W3) [Adelung]


Die Gradation, plur. die -en, S. Steigerung.


Gradbogen (W3) [Adelung]


Der Gradbogen, des -s, plur. ut nom. sing. ein in Grade, d. i. 360 Theile eines Zirkels, eingetheilter Bogen. Dergleichen ist der Gradbogen, vermittelst dessen die Seeleute die Polhöhe messen, und welcher auch der Jacobs-Stab genannt wird; ingleichen der Gradbogen oder der körperliche Halbzirkel der Markscheider, die Grade der Neigung der Sohle zu finden; die Hängewage.


Gradbuch (W3) [Adelung]


Das Gradbuch, des -es, plur. die -bücher; in der Seefahrt, ein Buch, worin die Seekarten, die Aussichten der Küsten u. s. f. befindlich sind; weil die Bestimmung der Grade der Länge und Breite das wichtigste Stück solcher Karten und Zeichnungen ist.


Gradir-Dach (W3) [Adelung]


Das Gradir-Dach, des -es, plur. die -Dächer, in den Salzwerken, das Dach desjenigen Gebäudes, in welchem die Gradir-Pfanne stehet.


Gradiren (W3) [Adelung]


Gradiren, verb. reg. act. welches vermittelst der Latein. Endung -iren, vermuthlich aus dem Worte Grad gebildet, oder auch aus dem mittlern Latein. graduare verderbt worden, zu einem höhern Grade der Güte bringen; besonders in folgenden Fällen. 1) Bey den Goldarbeitern, dem Golde durch Sieden in einem gewissen Wasser eine höhere Farbe geben. S. Gradirwasser. Noch häufiger aber, 2) in den Salzwerken, der Salzsohle durch Abdampfung des Wassers mehr Consistenz und Gehalt ertheilen. Daher die Gradirung.


Gradir-Faß (W3) [Adelung]


Das Gradir-Faß, des -sses, plur. die -Fässer, eben daselbst, diejenigen Fässer, in welche die Sohle vermittelst der Gradir-Röhren geleitet wird.


Gradir-Haus (W3) [Adelung]


Das Gradir-Haus, des -es, plur. die -Häuser, eben daselbst, dasjenige Gebäude, in welchen die Sohle gradiret wird.


Gradir-Herd (W3) [Adelung]


Der Gradir-Herd, des -es, plur. die -e, eben daselbst, der Herd unter der Gradir-Pfanne.


Gradir-Pfanne (W3) [Adelung]


Die Gradir-Pfanne, plur. die -n, eben daselbst, diejenige Pfanne, worin die Sohle durch die Wärme gradiret, d. i. durch Abdampfung des unnützen Wassers in einen engern Raum gebracht wird.


Gradir-Röhre (W3) [Adelung]


Die Gradir-Röhre, plur. die -n, eben daselbst, diejenigen Röhren, durch welche die Sohle in die Gradir-Pfanne und aus derselben geleitetet wird.


Gradir-Wage (W3) [Adelung]


Die Gradir-Wage, plur. die -n, ein Werkzeug, durch dessen Einsenkung in einen flüssigen Körper dessen eigenthümliche Schwere zu bestimmen; die Sohlwage, Salzspindel, so fern sie zur Bestimmung des Gehaltes der Salzsohle gebraucht wird.


Gradir-Wasser (W3) [Adelung]


Das Gradir-Wasser, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. ein mit verschiedenen Salzen versetztes Wasser, worin die Goldarbeiter das Gold sieden, um demselben eine höhere Farbe zu geben.


Gradir-Werk (W3) [Adelung]


Das Gradir-Werk, des -es, plur. die -e, in den Salzwerken, diejenige Anstalt, in welcher die Sohle gradiret wird, besonders so fern solches durch Verwandlung der Sohle in Tropsen geschiehet, wobey vieles Wasser abdampfet, welches an einigen Orten ein Leckwerk genannt wird. Ingleichen das Gebäude, in welchem solches geschiehet.


Gradleiter (W3) [Adelung]


Die Gradleiter, plur. die -n, eine in Grade getheilte gerade Linie, die Grade der Veränderung eines andern Körpers darnach zu bestimmen, Lat. Scala. Dahin besonders die Gradleitern an den Wettergläsern gehören.


Gradsparren (W3) [Adelung]


Der Gradsparren, S. Grathsparren.


Gradual,Gradal (W3) [Adelung]


Das Gradual, oder Gradal, des -es, plur. die -e, aus dem mittlern Lat. Graduale oder Gradale, in der Römischen Kirche, ein Buch, worin die so genannten versus graduales, d. i. diejenigen Gesänge an Sonn- und Festtagen enthalten sind, auf welche das Chor in gewissen Absätzen antwortet.


Gradweise (W3) [Adelung]


Gradweise, adv. von Grad zu Grade, d. i. nach und nach, nicht auf ein Mahl.


Graf (W3) [Adelung]


Der Graf, des -en, plur. die -en, Fämin. die Gräfinn, plur. die -en, ein sehr altes Wort, welches, 1) in seinem weitesten Umfange einen Vorgesetzen über ein gewisses Geschäft, besonders aber einen Richter über einen gewissen Bezirk, den Präsidenten eines Gerichtes, im mittlern Lat. Comes, bezeichnet, in welcher Bedeutung es noch in vielen Gegenden Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist. In Cöln ist Graf und Scheffen noch so viel als Richter und Schöppen. In Niedersachsen, wo dieses Wort Grefe lautet, ist es noch in vielen einzelnen Fällen üblich, den Vorgesetzten über ein gewisses Geschäft zu bezeichnen. Daher Deichgraf oder Deichgrefe, der Vorgesetzte oder Richter bey dem Deichbaue, Salzgraf oder Salzgrefe, der Vorgesetzte eines Salzwerkes u. s. f. S. auch die Zusammensetzungen Burggraf, Freygraf, Hausgraf, Hofgraf, Holzgraf, Pfalzgraf, Kügegraf, Zentgraf u. s. f. 2) In engerer und vorzüglicher Bedeutung führete in dem Deutschen Reiche diejenige obrigkeitliche Person den Nahmen eines Grafen, welche einem Gaue vorgesetzet war, und besonders das peinliche Recht in demselben zu sprechen hatte; ein kaiserlicher Landrichter, der in seinem Gaue oder in seiner Grafschaft den Königsbann im Nahmen des Kaisers oder Königes handhabete, und dessen Würde anfänglich nicht erblich war, sondern von der Willkühr des Kö- niges abhing. Als diese Grafen in dem eilften Jahrhunderte diejenige Gaue, in welchen sie die Rechtspflege hatten, erblich und eigenthümlich überkamen, so ward aus diesem bisherigen Amtstitel ein erblicher Ehrentitel, und das Wort Graf bezeichnete nunmehr, 3) einen edlen Herren, welcher in der Würde unmittelbar auf den Herzog oder Fürsten folget; und so fern er seine Grafschaft von dem Kaiser und Reiche zu Lehen trägt, auch ein Reichsgraf genannt wird. Indessen gab es von Alters her auch Arten von Grafen, deren Würde der fürstlichen gleich gehalten wurde, und ihr noch jetzt gleich ist, S. Burggraf, Markgraf, Landgraf, Pfalzgraf; wohin auch die gefürsteten Grafen gehören, dergleichen die ehemahligen Grafen von Tirol und Heuneberg waren. Nunmehr wird aber auch der Ehrentitel eines Grafen so wohl von den Kaisern als auch von Königen oft Personen verliehen, welche keine Grafschaft besitzen, dergleichen von den Kaisern auch mit dem Titel und der Würde eines Reichsgrafen geschiehet.

Anm. Dieses Wort lautet im Fränkischen schon im 9ten Jahrhunderte Gravu, im Angels. Gerefa, im Nieders. Grefe, im Engl. Grave, und zuweilen auch Reve, im Dän. Gräve, im Schwed. Grefwe, im mittlern Lat. Grafio. Es ist wohl nicht leicht ein Wort, dessen Abstammung man mühsamer nachgeforschet hätte, als dieses, und dessen ungeachtet ist doch das Beste, was davon gesaget worden, weiter nichts als Muthmaßung. Diejenigen, welche es von grau abstammen lassen, weil man zu Grafen nur alte erfahrne Männer genommen, werden unter andern auch dadurch widerleget, daß das G zu Anfange des Wortes nicht zum Stamme gehöret, sondern die Vorsylbe ge ist, wie aus dem Angelsächsischen Refa und Engl. Reve erhellet. Spelman leitet es von raffen her, und behauptet, daß die Grafen ursprünglich Einnehmer der königlichen Gefälle gewesen. Wachter glaubt, es habe ehedem Gefera gelautet, und das Latein. Comes ausgedruckt, woraus durch Versetzung der Buchstaben nachmahls Graf geworden. Frisch lässet es von dem alten recan, regieren, abstammen, und glaubt, daß das c nachmahls von den Blaselaut f übergegangen sey. Ihre endlich leitet es von dem alten reffan, refsan, strafen, züchtigen, ab, weil solches die vornehmste Obliegenheit eines Richters ist; anderer Ableitungen zu geschweigen. Wenn man bedenkt, daß dieses Wort überaus alt ist, und bey allen mitternächtigen Völkern angetroffen wird, daher es vermuthlich von ihnen mit aus ihren ersten Wohnsitzen gebracht worden, so wird man gern die Hoffnung aufgeben, dessen Abstammung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erforschen. Auch die heidnischen Letten nannten ihren obersten Priester, der zugleich ihr oberster Richter war, Kriwe, und die zwölf obersten Richter, welche Odin in Scandinavien verordnete, hießen gleichfalls Grewe.


Grafenbank (W3) [Adelung]


Die Grafenbank, plur. die -bänke, auf dem Reichstage zu Regensburg, und bey dem Reichshofrathe, der Sitz der Grafen, oder ihrer Abgeordneten, ingleichen der Ort, wo sie sitzen, und zuweilen auch die sämmtlichen in diesen Collegiis befindlichen Grafen selbst.


Grafenkrone (W3) [Adelung]


Die Grafenkrone, plur. die -n, eine Krone, welche statt der Zinken auf dem obern Rande mit großen runden Perlen versehen ist, und nur noch zuweilen in der Wapenkunst gebraucht wird, die gräflichen Wapen damit zu zieren.


Grafenstand (W3) [Adelung]


Der Grafenstand, des -es, plur. inus. der Stand, d. i. die Würde eines Grafen. In den Grafenstand erhoben werden. Ingleichen als ein Collectivum, die sämmtlichen Grafen eines Landes oder einer Provinz zu bezeichnen.


Grafentag (W3) [Adelung]


Der Grafentag, des -es, plur. die -e, in dem Deutschen Staatsrechte, die Versammlung der sämmtlichen Reichsgrafen, oder doch der Reichsgrafen Eines Kreises.


Gräflich (W3) [Adelung]


Gräflich, adj. et adv. einen Grafen gleich oder ähnlich, demselben gehörig, in dessen Würde gegründet. Die gräfliche Würde. Ein gräfliches Geschlecht. Gräfliche Güter. Der gräfliche Stand. Gräflich leben, wie ein Graf. Ew. gräfliche Excellenz, oder Ew. gräfliche Gnaden, wofür doch Hochgräflich in den meisten Fällen üblicher ist.


Grafschaft (W3) [Adelung]


Die Grafschaft, plur. die -en, das Gebieth, der Bezirk eines Grafen. 1) So fern dieses Wort ehedem einen peinlichen Richter bedeutet, war Grafschaft, im mittlern Lat. Comitia, dessen Gerichtssprengel, Gerichtsbezirk, ingleichen der Ort, wo Gericht - gehalten wurde, schon im 9ten Jahrh. Grafceffi, in welcher nunmehr veralteten Bedeutung es wenig mehr gebraucht wird, wo es 2) nur noch einen gewissen Landesbezirk bezeichnet, der ausdrücklich mit diesem Titel begabet ist, und ursprünglich, als die Grafen noch königliche Richter waren, ihren Gerichtssprengel ausmachte, obgleich in den spätern Zeiten tausend Veränderungen damit weggegangen sind.


Gräll (W3) [Adelung]


Gräll, S. Grell.


Gram (W3) [Adelung]


Gram, adv. welches nur mit den Zeitwörtern seyn und werden gebraucht wird, eine anhaltende mit Widerwillen verbundene Abneigung gegen eine Person oder Sache empfindet, da es denn die dritte Endung der Person erfordert. Es kommt im gemeinen Leben am häufigsten, zuweilen aber auch bey den Dichtern vor. Sit was sie mir iemer mere in ir herzen gram, Reinmar der Alte. Das ich valschen dingen were gram, eben derselbe. Esan ward Jacob gram, 1 Mos 27, 41. Amnon der Thamar, 2 Sam. 13, 14; Absalom dem Amnon, v. 22. Ich bin euren Feyertagen gram und verachte sie, Amos 5, 21. Ich bin den Lügen gram, ich suche keinen "Zwist", Haged.

Anm. Im Dän. und Schwed. gram, im Isländ. gram, gramur, im Angels. grame, im Pers. garm, in welchen Sprachen es auch zuweilen für zornig, erzürnet, gebraucht wird, welches vermuthlich auch die erste Bedeutung des Deutschen gram ist, so daß es zunächst zu dem Geschlechte des Wortes Grimm gehöret, S. dasselbe. Bey dem Notker ist Gremezi der Zorn.


Gram (W3) [Adelung]


Der Gram, des -es, plur. car. 1) + Eine anhaltende mit Widerwillen oder Unwillen verbundene Abneigung gegen eine Person oder Sache, ein geringerer Grad des Grimmes; in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Du bist mir verwandelt zu einem Grausamen, und zeiget deinen Gram an mir mit der Stärke deiner Hand, Hiob 30, 21. Wenn Freunde einander feind werden, so bleibet der Gram bis in den Tod, Sir. 37, 2. S. das vorige und Grämen 1. 2) Ein höherer Grad der anhaltenden Betrübniß über ein Übel. Ihr Auge verräth seit einiger Zeit einen heimlichen Gram. Seinem Grame nachhängen. Von dem Grame verzehret werden. Sieh wie der Gram um dich ihn zerfoltert, Weiße.

Anm. In beyden Bedeutungen drucket es freylich zwey sehr verschiedene Leidenschaften aus; allein bey der ersten Armuth der Sprache war es nichts ungewöhnliches, zwey verschiedene Dinge, wenn sie nur in einem dritten oft zufälligen Umstande mit einander überein kamen, mit einerley Nahmen zu belegen. Die Entstellung der Gesichtszüge scheinet hier dieser dritte Umstand zu seyn. S. Grämlich, Griesgrammen. In den Monseeischen Glossen ist gremiz traurig. Bey dem Opitz kommt auch das im Hochdeutschen unbekannte Gramschaft, für Zorn, vor: Und hättet ihr gleich Gott zur Gramschaft schon bewogen. An einem andern Orte: Und reizt dich deine Braut zur Gramschaft gar zu viel. S. Grimm und Harm.


Gramatelle (W3) [Adelung]


Die Gramatelle, plur. die -n, in einigen besonders Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme der kleinen vielfüßigen Krebse ohne Scheren, welche auch Garnelen genannt werden, siehe dieses Wort.


Grämeln (W3) [Adelung]


Grämeln, verb. reg. neutr. mit haben, leichten Unwillen äußern, in der vertraulichen Sprechart. Über etwas grämeln, Mös. S. Grämlich.


Grämen (W3) [Adelung]


Grämen, verb. reg. act. 1) + Zum Zorne reitzen, Schwedisch grämja; ein im Hochdeutschen unbekannter Gebrauch. Er gremet dinen namen, Notk. Die got crement an iro sundon, ebend. 2) Gram, d. i. einen höhern Grad der anhaltenden Betrübniß empfinden, als ein Reciprocum. Sich über etwas oder um etwas grämen. Sich zu Tode grämen. Weinet nicht über die Todten, und grämet euch nicht darum, Jer. 22, 10. Als ein Activum, Gram verursachen, ist es im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnlich. Das ist gleich, das mich lang hat grembt, H. Sachs. So wie der Infinitiv, als ein Hauptwort gebraucht, das Grämen, für der Gram, ungeachtet jenes noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt. S. Härmen und Gram.


Grämisch (W3) [Adelung]


Grämisch, adj. et adv. S. das folgende.


Grämlich (W3) [Adelung]


Grämlich, -er, -ste, adj. et adv. anhaltend mürrisch, üble Laune habend, und solche im äußern an den Tag legend, besonders durch entstellte Gesichtszüge; ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, wofür in den niedrigen Sprecharten auch grämisch, im Oberdeutschen aber grämig und gramhaft üblich ist. Ein grämliches Gesicht, ein mürrisches Gesicht, welches seinen Verdruß durch Mienen und Geberden verräth. Meine grämische Stiefmutter schläft jetzt noch, weiße. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter kommt gramelig in härterer Bedeutung für grimmig vor. Im Anhältischen ist Allgram ein Murrkopf. In Franken hat man auch das Hauptwort Granerey, mürrische Gemüthsfassung, üble Laune zu bezeichnen, wohin auch das Österreichische grantig für grämlich gehöret. S. Greinen.


Grämling (W3) [Adelung]


Der Grämling, des -es, plur. die -e, in der vertraulichen Sprechart, eine grämliche, d. i. mürrische, immer verdrießliche und ihren Verdruß verrathende Person, von beyden Geschlechtern.


Gramlos (W3) [Adelung]


Gramlos, er, -ste, adj. et adv. keinen Gram habend, harmlos. Ein gramloses, freudiges Gesicht. So auch die Gramlosigkeit.


Grammatik (W3) [Adelung]


Die Grammatik, plur. die -en, aus dem Griech. und Lat. Grammatica, die Kunst, eine Sprache richtig zu reden und zu schreiben, ohne Plural; die Sprachkunst. Ingleichen ein Buch, welches diese Kunst lehret. Daher grammatisch, adj. et adv. zur Sprachkunst gehörig, in derselben gegründet, wofür man lange das seltsam verlängerte grammaticalisch gebraucht hat; ingleichen ein Grammaticus, oder ein Grammatiker, der diese Kunst verstehet, seine vornehmste Beschäftigung daraus macht, wofür einige Sprachkünstler, andere aber Sprachgelehrter einführen wollen, ungeachtet dieses letztere auch eine Person bezeichnet, welche mehrere Sprachen verstehet. Im Niedersächsischen ist Grammatjen Volk zänkischer Pöbel, ohne Zweifel von der zänkischen Eigenschaft der meisten Grammatiker.


Grampel (W3) [Adelung]


Grampel, Grampeln, S. Krämpel, Krämpeln.


Gran (W3) [Adelung]


1. Der Gran, ein Hebezeug, S. Krahn.


Gran (W3) [Adelung]


2. Der Gran, ein Knebelbart, S. Granne.


Gran (W3) [Adelung]


3. Das Gran, des -es, plur. die -e, eine Art eines kleinen Gewichtes, welches besonders in den Apotheken üblich ist, und den 20sten Theil eines Scrupels, oder den 60sten Theil eines Quentleins beträgt; aus dem Lat. Granum, weil man die Schwere eines Gerstenkornes zur ersten Bestimmung dieses Gewichtes annahm. In einigen Gegenden ist es auch männlichen Geschlechtes, der Gran, so wie man in eben diesem Verstande auch im mittlern Lateine Granus für Granum sagte. Wenn dieses Wort ein Zahlwort vor sich hat, so bleibt im Plural, wie bey den andern Wörtern, welche ein Maß, eine Zahl, ein Gewicht u. s. f. bedeuten, das e weg; sechs Gran, nicht sechs Grane. In Neapel ist Grano eine Scheidemünze, welche daselbst 3 $, auf der Insel Sicilien aber nur 1 $ hiesiger Pfennige gilt.


Grän (W3) [Adelung]


Das Grän, des -es, plur. die -e, das vorige Wort, welches aber mehr nach dem Französischen Grain gebildet zu seyn scheinet, und besonders als ein kleines Gewicht des Goldes und Silbers üblich ist. Im Goldgewichte ist es der dritte Theil eines Granes, so daß zwölf Grän ein Karat machen. Bey den Silbermünzen ist es der 24ste Theil eines Pfenniggewichtes. In beyden machen 288 Grän eine Mark. Mit einem Zahlworte gilt im Plural auch hier, was bey dem vorigen bemerket worden.


Granat (W3) [Adelung]


1. Der Granat, eine Art Krebse, S. Garnele.


Granat (W3) [Adelung]


2. Der Granat, des -en, plur. die -en, ein kleiner gemeiniglich dunkelrother vieleckiger, bald mehr bald weniger durchsichtiger Edelstein, der im Feuer schmilzt, und zuweilen auch von gelber, grüner, violetter und schwarzer Farbe gefunden wird. Er hält gemeiniglich Eisen, zufälliger Weise aber zuweilen auch Gold; S. Goldgranat. Aus dem mittlern Lat. Granatus, und dieß von Granum, weil er gemeiniglich in Gestalt kleiner eckiger Körner gefunden wird, oder in dieser Gestalt andern Steinarten einverleibet ist. S. Granatstein. Im Pohlnischen ist Gran, Grania, die Ecke, und graniasty eckig, S. Granne. Bey vielen ist dieses Wort auch weiblichen Geschlechtes, die Granate, plur. die -n.


Granatapfel (W3) [Adelung]


Der Granatapfel, des -s, plur. die -äpfel, die Frucht des Granatenbaumes, welche einem Apfel gleichet, und von einigen auch die Granate, und im Oberd. der Granat genannt wird. Lat. Malum granatum, oder Punicum, entweder von den vielen rothen Keruen, mit welchen diese Frucht angefüllet ist, oder auch von dem Königreiche Granada in Spanien, wo dieser Baum häufig wächset. Im Österreichischen heißt der Granatapfel Margarant, welches Wort aus Malum granatum verderbt ist, und in einer Deutschen Bibel von 1483 vorkommt. S. Granatenbaum.


Granatberg (W3) [Adelung]


Der Granatberg, des -es, plur. die -e, ein aus Granatstein bestehender Berg, dergleichen es in Schweden gibt; S. Granatstein.


Granate (W3) [Adelung]


Die Granate, plur. die -n. 1) Ein Edelstein, S. 2 Granat. 2) Die Frucht des Granatenbaumes, S. Granatapfel. 3) Im Kriegswesen und in der Feuerwerkskunst, eine jede hohle Kugel, welche mit Pulver gefüllet, angezündet, und geworfen wird; in welchem Verstande auch die größten Kugeln dieser Art, welche jetzt Bomben heißen, mit diesem Nahmen beleget wurden, zu Unterschiede von den kleinern Handgranaten, welche aus freyer Hand geworfen werden, und jetzt auch nur schlechthin Granaten heißen. S. Granatier.


Granatenbaum (W3) [Adelung]


Der Granatenbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, welcher in den Morgenländern und den wärmern Gegenden Europens wächset, und dessen Frucht der Granatapfel ist, siehe dieses Wort; Granatapfelbaum, Granatbaum, Punica L.


Granatenblüthe (W3) [Adelung]


Die Granatenblüthe, plur. die -n, die hellrothe Blüthe oder Blume des Granatenbaumes; daher die Granatenblüthfarbe, eine hellrothe Farbe, welche dieser Blüthe gleichet.


Granatenerz (W3) [Adelung]


Das Granatenerz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, dasjenige Erz, worin Granaten brechen, und welches gemeiniglich Eisen, zuweilen aber auch Gold enthält, S. 2 Granat.


Granatenhagel (W3) [Adelung]


Der Granatenhagel, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. im Kriegeswesen und in der Feuerwerkskunst, kleine in eine Patrone zusammen gesetzte Granaten, welche aus Steinstücken geworfen werden, und beym Zerspringen gleichsam in einem Hagel herab fallen.


Granatensand (W3) [Adelung]


Der Granatensand, des -es, plur. inus. kleine Granaten in Gestalt der Sandkörner, S. 2 Granat.


Granatentasche (W3) [Adelung]


Die Granatentasche, plur. die -n, bey den ehemaligen Granatieren, diejenige Tasche, welche sie zum Behuf der Granaten führeten. Die heutigen Französischen Granatiere führen noch jetzt eine solche Tasche außer der Patrontasche.


Granatenwein (W3) [Adelung]


Der Granatenwein, des -es, plur. inus. in den Apotheken, so viel als Quittenwein. S. dasselbe.


Granatier (W3) [Adelung]


Der Granatier, des -s, plur. die -e, aus dem Ital. Granatiere, ein Soldat, welcher Granaten wirft, wozu man gemeiniglich die ältesten und erfahrensten Soldaten zu wählen pflegte. Heut zu Tage ist der Gebrauch der Granaten in den meisten Ländern abgekommen, indessen hat man doch den Nahmen der Granatiere, und zum Theil auch ihre ehemahlige Kleidung beybehalten. Daher die Granatier-Mütze, der Granatier-Hauptmann, die Granatier-Compagnie, das Granatier-Battallion, das Granatier-Corps u. s. f. Bey einigen lautet dieses Wort nach dem Franz. Grenadier auch Granadier und Grenadier.


Granatkugel (W3) [Adelung]


Die Granatkugel, plur. die -n, in der Feuerwerkskunst, ein mit Granaten und Pulver gefüllter und in Pech getauchter Sack, welcher mit einer Brandröhre versehen ist, und aus einem Mörser geworfen wird.


Granatstein (W3) [Adelung]


Der Granatstein, des -es, plur. die -e. 1) Derjenige Edelstein, welcher am häufigsten Granat genannt wird, siehe 2 Granat. 2) Ein Stein, oder eine Steinart, welche Granaten enthält.


Grand (W3) [Adelung]


1. + Der Grand, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, eine Art eines Braugefäßes, welches am häufigsten ein Würztrog genannt wird. Excisum est monumentum, heißt es in den Act. SS. 1. Junii S. 105, in saxea grandea testudinis, ab intus delinitum sive obductum caemento subtili, wo die Herausgeber Grandea durch supremam domus contabulationem erklären.


Grand (W3) [Adelung]


2. Der Grand, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, die gröbste Art des Sandes zu bezeichnen, welcher größten Theils aus kleinen Steinchen bestehet, und auch Kies und Gries genannt wird, Franz. Gravier. Im Bergbaue ist Grand der mit klein gepochtem Quarze vermischte Lehm, womit, wenn gesprenget werden soll, das gebohrte Loch ausgefüllet wird. Im Nieders. hingegen wird die feine Weitzenkleye auch Grand genannt. Anm. Alles von dem noch im Englischen üblichen to grind, mahlen, zerreiben, Schwed. grena, theilen, Griech. $, Isländ. Grein, ein Theil, welche mit dem Latein. Granum und dem Deutschen Korn aus Einer Quelle herstammen. Im Oberdeutschen nennet man den groben Wassersand, und in weiterer Bedeutung oft jeden Sand nur Grien, welches Wort aber auch allerley Bodensatz und Hefen bezeichnet. S. Gries, Graus, Griebe, Gronne, Gränze u. s. f.


Grandenbeere (W3) [Adelung]


Die Grandenbeere, plur. die -n, ein Nahme, welchen an einigen Orten die Preißelsbeeren führen, Vaccinium vitis idaea L. S. Preißelsbeere.


Grandicht (W3) [Adelung]


Grandicht, adj. et adv. dem Grande, groben Sande, ähnlich, kiesicht, griesicht.


Grandig (W3) [Adelung]


1. Grandig, adj. et adv. Grand, groben Sand enthaltend, daraus bestehend, kiesig, griesig; im Oberd. grienig. Ein grandiger Erdboden.


Grandig (W3) [Adelung]


2. * Grandig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist; für groß, heftig, außerordentlich. Es kommt mit dem Latein. grandis sehr deutlich überein, und zeuget von dem ältesten gemeinschaftlichen Ursprunge bey der Sprachen. S. Groß.


Grandmehl (W3) [Adelung]


Das Grandmehl, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, grobes mit Kleye vermischtes Mehl.


Grangel (W3) [Adelung]


Der Grangel, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Hüttenbaue einiger Gegenden, z. B. zu Kupferberg in Schlesien, ein Stück geschmolzenes Kupfer. Etwa auch von dem noch im Isländ. üblichen Grein, ein Theil, ein Stück? S. 2 Grand Anm.


Grängel (W3) [Adelung]


Der Grängel, S. Grengel.


Granit (W3) [Adelung]


Der Granit, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, der Nahme eines vermischten sehr harten mit Flecken versehenen Steines von verschiedenen Farben, aus welchem oft ganze Felsen und Felsengebirge bestehen; besonders des schwarzen mit weißen Flecken. Ohne Zweifel von dem Latein. Granum, wegen der Körner und Flecken, mit welchen er wie der Porphyr durchsetzt ist. Der wilde Granit im Schwarzburgischen ist ein weißes quarzartiges mit vieler Hornblende durchsetztes Gestein. In einigen Gegenden pflegt man auch den Gießstein, der aus Frankreich kommt, und in den Messing-Fabriken gebraucht wird, lockeren Granit zu nennen.


Granitzer (W3) [Adelung]


Der Granitzer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gränzsoldat.


Granne (W3) [Adelung]


Die Granne, plur. die -n, im gemeinen Leben Ober- und Niederdeutschlandes, eine Benennung einer jeden zarten biegsamen Spitze, dergleichen die langen scharfen Spitzen an den Fruchtähren, besonders an den Gerstenähren, welche in andern Gegenden Acheln und Gracheln heißen, ( S. Agen,) die steifen Haare auf dem Rücken der Schweine, die Borsten, ingleichen die steifen Haare, welche die Katzen und andere Thiere an dem Maule haben, die Tangeln oder Nadeln des Tangelholzes u. s. f. sind. Daher das Ital. Granata, ein Kehrbesen, noch mehr aber das im Hochdeutschen veraltete Gran, ein Knebelbart, Nieders. Graan, Graanken, im mittlern Lat. Granus, Greno, Grenno, Crino, Schwed. Gran, das Wallisische Crann, die Augenbraunen, ja das Latein. Crinis, das Haar, selbst.


Grans (W3) [Adelung]


+ Der Grans, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort, das spitzige Ende eines Schiffes zu bezeichnen. Daher der Vordergrans, das Vordertheil des Schiffes, der Hintergrans, das Hintertheil. Ohne Zweifel gleichfalls von dem vorigen Worte, so daß damit zunächst auf die spitzig zulaufende Gestalt gesehen wird.


Granuliren (W3) [Adelung]


Granuliren, verb. reg. act. aus dem Latein. Granulum, in kleine Körner verwandeln, besonders im Hüttenbaue und der Scheidekunst, ein geschmolzenes Metall entweder langsam in kaltes Wasser oder durch einen Besen gießen, um es dadurch in Körner zu verwandeln; körnen.


Gränzbach (W3) [Adelung]


Der Gränzbach, des -es, plur. die -bäche, ein Bach, so fern er die Gränze eines Gebiethes oder eines Bezirkes macht.


Gränzbaum (W3) [Adelung]


Der Gränzbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, so fern er die Gränze eines Eigenthumes oder eines Gebiethes bezeichnet; ein Mahlbaum, Kreuzbaum, Lochbaum, Lachbaum, Lache, Loche, Lachterbaum, Markbaum, Nieders. Reenboom. S. diese Wörter.


Gränzbesichtigung (W3) [Adelung]


Die Gränzbesichtigung, plur. die -en, die feyerliche Besichtigung der Gränzen; die Gränzbeziehung, der Gränzzug, im Oberdeutschen auch der Untergang.


Gränzbereiter (W3) [Adelung]


Der Gränzbereiter, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher zu Verhüthung alles Umterschleifes die Gränzen eines Landes zu bereiten hat.


Gränzbild (W3) [Adelung]


Das Gränzbild, des -es, plur. die -er, bey den ehemahligen Römern, eine menschliche Bildsäule, deren unterster Theil in eine Scheide eingeschlossen zu seyn scheinet, deren man sich ehedem zu Bezeichnung der Gränzen bedienete; Terminus, Deus Terminus, der Gränzgott, so fern es ein Bild einer besondern Gottheit war, welcher die Bewahrung der Gränzen anvertrauet war. Heut zu Tage werden die Gränzbilder und Gränzgötter noch zur Verzierung der Alleen in den Gärten gebraucht.


Gränze (W3) [Adelung]


Die Gränze, plur. die -n. 1. Überhaupt, das Letzte an einem Dinge, dasjenige, wo ein Ding aufhöret, in welchem weitesten Verstande es im Plural am häufigsten ist; die Schranken. So sind in der Naturlehre und Geometrie die Gränzen einer Figur oder eines Körpers diejenigen Puncte, wo sie aufhören. Gott hat dem Meere Gränzen gesetzet, welche es nicht überschreiten kann. Auch figürlich, der Grad, bis zu welchem sich eine Veränderung erstrecket oder erstrecken soll. Ein Ehrgeiz ohne Gränzen. Die Gränzen seiner Gewalt überschreiten. So bald der Gram die von Gott gesetzten Gränzen überschreitet, so bald höret er auf Trauer zu seyn. Seinen Begierden Gränzen setzen. Sich in den Gränzen seiner Pflicht halten. Ich halte mich in meinen Gränzen. Das Vergnügen hat auch seine Gränzen. 2. In engerer Bedeutung, das Ende eines Gebiethes, dasjenige, wo ein Gebieth aufhöret; wo es so wohl im Singular als im Plural gebraucht wird. 1) Eigentlich. So weit gehet die Gränze meines Hauses, meines Feldes. Das ist die Gränze des Dorfes. Die Gränze eines Landes. Jemanden über die Gränze oder über die Gränzen bringen. Die Gränze oder die Gränzen bezeichnen, bemerken. Die Gränzen beziehen, d. i. feyerlich besichtigen. Die Gränzen Deutschlandes. 2) Figürlich. (a) Ein sichtbares Zeichen der Gränze, ein Zeichen, wodurch Landschaften und liegende Gründe von einander abgesondert worden, sie mögen nun natürliche oder künstliche seyn. Der Rhein war ehedem die Gränze von Deutschland gegen Abend, oder dienete Deutschland zur Gränze, machte die Gränze von Deutschland. Gränzen setzen, Gränzsteine oder ähnliche Zeichen. Die Gränzen verrücken. Die Gränzen erweitern, diese Zeichen weiter hinaus setzen. (b) Das innerhalb der Gränzen gelegene Land, im Plural, nach dem Muster des Latein. Fines; eine doch größten Theils veraltete Bedeutung. Und sie suchten eine schöne Dirn in allen Gränzen Israel, 1 Kön. 1, 2.

Anm. Im Oberd. Granitz, Gränitz, im Nieders. Grensinge, im Dän. Grändse, im Schwed. Gräns, im mittlern Lat. Granicies, Grenicia, im Pohln. Granica, im Böhm. Hranice. Es stammet ohne Zweifel entweder von dem noch im Isländ. üblichen Zeitworte greina, absondern, theilen, Griech. $, Grein, die Absonderung, her, S. 2 Grand, oder vermittelst des vorgesetzten Gaumenlautes unmittelbar von Rain, Rand, S. diese Wörter. Wegen der Ungewißheit der Abstammung läßt sich daher auch die Schreibart Grenze vertheidigen. Die Länder Krain und Ukräne haben von diesem sehr alten Worte ihren Nahmen. Übrigens haben die Gränzen der Länder und liegenden Gründe in der verschiedenen Gegenden noch besondere Nahmen. Dahin gehören, der Rain, Ort, die Mark, bey dem Notker Gemerch, das Oberschwäbische Etter, die Gränze einer Flur die Oberdeutschen Leise, Leiste, Loch, Letze, Stoß, die Nieders. Snaat, Schnait, Snede, Swette, das Österreichische Metze, bey dem Ottfried Mez, das Liefländische Peene, welches zu dem Latein. "finis" gehöret, u. a. m.


Gränzen (W3) [Adelung]


Gränzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, mit den Gränzen an etwas stoßen oder reichen. Deutschland gränzet gegen Morgen an Pohlen, oder Pohlen. Caji Acker gränzet an Tullii Wiese, oder mit Tullii Wiese. Ingleichen figürlich. Das Pflanzenreich gränzet an das Steinreich. Dein Kummer gränzet nahe an die Verzweifelung, ist nicht weit von derselben entfernet. War das nicht härter als der Todeskampf, so muß er mit der äußersten Verzweifelung gränzen, Weiße. Das Hauptwort die Gränzung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.


Gränzenlos (W3) [Adelung]


Gränzenlos, -er, -este, adj. et adv. was keine, oder doch keine bekannten Gränzen hat. Die gränzenlose Ewigkeit. Ingleichen die gehörigen Gränzen überschreitend. Ein gränzenloser Kummer. Die gränzenlosen Entwürfe Carls des Zwölften.


Gränzfestung (W3) [Adelung]


Die Gränzfestung, plur. die -en, eine Festung an der Gränze eines Landes; ehedem ein Ortschloß, von Ort, das Ende eines Dinges.


Gränzförster (W3) [Adelung]


Der Gränzförster, des -s, plur. ut nom. sing. ein Förster, welcher an den Gränzen eines großen Forstes wohnet, und die Gränzhölzer zu versehen hat.


Gränzgott (W3) [Adelung]


Der Gränzgott, des -es, plur. die -götter, S. Gränzbild.


Gränzgraben (W3) [Adelung]


Der Gränzgraben, des -s, plur. die -gräben, ein Graben, so fern er die Gränze eines Landes, Gebiethes oder Grundstückes bezeichnet.


Gränzhaufen (W3) [Adelung]


Der Gränzhaufen, des -s, plur. ut nom. sing. ein zur Bezeichnung der Gränze aufgeworfener Haufen von Steinen oder Erde; ein Mahlhaufen.


Gränzhaus (W3) [Adelung]


Das Gränzhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus zur Bewahrung der Gränzen eines Gebiethes. Zuweilen führet auch eine kleine Gränzfestung diesen Nahmen.


Gränzherr (W3) [Adelung]


Der Gränzherr, des -en, plur. die -en, derjenige Herr, welcher die Gränze eines Landes oder Gebiethes besitzet.


Gränzholz (W3) [Adelung]


Das Gränzholz, des -es, plur. die -hölzer, ein Gehölz, welches an der Gränze eines Landes oder Gebiethes lieget.


Gränzhügel (W3) [Adelung]


Der Gränzhügel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hügel, welcher an der Gränze eines Gebiethes lieget, und dieselbe bezeichnet.


Gränzirrung (W3) [Adelung]


Die Gränzirrung, plur. die -en, eine Irrung, d. i. geringer Streit, wegen der Gränzen eines Gebiethes oder Eigenthumes.


Gränzmahl (W3) [Adelung]


Das Gränzmahl, des -es, plur. die -e, oder -mähler, S. Gränzzeichen.


Gränzmesser (W3) [Adelung]


Der Gränzmesser, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, eine vereidete und der Feldmeßkunst kundige Person, welche die Gränzen der Grundstücke in streitigen Fällen ausmisset und bestimmet; ein Gränzscheider, Feldmesser. S. dieses Wort.


Gränznachbar (W3) [Adelung]


Der Gränznachbar, des -s, plur. die -n, derjenige, dessen Grundstück oder Gebieth an das unsrige gränzet.


Gränzpfahl (W3) [Adelung]


Der Gränzpfahl, des -es, plur. die -pfähle, ein Pfahl, so fern er die Gränze eines Gebiethes oder eines Grundstückes bezeichnet; ein Wahlpfahl, Nieders. Reenboom, Snaatpahl, Schneidpfahl.


Gränzrecht,Gränzenrecht (W3) [Adelung]


Das Gränzrecht, oder Gränzenrecht, des -es, plur. inus. das Recht, die Gränzen anderer in streitigen Fällen untersuchen und bestimmen zu lassen.


Gränz-Receß (W3) [Adelung]


Der Gränz-Receß, des -sses, plur. die -sse, ein Receß, worin die Gränzen zweyer Länder oder Gebiethe berichtiget werden; ein Gränzvertrag, Gränzvergleich.


Gränzsäule (W3) [Adelung]


Die Gränzsäule, plur. die -n, eine Säule, so fern sie die Gränzen eines Gebiethes bezeichnet.


Gränzscheider (W3) [Adelung]


Der Gränzscheider, des -s, plur. ut nom. sing. S. Gränzmesser.


Gränzscheidung (W3) [Adelung]


Die Gränzscheidung, plur. die -en. 1) Die Scheidung, d. i. Absonderung, Berichtigung der Gränzen zweyer Gebiethe; ohne Plural. 2) Der Ort, wo sich die Gränzen zweyer Gebiethe scheiden, die Gränze; ingleichen das Zeichen dieser Gränze.


Gränzschütze (W3) [Adelung]


Der Gränzschütze, des -n, plur. die -n, ein Jäger, welchem ein an der Gränze gelegenes Jagdrevier anvertrauet ist.


Gränzsoldat (W3) [Adelung]


Der Gränzsoldat, des -en, plur. die -en, ein besonders in Ungarn übliches Wort, die Soldaten in den Gränzfestungen gegen das Türkische Gebieth zu benennen, welche daselbst auch Gränitzer genannt werden.


Gränzstadt (W3) [Adelung]


Die Gränzstadt, plur. die -städter, eine Stadt, welche an der Gränze eines Landes lieget; ehedem eine Ortstadt.


Gränzstein (W3) [Adelung]


Der Gränzstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, so fern er die Gränze eines Grundstückes oder Gebiethes bezeichnet; ein Mahlstein, Markstein, Mundstein, ehedem auch Wandelstein, im Nieders. Schnaidstein.


Gränzstreit (W3) [Adelung]


Der Gränzstreit, des -es, plur. die -e, oder die Gränzstreitigkeit, plur. die -en, ein Streit oder eine Streitigkeit wegen der Gränzen eines Eigenthumes oder Gebiethes.


Gränzvergleich (W3) [Adelung]


Der Gränzvergleich, des -es, plur. die -e, der Gränzvertrag, des -es, plur. die -träge, S. Gränz-Receß.


Gränzwasser (W3) [Adelung]


Das Gränzwasser, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes Wasser, so fern es die Gränze eines Gebiethes oder Grundstückes ausmacht und bezeichnet.


Gränzweg (W3) [Adelung]


Der Gränzweg, des -es, plur. die -e, ein Weg, so fern er zur Bezeichnung der Gränzen zweyer Gebiethe oder Grundstücke dienet.


Gränzwildbret (W3) [Adelung]


Das Gränzwildbret, des -es, plur. inus. in dem Jagdwesen, dasjenige Wildbret, welches an der Gränze aus eines andern Gebiethe überzutreten pfleget, und weggeschossen wird; Naschwildbret.


Gränzzeichen (W3) [Adelung]


Das Gränzzeichen, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes körperliches Ding, so fern es zur Bezeichnung der Gränzen eines Gebiethes oder Grundstückes dienet; das Gränzmahl.


Gränzzug (W3) [Adelung]


Der Gränzzug, des -es, plur. die -züge, derjenige Zug, welcher zur Besichtigung oder Verrichtung der Gränzen eines Grundstückes oder Dorfes angestellet wird; die Gränzbeziehung.


Gräpel (W3) [Adelung]


Der Gräpel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Bergbaue einiger Gegenden übliches Längenmaß, so weit als man mit dem ausgedehnten Fingern greifen kann; eine Spanne. Acht Gräpel machen ein Lachter. S. Grapsen und Greifen.


Grapen (W3) [Adelung]


Der Grapen, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Niedersächsischen vorzüglich übliches Wort, einen gegossenen eisernen oder metallenen Topf zu bezeichnen. Daher der Grapenbraten, eine Niedersächsische Benennung eines gedämpften Stückes Rindfleisch, Boeuf a la mode; der Grapengießer, ein Handwerker, welcher Grapen gießet; das Grapengut, des -es, plur. inus. das aus Eisen, Zinn und Kupfer vermischte Metall, woraus die Grapen gegossen werden u. s. f.

Anm. Ihre glaubt, es stamme von Graupen her, so wie das Schwed. Gryta, ein Topf, von Grütze, weil Grütze und Graupen die älteste und vornehmste Nahrung der mitternächtigen Völker gewesen. Allein es scheinet vielmehr zu Grab und Graben zu gehören, und ehedem ein jedes vertieftes oder ausgehöhltes Gefäß bedeutet zu haben.


Grapp (W3) [Adelung]


Der Grapp, des -es, (bey einigen die Grappe) plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, das zu einem Teige zermalmte Mark der Färberröthe; zum Unterschiede von der Rothe, welche aus den äußern schlechten Theilen dieser Wurzel bereitet wird. In weiterer Bedeutung wird nicht nur die Wurzel selbst, sondern auch die ganze Pflanze von einigen Grapp genannt. S. Färberröthe.

Anm. Im Nieders. Krapp, im Franz. Grappe. Da dieser Nahme eigentlich dem gemahlnen Kerne der Wurzel zukommt, so scheinet dieses Wort vermittelst des Gaumenbuchstabens von reiben, Franz. rapper, gebildet zu seyn. S. Graupe.


Grapproth (W3) [Adelung]


Grapproth, adj. et adv. der rothen Farbe des Grappes gleich oder ähnlich.


Grapsen (W3) [Adelung]


* Grapsen, verb. reg. act. welches nur in den niedrigen Sprecharten gehöret wird, und das Intensivum von greifen, Nieders. gripen ist, mit ausgespannten Fingern schnell zugreifen, oder an sich raffen. Im Oberdeutschen ist dafür auch grappen, Ital. grappare, üblich. S. Greifen, Raffen, Papsen. Notker gebraucht dafür chripsen.


Gras (W3) [Adelung]


Das Gras, des -es, plur. von mehrern Arten, die Gräser; Diminut. das Gräschen; Oberd. Gräslein. 1. Eine allgemeine Benennung aller derjenigen Gewächse, welche sich durch ihren hohlen gestreiften und mit Gelenken versehenen Stängel, durch ihre langen schmalen, meisten Theils dunkelgrünen Blätter ohne Stiele und durch ihre spelzigen Blumen von allen übrigen Gewächsen unterscheiden, Latein. Gramen; in welcher weitesten Bedeutung auch unsere Getreidearten zu den Gräsern gehören. In engerer und der gewöhnlichsten Bedeutung führen nur die wild wachsenden Arten dieses Geschlechtes, welche dem Viehe zum Futter dienen, diesen nahmen; da denn das Wort im Singular am üblichsten ist, so wohl besondere Arten dieses Geschlechtes, als auch als ein Collectivum, eine unbestimmte Menge dieser Gewächse oder ihrer Blätter zu bezeichnen. Gemeines Gras, Poa pratensis L. womit die meisten auch unfruchtbarsten Gegenden bekleidet sind. Wolliges oder rauhes Gras, Holcus lanatus L. u. s. f. Im Grase weiden. Das Vieh gehet im Grase. Das Dache, der Erdboden ist mit Gras bewachsen. In das Gras gehen, hingehen, Gras abzuschneiden. Sich auf das Gras lagern. Auf weichem Grase liegen. Gras wachsen hören, viele eingebildete Klugheit besitzen. "In das Gras beißen", "sterben", "umkommen", S. Beißen. Es wird ihm bekommen, wie dem Hunde das Grastreffen, d. i. übel, in den niedrigen Sprecharten. Darüber ist längst Gras gewachsen, das ist längst vergessen, im gemeinen Leben. 2. Figürlich. 1) + In einigen Oberdeutschen Gegenden, der bürgerliche Verhaft, das bürgerliche Gefängniß; weil, wie Frisch glaubt, ein Verhafteter daselbst auf Gras, d. i. auf Stroh oder Heu liegen muß. Jemanden mit dem Grase strafen. In das Gras wandern müssen. In Aachen wird das Gefängniß das Graßhaus genannt, wo man um des kurzen a und ß willen beynahe vermuthen sollte, daß das Wort in dieser ganzen Bedeutung von dem folgenden Graß abstamme. 2) + In Ostfrießland ist Gras ein Wiesenmaß von 300 Emder Quadrat-Ruthen; in welcher Bedeutung auch das Lat. Gramen in den Actis SS. t. 7. Jul. S. 164 vorkommt.

Anm. Bey dem Ottfried Gras, bey dem Notker cras, im Nieders. Gras mit einem kurzen a, im Angels. Graes, Gaers im Engl. Grass, im Dän. Gräs, im Schwed. Gräs, im Isländ. Gras, bey dem Ulphilas gleichfalls Gras, im Griech. $. Im Tatian heißt auch das abgehauene und gedörrte Gras, das Heu, auf eine sonst ungewöhnliche Art Grast, und im gemeinen Leben einiger Gegenden wird so wohl ein Rasen, als auch die grüne Saat die Gruse genannt. Die meisten Wortforscher leiten es von dem Angels. growan, Engl. to grow, Schwed. gro, wachsen her, im Latein. ehedem creo, wofür nachmahls cresco üblich geworden, so wie auch Gramen von Germen und germinare abstammen soll. Alsdann müßte es ursprünglich eine allgemeine Benennung aller Pflanzen und Gewächse gewesen seyn. Da s und t in den Mundarten sehr häufig verwechselt werden, und für Gras im Angels. auch Gracat üblich gewesen, so scheinet auch Kraut hierher zu gehören. S. der Rasen.


Grasanger (W3) [Adelung]


Der Grasanger, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit Gras bewachsener Anger. S. Anger.


Grasbank (W3) [Adelung]


Die Grasbank, plur. die -bänke, eine aus Rasen verfertigte, oder mit Gras bewachsene Bank; eine Rasenbank.


Grasblume (W3) [Adelung]


Die Grasblume, plur. die -n, eine in Franken und Oberdeutschland übliche Benennung der Gartennelken; vermuthlich wegen ihrer dem Grase ähnlichen Blätter. Bey andern wird die Statice L. welche in dem mitternächtigen Europa wächset, Grasblume genannt.


Grasbutter (W3) [Adelung]


Die Grasbutter, plur. car. die Maybutter, oder Frühlingsbutter; zum Unterschiede von der Stroh- oder Winterbutter.


Gräseln (W3) [Adelung]


Gräseln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches bey den Jägern üblich und das Diminut. des folgenden Zeitwortes ist. Der Hirsch gräselt, wenn er im Geben das Gras mit den Schalen abschneidet, und es entweder fallen lässet, oder es in die neue Fährte mit eindrucket.


Grasen (W3) [Adelung]


Grasen, verb. reg. neutr. mit haben. 1) Das Gras abfressen, von dem Viehe; im mittlern Lat. graminari. Die Kühe grasen lassen. Im angenehmen Thal, wo frohe Herden grasen, Dusch. Die Jäger gebrauchen es auch von dem Weinen des Hirsches. 2) Das Gras mit der Sichel abschneiden; bey den Schwäbischen Dichtern grassen; im Dänischen grässe. Das Grasen ist nicht überall erlaubt. Grasen gehen, im gemeinen Leben. Hier ist schon gegraset worden. Auch das Schräpfen des Getreides, wenn es zu stark wächset, wird an einigen Orten grasen genannt. S. Schräpfen. Nach etwas grasen, figürlich, in den niedrigen Sprecharten, darnach trachten, es zu erhalten suchen. 3) Eine Kanonenkugel graset, wenn sie matt wird, und den Boden berühret, aber mit verstärkter Kraft wieder aufspringet. Daher die Grasung, so wohl das Grasen, d. i. das Abschneiden des Grases, als auch zuweilen die Viehweide; Dän. Gräsning.


Graser (W3) [Adelung]


Der Graser, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Graserinn, plur. die -en. 1) In der Landwirthschaft, eine Person, welche Gras mit der Sichel abschneidet. S. Grasmagd. 2) Bey den Jägern wird die Zunge des Hirsches der Graser genannt, dagegen sie bey andern der Lecker, ingleichen das Weidemesser heißet.


Gräserey (W3) [Adelung]


Die Gräserey, plur. inus. in der Landwirthschaft. 1) Das Grasen, d. i. das Abhauen des Grases mit der Sichel. Die Gräserey verbiethen, verstatten. Noch mehr, 2) das zum Futter für das Vieh taugliche Gras selbst, und der Boden, worauf es wächset, so fern es mit der Sichel ausgeschnitten werden muß, wodurch es von der Weide, Wiesewachs u. s. f. unterschieden ist. Wiesewachs und Gräserey sind sehr nothwendige Stücke bey einem Landgute. Raine zur Gräserey stehen lassen.


Grasfleck (W3) [Adelung]


Der Grasfleck, des -es, plur. die -e, ein Fleck, d. i. kleines Stück des Erdbodens, welches mit Gras bewachsen ist.


Grasfrosch (W3) [Adelung]


Der Grasfrosch, des -es, plur. die -frösche, eine Benennung des gemeinen Frosches, welcher sich auf der Erde und im Grase aufhält, der Landfrosch, Gartenfrosch; zum Unterschiede von dem Laub- und Wasserfrosche.


Grasgarten (W3) [Adelung]


Der Grasgarten, des -s, plur. die -gärten, ein mit Gras bewachsener Garten, eine umzäunte Wiese mit Gartenrecht.


Grasgrün (W3) [Adelung]


Grasgrün, adj. et adv. der hochgrünen Farbe des gemeinen Grases gleich, wenn es im Frühlinge hervor wächset.


Grashaus (W3) [Adelung]


Das Grashaus, des -es, plur. die -häuser, S. Gras 2. 1).


Grashecht (W3) [Adelung]


Der Grashecht, des -es, plur. die -e, in den Küchen, die kleineste Art Hechte, weil sie gemeiniglich in den Gräben zwischen den Grasländern gefangen werden; Nieders. Grashefed, mit welchem Nahmen daselbst auch im Scherze ein langer hagerer Mensch beleget wird, im Osnabrück. Snook.


Grashirsch (W3) [Adelung]


Der Grashirsch, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein geringer, d. i. magerer, Hirsch.


Grashof (W3) [Adelung]


Der Grashof, des -es, plur. die -höfe, in der Landwirthschaft, ein zur Erzeugung des Grases bestimmter Hof d. i. verwahrter Platz nahe bey einem Hause, wo man das Vieh grasen lässet.


Grashuhn (W3) [Adelung]


Das Grashuhn, des -es, plur. die -hühner. 1) In einigen Gegenden, ein Zinshuhn, welches dem Grundherren eines Holzes oder andern Grasplatzes für den Gebrauch des Grases gegeben wird, und an einigen Orten, z. B. zu Grimma, auch ein Füllhuhn genannt wird. 2) Der Wachtelkönig, der sich gern im Grase aufhält, ist an einigen Orten gleichfalls unter dem Nahmen des Grashuhnes bekannt. S. Grasläufer.


Grashummel (W3) [Adelung]


Die Grashummel, plur. die -n, eine Art raucher, gelbhaariger Hummeln, welche sich auf den Wiesen unter dem Grase aufhält; Apis muscorum L.


Grashüpfer (W3) [Adelung]


Der Grashüpfer, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Benennung der Heuschrecken, besonders der kleinen Art derselben, welche gern im Grase hüpfet; Angels. Gaershopp, Dän. Greshopp, Schwed. Gräshoppa, Engl. Grasshopper. An andern Orten wird er Graspferd, Heupferd, Spranke, von Springen, wie Franz. Sauterelle von sauter, springen, genannt. S. Grille.


Grasicht (W3) [Adelung]


Grasicht, adj. et adv. dem Grase ähnlich. Ein grasichter Geschmack. Im gemeinen Leben grasig, grusig.


Grasisopp (W3) [Adelung]


Der Grasisopp, des -es, plur. inus. eine Benennung des wilden Isoppes.


Grasjunge (W3) [Adelung]


Der Grasjunge, des -n, plur. die -n, ein Knabe auf dem Lande, welcher die Pferde in das Gras treibet, und sie daselbst hüthet.


Graskammer (W3) [Adelung]


Die Graskammer, plur. die -n, in der Landwirthschaft, ein Behältniß zur Verwahrung des abgeschnittenen und für das Vieh bestimmten Grases.


Graskeim (W3) [Adelung]


Der Graskeim, des -es, plur. die -e, derjenige Keim des Getreides, aus welchem der Stängel gebildet wird, zum Unterschiede von dem Wurzelkeime.


Graskeimig (W3) [Adelung]


Graskeimig, adj. et adv. welches von dem Malze gebraucht wird, diejenige fehlerhafte Beschaffenheit desselben auszudrucken, wenn es Graskeime statt der Wurzelkeime treibt, wovon das Bier hernach grasicht schmeckt.


Grasland (W3) [Adelung]


Das Grasland, des -es, plur. die -länder, ein jedes mit Gras bewachsenes, oder zur Erzeugung des Grases bestimmtes Stück Landes.


Grasläufer (W3) [Adelung]


Der Grasläufer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme des Wachtelköniges, weil er sich gern im Grase aufhält, daher er auch Grashuhn genannt wird. S. Wachtelkönig und Grasweher.


Grasleder (W3) [Adelung]


Das Grasleder, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. eine Art des Aftermooses mit langen haarförmigen Fäden, welches einer Seidenwatte gleicht, gemeiniglich die Teiche und stehenden Wasser bedecket, und auch Krötengerippe genannt wird; Conserva L.


Gräslein (W3) [Adelung]


Das Gräslein, ein Vogel, S. Gräßlein.


Graslinde (W3) [Adelung]


Die Graslinde, plur. die -n, eine Benennung der gemeinen großblätterigen Linde, welche auch Wasserlinde genannt wird; Tilia Europaea L. Vermuthlich weil sie in Grasländern gut fortkommet, zum Unterschiede von der Steinlinde, welche einen steinigen Boden liebt.


Gräsling (W3) [Adelung]


Der Gräsling, des -es, plur. die -e. 1) Im Weinbaue der Nahme eines Fächsers, d. i. eines zur Fortpflanzung bestimmten Rebens, so lange er nur noch ein Jahr alt ist. Ist er zwey Jahr alt, so wird er erst ein Fächser genannt. Vermuthlich wegen seiner Ähnlichkeit mit der Grase, besonders der Farbe nach. 2) Ein Fisch. S. Gräßling.


Grasmagd (W3) [Adelung]


Die Grasmagd, im gemeinen Leben Grasemagd, plur. die -mägde, in der Landwirthschaft, eine Magd, welche das für die Kühe in den Ställen nöthige Gras mit der Sichel abhauet, und nach Hause trägt.


Grasmetze (W3) [Adelung]


Die Grasmetze, plur. die -n, ein Nahme einer Art langer Wasserfliegen mit steif stehenden nutzförmigen Flügeln; Libellula L. welche auch Jungfer, Wassernymphe genannt wird.


Grasmücke (W3) [Adelung]


Die Grasmücke, plur. die -n, eine Art kleiner meisten Theils aschgrauer Sangvögel, welche den Mücken und Fliegen im Grase nachstellen, und daher von einigen auch Fliegenstecher genannt werden; die Baumnachtigall, Luscinia altera Klein. Motacilla L. wohin in weiterer Bedeutung auch die Nachtigallen gehören. Bey dem Apherdian heißt die Grasmücke Grasmuß, so wir im Oberdeutschen mehrere kleine Vögel Musch, Muschel, (Musca,) genannt werden. S. Mücke.


Grasnelke (W3) [Adelung]


Die Grasnelke, plur. die -n, S. Nelke.


Graspappel (W3) [Adelung]


Die Graspappel, plur. inus. eine Benennung der so genannten Gänsepappel, oder Hasenpappel, Malva rotundifolia L. vermuthlich weil sie unter dem Grase an den Wegen und Straßen wächset.


Graspferd (W3) [Adelung]


Das Graspferd, des -es, plur. die -e, S. Grashüpfer.


Graspilz (W3) [Adelung]


Der Graspilz, des -es, plur. die -e, ein grasgrünes Pilz, welcher nicht ohne Schaden gegessen werden kann; Geißpilz, Hasenpilz. S. Birkenpilz.


Grasplatz (W3) [Adelung]


Der Grasplatz, des -es, plur. die -plätze, ein mit Gras bewachsener, oder zur Erzeugung des Grases bestimmter Platz.


Grasreich (W3) [Adelung]


Grasreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Gras, d. i. mit vielen Grase bewachsen. Die Herden brüllen ihre Freude von den grasreichen Hügeln, Geßn.


Grasschmiele (W3) [Adelung]


Die Grasschmiele, plur. die -n, S. Schmiele.


Grasschnecke (W3) [Adelung]


Die Grasschnecke, plur. die -n, die graue nackte Erdschnecke, welche auch Wiesenschnecke genannt wird.


Grasschnepfe (W3) [Adelung]


Die Grasschnepfe, plur. die -n, S. Feldschnepfe.


Grassense (W3) [Adelung]


Die Grassense, plur. die -n, in der Landwirthschaft, eine Sense, welche zur Abhauung des Grases bestimmt ist.


Grassichel (W3) [Adelung]


Die Grassichel, plur. die -n, eine dergleichen Sichel.


Grasspecht (W3) [Adelung]


Der Grasspecht, des -es, plur. die -e, an einigen Orten, der Grünspecht, Picus viridis Klein. Picus varius minor L. wegen seiner Ähnlichkeit mit der Farbe des Grases.


Grassperling (W3) [Adelung]


Der Grassperling, des -es, plur. die -e, ein Vogel, welcher zu dem Brustwenzel, nach andern aber zu den Grasmücken gehöret, von aschgrauer oder dunkelbrauner Farbe ist, und eine schwarze Platte auf dem Kopfe hat, daher er auch Mönch und Schwarzkopf genannt wird; Sylvia atricapilla Klein. Einige nennen ihn Grasspatz.


Grasstab (W3) [Adelung]


Der Grasstab, des -es, plur. inus. an einigen Orten, z. B. zu Görar im Stifte Corvey, eine Benennung des Feldgerichtes, welches in Feldschäden, Gränzsachen u. s. f. erkennet. S. Stab.


Grasstoppel (W3) [Adelung]


Die Grasstoppel, plur. die -n, die Stoppeln von dem abgeschnittenen Grase.


Grastuch (W3) [Adelung]


Das Grastuch, des -es, plur. die -tücher, in der Landwirthschaft, ein Tuch von grober Leinwand, worin das abgehauene Gras nach Hause getragen wird.


Grasung (W3) [Adelung]


Die Grasung, plur. inus. S. Grasen.


Graswebe (W3) [Adelung]


Die Graswebe, plur. die -n, im gemeinen Leben, eine Benennung der Sommerfäden, S. Marienfaden.


Grasweher (W3) [Adelung]


Der Grasweher, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Grasläufer oder Wachtelkönige, welche wegen ihrer schwarzen Farbe in Preußen der schwarze Casper genannt wird.


Graswitwe (W3) [Adelung]


Die Graswitwe, plur. die -n, im Niedersächsischen, eine scherzhafte Benennung einer geschwächten Weibesperson. Siehe Strohwitwe.


Graszeichen (W3) [Adelung]


Das Graszeichen, des -s, plur. ut nom. sing. in der Landwirthschaft, Zeichen, welche denjenigen Personen, welche die Gräserey im Felde oder Holze von der Grundherrschaft gemiethet haben, gegeben werden.


Graß (W3) [Adelung]


* Graß, -sser, -sseste, adj. et adv. welches nur in den niedrigen Sprecharten einiger Gegenden für fürchterlich, abscheulich, gräulich, schrecklich, und in weiterer Bedeutung zur Bezeichnung eines jeden hohen und übertriebenen Grades, üblich ist. Ein grasser Mensch, ein fürchterlicher, abscheulicher Mensch. Ein grasser (fürchterlicher) Bart. Das ist graß anzusehen. Das war zu graß, zu grob. Das grasse Feldgeschrey und Lermen der Soldaten, Besser.

Anm. Schon bey dem Ottfried bedeutet grazzo sehr. Minnot thie grazzo, liebet sie sehr. Ther uuizzod gibiutit grazza, das Gesetz gebiethet ernstlich. Es gehöret ohne Zweifel zu dem Geschlechte der Wörter groß, crassus, grauen, Graus u. s. f. S. Gräßlich, welches unmittelbar davon abstammet.


Graßhaus (W3) [Adelung]


Das Graßhaus, des -es, plur. die -häuser, zu Aachen eine Benennung des Gefängnisses, S. Gras 2.


Gräßlein (W3) [Adelung]


Das Gräßlein, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Häuflinge, mit rother Brust und rothem Bauche, einem hellrothen Kopfe und einem kleinen schwarzen Barte an der Kehle, daher er auch Schwarzbärtchen genannt wird; Linaria rubra minor Klein. Weil er nicht singt, sondern nur zwitschert, so heißt er im gemeinen Leben auch Zitscherlein, in Preußen Tschetzke, dagegen ihn andere Grässerlein und Meerzeisig nennen.


Gräßlich (W3) [Adelung]


"Gräßlich", -er, -ste, adj. et adv. ekelhaft fürchterlich, ekelhaft schrecklich, bey dessen Anblick oder Vorstellung man ein Grausen empfindet, dergleichen z. B. eine grausame Hinrichtung ist. Ein gräßlicher Anblick. Ein gräßlicher (abscheulicher) Mensch.

Anm. Bey dem Notker "griusig", im Angels. "grislic", im Nieders. "grislik", im Engl. "grisly", im Dän. "grässelig", im Schwed. "gräselig", im Böhm. "hrozne". Es stammet unmittelbar von "graß" her, und sollte eigentlich "ein wenig graß", "dem was graß ist ähnlich", bedeuten. Allein die Figuren verändern die Bedeutungen, in den Wörtern auf "-lich" gar sehr. Siehe "Graue"n, "Graus", "Grausen", welche nahe damit verwandt sind.


Gräßling (W3) [Adelung]


Der Gräßling, des -es, plur. die -e, eine im Oberdeutschen übliche Benennung des Gründlinges, Cyprinus Gobio L. der daselbst auch der Kreß, oder der Kressen, der Kreßling, die Bachkresse, der Gräsig u. s. f. genannt wird; vielleicht wegen seines grassen, d. i. dicken Kopfes. Im mittlern Lat. heißt er Gracius. S. Gründling. In der Schweiz wird die Asche, Thymallus L. so lange sie noch ein Jahr alt ist, gleichfalls Gräßling, Greßling, und Kreßling genannt, weil der große Haufe sie in diesem Alter von den Gründlingen nicht unterscheiden kann. S. Asche.


Gräten (W3) [Adelung]


Gräten, S. Grätschen.


Grath (W3) [Adelung]


Der Grath, des -es, plur. die -e, ein im gemeinen Leben Ober- und Niederdeutschlandes übliches Wort, die oberste in die Länge gehende Schärfe eines Dinges, oft auch nur die Spitze eines Dinges zu bezeichnen, dergleichen z. B. der Obertheil des Rückens an dem Rindviehe, magern Pferden u. s. f. ist, siehe Rückgrath. Im Forstwesen werden die Späne, kleinen Äste u. s. f. welche bey dem Fällen oder Bearbeiten des Holzes abgehen, der Afterschlag, von einigen die Grathe oder Gräthe genannt. Frischlin nennet den obersten Balken im Dache den Grath, vermuthlich weil er die oberste Schärfe des Daches bilden hilft. Im Oberdeutschen, besonders in der Schweiz, heißt der oberste Rücken eines Berges oder Gebirges der Grath oder Grad; siehe Graththier. Eben diesen nahmen führet bey den Tischlern die Schärfe an den Einschiebeleisten, S. Grathhobel, bey den Eisenarbeitern, der oberste scharfe Rand eines bearbeiteten Stückes Eisen, im gemeinen Leben, die falsche Schärfe an schneidenden Werkzeugen, welche sich beym Schleifen an der Schneide umlegt, auf dem Wetzsteine abgewetzet wird, u. s. f.

Anm. Es scheinet mit dem Lat. Radius aus einer und eben derselben gemeinschaftlichen Quelle herzustammen, da denn das Anfangs G von hauchenden Mundarten, wie in hundert andern Fällen, nur zufälliger Weise voran gesetzet worden. S. Riß, Ritzen, Reißen. Das alte Schwedische Grad, ein Schwert, welches Ihre nicht zu erklären weiß, scheinet gleichfalls hierher zu gehören. S. das folgende.


Gräthe (W3) [Adelung]


Die Gräthe, plur. die -n, das vorige Wort, nur in einem andern Geschlechte, welches im Hochdeutschen statt des vorigen in verschiedenen Fällen üblich ist. So wird der scharfe obere Theil der Nase von einigen die Gräthe genannt. In der Anatomie führen diesen Nahmen die spitzigen Fortsätze der Wirbelbeine, welche eigentlich den Rückgrath ausmachen, ingleichen der oben hervor ragende Theil des Achselbeines, wie auch der vordere scharfe Theil des Schienbeines, so wie im Festungsbaue die Zusammenstoßung der Abdachung des Glacis auch die Gräthe heißet; in welchen sämmtlichen Fällen auch der Grath üblich ist. Besonders führen im Hochdeutschen den Nahmen der Gräthen die elastischen harten und vorn spitzigen Theile an den Fischen, welche in Ansehung der Härte zwischen Knochen und Knorpeln in der Mitte stehen, und bey allen Fischarten, welche durch die Lunge, sondern durch die Kiemen Luft schöpfen, die Stelle der erstern vertreten. Die Fische haben Gräthen. An einer Gräthe ersticken. Figürlich wird auch ein flaches Geschwür an den Hinterfüßen der Pferde, welches die hintern Sehnen, so wie die Mauke die vordern, angreift, und ein klebriges stinkendes Wasser von sich gibt, die Gräthe genannt, Franz. Arete oder les Aretes, weil die Haare über der Sehne wie Gräthen aufgebürstet stehen, daher dieser Zufall von einigen auch der Katzenschwanz genannt wird.

Anm. Im Nieders. so fern die Gräthen der Fische bezeichnet werden, Grade, und mit einer in dieser Mundart nicht seltenen Ausstoßung des d, Gran, S. Granne; im Franz. mit Verwandelung des Gaumenlautes Arete.


Gratheisen (W3) [Adelung]


Das Gratheisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Faßbindern, ein Eisen, die Reife auszuschneiden.


Grathhobel (W3) [Adelung]


Der Grathhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, dessen Eisen an der Seite der Schneide mit einem halben Schwalbenschwanze versehen ist, den Grad damit an die Einschiebeleisten zu stoßen.


Gräthig (W3) [Adelung]


Gräthig, -er, -ste, adj. et adv. viele Gräthen habend. Ein gräthiger Fisch.


Grathsäge (W3) [Adelung]


Die Grathsäge, plur. die -n, eben daselbst, eine Säge, die Rinnen zu den Leisten in hartes Holz damit einzuschneiden.


Grathsparren (W3) [Adelung]


Der Grathsparren, des -s, plur. ut nom. sing. in der Zimmermannskunst, diejenigen Sparren, welche den Grath oder Forst des Daches bilden; zum Unterschiede von den Halbsparren, Kehlsparren, Schiftsparren, Windsparren; Franz. Aretier.


Graththier (W3) [Adelung]


Das Graththier, des -es, plur. die -e, in der Schweiz, diejenige Art Gemsen, welche röthlich von der Farbe sind, und den Grath, d. i. den Gipfel der Felsen, bewohnen, zum Unterschiede von den Waldthieren.


Gratie (W3) [Adelung]


Die Gratie, S. Grazie.


Grätschen (W3) [Adelung]


* Grätschen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur im gemeinen Leben üblich ist, die Beine aus einander sperren, ingleichen mit ausgesperrten Beinen gehen. Im Niedersächsischen und Oberdeutschen greten, gräten, gritten, wovon auch das Diminut. grätscheln, im Oberd. gräteln, gratteln, üblich ist. Du grätest mit deinen Beinen gegen allen, so vorüber gingen, Ezech. 16, 25. Im Holländ. ghereten. In Baiern bedeutet graidlen gehen, schreiten, bey den Krain. Wenden gredem ich gehe, Lat. gradi. Siehe Grad,

Anm. und Schreiten, welches durch Vorsetzung des Zischlautes daraus entstanden ist. Daher im gemeinen Leben grätschig; einen grätschigen Ganz haben, im Gehen die Beine aus einander sperren, im Oberd. grätig, grittächt; der Grätscher, Grätschbein, der einen solchen Gang hat, u. s. f.


Grätzgarten (W3) [Adelung]


Der Grätzgarten, S. Kraut Anm.


Grau (W3) [Adelung]


Grau, -er, -este, adj. et adv. welches ein Ausdruck einer mit etwas Schwarz vermischten weißen Farbe ist. Die graue Farbe. Eisgrau, Aschgrau, Apfelgrau, Eisengrau, Eselsgrau, Dachsgrau, Rauchgrau u. s. f. drucken die verschiedenen Stufen dieser Farbe aus. Ein graues Tuch. Die grauen Mönche, die Franciscaner, weil sie grau gekleidet gehen, deren Orden daher zuweilen auch der graue Orden, und ihre Klöster graue Klöster genannt werden. der Himmel wird schon grau, sagt man im gemeinen Leben, wenn die Dämmerung anfängt anzubrechen, und die schwarze Farbe der Nacht sich mit den ersten Lichtstrahlen vermischet, S. 1 Grauen. Das Grau, die graue Farbe. Grau in Grau mahlen, eine Art der Fresce-Mahlerey, wo eine Wand geschwärzet, und hernach überweißet wird, und dann die Figuren hinein gekratzet werden. Graue Haare bekommen, vor Alter. darüber lasse ich mir keine grauen Haare wachsen, darüber häge ich keinen Kummer, weil auch dieser die Haare vor der Zeit grau macht. Ein graues Haupt, dessen Haare vor Alter grau geworden. Ein alter grauer Mann, wofür Hiob. 15, 10 das im Hochdeutschen ungewöhnliche Hauptwort ein Grauer gebraucht wird. Das graue Alter, das hohe Alter. S. Eisgrau. Grau werden, graue Haare bekommen. Ehedem war auch das Silbergeld unter dem Nahmen des grauen Geldes, oder der grauen Münze bekannt, im Gegensatze der schwarzen, d. i. des Kupfergeldes. - Figür- lich. 1) Alt, wo es im Hochdeutschen doch nur von Menschen und einigen Thieren gebraucht wird, welche im Alter graue Haare bekommen. nach einer noch weitern Figur wird ein Theil Helverieus der graue Bund, Graubünden, und dessen Einwohner die Graubündner genannt, weil sie sich a, frühesten unter einander verbunden haben. 2) In der Wapenkunst wird das Fehfutter, wegen seiner gewöhnlichsten Farbe, auch das Grau, Franz. Vair, genannt. S. Grauwerk.

Anm. In dem alten Gedichte auf den heil. Anno graw, bey den Schwäbischen Dichtern gra, bey dem Hornegk gräb, im Nieders. grau, graag, im Holländ. grauw, im Angels. graeg, im Engl. gray, im Dän. graa, Schwed. gra, im Lat. ohne Gaumenlaut ravus. Die alten Scythen nannten, dem Plinius zu Folge, den Schnee Grau, und den Caucasus daher Graucasum. Im Griech. ist $ alt, und $ ich werde alt. S. auch Greis.


Grau (W3) [Adelung]


Das Grau, subst. indecl. plur. car. das vorige Adverbium als ein Substantivum gebraucht, die graue Farbe; daher es auch wie andere bloße Adverbia, indeclinabel ist, des Grau, dem Grau. Das Graue hingegen in eben der Bedeutung ist das Adjectivum grau, und wird wie andere dieser Art declinirt, des Grauen, dem Grauen, plur. car.


Grau (W3) [Adelung]


+ Der Grau, des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, für das Grauen. Mehr hat mich Grau und Scheu nicht schreiben lassen wollen, Opitz. Logau gebraucht es für Esel, wenn er von einem Koche bey Hofe sagt: Geußt Söder auf und Senf daran, die dienlich für den Grau.


Graubart (W3) [Adelung]


Der Graubart, des -es, plur. die -bärte, im gemeinen Leben, ein mann mit einem vor Alter grauen Barte und Haupthaare, ein sehr alter mann, den man auch wohl einen Graukopf zu nennen pfleget.


Gräuel (W3) [Adelung]


Der Gräuel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Der Höchste Grad des sinnlichen Abscheues, der Ekel, und in weiterer Bedeutung, eines jeden Abscheues; ohne Plural. Alle meine Getreuen haben Greuel an mir, Hiob. 19, 19. Der Herr hat Greuel an den Abtrünnigen, Sprichw. 3, 32. Da gewann der Herr einen Greuel an seinem Erbe, Ps. 106, 40. Im Nieders. Grouwel. Noch mehr, 2) ein Gegenstand dieses höchsten Grades des Abscheues. Das ist mir ein Gräuel. In der Deutschen Bibel werden die Götzen und der ganze Götzendienst sehr häufig ein Gräuel genannt, so wie auch schändliche Laster und abscheuliche Handlungen mehrmahls mit diesem Nahmen beleget werden. Lassen sie uns einen Vorhang vor die Gräuel dieser Leidenschaft ziehen, Gell. Man schreibt dieses Wort gemeiniglich Greuel, aber sehr unrichtig, in dem es unläugbar von Grauen abstammet. siehe 2. Grauen und Gräulich.


Grauel (W3) [Adelung]


* Der Grauel, des -s, plur. inus. welches nur im gemeinen Leben einiger Gegenden anstatt des vorigen Wortes üblich ist, und vornehmlich gebraucht wird, die mit einem Schauer verknüpfte Furcht vor Gespenstern zu bezeichnen. Der Grauel kommt ihn an. Daher das auch nur im gemeinen Leben übliche Bey- und Nebenwort grauelich oder graulich, grauerlich, diese Furcht erweckend, ein grauelicher Ort, und diese Furcht leicht empfindend, ein graulicher Mensch; ingleichen das Zeitwort graueln, diese Furcht empfinden, für grauen.


Gräueln (W3) [Adelung]


+ Gräueln, verb. reg. neutr. welches mit dem Hülfsworte haben als ein unpersönliches Zeitwort gebraucht wird, aber im Hochdeutschen unbekannt ist, einen Gräuel, höchsten Grad des Abscheues vor etwas empfinden. Dir gräuelt vor den Götzen, Röm. 2, 22.


Gräuelthat (W3) [Adelung]


Die Gräuelthat, plur. die -en, eine gräuliche, abscheuliche That. Seinen Gräuelthaten bauet er ein Denkmahl, Geßn.


Grauen (W3) [Adelung]


1. Grauen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, grau werden, von dem Bey- und Nebenworte grau, wo es aber nur von Menschen und Thieren, ingleichen von dem Tage gebraucht wird. Mein Scheitel graut vor Noth, Günth. Der Esel grauet in Mutterleibe. Wenn der Himmel grauet, Kleist, d. i. von den ersten Lichtstrahlen des Morgens anfängt grau zu werden. Ein wolken grawet gen dem tage, Jacob von Warte. Noch eh der Morgen graut gehst du wohin du willst, Zachar. Zuweilen auch von dem Anbruche der Nacht. Ringsum schweigt der grauende Wald, Zachar.

Anm. Im Nieders. grauen, im Dän. grye, im Schwed. gry, welches aber nur allein von dem Himmel und dem Tage gebraucht wird.


Grauen (W3) [Adelung]


2. Grauen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur unpersönlich, wenigstens nur in der dritten Person gebraucht wird, und die dritte Endung der Person erfordert, einen mit Schauer verbundenen sinnlichen Abscheu empfinden. Mir grauet vor der Speise, wo es im gemeinen Leben auch zuweilen für ekeln gebraucht wird. Ich sehe im Hause Israel, da mir für grauet, (wovor mir grauet,) Hos. 6, 10. Es grauet mir, wenn ich ihn nur nennen höre. Ingleichen, eine mit einem Schauer verbundene Furcht empfinden. Mir grauet oder es grauet mir vor der Arbeit. Allen Menschen grauet vor den Gespenstern. Wo es im gemeinen Leben oft absolute gebraucht wird, Furcht vor den Gespenstern empfinden, welche alle Mahl mit einem Schauer der Haut verbunden ist. Grauet dir? d. i. vor Gespenstern, befürchtest du Gespenstern zu begegnen? Aber, für fürchten überhaupt, selbst einen höhern Grad der Furcht zu bezeichnen, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Daß den Moabitern grauete vor den Kindern Israel, 4 Mos. 22, 3. Hab ich mir grauen lassen vor der großen Menge? Hiob 31, 32. Laß dir nicht grauen für (vor) ihnen, denn der Herr ist unter dir, 5 Mos. 7, 21. Ihren Königen soll vor dir grauen, wenn ich mein Schwert wider sie blinken lasse, Ezech. 32, 10. Der Infinitiv ist in Gestalt eines Hauptwortes, statt des niedrigern Grauel, in den angezeigten Fällen gleichfalls üblich. Ein Grauen vor etwas empfinden. Mich überfiel ein grauen. es kam ihn ein Grauen an. Ein Grauen vor den Gespenstern haben. Alles schien sich um mich her in Nacht und Grauen zu verhüllen. Eine grauenvolle Wüste.

Anm. Im Nieders. grouwen, im Dän. grue, im Schwed. grufwa sig. Es scheinet eigentlich den Schauer auszudrucken, der mit dem Grauen alle Mahl verbunden ist, und die Haut rauh macht, oder ein Rieseln in derselben erwecket. S. Graus und Grausen, welches so wie das Diminut. Grieseln eben dieselbe Empfindung ausdruckt. Das Latein. horrere scheinet gleichfalls damit verwandt zu seyn.


Grau-erle (W3) [Adelung]


Die Grau-erle, plur. die -n, eine Art Erlen mit grauen oder weißen, gleichsam mit Mehle bestreueten Blättern; die Weiß-erle, Betula Alnus incana L.


Grauerlich (W3) [Adelung]


Grauerlich, adj. et adv. S. 2. Graulich.


Graufink (W3) [Adelung]


Der Graufink, des -en, plur. die -en, eine Art grauer Finken mit einem gelben Flecken auf der Brust; Fringilla subcana Frisch et Klein.


Grauhafer (W3) [Adelung]


Der Grauhafer, des -s, plur. inus. in der Landwirthschaft, eine Art Hafers, welcher dem Stumpfhafer gleicht, nur daß er kein so weißes, sondern ein mehr in das Graue fallendes Mehl gibt.


Grauhänfling (W3) [Adelung]


Der Grauhänfling, des -es, plur. die -e, der gemeine graue Hänfling, welcher auch Steinhänfling, genannt wird, Linaria fera, saxatilis Klein. zum Unterschiede von dem Blut- oder Rothhänflinge.


Graukehlchen (W3) [Adelung]


Das Graukehlchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Brustwenzel mit grauer Kehle, Sylvia gula grisea Frisch et Klein. zum Unterschiede von dem Rothkehlchen, Schwarzkehlchen, Blaukehlchen u. s. f.


Graukopf (W3) [Adelung]


Der Graukopf, des -es, plur. die -köpfe. 1) S. Graubart. 2) Eine Art Falken, welche vorn am Kopfe weiß ist, und am häufigsten der Wannenweher, an andern Orten aber auch Steinschmack, Steingalk genannt wird. 3) Eine Art wilder Änten mit einem grauen Kopfe und weißen Backen; Anas minor ex albo et fusco varia Klein.


Graulich (W3) [Adelung]


1. Graulich, adj. et adv. ein wenig grau. Eine grauliche Farbe. Bey einigen auch gräulich, wie bläulich von blau.


Graulich (W3) [Adelung]


2. * Graulich, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, Grauel, d. i. Grauen, empfindend. Ein graulicher Mensch. Ingleichen Grauen erweckend. Ein graulicher Ort. In beyden Fällen im gemeinen Leben auch grauerlich. Siehe Grauel und das folgende.


Gräulich (W3) [Adelung]


Gräulich, -er, -ste, adj. et adv. was Grauen, d. i. eine mit Schauer verbundene Abneigung und Furcht erwecket. Ein gräuliches Blutbad. Daß ihr nicht thut, nach den gräulichen Sitten derer die vor euch waren, 3 Mos. 18, 30. In engerer Bedeutung, für Grauen vor Gespenstern erweckend, ist im gemeinen Leben graulich üblicher. Wohl aber gebraucht man es in der Sprache des täglichen Umganges, den sehr hohen Grad einer jeden unangenehmen oder widrigen Sache zu bezeichnen. Ein gräulicher Hunger, Klagel. 5, 10. Ein gräulicher Schmerz. Ein gräulich großer Wolf. Gräulich schreyen.

Anm. Im Nieders. grouwelik, im Dän. gruelig, Schwed. grufwelig. S. Grausam.


Graumeise (W3) [Adelung]


Die Graumeise, plur. die -n, Diminut. das Graumeischen, eine Art Meisen mit grauem Rücken, weißen Schläfen und schwarzem Kopfe; die Aschmeise, Mönchmeise, Rothmeise, Rindmeise, Meisenkönig, Parus fuscus, cinereus, palustris Klein. L.


Grau-nacken (W3) [Adelung]


Der Grau-nacken, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Mewen mit grauem Nacken; Larus canus L.


Graupe (W3) [Adelung]


Die Graupe, plur. die -n, Diminut. das Gräupchen, Oberd. das Gräuplein, und zusammen-gezogen das Gräupel, überhaupt zerbrochene Stücke von geringer Größe; wo es doch nur in einigen einzelnen Fällen gebraucht wird. 1) In dem Bergbaue werden in den Pochwerken die gröbsten Stücke der gepochten Erze Graupen oder Gräupel genannt. Auch kleine Stücke Erz oder Metall, welche entweder in lockerer Gestalt gefunden werden, oder andern Erz- oder Steinarten einverleibet sind, werden Graupen oder Gräupel genannt. S. Zinngraupe. 2) In der Hauswirthschaft, das seiner Hülse oder Schale und Spitzen beraubte Getreidekorn, besonders von der Gerste und dem Weitzen. Graupen machen, welches auf der Mühle, oder in eigenen Graupenstampfen geschiehet; im Oberdeutschen nur Gerste schlechthin. Gerstengraupen, Weitzengraupen, Perlgraupen. Nieders. Schillegaste, d. i. geschälte Gerste.

Anm. Im Schwed. Gröpe. Im Böhmischen ist Kraupy der Hagel, und Krupe ein Wassertropfen. In den Monseeischen Glossen bedeutet giroupin zerreiben, zerbrechen; so daß Graupe ohne Zweifel zu dem Geschlechte der Wörter reiben, rupfen u. s. f. gehöret, und eigentlich gröblich zerriebene Stücke bedeutet. S. auch Grapp, Graus, Grütze, Gries, Grob und Graben. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird die Graupe im Singular collective für Graupen gebraucht.


Gräupelerz (W3) [Adelung]


Das Gräupelerz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Bergbaue, das zu Graupen oder Gräupeln gepochte Erz.


Gräupeln (W3) [Adelung]


Gräupeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, in Gestalt der Gräupel, d. i. kleiner Stücke, herab fallen. Es wird nur unpersönlich gebraucht, besonders von kleinem Hagel, oder zu kleinen Körnern gefrornem Schnee. Es schneyete und gräupelte die ganze Nacht. Wir hatten bey der Kälte etwas Gräupeln.


Graupengang (W3) [Adelung]


Der Graupengang, des -es, plur. die -gänge, derjenige Gang einer Mühle, welcher zur Verfertigung der Gersten- oder Weitzengraupen bestimmt ist; zum Unterschiede von dem Mahlgange.


Graupenkobalt (W3) [Adelung]


Der Graupenkobalt, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, Kobalt in Gestalt gröblicher Stücke oder Graupen.


Graupen-Lasur (W3) [Adelung]


Der Graupen-Lasur, des -es, plur. inus. eben daselbst, Kupferlasur, welcher in Gestalt der Graupen gefunden wird.


Graus (W3) [Adelung]


1. Der Graus, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen meisten Theils veraltetes Wort, zerbrochene Stücke Stein, Kalk, Lehm u. s. f. zu bezeichnen, besonders so fern sie von eingefallenen oder verwüsteten Gebäuden herrühren. In Staub und Graus zerfallen. Es kommt nur noch zuweilen bey den Dichtern vor, wo es denn auch figürlich eine schlechte, verächtliche Sache bezeichnet. Der Wust, der schnöde Graus, Der ganzen Erden Spott, Opitz. Der grobkörnige aus kleinen Steinchen bestehende Sand, der im Nieders. Grand genannt wird, und in einigen Gegenden gleichfalls Graus und Grus heißt, ist im Hochdeutschen unter dem Nahmen des Grieses bekannter; S. dieses Wort.

Anm. Im Nieders. und Dän. bedeutet Gruus, im Schwed. Grus, so wohl Schutt, als groben Sand, Gries. Groos ist im Nieders. ein Collectivum, kleine zerriebene Stücke zu bezeichnen, Schwed. Kras; grösen bedeutet eben daselbst zermalmen, zerreiben, Franz. ecraser, Schwed. krossa, Engl. to crase. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Grüsener aber einen Mörser, daher es sich von graben, Grapp, Graupe, u. s. f. nur in der Ableitungssylbe unterscheidet. S. auch Grütze, Kraut, Kieseln und Reißen. Die taube, leere Erzerde pflegen die Bergleute auch Greus zu nennen. S. Greis.


Graus (W3) [Adelung]


2. + Der Graus, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen gleichfalls veraltetes Wort, das Grauen, d. i. den mit Schauer verbundenen Grad des Schreckens, der Furcht, des Ekels und des Abscheues, und im weiterer Bedeutung Schrecken überhaupt zu bezeichnen. Die Scheffleut bald aus großem Graus Zogen all ire kleider aus, Theuerd. Kap. 32. Solher val der bracht im kein graus, Kap. 68, keinen Schrecken. Panduren überfiel ein ungewohnter Graus, Zachar.

Anm. Im Böhm. bedeutet Hruza den Schrecken, im Poln. Groza die Furcht, und im mittlern Lateine Greusa, Greusia, Grausia, alt Franz. Greuse, Zank, Streit, Klage, welches aber wohl zu Geräusch und Rauschen zu gehören scheinet. S. Grauen, Grausam und Grausen.


Graus (W3) [Adelung]


+ Graus, -er, -este, adj. et adv. Graus, d. i. einen hohen Grad der Furcht, des Schreckens und des Abscheues erweckend; ein im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnliches Wort, welches nur noch zuweilen bey den Dichtern vorkommt. Die grause Seelennoth, Gryph. Seines Zornes grause Fluthen, ebend. Der grause Donner brüllt, Can. Grause Finsterniß, Hagedorn.


Grausam (W3) [Adelung]


Grausam, -er, -ste, adj. et adv. 1) In weiterer Bedeutung, Grauen, d. i. einen mit einem Schauer verbundenen Grad des Abscheues und der Furcht erweckend, so wie gräulich und das Bey- und Nebenwort graus. Daß Hagel und, Feuer unter einander fuhr, so grausam, daß desgleichen nie gesehen war, 2 Mos. 9, 24. Die große und grausame Wüsten, da feurige Schlangen waren, 5 Mos. 8, 15. An den grausamen Bächen wohnten sie, in den Löchern der Erden, Hiob. 30, 6. Er zog mich aus der grausamen Grube, Ps. 40, 3. Grausame Gespenster, Weish. 17, 15. In welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen veraltet ist, außer so fern es, so wie gräulich, besonders im gemeinen Leben, in weiterer Bedeutung einen jeden sehr hohen Grad unangenehmer und widriger Empfindungen und Veränderungen, und in noch weiterer Bedeutung einen sehr hohen Grad einer jeden Veränderung bezeichnet. Ein grausamer Schmerz. Jemanden grausam plagen. Ein grausames Geprassel. Ich bin grausam erschrocken. Setzen sie das grausamste, das mir begegnen könnte. Ein grausames Gelächter aufschlagen. So grausam belügt uns der Neid, Haged. Ein grausamer Wind. Ein grausam hoher Berg, im gemeinen Leben; wo man auch wohl grausam schön, grausam reich, nach eben dem Mißbrauche höret, nach welchem auch erschrecklich, entsetzlich u. s. f. auf eben diese Art gebraucht werden. 2) In engerer Bedeutung, geneigt, andern mehr Böses zuzufügen, als sie verdienet haben, und in engstem Verstande, geneigt, an dem Übel anderer ein Vergnügen zu finden, eine Denkungsart, welche bey allen gesitteten Völkern zu allen Zeiten Grauen erwecket hat; so wohl subjective, als auch objective, in dieser Denkungsart gegründet. Ein grausamer Herr, ein grausamer Tyrann. Ein grausames Gemüth. Eine grausame Strafe. Ein grausames Thier. Grausam mit seinem Feinde verfahren. Nur ein grausames Herz kann ein Thier ohne Empfindung leiden sehen.

Anm. Im Nieders. und Dän. grusam, im Böhm. hrozny. Wenn man auf die in fast unzähligen Fällen übliche Verwechselung des s und d oder t siehet, so wird man finden, daß auch das Lat. crudelis mit unserm grausam aus einer und eben derselben Quelle herstammet. S. 2. Grauen. Das Oberd. grausamlich ist im Hochdeutschen veraltet.


Grausamkeit (W3) [Adelung]


Die Grausamkeit, plur. die -en, von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural. 1) Die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie Grauen erwecket. Die Grausamkeit einer Gefahr. In welcher Bedeutung es doch wenig mehr vorkommt, so wie es auch in weiterm Verstande, einen jeden sehr hohen Grad unangenehmer Empfindungen und Veränderungen zu bezeichnen, lange nicht so häufig gebraucht wird, als das Bey- und Nebenwort grausam. 2) In engerer Bedeutung, die Neigung, die Fertigkeit, andern mehr Übels zuzufügen, als sie verdienet haben; und in der engsten, die Neigung, die Fertigkeit, an anderer Noth ein Vergnügen zu empfinden, ingleichen, die in diese Denkungsart gegründete Beschaffenheit einer Handlung. Jemanden an Grausamkeit übertreffen. Die Grausamkeit ablegen. Die Grausamkeit einer Strafe. 2. Als ein Concretum, grausame Handlungen in der zweyten engern und engsten Bedeutung. Grausamkeiten begehen. Stolzer Schönen Grausamkeiten Sind noch immer ungemein, Haged. Im Oberdeutschen auch die Grausame.


Grauschimmel (W3) [Adelung]


Der Grauschimmel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schimmel, d. i. weißes Pferd, dessen weiße Farbe in das Graue fällt.


Grausen (W3) [Adelung]


Grausen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1) Schaudern, von dem Schauer, der durch Kälte, einen hohen Grad des Ekels, der Furcht oder des Abscheues erreget wird. Das kalte Fieber fängt sich mit einem Grausen an. Die Haut grauset mir. Nieders. gräsen, Schwed. rysa, Angels. agrysan. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Kälte. Das Diminutivum ist grieseln, S. dasselbe, ingleichen Grauen und 2 Graus. 2) Figürlich, einen gemeiniglich mit einem Schauer verbundenen Grad der Furcht, des Schreckens, des Abscheues empfinden, als ein unpersönliches Zeitwort. Mir grauset noch, wenn ich daran denke. Der Brunnen war so tief, daß mir grausete, hinein zu sehen. Persönlich, wie 4 Esr. 5, 14, mein Leib grauste sehr und meine Seele ängstete sich, ist es im Hochdeutschen eben so ungewöhnlich, als in der thätigen Gestalt, das grausende Thal, welches Grausen erwecket.


Grauspecht (W3) [Adelung]


Der Grauspecht, des -es, plur. die -e, ein kleiner grau und weißer Vogel, der eigentlich nicht zu den Spechten gehöret, aber doch wie sie, die Bäume hinan klettert, und die unter der Rinde verborgenen Insecten heraus hacket; Falcinellus arboreus nostras Klein. Certhia L. Baumklette, Baumhäkel, Baumhacker.


Graustein (W3) [Adelung]


Der Graustein, des -es, plur. die -e, eine in Niedersachsen übliche Benennung der Bruchsteine oder Werkstücke, wegen ihrer grauen Farbe, zum Unterschiede von den Backsteinen. S. Grauwerk.


Grauter (W3) [Adelung]


+ Der Grauter, des -s, plur. ut nom. sing. nach dem Frisch, ein Nahme einer Art Lohgärber, welche zugleich Weißgärber seyn können.


Grautucher (W3) [Adelung]


+ Der Grautucher, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. der Schweiz, die geringste Art Tuchmacher, welche die groben grauen Tücher weben.


Grauwerk (W3) [Adelung]


Das "Grauwerk", des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, das zubereitete Fell der Eichhörnchen, besonders der Sibirischen Eichhörnchen, welche im Winter grau werden; Fehe, S. dieses Wort, ingleichen "Haselmaus". Im mittlern Lat. "Griseus". In Niedersachsen werden auch die Bruchsteine oder Grausteine, "Grauwerk" genannt.


Grazie (W3) [Adelung]


Die Grazie, (dreysylbig,) plur. die -n, aus dem Lat. Gratia, in der Mythologie der Römer, drey Töchters des Jupiters und der Venus, welche Euphrosine, Thalia und Aglaja hießen, beständige Gefährtinnen der Venus und Gottheiten der Reitze und der Anmuth waren; Die Huldgöttinnen. Das Lateinische Wort kann seine Verwandtschaft mit unserm Reitz, aus welchem es durch Vorsetzung des Gaumenbuchstaben gebildet worden, wohl schwerlich verläugnen. S. Gratia.


Grebe (W3) [Adelung]


Die Grebe, plur. die -n, eine in der Schweiz übliche Benennung des größten Tauchers, welches vermuthlich der Colymbus major cristatus Klein. et Marsil. ist, und an andern Orten Robelzeucher, Strauszaucher und Merch genannt wird. S. Greif.


Gregorius-Fest (W3) [Adelung]


Das Gregorius-Fest, des -es, plur. die -e, ein noch in einigen protestantischen Schulen übliches Fest, das dem Papst Gregorio I. zu Ehren veranstaltet worden, welcher den 12. May 604 starb, viele Ceremonien in die Kirche einführete, sich aber auch um die Schulen sehr verdient machte. Daher das Gre- gorius-Singen, das Singen der Schüler am Gregorius-Tage auf den Gassen.


Greif (W3) [Adelung]


Der Greif, des -es, plur. die -e. 1) Ein erdichtetes Ungeheuer der Alten und Neuern, dessen schon bey dem Herodotus Meldung geschiehet, und welches gemeiniglich als ein geflügelter Löwe beschrieben wurde; Gryps, Gryphus, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno Grif, im Dän. Griv, im Pohln. und Böhm. Gryf, im mittlern Lat. Griffus, im Engl. Griffin und Griffon. Es hat den Nahmen unstreitig von dem Zeitworte greifen, nicht so wohl wegen seiner Gefräßigkeit, als vielmehr wegen der ihm beygelegten Lüsternheit nach Gold, Silber und Edelsteinen, die es mit außerordentlichem Geitze zusammen scharren und bewachen soll; daher bey den Schweden ein Schatz und eine jede kostbare Sache noch jetzt Grip genannt wird. 2) Bey den neuern Schriftstellern des Naturreiches ist die größte Art Geyer, welche in den heißen Ländern angetroffen und in dem mittägigen Amerika Cuntur genannt wird, Vultur Gryps Klein, unter dem Nahmen des Greifes oder Greifgeyers bekannt. Er ist mit ausgebreiteten Flügeln oft 16 bis 18 Fuß groß, und wird alsdann nicht nur den Schafen, sondern auch den Kälbern und Menschen gefährlich.


Greifen (W3) [Adelung]


Greifen, verb. irreg. Imperf. ich griff; Mittelw. gegriffen; welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, mit ausgesperrten und gekrümmten Klauen oder Fingern schnell und gewaltsam anfassen. 1. Eigentlich. Greif nicht nach allem was du siehest, Sir. 31, 16. Wer darf es wagen, ihm (dem Behemoth,) zwischen die Zähne zu greifen? Hiob. 41, 4. Jemanden nach dem Halse greifen. Greif du dem Ritter nach dem Schwert, Ich greif ihm nach den Haaren, Michäl. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Um sich greifen, wird so wohl von Personen gebraucht, wenn sie sich unrechtmäßiger Weise und auf eine gewaltsame Art fremder Dinge anmaßen, als auch von Geschwüren, Entzündungen, wenn sie mehr gesunde Theile anfallen, ingleichen von ansteckenden Krankheiten u. s. f. Einem andern in sein Amt greifen, sich etwas unterfangen, welches dem andern gebühret. So auch, einem andern in sein Handwerk greifen. Daß niemand zu weit greife, Apost. Gesch. 26, 21, sich mehr anmaße, als ihm gebühret. Einem andern an seine Ehre, an seinen guten Nahmen greifen, sie verletzen. 2) In manchen Fällen verlieret sich der Begriff des Gewaltsamen, so daß nur das Bild der ausgebreiteten Finger und die Eilfertigkeit zurück bleibet. Man kann es mit Händen greifen, d. i. es ist augenscheinlich, unläugbar. Er hat dir Feuer und Wasser vorgestellt, greif zu welchem du willt, Sir. 15, 16, erwähle welches du willst. Zur Feder, zum Gewehre, zum Degen greifen. Zur Strafe, zum Ernste greifen, den Weg der Strafe, des Ernstes erwählen. Aber nicht zu der Historie greifen, 2 Macc. 2, 33. Wer auf Träume hält, der greifet nach dem Schatten, Sir. 34, 2. Einem unter die Arme greifen, figürlich, ihm helfen, ihn unterstützen. Der Hund greift mit der Nase überall herum, figürlich bey den Jägern, wenn er die Fährte begierig nachforscht; der Hund greift zur Fährte, greift zur Erde. 3) In einigen Fällen verlieren sich auch diese Bilder, und da bedeutet greifen weiter nichts, als anfassen, berühren, mit der Hand fühlen. Die Götzen haben Hände und greifen nicht, Ps. 115, 7. Sie traten zu ihm, griffen an seine Füße, und fielen vor ihm nieder, Matth. 28, 9. Petrus griff ihn (den Lahmen) bey der rechten Hand und richtete ihn auf, Apost. Gesch. 3, 7. Der Arzt greift dem Kranken an den Puls, wenn er den Puls durch Fühlen beobachtet. In seinen eigenen Busen greifen, sich selbst prüfen. Was die Blinden nicht sehen, das müssen sie greifen, mit den Händen fühlen. Eine Vorstellung in seinem Gemüthe Platz greifen lassen, ihr nachdenken, ihr folgen. II. Als ein Activum, für ergreifen, ein fliehendes oder in einer schnellen Bewegung befindliches Ding mit ausgespannten Klauen oder Fingern schnell erhaschen. Einen Vogel greifen. Die Katze hat eine Maus gegriffen. Der Windhund greifet den Hasen, bey den Jägern. So auch in weiterer Bedeutung für fangen. Und das Thier ward gegriffen und mit ihm der falsche Prophet, Offenb. 19, 20. Um deswillen haben mich die Jüden im Tempel gegriffen, Apost. Gesch. 26, 21. Mit Listen wollte man Jesum greifen, Matth. 26, 4. Einen flüchtigen Dieb greifen. Das Hauptwort die Greifung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.

Anm. Bey dem Ulphilas greipan, bey dem Kero criffan, bey dem Ottfried greipon, bey dem Notker greiffon, bey dem Willeram griphen, im Angels. gripan, im Nieders. gripen, im Schwed. gripa und grabba, im Dän. gribe, im Engl. to gripe und grope, im Franz. gripper, im Ital. grappare, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, fangen, fischen, wo auch - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Fischer, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - räuberisch ist. Es gehöret zu dem Worte raffen, Lat. rapere, aus welchem es vermittelst des vorgesetzten Gaumenlautes gebildet worden, und mit demselben zu dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Faust, und dem noch im Isländ. üblichen Reifr, die Hand. S. Reiben und Raffen. Von greifen kommt das vergrößernde Frequentativum grapsen, mit einem geschwinden Griffe zu sich reißen, und die verkleinernden Frequentativa grabbeln und kriebeln her, leicht mit den Fingern berühren. Das hohe Alter des Wortes greifen erhellet unter andern auch aus dem Nahmen des erdichteten Vogels Greif.


Greifgeyer (W3) [Adelung]


Der Greifgeyer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Greif.


Greifholz (W3) [Adelung]


Das Greifholz, des -es, plur. die -hölzer, bey den Tuchscherern, der hölzerne Griff an der Tuchschere.


Greifig (W3) [Adelung]


Greifig, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben üblich ist. 1) Ein greifiger oder eingreifiger Baum, im Forstwesen, dessen Dicke man mit beyden Händen umspannen kann; zum Unterschiede von einem klafterigen. S. Griffig. 2) Greifige Waaren, an einigen Orten, welche leicht von andern entwendet werden, wornach die Diebe gern greifen; wofür an andern Orten angreiflich üblich ist. Nieders. grepsk.


Greiflich (W3) [Adelung]


+ Greiflich, adj. et adv. was sich greifen lässet; ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort, welches bey dem Opitz für handgreiflich vorkommt. S. dasselbe.


Greifschnabel (W3) [Adelung]


Der Greifschnabel, des -s, plur. die -schnäbel, ein Werkzeug der Wundärzte, S. Gemsenfuß.


Greifzirkel (W3) [Adelung]


Der Greifzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Drechslern ein Zirkel mit Einem krummen und Einem geraden unten mit einem Haken versehenen Fuße, die Dicke des äußern Randes an Arbeiten, welche inwendig einen Bauch haben, damit zu erforschen. S. Taster.


Greinen (W3) [Adelung]


* Greinen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist. Es bedeutet eigentlich das Gesicht, besonders den Mund verzerren, gähnen; in welcher Bedeutung in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter grinen die Zähne blecken bedeutet, wie das Schwed. und Isländ. grina, das Angels. grennian, grinnian, das Engl. to grin und girn, das Ital. sgrinare, und das Lat. ringere, alle, wie Ihre glaubt, von dem alten greina, theilen, S. Gränze und Rain. Besonders bedeutet es in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes, 1) lächeln, mit Verzerrung des Mundes lächeln, wie das Nieders. grinen, und Dän. grüne. Noch mehr aber, 2) mit Verzerrung des Mundes weinen, wie das Kinder zu thun pflegen. Nieders. grinen, im Oberd. auch grauen, davon das Frequent. grinsen, und das Oberd. Greiner, Greinerlein, ein weinendes Kind, abstammen. Man hat im Oberdeutschen noch ein anderes gleichlautendes, aber im Hochdeutschen unbekanntes Zeitwort, greinen, welches nicht hierher zu gehören, sondern vielmehr eine Nachahmung des Schalles zu seyn scheinet, indem es wohl von dem Grunzen der Schweine, als auch von dem Wiehern der Pferde, dem Heulen der Wölfe und Füchse, ingleichen figürlich von dem Murren und Zanken der Menschen gebraucht wird, und wovon das Lat. grunnire, das Franz. gronder, und unser grunzen Frequentativa sind. S. das letztere. Graf Eberhard von Würtenberg, welcher um 1350 lebte, hieß wegen seiner Unfreundlichkeit und seiner Kriege Contentiosus, und auf Deutsch der Greiner.


Greis (W3) [Adelung]


Greis, -er, -este, adj. et adv. welches nur noch in den gemeinen Sprecharten für grau üblich ist, aber doch eigentlich hellgrau, ein mehr sich dem Weißen näherndes Grau zu bezeichnen scheinet; daher man beyde Wörter zuweilen zusammen setzet, greisgrau, ein mit etwas Dunkelm gesprengtes Greis auszudrucken. Anger walt diu liehte heide breit Die sieht man von dem kalten winter grise, Graf Konrad von Kirchberg. Anger heide von im (dem Winter) gefelwet lit Des waldes hoche grise siht man gar, Jacob von Wart. Am häufigsten gebraucht man es im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, von der von hohem Alter herrührenden schmutzig weißen Farbe der Haare, und dann figürlich, von einem hohen Alter. Greis werden. Greise Haare. Du maht in eren werden gris, die Winsbeckinn. Die greise Ewigkeit, Opitz. Im mittlern Lat. griseus, greseus, gresus, im Nieders. griis, im Franz. gris, im Ital. griso, grigio.


Greis (W3) [Adelung]


Der Greis, des -es, plur. die -e, eine Person männlichen Geschlechtes, deren Haupthaar vor hohem Alter greis geworden, auch in der edlen Schreibart. Ein alter ehrwürdiger Greis. Von dem weiblichen Geschlechte ist es nicht üblich, auch nicht mit der weiblichen Endung -inn. Bey dem Hornegk der Greyse, im Nieders. Grise, im Dän. Greis, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . S. Grau.


Greisen (W3) [Adelung]


Greisen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, greis werden, besonders von den Haupthaaren. Im Hochdeutschen ist es ungewöhnlich, ungeachtet es im Oberdeutschen selbst in der Dichtersprache nicht selten ist. Swer volget wisen Der muos mit eren grisen, Burkhard von Hohenfels. Wenn Lebenskraft hinweg, und wenn die Haare greisen, Opitz.


Greisgrau (W3) [Adelung]


Greisgrau, adj. et adv. S. Greis.


Greißen (W3) [Adelung]


Greißen, verb. reg. act. welches nur im Bergbaue für spalten vorkommt, und das mit dem Gaumenlaute verlängerte Zeitwort reißen ist.


Grell (W3) [Adelung]


Grell, -er, -este, adj. et adv. ein nur hin und wieder im gemeinen Leben übliches Wort. 1) Sehr hell, sehr glänzend. Grelle Augen haben, glänzende, lebhafte Augen. Ein grelles Feuer, welches sehr hell brennet. Ein grelles Licht, in der Mahlerey, ein allzu lebhaftes Licht. Grelle Farben, eben daselbst, Farben, die nicht wohl gerieben, übel verschmelzet, und schlecht aufgetragen sind. Ein greller Umriß, wenn der Übergang von dem Lichte zu dem Schatten allzu merklich ist. In welchen Fällen die Franzosen crud gebrauchen. 2) Figürlich auch von der Stimme. Eine grelle Stimme, welche auf eine unangenehme Art scharf und hell klingend ist. 3) In dem Hüttenbaue ist es ein gewisser Fehler des Eisens, welcher von den Eisensteinen herrühret. Hitzige Eisensteine schmelzen leicht, greifen aber das Gestell an und geben dünnes oder grelles Eisen.

Anm. Ein anderes Wort ist das im Niedersächsischen noch übliche Graal, ein Getümmel, welches auch in den Oberdeutschen Schriften der vorigen Jahrhunderte vorkommt, und wohin auch das Nieders. grölen, ungestüm schreyen, gehöret, welche beyde Nachahmungen des Schalles und des Geschreyes selbst sind. Das im gemeinen Leben noch übliche vergrellen, erbittern, und vergrellt, erbittert, gehöret zu Groll.


Grempel (W3) [Adelung]


+ Der Grempel, des -s, plur. inus. ein nur im Oberdeutschen übliches Wort, einen Kaufhandel, Kram, zu bezeichnen, besonders, so fern er im Kleinen getrieben wird. Daher der Roßgrempel, Kleidergrempel, Käsegrempel, Korngrempel u. s. f. der Handel mit Pferden, Kleidern, Käsen, Getreide u. s. f. Ferner ein Grempe, Grempel oder Grempler, ein Krämer, Höke, Trödler; der Grempelmarkt, der Trödelmarkt; Gremperey, der Kram, Trödelhandel u. s. f. Es gehöret zu dem Worte Kram, kramen, Krämer u. s. f. wovon auch im Ital. crompare für comprare üblich ist.


Gremsig (W3) [Adelung]


+ Gremsig, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, für hartnäckig, zu sehr auf etwas erpicht. In den Tirolischen Bergwerken scheinet es noch eine andere Bedeutung zu haben. Die Gänge sind nach der verschiedenen Beschaffenheit des Gebirges theils brüchig, gremsig und schwulnig, theils ganz und derb, Sperg in der Tirol. Bergwerksgesch. In Franken bedeutet Grembs oder Grems einen hölzernen Fensterladen.


Grenadier (W3) [Adelung]


Der Grenadier, S. Granatier.


Grendel (W3) [Adelung]


Der Grendel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im gemeinen Leben Ober- und Nieder-Deutschlandes sehr bekanntes Wort, einen jeden Riegel, einen Pfahl oder Baum von mittlerer Stärke u. s. f. zu bezeichnen, wo dieses Wort bald Grendel, Grindel und Gründel, bald aber auch Grängel, Grengel, und Gringel lautet. Am häufigsten ist es in der Bedeutung eines Riegels üblich, daher das Zeitwort vergrendeln, verriegeln, welches schon bey dem Notker vorkommt. Ingleichen desjenigen Baumes an einem Pfluge, welcher die Stelle der Deichsel vertritt, und in Obersachsen der Grengel, in der Lausitz der Baumgrendel, oder der Baumgrindel, an andern Orten aber der Pflugbaum, der Pflugbalken genannt wird. In der Schweiz wird ein Schlagbaum vor einem Thore ein Grendel genannt. Frischlin nennet den Spanner an einer Armbrust Grändel, womit auch das Franz. Cranequin überein kommt. In dem Isidor ist Grindila, bey dem Willeram Grintel, bey dem Notker Gerindela, ein Riegel, in den Monseeischen Glossen Crintela, im Böhmischen Hridel, ein Wellbaum, im Angels. Grindle, ein Riegel, ingleichen ein Gitter, und jedes gitterartiges Werk, daher im Schwedischen auch eine Glasthür Grind genannt wird. Wachter leitet es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Riegel, Frisch von Rand, Ihre aber von dem alten greina, theilen, her, S. Gränze und Rain, von welchem Worte im Schwed. Gren, im Isländ. Grein, und im Franz. Rain, einen Ast bedeutet, weil er den Stamm des Baumes gleichsam theilet. Da indessen dieses Wort auch häufig Grengel lautet, so stehet es dahin, ob es nicht vielmehr von Ranke, dem noch an einigen Orten üblichen Ranne, der Stamm eines Baumes, dem Nieders. Rick, oder gar von Riegel selbst abstammet, aus welchen Wörtern durch die so gewöhnliche Vorsetzung des Gaumenbuchstaben gar leicht Grengel und Grendel gebildet werden können. S. Griechsäule, ingleichen Granne. Das in Obersachsen übliche Grengel, ein kreisförmiges Backwerk, gehöret nicht hierher, sondern zu Kringel, so wie Gründel, das Pflugeisen, zu Grund gehöret.


Grendelkette (W3) [Adelung]


Die Grendelkette, plur. die -n, in der Landwirthschaft, diejenige Kette an dem Grendel eines Pfluges, vermittelst welcher der Pflug tiefer oder seichter gestellet wird; die Grindelkette, Grengelkette.


Grendelwiede (W3) [Adelung]


Die Grendelwiede, plur. die -n, eine Wiede, d. i. gedrehete und geflochtene Weide, deren man sich in leichten Äckern anstatt der Grendelkette bedienet.


Grengel (W3) [Adelung]


1. Der Grengel, ein Riegel, Pflugbaum, S. Grendel.


Grengel (W3) [Adelung]


2. Der Grengel, eine Art eines kreisförmigen Backwerkes, S. Kringel.


Greniß (W3) [Adelung]


+ Das Greniß, des -sses, plur. die -sse, ein nur im Bergbaue übliches Wort, den achten Theil eines Kuxes zu bezeichnen. Es scheinet von Gran verderbet zu seyn.


Grensel (W3) [Adelung]


+ Der Grensel, des -s, plur. inus. in einigen Oberdeutschen Gegenden, der Portulak; Portulaca L. Vielleicht weil er gut wider das Brennen des Urins ist. S. das folgende.


Grensing (W3) [Adelung]


+ Der Grensing, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Gänserichs; Potentilla anserina L. S. dieses Wort. In andern Gegenden ist das Brennkraut oder die Brennwurzel, Clematis recta L. unter diesem Nahmen bekannt. S. auch Hahnenfuß. In dem ersten Falle ist dieses Wort wohl aus Gänserich verderbt. In der zweyten scheinet es durch eine gewöhnliche Verwechselung der Blase- und Gaumenlaute von brennen herzustammen.


Grenze (W3) [Adelung]


Die Grenze, S. Gränze.


Gret (W3) [Adelung]


+ Das Gret, des -es, plur. inus. ein bey den Nürnbergischen Zeugwebern übliches Wort, welches in weiterm Verstande so viel als das auch bey ihnen übliche Wort Bild bedeutet; da denn in das Bild oder in das Gret wirken, alle künstlichere Arbeit unter sich begreift, wozu mehr als zwey Kämme und zwey Schämel erfordert werden, dergleichen alle gemodelte, geköperte, und gezogene Arbeit ist. In engerer Bedeutung wird nur von der gezogenen Arbeit gesagt, daß sie ein Gret habe, oder in das Gret gewirket sey. Der Ursprung dieses Wortes ist ohne Zweifel in den Französischen Niederlanden oder in Frankreich zu suchen, aus welchen Ländern die ersten Zeugmacher dieser Art nach Deutschland gekommen sind.


Grete (W3) [Adelung]


Grete, Diminut. Gretchen, im gemeinen Leben, der verkürzte Nahme Margarethe.


Greten (W3) [Adelung]


Greten, S. Grätschen.


Greuel (W3) [Adelung]


Greuel, Greulich S. in Gräu -


Greus (W3) [Adelung]


Greus, taube Erzerde, S. 1. Graus Anm.


Gricklich (W3) [Adelung]


+ Gricklich, -er, -ste, adj. et adv. geneigt alles leicht zu tadeln, welches nur im gemeinen Leben üblich ist. Ein gricklicher Mensch. Alte Leute sind gern gricklich. Ingleichen, figürlich. Eine grickliche Sache, eine bedenkliche, kitzliche Sache. Es ist sehr grücklich mit ihm umzugehen. Anm. Im gemeinen Leben krickelich, im Oberdeutschen grittelicht, grittelig, wo gritteln ohne Noth tadeln, und Gritteler ein solcher Tadler ist. Im Nieders. kriddelig, kriddeln, tadeln, zanken, sich kriddeln, sich ärgern, Kriddeler, ein Zänker, Tadler, Kriddelkop, eben so, kriddsk, zänkisch, unzufrieden, tadelsüchtig. Man könnte leicht auf das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - fallen, wenn es nicht wahrscheinlich wäre, daß alle diese Wörter bloße Diminutiva von dem Nieders. Kreet, Streit, Zank, Hader, und kriten, zanken, schreyen, kreischen, sind. Siehe Kreischen, Schreyen und Krieg.


Griebe (W3) [Adelung]


Die Griebe, plur. die -n, ein nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, gröbliche überbleibende Stücke aller Art zu bezeichnen. Besonders bezeichnet man mit diesem Nahmen die häutigen und sehnigen Stücke, welche von dem ausgelassenen Schmalze, Talge u. s. f. in der Pfanne übrig bleiben.

Anm. Im Nieders. Greve, im Hannöv. Grebe, im Westphäl. mit Vorsetzung des Zischlautes Sgreve, Sgrove, im Schwed. Grefwar, im Engl. Greaves. Im mittlern Lat. bedeutet Greva und im alten Franz. Greve, groben Hand, Gries, Franz. Gravier, Nieders. Gräving. Ohne Zweifel mit Graupe aus einer gemeinschaftlichen Quelle. Im mittlern Lateine heißen die Grieben, nach einer gewöhnlichen Verwechselung des b und m, Cremium, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, in Baiern Grämel und Krämel. S. auch Krume.


Griebs (W3) [Adelung]


Der Griebs, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben Obersachsens und Oberdeutschlandes, das Kerngehäuse des Kernobstes, besonders der Äpfel und Birnen; wo dieses Wort bald Gröbs, bald Grübs, bald aber auch Krebs und Kriebs lautet. Entweder auch von dem vorigen Griebe, weil es gleichsam als ein unnützer Überrest des eßbaren Apfelfleisches angesehen worden, oder auch von Grapen, Oberd. Gropen, so fern solches ehedem ein jedes hohles Behältniß bedeutet haben mag, wohin auch Grube gerechnet werden kann. S. indessen auch Krebs, ein Harnisch. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt das Kerngehäuse, Ewitz oder Ebitz, am Niederrhein Bitske, an andern Oberdeutschen Orten der Butzen, der Pöpel, das Kerngestell, im Böhm. Pupecek, im Dithmarsischen das Sprallhuus, in Hamburg Hunkunft, im Bremischen Kabuus, ( S. Kabuse,) im Osnabrück. Karmus oder Kalmus, in der Mark Brandenburg das Schneckhaus oder Schnickhaus, im Latein. Arulla; wo in den meisten entweder der Begriff eines hohlen Behältnisses, oder eines harten hervor stehenden Dinges, eines Butzens, zum Grunde lieget. Das Oberd. Griebs oder Kröbs, ein Rülps, gehöret nicht hierher, sondern ist eine Nachahmung des Schalles.


Griechsäule (W3) [Adelung]


Die Griechsäule, plur. die -n, in der Landwirthschaft der Obersachsen, eine kleine Säule oder ein längliches Holz am Pfluge, welches unten durch das Pflughaupt, oben aber durch den Grendel, gehet, und diesen tragen hilft. Sie wird auch die Griffsäule, ingleichen die Griessäule genannt. Vielleicht auch von Riegel. S. Grendel und Griessäule.


Griegelhahn (W3) [Adelung]


+ Der Griegelhahn, des -es, plur. die -hähne, Fämin. das Griegelhuhn, des -es, plur. die -hühner, oder die Griegelhenne, plur. die -n, eine in der Schweiz übliche Benennung der Birkhühner, besonders derjenigen, welche sich auf den höchsten Bergen aufhalten; Lagopus Klein. Crygallus Gesn. wegen ihres Geschreyes, welches gry, gry, lautet.


Grieltrappe (W3) [Adelung]


+ Die Grieltrappe, plur. die -n, eine Art kleiner Trappen, von der Größe eines Birkhuhnes, welche so wohl in der Schweiz als in Preußen angetroffen, und auch Trieltrappen genannt werden; Tarda nana Klein. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird die Grasmücke Griel genannt.


Gries (W3) [Adelung]


Der Gries, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein Wort, welches so wie Graus überhaupt einen jeden klein gemalmeten, aber doch nicht in Staub verwandelten harten Körper bedeutet, und besonders in folgenden besondern Fällen üblich ist. 1) Grobkörniger Sand, welcher aus kleinen Steinchen bestehet, und auch Kies, im Oberd. Graus und Grien, im Nieders. Grand, Gruus und Gräving, franz. Gravier, ehedem Greve, im mittlern Lat. Greva, genannt wird. Auch der Stein im menschlichen und thierischen Leibe, wenn er sich in kleinen Körnern und Stücken in den Nieren und der Urinblase ansetzet, ist unter dem Nahmen des Lendengrieses, Nierengrieses, Blasengrieses, oder auch nur des Grieses schlechthin bekannt. 2) Ein grob gemahlnes Getreide, welches gröber als Mehl, und feiner als Grütze oder Schrot ist, und von dem ersten Gange auf der Mühle erhalten wird, wenn die Kleye davon abgesiebet worden; Franz. Gravier, ehedem Greve in einigen Oberdeutschen Gegenden Kochkern. Wiener Gries, die feinste und beste Art dieses Grieses, welche im Österreichischen aus dem besten Weitzen bereitet wird. Bey dem Notker heißt das Manna Cruzzemelo. Im Oberdeutschen wird auch die Grütze Gries genannt.

Anm. Gries, grober Sand, heißt bey dem Notker Grieze, in dem alten Gedichte auf Carln den großen bey dem Schilter Krieze, im Lat. Glarea, im Ital. Ghiaja, im Schwed. Grus, im Wallis. Grut, im Angels. Greot. Von dem noch im Nieders. grüsen, zermalmen, Franz. ecraser, im Alban. gris, ich zerbreche, welches ein Frequentativum von dem alten greinan, theilen ( S. Gränze,) zu seyn scheinet, wovon noch im Engl. to grind, mahlen, übrig ist, und wovon auch das Oberdeutsche Grien, grober Sand, abstammet. S. Graus, 2. Grand und Grütze. In einigen Gegenden wird aus gleichen Ursachen auch die Kleye Griesch, Grüsch, Kreusch genannt; im alt Franz. Grus, Gruis, im mittlern Lat. Gruellus. Im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - hauen. Ein anderes allem Ansehen nach sehr verschiedenes Wort ist dasjenige, welches im Österreichischen vorkommt. Zu Wien befindet sich nehmlich eine Ochsen- Gries- und jungen Viehes Aufschlags-Einnahme, bey welcher unter andern auch ein Ungarischer Schweingries und sechs Schweinbeschauer angestellet sind. In Griesdocke, Griessäule und Grieswärtel hat dieses Wort gleichfalls andere Bedeutungen.


Griesasche (W3) [Adelung]


Die Griesasche, plur. inus. an einigen Orten calcinirter Weinstein, weil im Oberdeutschen auch jeder grobe Bodensatz, besonders der Bodensatz des Weines, Gries oder Grien genannt wird.


Griesbrey (W3) [Adelung]


Der Griesbrey, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e ein aus Gries gekochter Brey.


Griesch (W3) [Adelung]


Der Griesch, des -es, plur. inus. die Kleye, S. Gries Anm.


Griesdocke (W3) [Adelung]


Die Griesdocke, plur. die -n, Docken oder kleine Säulen zwischen den Griessäulen auf den Fachbäumen an den Mühlen und Wasserwehren, zwischen welchen sich die Schutzbreter befinden. S. Griessäule.


Grieseln (W3) [Adelung]


1. Grieseln, verb. reg. so wohl als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, in Gestalt des Grieses, d. i. kleiner Stücke, zerfallen oder herunter fallen; als ein Activum, in kleine Stücke zermalmen. Im Nieders. grüseln, im Oberd. grüseln, S. 1. Graus, Gries, Griesen und Rieseln.


Grieseln (W3) [Adelung]


2. Grieseln, verb. reg. neutr. welches nur unpersönlich gebraucht wird, und das Diminutivum von Grausen ist, einen leichten Schauer empfinden, entweder von einer geringen Kälte, oder auch von einem geringen Grade des Ekels, des Abscheues, des Schreckens oder der Furcht. Es grieselt mich, S. Grausen.


Griesen (W3) [Adelung]


Griesen, verb. reg. act. welches nur bey den Müllern üblich ist, den gespitzten Weitzen zu Gries mahlen. S. Gries 2) und 1. Grieseln.


Griesgrammen (W3) [Adelung]


+ Griesgrammen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber im Hochdeutschen längst veraltet ist, vor Grimm mit den Zähnen knirschen, oder seinen Zorn und Unwillen durch Murren oder Verzerrung der Gesichtszüge an den Tag legen. In den alten Bibeln des 15ten Jahrh. stehet Ps. 2, 1: für, warum toben die Heiden, warumb grisgrameten die Heiden? und Matth. 8, 12: für, da wird seyn Heulen und Zähneklappen, da wird seyn Heulen und Grisgrammen. Im Angels. gristbitian. In gelinderer Bedeutung für murren, kommt griscramen bey dem Notker und andern mehrmahls vor. Dahin auch die bekannte Stelle aus der alten Söster Gerichtsform gehöret: Der Richter soll sitzen auf dem Richterstole als ein grissgrimmender löwe, und soll den rechteren fuess schlahen über den linkern u. s. f. Im Ober- und Niederdeutschen bedeutet griesgrammen noch jetzt mürrisch, verdrießlich, grämlich aussehen, wofür in Baiern auch griesgrauern üblich ist. Eben daselbst saget man auch von einer großen Kälte, es griesgrammet, wenn sie einen Schauer und Verzerrung der Gesichtszüge verursachet. Die letzte Hälfte dieses Wortes gehöret zu Grimm, welches ursprünglich eine Verzerrung der Gesichtszüge bedeutet, die erste aber zu Graus, so fern es einen mit Schauer verbundenen hohen Grad des Unwillens, Schreckens, Abscheues u. s. f. bezeichnet. S. Grimm.


Griesholz (W3) [Adelung]


Das Griesholz, des -es, plur. inus. 1) Das Holz des Behenbaumes, Guilandina Moringa L. welches in den Apotheken wider den Lendengries gebraucht und auch blaues Sandelholz, Lat. Lignum nephriticum genannt wird. 2) An einigen Orten wird auch der Hartriegel oder die Rainweide, Ligustrum vulgare L. Griesholz genannt, ohne Zweifel, weil dieser Strauch gern auf dem Griese, oder auf grobsandigen Hügeln wächset.


Grieshuhn (W3) [Adelung]


Das Grieshuhn, des -es, plur. die -hühner, bey einigen eine allgemeine Benennung aller Sand- oder Strandläufer, welche von andern auch Wasserschnepfen genannt werden, und sich gern auf dem Griese oder groben Sande in und an den Flüssen aufhalten; Glareola Klein. Besonders derjenigen Art, welche die Größe einer Wachtel hat, auf dem Rücken braun, am Bauche aber weiß ist, und vermuthlich das Braunhühnchen bey dem Klein, Glareola castanea, ist.


Griesicht (W3) [Adelung]


Griesicht, -er, -este, adj. et adv. dem Griese oder groben Sande ähnlich, Griesichtes Mehl.


Griesig (W3) [Adelung]


Griesig, adj. et adv. voller Gries oder groben Sandes.


Griesig (W3) [Adelung]


Das Griesig, des -es, plur. inus. an einigen Orten, dasjenige, was in den Bienenstöcken auf den Boden fällt, und auch Grus, Trug, Dreck, Afterig genannt wird. Von Gries, so fern es in Oberdeutschen auch dicken und körnigen Bodensatz bedeutet.


Grieskleye (W3) [Adelung]


Die Grieskleye, plur. inus. oder die Grieskleyen, sing. inus. bey den Müllern, diejenige Kleye, welche von dem zweyten Griese fällt, wenn er noch Ein Mahl durchgemahlen wird.


Grieskoch (W3) [Adelung]


Der Grieskoch, des -es, plur. die -köche, in den Küchen, ein aufgelaufener Koch oder Art von Torten, welche aus ausgequollenem Griese, Eyern, Zucker und Butter verfertiget wird. S. Koch.


Grieskolik (W3) [Adelung]


Die Grieskolik, plur. von mehrern Arten oder Anfällen, die -en, eine Kolik, welche von dem Griese in den Nieren entstehet, wenn er mit Beschwerung durch die Harngänge gehet, und daher Krämpfe in den Nerven verursacht.


Griesmehl (W3) [Adelung]


Das Griesmehl, des -es, plur. von mehrern Arten die -e. 1) Dasjenige Mehl, welches aus dem ersten Griese auf den Mühlen gezogen wird und das beste Mehl gibt; zum Unterschiede von dem Schrotmehle, Aftermehle, Pollmehle oder Mittel- mehle. 2) Grobkörniges oder griesichtes Mehl wird im gemeinen Leben gleichfalls Griesmehl genannt.


Griessäule (W3) [Adelung]


Die Griessäule, plur. die -n. 1) An den Wassermühlen und Wasserwehren, diejenigen Säulen, welche auf dem Fachbaume stehen, den Spannrahmen tragen und die Schutzbreter und Griesdocken zwischen sich haben. 2) In der Landwirthschaft, dasjenige längliche Holz an einem Pfluge, welches unten durch das Pflughaupt, oben aber durch den Grendel gehet, und auch die Griechsäule oder Griffsäule genannt wird. In beyden Fällen ist die Bedeutung des Wortes Gries noch dunkel. Siehe Grieswerk.


Griessieb (W3) [Adelung]


Das Griessieb, des -es, plur. die -e, bey den Müllern, ein Sieb von Draht, den gespitzten Weitzen dadurch zu sieben, da denn das, was zurück bleibt, Gries genannt wird.


Griesstein (W3) [Adelung]


Der Griesstein, des -es, plur. die -e, ein harter grüner Speckstein, von welchem man glaubte, daß er die Stein- und Griesschmerzen vertreiben sollte, wenn man ihn bey sich trüge; daher er auch Lendenstein, Nierenstein, Lapis nephriticus, genannt wird.


Grieswärtel (W3) [Adelung]


Der Grieswärtel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den ehemahligen Turnieren, derjenige Aufseher welcher die Griesstange führete, und solche unter die Kämpfenden schoß, wenn sie zu hitzig wurden, oder einer von ihnen Frieden begehrete. Bey dem Stryker Gryzswart, Nieders. Kreitwarder. Er wird in den Schriften der vorigen Zeiten mehrmahls ausdrücklich Kreiswärter genannt, daher die erste Hälfte dieses Wortes sehr wahrscheinlich aus Kreis, Nieders. Kreit, der Kampfplatz, verderbt worden.


Grieswerk (W3) [Adelung]


Das Grieswerk, des -es, plur. die -e, an den Wassermühlen, ein allgemeiner Ausdruck, die Griessäulen mit ihren Docken und Spannrahmen zu bezeichnen.


Grieswurzel (W3) [Adelung]


Die Grieswurzel, plur. die -n, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Pflanze, welche in dem mittägigen Amerika wächset und ehedem sehr wider die Steinschmerzen gerühmet wurde; Cissampelos Pareira L.


Griff (W3) [Adelung]


Der Griff, des -es, plur. die -e, Diminut. das Griffchen, Oberd. Grifflein, von dem Zeitworte greifen. 1) Das Greifen, die Handlung des Greifens. Einen Griff in etwas thun. Mit einem einzigen Griff alles wegnehmen. Einen Griff zulassen. Der Falke, der Habicht gibt dem Hasen einen Griff, wenn er ihn mit den Klauen gewaltsam angreift. Etwas am Griff haben, d. i. am Gefühle, es gleich greifen oder mit der Hand fühlen können. Vollständig heißt diese figürliche R. A. im gemeinen Leben, etwas am Griffe haben, wie der Bettler die Laus. Figürlich für Handgriff, d. i. die aus Übung und Erfahrung erlernete Art und Weise eine Sache zu behandeln; welche Bedeutung aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Der weder Art noch Griff Zum Steuern weiß noch kann, Opitz. Noch mehr, unerlaubte Handgriffe, Kunstgriffe im nachtheiligen Verstande. Allerhand Griffe gebrauchen, im gemeinen Leben Kniffe. Arge Griffe, listige Griffe, krumme Griffe. Des Schelmen arger Griff, damit er uns will fangen, Opitz. Ein Weiser lebt, obgleich nicht krumme Griffe Ihm Geld und Trost in Schränk' und Kasten ziehn, Haged. 2) So viel als man mit einem Griffe fassen kann, eine Hand voll, in einigen Fällen. Bey den Nadlern ist ein Griff Nadelschäfte eine Zahl von 25-40 Stücken, so viel nehmlich der Zuspitzer auf Ein Mahl in die Hand nimmt und zuspitzt. Auch figürlich: Ein Haus, ein Landgut kann der Kleinen Habsucht stillen, Da Stadt und Länder kaum der Großen Griffe füllen, Haged. Ingleichen, so viel Raum, als man mit einem Griffe abmessen kann: wo dieses Wort im Forstwesen für Spanne gebraucht wird. S. Griffig. 3) Dasjenige, womit man greifet, in einigen einzelnen Fällen. So werden von den Jägern die Klauen der Raubvögel Griffe genannt. An den Hufeisen der Pferde ist der Griff das vorn hervor ragende Stück, womit das Pferd gleichsam in die Erde eingreift, zum Unterschiede der an beyden Seiten befindlichen Stollen. 4) Der Ort, wohin man greift. Vermuthlich nennen aus dieser Ursache die Fleischer dasjenige Stück Fett oder Talg, welches inwendig zwischen den Hinterkeulen alles schlachtbaren Viehes zu sitzen pfleget, den Griff. Noch mehr, derjenige Theil eines Werkzeuges, bey welchem man dasselbige angreift, um es zu führen; der Handgriff. Der Griff an einem Degen, das vornehmste Stück des Gefäßes. Der Griff an einem Dreheisen, an einer Ahle, an einer Violine u. s. f.

Anm. Im Nieders. Greep, Greppe, im Engl. Gripe, im Dän. Greeb. S. Greifen.


Griffbret (W3) [Adelung]


Das Griffbret, des -es, plur. die -er, dasjenige Bretchen auf dem Halse der Violinen und Lauten, auf welchem der Spielende mit den Fingern die Töne greift.


Griffel (W3) [Adelung]


Der Griffel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug, dessen man sich ehedem bedienete, auf die mit Wachs überzogenen Tafeln zu schreiben. Ingleichen ein längliches Stückchen Schiefer auf Schiefertafeln zu schreiben; Nieders. Rekensticke, Leidensticke. Figürlich führet auch diesen Nahmen ein spitziges Hölzchen oder ein Draht, womit die Kinder in den Leseschulen die Buchstaben zeigen. Ingleichen in der Kräuterwissenschaft der Neuern, der mittelste Theil des Staubweges, Stylus L.

Anm. Im Angels. Graef, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es gehöret nicht zu Griff, sondern zu dem veralteten graben, schreiben, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Engl. to grave, S. Graben und Schreiben. Die Endung -el deutet hier, wie in andern Fällen, ein Werkzeug an. Im Tatian wird der Griffel ein Scribsachs, ein Schreibmesser, genannt.


Griffelbeere (W3) [Adelung]


Die Griffelbeere, plur. die -n, an einigen Orten, eine Benennung der Preißelsbeere, Vaccinium vitisidaea L. Vielleicht weil man das Holz zu Griffeln in den Leseschulen gebraucht.


Griffig (W3) [Adelung]


Griffig, adj. et adv. welches im Forstwesen einiger Gegenden für greifig üblich ist. Ein griffiger Baum, den man mit einem oder zwey Griffen umspannen kann, und welcher von andern ein spänniger Baum genannt wird. S. Griff 2.


Griffsäule (W3) [Adelung]


Die Griffsäule, plur. die -n, S. Griessäule 2.


Griffwinde (W3) [Adelung]


Die Griffwinde, plur. die -n, bey den Schwertfegern, eine kleine eiserne Winde, die Degengriffe mit Drahte zu bewinden.


Grigelhahn (W3) [Adelung]


Der Grigelhahn, S. Griegelhahn.


Grille (W3) [Adelung]


1. Die Grille, plur. die -n, Diminut. das Grillchen, eine Art Grashüpfer oder kleiner Heuschrecken, von welchen die Männchen durch Zusammenschlagung der Flügeldecken denjenigen zwitschernden Gesang machen, den das Wort Grille ausdrückt; Gryllus L. schon bey den Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . S. Feldgrille, Hausgrille und Hirngrille. Welch ein Concert! die kleine Grille Mischt leise zirpend auch sich ein, Mus. Alman. Daß der Nahme dieses Thieres eigentlich dessen Gesang ausdrucke, erhellet auch aus dem noch im Niedersächsischen üblichen grolen, ungestüm schreyen, S. Grell. An andern Orten heißt dieses Insect, gleichfalls wegen seines schwirrenden Gesanges, Zirse, Zirke, in Preußen Schirke, Schörke, in Norwegen Siritzer, in Oberdeutschland Hermeling, Krekelin, in Holland Krekel, Engl. Criket, welches mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dem alten kreyen und heutigen schreyen überein kommt. S. auch Krieg. Der Nahme Heimchen kommt eigentlich nur den Hausgrillen zu, wird aber auch von einigen den Feldgrillen beygeleget. S. diese Wörter.


Grille (W3) [Adelung]


2. Grille, plur. die -n, eine mühsame mit Nachdenken verbunden Beschäftigung des Gemüthes, in verschiedenen Fällen. 1) Ein jeder seltsamer Einfall. Ich suchte ihm die Grille aus dem Gemüthe zu reden, daß man viele Leckereyen auf der Tafel haben müsse, wenn man vergnügt seyn wolle. Die Stoiker geriethen auf die Grille, daß der Mensch sich von allen Leidenschaften los machen könne. Er hat die Grille, daß er sein Urtheil niemahls ändern will. Das sind Grillen, seltsame Einfälle. 2) In engerer Bedeutung, künstliche mühsame Gedanken und Vorstellungen ohne Nutzen. Grillen fangen, solchen Gedanken nachhängen; zu welcher R. A. die Zweydeutigkeit des Wortes Grille Anlaß gegeben, weil das unter diesem Nahmen bekannte Insect schwer zu fangen, und zu nichts zu gebrauchen ist. S. Grillenfang und Grillenfänger. 3) In noch engerer Bedeutung sagt man, doch nur im Plural, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart von jemanden, er habe Grillen, oder er mache Grillen, wenn er tiefsinnigen verdrießlichen Gedanken nachhängt, wenn er mürrisch, verdrießlich, eigensinnig ist, und diesen Zustand seines Gemüthes äußerlich merken lässet, da man den einen solchen Menschen selbst auch wohl eine Grille zu nennen pflegt. 4) Im engsten Verstande, doch gleichfalls nur im Plural, sind Grillen, Sorgen, besonders so fern sie sich durch das äußere Betragen verrathen. Grillen haben. Einem die Grillen vertreiben.

Anm. Im Dänischen Grille, im Schwed. Griller. Martinius und nach ihm Wachter leiten dieses Wort von den Grillis, d. i. seltsamen Vorstellungen der Römischen Künstler her, deren Plinius gedenkt, und B. 35, Kap. 10 von einem Mahler Antiphilo sagt: Idem jocoso nomine Gryllum ridiculi habitus pinxit; unde hoc genus picturae grilli vocantur. S. Grillenwerk. Ihre hat den Ursprung dieses Wortes glücklicher entdeckt, welches ihm desto leichter war, da seine Muttersprache noch das Zeitwort graela hat, welches graben bedeutet, so wie grasla das Diminutivum von graswa, graben, ist, und mit unserm Deutschen grübeln überein kommt. Eine Grille bedeutet also eigentlich eine Grübeley, und diese Abstammung läßt sich aus den Mundarten gar schön bestätigen. Im Nieders. heißen seltsame Einfälle, Grillen, Grappen, Grapies, gleichfalls von graben; ingleichen Grimpen, welches eigentlich ein Nahme der Gründlinge ist, und ohne Zweifel einen ähnlichen Ursprung hat. Plinii Meinung entscheidet hier nichts, weil es schon bekannt ist, wie schlechte Etymologen die Römer bey ihrer Unkunde der Nordischen Sprachen waren. Das Latein. Grillus scheinet vielmehr mit dem Deutschen Grille aus einer und eben derselben ältern Quelle herzufließen. Es erhellet daraus zugleich, daß die Nebenbegriffe des Seltsamen, und des Unnützen, dem Worte nicht wesentlich ankleben. Indessen irret Ihre, wenn er das Schwed. graela, verwirrt schreyen oder reden, als eine Figur von graela, grübeln, ansiehet. Das erstere gehöret zu dem Nieders. grölen, und ist eine Nachahmung des Lautes.


Grillenfang (W3) [Adelung]


Der Grillenfang, des -es, plur. inus. im Scherze, der Zustand des Gemüthes, da man den Grillen, d. i. unnützen mühsamen Gedanken, verdrießlichen Vorstellungen und trübsinnigen Sorgen, nachhänget. Ihr Grillenfang ist mehr als lächerlich, Haged.


Grillenfänger (W3) [Adelung]


Der Grillenfänger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Grillenfängerinn, plur. die -en, eine Person, welche Grillen fänget, in den drey letzten Bedeutungen des Wortes 2. Grille; im Oberdeutschen ein Mückenfänger.


Grillenfängerey (W3) [Adelung]


Die Grillenfängerey, plur. die -en. 1) Der Zustand des Gemüthes, da man Grillen fänget; in der zweyten Bedeutung des Wortes 2. Grille, und ohne Plural. 2) Grillen selbst, auch nur in der zweyten Bedeutung. Das ist eine Grillenfängerey ein zwar künstlicher aber doch unnützer Gedanke. Grillenfängereyen im Kopfe haben.


Grillenhaft (W3) [Adelung]


Grillenhaft, -er, -este, adj. et adv. zu Grillen geneigt, und in dieser Neigung gegründet, besonders in den drey ersten Bedeutungen des Wortes 2. Grille. Ein grillenhafter Mann.


Grillenspiel (W3) [Adelung]


Das Grillenspiel, des -es, plur. die -e, verschiedene Arten mit Nachdenken verbundener Spiele. 1) Eines Spieles mit 33 Kegeln, welche auf einem Brete nach einer gewissen Ordnung in Löchern stehen, und nach gewissen Gesetzen so heraus gezogen werden, daß nur Einer übrig bleibt. 2) Eines Spieles mit Ringen auf einem gabelförmigen Drahte, welche nach gewissen Regeln abgespielet werden müssen.


Grillenwerk (W3) [Adelung]


Das Grillenwerk, des -es, plur. die -e, in den schönen Künsten, ein niedrig erhabenes Bildwerk, welches aus mancherley nach der Fantasie geschlungenen Zügen bestehet, und die Natur nicht nachahmet; Grotesk. S. 2. Grille Anm.


Grillig (W3) [Adelung]


Grillig, -er, -ste, adj. et adv. Grillen habend, zu Grillen geneigt, grillenhaft, besonders in der ersten und dritten Bedeutung des Hauptwortes; im gemeinen Leben auch grillisch.


Grimasse (W3) [Adelung]


Die Grimasse, plur. die -n, eine seltsame Geberde, besonders eine seltsame Verziehung des Gesichtes. Ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, ist nicht selten um so viel schöner; aber die Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen, Less. Sie machte über diesen Verlust unerträgliche Grimassen, Gell.

Anm. Nieders. gleichfalls Grimasse. Ob wir dieses Wort gleich zunächst wieder aus dem Franz. Grimace erborget haben, so ist es doch ein gutes altes Deutsches Wort, welches uns zugleich die eigentliche Bedeutung der Wörter Gram und Grimm lehret. Kaiserberg gebraucht Gramatzen und Kramatzen für Gaukelpossen, und in den Monseeischen Glossen ist grammaz grimmig, mit Verstellung der Geberde zornig. Im Schwed. und Angels. ist Grima eine Larve, weil sie das Gesicht verstellet.


Grimm (W3) [Adelung]


Der Grimm, des -es, plur. car. eigentlich derjenige hohe Grad des Zornes, der sich durch ungewöhnliche Geberden, durch eine widrige Verstellung der Gesichtszüge, besonders durch Zusammenbeißung der Zähne, offenbaret. In Grimm gerathen. Etwas im Grimme thun. Seinen Grimm an jemanden auslassen, über jemanden ausschütten. In weiterer Bedeutung wurde es ehedem sehr häufig für einen jeden hohen Grad des Zornes und Unwillens, ja für Zorn und Unwille überhaupt gebraucht; daher es in der Deutschen Bibel auch oft von Gott vorkommt. Allein um des widrigen Nebenbegriffes willen, hat man es in dieser weitern Bedeutung billig veralten lassen.

Anm. Bey dem Notker und Willeram ist Crimmi und Grimme Grausamkeit, Gremezi der Zorn, Grimheit Tyranney, crimman grimmig machen, bey dem Opitz vergrammen erzürnen, im Isidor Grimmi Hartnäckigkeit. Daß die Verstellung der Gesichtszüge in diesem Worte der herrschende Begriff ist, erhellet aus dem vorigen Grimasse, aus Gram, Griesgrammen und den verwandten Sprachen. Im Schwed. ist grymm gräulich, Grauen erweckend, im Engl. grimm scheuslich, verdrießlich, im Ital. grimo mürrisch, im Spanischen Grima ein Schauer der Haut, und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Kälte. S. auch Greinen.


Grimm (W3) [Adelung]


+ Grimm, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, im Oberdeutschen aber noch für grimmig, wüthend, grausam gebraucht wird. Eine grimme That, Opitz. Die grimme Schlan- genzucht, Gryph. Mein allergrimmster Feind, ebend. Der grimme Tod, H. Sachs. Aufs grimmste, Lohenst. Bey dem Kero crimm.


Grimmdarm (W3) [Adelung]


Der Grimmdarm, des -es, plur. die -därme, der weiteste unter den dicken Därmen, in welchem die zum Auswurfe bestimmten Überbleibsel der Speisen sich eine Zeit lang aufhalten, ehe sie in den Mastdarm gerathen; Colon. Vermuthlich, weil man ihn für den Sitz des Bauchgrimmens und der Kolik hält. S. das folgende.


Grimmen (W3) [Adelung]


Grimmen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1) + Grimmig seyn, in einen wüthenden Zorn gerathen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wovon noch das zusammen gesetzte ergrimmen üblich ist. 2) Einen hohen, mit Verzerrung der Gesichtszüge verbundenen Grad des Schmerzens verursachen; in welcher Bedeutung es unpersönlich und nur von den Schmerzen im Unterleibe und besonders in dem Grimmdarme gebraucht wird. Es wird dich im Bauche grimmen, Offenb. 10, 9, 10. Der Infinitiv auch als ein Hauptwort. Das Grimmen im Leibe haben oder bekommen. Ein unsättiger Fraß hat das Grimmen und Bauchwehe, Sir. 31, 24. S. auch Bauchgrimmen. Von vielen wird es unrichtig krimmen geschrieben und gesprochen.


Grimmenwasser (W3) [Adelung]


Das Grimmenwasser, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. ein abgezogener Branntwein wider das Grimmen im Leibe; ein Carminativ, Aqua carminativa.


Grimmig (W3) [Adelung]


Grimmig, -er, -ste, adj. et adv. Grimm, d. i. einen mit Verzerrung des Gesichtes verbundenen Grad des Zornes habend, und darin gegründet. Grimmig aussehen. Ein grimmiges Thier, ein raubgieriges, blutgieriges Thier. Ein grimmiges Gesicht machen. Grimmig werden. Für zornig überhaupt ist es im Hochdeutschen eben so sehr veraltet, als das Hauptwort Grimm. Im gemeinen Leben gebraucht man es noch zuweilen für heftig, fürchterlich, so wie grausam. Eine grimmige Kälte.

Anm. In dem alten Gedichte auf Carln den Großen bey dem Schilter grimmeg, im Nieders. grimstig, im Oberdeutschen nur grimm. Das Hauptwort die Grimmigkeit ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Ingrimmisch wird im Oberdeutschen für cholerisch gebraucht.


Grind (W3) [Adelung]


Der Grind, des -es, plur. inus. 1) Die harte Rinde, welche nach einem Geschwüre zurück bleibet, oder einen Ausschlag begleitet; die Rinde, Kruste, im Niedersachsen die Rufe, der Schorf. 2) Eine jede Art des Ausschlages, bey welchem sich eine solche Art des Grindes oder der Rinde findet. In diesem Verstande wird die Räude oder Krätze an Menschen, Thieren und Gewächsen zuweilen der Grind genannt, wie in der Deutschen Bibel mehrmahls geschiehet. Die Flechte oder das Geflecht führet bey einigen den Nahmen des trocknen Grindes. Am häufigsten ist dieses Wort von demjenigen Ausschlage des Kopfes, welcher von einer zähen, salzigen und scharfen Feuchtigkeit herrühret, und sich am häufigsten bey Kindern einfindet; Tinca. Der böse Grind, oder der Erbgrind, im Nieders. Stillstand, im Preußen Bernegrund, gleichsam Borngrund, frißt die Wurzeln der Haare an, und gehet oft bis auf den Knochen. In den niedrigen Sprecharten, figürlich, der Kopf, der eigentliche Sitz der letzten Art des Grindes. Begreif den Gauch beym grindt, Theuerd. Kap. 60. Einige Jäger pflegen auch den Kopf des Hirsches den Grind zu nennen.

Anm. Entweder von Rinde mit vorgesetztem Gaumenbuchstaben, oder auch von Grand, Greindt, ( S. Frischen v. Grien) so fern es im Oberdeutschen theils Hefen, Unreinigkeit überhaupt, theils im Nieders. grobkörnigen Sand bedeutet, weil bey eini- gen Arten des Kopfgrindes Körner unter und über der Haut sichtbar sind. Im Ital. heißt der Grind Cranio, von dem Lat. Cranium. Im Schwed. und Isländ. ist Horund die Haut, welchem sich das Lat. Corium nähert. Einige Jäger pflegen auch das kleine Moos auf dem Boden und an den Bäumen Grind zu nennen.


Grindel (W3) [Adelung]


Der Grindel, ein Riegel, S. Grendel.


Grindholz (W3) [Adelung]


Das Grindholz, des -es, plur. inus. ein Nahme des Elsebeerholzes, Rhamnus Frangula L. S. Elsebeere.


Grindicht (W3) [Adelung]


Grindicht, adj. et adv. dem Grinde ähnlich.


Grindig (W3) [Adelung]


Grindig, -er, -ste, adj. et adv. mit dem Grinde behaftet, in dieser Krankheit gegründet. Grindig seyn, werden. Grindige Schafe.


Grindkopf (W3) [Adelung]


Der Grindkopf, des -es, plur. die -köpfe, in den niedrigen Sprecharten, ein mit dem Grinde behafteter Kopf. Ingleichen eine mit dieser Krankheit behaftete Person.


Grindkraut (W3) [Adelung]


Das Grindkraut, des -es, plur. von mehrern Arten, die -kräuter, ein Nahme verschiedener Pflanzen, welche wider den Ausschlag des Kopfes oder wider die Krätze gebraucht werden; dergleichen die Scabiose, Scabiosa L. das Kreuzkraut, Senecio L. die Grindwurz, Rumex acutus L. und andere mehr sind


Grindrabe (W3) [Adelung]


Der Grindrabe, des -n, plur. die -n, eine Art Raben, deren Schnabel voller Grind zu seyn scheinet, und welche auch Rückenraben genannt werden.


Grindwurzel (W3) [Adelung]


Die Grindwurzel, plur. die -n, so wie Grindkraut, ein Nahme verschiedener Pflanzen, deren Wurzeln oder andere Theile wider den Kopfgrind oder wider die Krätze gerühmet werden. Besonders verschiedener Arten des Ampfers, vorzüglich aber des gemeinen, Rumex acutus, oder Lapathum acutum L. welcher auch Grindkraut heißt, und des Wasserampfers Rumex aquaticus L. ingleichen des Virginischen rothen Ampfers, Rumex sanguineus L.


Gringel (W3) [Adelung]


1. Der Gringel, ein Riegel u. s. f. S. Grendel.


Gringel (W3) [Adelung]


2. Der Gringel, eine Art eines Gebackenen, S. Kringel.


Grinitz (W3) [Adelung]


Grinitz, S. Grünitz.


Grinsen (W3) [Adelung]


Grinsen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur im Bergbaue üblich ist, wo man von dem Schwarzkupfer sagt, daß es grinse, wenn es in dem Probescherben anfängt zu gehen. In den niedrigen Sprecharten hat man von greinen auch das Frequentativum grinsen, welches so wie jenes so wohl weinen als lächeln bedeutet.


Grinsling (W3) [Adelung]


Der Grinsling, S. Grünfink.


Gritzjökel (W3) [Adelung]


Der Gritzjökel, S. Grützjökel.


Griwe (W3) [Adelung]


Die Griwe, plur. die -n, eine Russische Münze, welche die Russen mit dem Nahmen von den Griechen angenommen haben, und welche 2 Gr. und 8 Pf. Meißnisch gilt.


Grob (W3) [Adelung]


Grob, gröber, gröbste, adj. et adv. 1. Eigentlich. 1) Groß, stark; doch nur noch in einigen Fällen. Grobe Sauen, bey den Jägern, starke, große Sauen. Grobe Münze, grobes Geld, welches aus größern Stücken bestehet, und auch hartes Geld genannt wird. Grobes Geschütz, im Gegensatze des kleinern. Eine grobe Schrift, welche aus großen Buchstaben bestehet. Die Feder schreibt zu grob, wenn sie zu starke, zu große Züge macht. Grobe Späne, im Gegensatze der kleinen oder feinen. S. Grobschmid. 2) Aus sehr in die Sinne fallenden, großen, starken Theilen bestehend; im Gegensatze des Feinen. Grober Sand, ein grobes Schießpulver. Ein grober Sandstein, der aus grobkörnigem Sande bestehet. Grobes Mehl, grobes Brot. Ein grober irdischer Körper, im Gegensatze eines feinern, weniger in die Sinne fallenden. Eine derbe grobe Speise. Grob gestoßenes Gewürz. Grobe Leinwand, grobes Papier, grobe Fäden. Grober Draht, dicker, im Gegensatze des fei- nen oder dünnen. Ein grober Kittel, der aus grober Leinwand bestehet. Eine grobe ungesunde Luft. Äußerst anpassend, lau und grob müssen die Eindrücke der äußern Dinge seyn, wenn der Dummkopf Vergnügen fühlen soll, Zimmerm. 2. Figürlich. 1) Fähig, nur grobe, sehr sinnliche Dinge zu empfinden. Ein grobes Gefühl haben. Die groben Seelen suchen sich so wie die feinen. Grobe Sinne haben. 2) Mit dem Nebenbegriffe der Ungeschicklichkeit, des Mangels der Feinheit, der Kunst, des Fleißes; im Gegensatze des Zarten, noch mehr aber des Feinen. Grobe Glieder haben, plumpe; grob von Gliedern seyn. Grobe Hände, starke und harte Hände. Eine Sache aus dem Groben, oder aus dem gröbsten arbeiten. Grobe Arbeit verrichten, schwere, beschwerliche Arbeit, wozu keine Geschicklichkeit außer der Stärke des Leibes erfordert wird. Grobe Waaren, im Gegensatze der feinen. 3) Von der Stimme, für tief, besonders unangenehm tief. Eine grobe Sprache, eine grobe Stimme haben. 4) Grob schwanger seyn, im gemeinen Leben, hoch schwanger seyn; im Oberdeutschen auch grobes Leibes seyn, im Nieders. graves Fotes gaan. 5) Grobe Gänge, grobe Geschicke, im Bergbaue, welche nur geringhaltige Silbererze führen. 6) Eine grobe Lüge, die als Lüge leicht kenntlich, aller Wahrscheinlichkeit beraubt ist. Grobe Irrthümer, welche sehr leicht als Irrthümer erkannt werden können, wissentliche Verläugnung der Wahrheit. Grobe, große, schwere, Laster, die von jedermann als Laster erkannt werden. Ein grobes Verbrechen, ein grober Fehler, ein großer, starker, der leicht erkannt und vermieden werden konnte. 7) Eine Sache ganz vorstellend, ohne aus Klugheit einen oder den andern Theil davon zu verbergen, im Gegensatze des Feinen; doch nur in einigen Fällen. Eine grobe Schmeicheley. Einem gar zu grob schmeicheln. Ein grober Gottesläugner. Etwas grob heraus sagen. 8) Den angenommenen Wohlstand, die eingeführten guten Sitten in einem hohen Grade beleidigend, und in dieser Beschaffenheit gegründet; wo es zugleich ein harter Ausdruck für unhöflich ist. Ein grober Mensch; in den niedrigen Sprecharten, ein grober Bauer, grober Esel, grober Flegel u. s. f. S. Grobian. Ein grober Scherz, der den Wohlstand, die Achtung gegen andere beleidiget. Einem andern grob begegnen. Grob mit jemanden scherzen, reden. 9) Im gemeinen Leben in Gestalt eines Nebenwortes zuweilen auch von einem zu hohen Grade der innern Stärke einer Handlung. Das ist zu grob, zu arg. Jetzt macht er mir es zu grob.

Anm. So lange grob am Ende nicht verlängert wird, hat es im Hochdeutschen ein geschärftes o, als wenn es gropp geschrieben wäre. Bey der Verlängerung des Wortes aber, der grobe u. s. f. ist das o gedehnt. Eben so ist es im Nieders. wo das Nebenwort grov, das Beywort de grave u. s. f. lautet. Im Oberd. hingegen ist das o auch in grob gemeiniglich gedehnt, und in einigen Gegenden lautet es gar graub. In den Oberdeutschen Schriften der ältern und mittlern Zeiten kommt dieses Wort nicht vor, außer daß in Chriemhilden Rache Kravoheit für Roheit, Wildheit, angetroffen wird. Im Dän. lautet es grov, im Schwed. wo es aber auch nicht alt ist, grof, im Pohln. gruby. Im Böhmischen ist hruby groß, und im Wallis. rhef dick. Die Abstammung ist noch ungewiß, weil mehrere Wörter mit gleicher Wahrscheinlichkeit Anspruch darauf machen. Wachter leitet es von grappen, greifen, tappen, Frisch von rauh, rudis, crudus, Ihre vom Latein. gravis, andere von dem alten grow, wachsen, her, welche Ableitung dadurch scheinbar wird, weil im Dithmarsischen für grob grün üblich ist. Im Holländ. ist groven stark, dick werden. S. auch Graupe, Griebe und groß, welche mit ihren Stammwörtern gleichfalls mit in Betrachtung kommen können. Dieses Wort kann mit vielen auch sonst allein ungewöhnlichen Beywörtern zusammen gesetzet werden, ihre grobe Beschaffenheit in den beyden eigentlichen Bedeutungen zu bezeichnen, z. B. grobkörnig, grobfädig, grobgliederig, grobsandig u. s. f. wovon im folgenden nur einige angeführet werden.


Grobdrähtig (W3) [Adelung]


Grobdrähtig, adj. et adv. aus groben Drahte oder Fäden bestehend. Grobdrähtiges Fleisch, im gemeinen Leben. Ein grobdrähtiger Zeug. S. Grobfädig.


Gröbe (W3) [Adelung]


* Die Gröbe, plur. car. im gemeinen Leben, die grob Beschaffenheit eines Körpers oder seiner Bestandtheile, in der eigentlichen Bedeutung des Wortes grob. Die Gröbe des Glases. S. Grobheit.


Grobfädig (W3) [Adelung]


Grobfädig, -er, -ste, adj. et adv. grobe Fäden habend. Grobfädige Wolle. Grobfädiges Fleisch.


Grobgedackt (W3) [Adelung]


Grobgedackt, besser getheilt, grob gedackt, S. Gedackt.


Grobgrün (W3) [Adelung]


Das Grobgrün, substant. indeclin. ( S. Gran,) eine Art seidener oder wollener Zeuge mit groben und dicken Fäden; Nieders. Grovgrön. Der Nahme ist aus dem Franz. Grosgrain, Ital. Grosso grano verderbt. Des wollenen Grobgrün geschiehet bey dem Frisch schon 1500 Meldung.


Grobhäusern (W3) [Adelung]


Das Grobhäusern, des -s, plur. car. ein auf dem Lande in Obersachsen übliches Glücksspiel, wobey jeder vier Karten erhält, deren zwey aufgelegt werden, auf welche hernach nach dem Verhältniß der noch in der Hand befindlichen zwey Blätter mehr oder weniger gebothen wird. Grobhäusern, verb. dieses Spiel spielen. Es ist weit einfacher als das Scherwenzeln.


Grobheit (W3) [Adelung]


Die Grobheit, plur. die -en, das Hauptwort von dem Beyworte grob, welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Abstractum, die grobe Beschaffenheit einer Person oder Sache zu bezeichnen; ohne Plural. 1) In der zweyten eigentlichen Bedeutung. Die Grobheit des Sandes, des Mehles, des Brotes; wofür doch einige um der Zweydeutigkeit dieses Wortes willen lieber das ungewöhnliche Grobe gebrauchen. 2) Figürlich. (a) Die Fähigkeit, nur grobe, sehr sinnliche Dinge zu empfinden. Die Grobheit der Empfindung, des Gefühles, der Seele. (b) Körperlicher beträchtlicher Umfang mit Ungeschicklichkeit verbunden. Die Grobheit der Glieder. (c) Die Grobheit der Stimme, ihre unangenehme Tiefe. (d) Die Eigenschaft einer fehlerhaften Sache, da sie als solche leicht in die Augen fällt, leicht erkannt wird. Die Grobheit einer Lüge, eines Fehlers. Noch mehr, (e) die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie dem Wohlstande im hohen Grade zuwider handelt oder läuft; ein eben so harter Ausdruck als grob. Die Grobheit eines Menschen, einer Antwort, eines Scherzes. Die Grobheit ablegen. 2. Als ein Concretum, grobe Ausdrücke, grobe Handlungen; doch nur in der letzten Bedeutung des vorigen Abstracti. Einem eine Grobheit sagen. Dergleichen Grobheiten sind mir unerträglich. S. Grob.


Grobjährig (W3) [Adelung]


Grobjährig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur im Forstwesen üblich ist, grobe, d. i. starke Merkmahle des Jahrwuchses habend; im Gegensatze des kleinjährig.


Grobian (W3) [Adelung]


Der Grobian, des -es, plur. die -e, ein Deutsches Wort mit einer Lateinischen Endung, welches vielleicht aus grober Jan, d. i. Johann zusammen gezogen ist, einen groben unhöflichen Menschen zu bezeichnen. Engl. gleichfalls Grobian.


Grobkörnig (W3) [Adelung]


Grobkörnig, -er, -ste, adj. et adv. aus groben Körnern bestehend. Grobkörniges Pulver.


Gröblich (W3) [Adelung]


Gröblich, adj. et adv. ein wenig grob, in der zweyten eigentlichen Bedeutung des Wortes grob. Etwas gröblich klein stoßen. Ein gröbliches Pulver. Ingleichen, in der sechsten figürlichen Bedeutung. Sich auf eine gröbliche Art vergehen. Sich gröblich irren. Ach hättest du doch nicht so gröblich dich beflecket! Opitz.


Gröbs (W3) [Adelung]


Der Gröbs, das Kerngehäuse, S. Griebs.


Grobschmid (W3) [Adelung]


Der Grobschmid, des -s, plur. die -schmiede, ein Eisenschmid, welcher nur grobe, d. i. große Arbeiten verfertiget, ein Hufschmid, Waffenschmid, im mittlern Lat. Faber grossarius; zum Unterschiede von einem Kleinschmid oder Schlösser.


Grobschwanger (W3) [Adelung]


Grobschwanger, adj. et adv. S. Grob 2. 4).


Grobspeisig (W3) [Adelung]


Grobspeisig, -er, -ste, adj. et adv. im Bergbaue, aus groben, d. i. großen Würfeln bestehend. Grobspeisiger Bleyglanz, im Gegensatze des kleinspeisigen. S. Speise.


Grod (W3) [Adelung]


Der Grod, des -es, plur. die -e, oder das Grodgericht, des -es, plur. die -e, ein Pohlnisches und nur in Pohlen übliches Wort, das Gericht eines Starosten zu bezeichnen; von dem Pohlnischen Worte Grod, ein Schloß, daher ein solches Gericht auch das Schloßgericht genannt wird, weil es seinen Sitz in dem Schlosse des Starosten hat. Daher der Grod-Richter, der Verweser des Starosten in diesem Gerichte. Das Pohlnische Grod ist männlichen Geschlechtes.


Groden (W3) [Adelung]


+ Der Groden, des -s, plur. ut nom. sing. in den Niedersächsischen Marschländern, eine außerhalb eines Deiches angewachsene Wiese; ingleichen eine grasreiche Insel in einem Flusse, welche der Fluß selbst ansetzet. Im erstern Falle wird ein solcher Groden auch das Vorland, das Butenland, das Würp genannt. Von dem Nieders. groien, wachsen, Schwed. gro. S. Grün. Daher der Grodendeich, ein Deich oder Damm, vor welchem sich ein Groden befindet; ingleichen ein Deich an einem kleinen Flusse, welcher zur Erleichterung der Wasserdeiche überlaufen kann.


Groll (W3) [Adelung]


Der Groll, des -es, plur. inus. ein Wort, welches eine eingewurzelte, aber dabey heimliche Feindschaft wider eine Person oder Sache ausdruckt. Einen Groll auf oder wider jemanden haben. Einen Groll gegen oder wider jemanden fassen, auf ihn werfen. Seinen Groll an jemanden auslassen. Anm. Im Nieders. Grull, im Schwed. wo es aber Deutschen Ursprunges seyn soll, Groll. Wachter leitet dieses Wort, welches in unsern ältern Denkmählern nicht angetroffen wird, von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, cholerisch, jähzornig handeln, her. Frisch hatte den seltsamen Einfall, es von dem Rollen der Winde im Bauche abstammen zu lassen, die er für ein stattliches Gleichniß der heimlichen Feindschaft hält. Vermuthlich gehöret es zu dem Angels. griellan, reitzen, erbittern, im gemeinen Leben vergrellen, und stammet mit demselben von dem noch im Schwed. üblichen gra, gram, her, von welchem auch unser Gram und Grimm herkommen, welche bloß durch die Ableitungsbuchstaben, deren Bedeutung noch nicht bekannt genug ist, anders bestimmt worden. Das doppelte ll ist in vielen ähnlichen Ableitungen ein Zeichen eines Iterativi oder Intensivi.


Grollen (W3) [Adelung]


Grollen, verb. reg. act. Groll, d. i. bittere Empfindung des heimlichen Zornes erregen, im gemeinen Leben einiger Gegenden, nur in der dritten Person und mit dem Accusative. Diese Behandlung grollte ihn.


Grolzen (W3) [Adelung]


* Grolzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur in den niedrigen Sprecharten, besonders der Oberdeutschen, für das eben so niedrige rülpsen üblich ist. Da- her der Grölzer, das laute Aufstoßen aus dem Magen, ein Rülps; der Barngrolzer, ein Krippenbeißer, S. Barnbeißer. Beyde Wörter sind Nachahmungen des Schalles. Im Engl. ist to growl murren, und im Nieders. grölen ungestüm schreyen.


Gröning (W3) [Adelung]


Der Gröning, ein Vogel, S. Grünfink.


Gronne (W3) [Adelung]


Die Gronne, plur. die -n, bey den Jägern, der kleine erhabene Hügel in der Fährte eines Hirsches, welcher auch der Bühel, das Burgstall, das Hüberlein, der Bürzel, die Krümme, genannt wird, aus welchem Worte es vielleicht verderbt ist.


Groot (W3) [Adelung]


Groot, eine Niedersächsische Münze, S. Grot.


Gropp (W3) [Adelung]


Der Gropp, des -en, plur. die -en, eine Art Fische, siehe Kaulhaupt.


Gröschel (W3) [Adelung]


Das Gröschel, des -s, plur. ut nom. sing. welches eigentlich das Diminutivum des folgenden Wortes, und aus Gröschlein zusammen gezogen ist. Es ist besonders in Böhmen und Schlesien üblich, in dem erstern Lande eine kupferne Scheidemünze von 2 2/5, und in dem letztern eine silberne von 3 Meißner Pfennigen zu bezeichnen. Es wird auch ein Mäusel, ingleichen Fledermaus genannt, S. das letztere. Auch in Ungarn und Österreich pflegt man nach Gröscheln zu rechnen, wo sie gleichfalls einen Dreyer oder 3 Pf. gelten. In einigen Gegenden im Reiche, wo man diese Münze gleichfalls hat, gilt sie nur 2 Meißnische Pfennige.


Groschen (W3) [Adelung]


Der Groschen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) + Eine ehemahlige Benennung einer jeden dickern Münze, zum Unterschiede von den Bracteaten oder Blechmünzen; daher auch die Thaler ehedem Groschen genannt wurden. In dieser Bedeutung ist es veraltet, außer daß es noch zuweilen in den Zusammensetzungen Gnadengroschen, Schaugroschen u. s. f. in derselben vorkommt. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, ein Nahme einer meisten Theils aus Silber geschlagenen Münze, welche in Deutschland der 24ste Theil eines Thalers ist, 12 Pfennige hält, und in Schlesien und einigen andern Gegenden auch ein guter Groschen heißt, zum Unterschiede von den Kaiser-Marien- oder Silbergroschen, welche eine etwas kleinere Münzart sind, und in denjenigen Gegenden, wo sie gelten, auch nur Groschen schlechthin genannt werden. Ein solcher guter Groschen hält in Schlesien 1 1/4 Silber- oder Kaisergroschen, 5 Gröschel, 15 Denare oder Schlesische Pfennige, d. i. 12 Meißnische Pfennige. In Baiern, wo man bey Grundzinsen noch nach schwarzer Münze oder Kupfermünze rechnet, hält ein Groschen schwarzer Münze, 3 Regensburger Pfennige, d. i. 7 1/4 Pfennige, oder 2 1/7 Kreuzer weißer Münze. In Pohlen und Preußen ist ein Groschen gleichfalls eine Kupfermünze und ungefähr so viel wie ein Gröschel in Schlesien. Ein Groschen Pohlnisch gilt in Danzig 2 2/5 Meißnische Pfennige, ein Groschen Preußisch Courant, in Königsberg 3 Meißnische Pfennige, ein Groschen Pohlnisch in Kupfer, in Groß-Pohlen 1 1/3, seit 1766 aber in 1 3/5 Meißnische Pfennige. Ein Groschen Preußisch, welcher 2 Pohlnische Groschen hält, ist eine Rechnungsmünze in Klein-Pohlen, wo sie sonst 2 2/3, seit 1766 aber 3 1/5 Meißnische Pfennige gilt. Anm. Der Nahme ist aus dem mittlern Lat. Grossus, dick, und bedeutet eigentlich eine Denkmünze. In einer Urkunde Friedrichs des zweyten von 1232 kommen auch Grossi aurei vor. S. auch Grot.


Groschenstück (W3) [Adelung]


Das Groschenstück, des -es, plur. die -e, welches nur in Zusammensetzungen, Zweygroschenstück, Viergroschenstück, Achtgroschenstück, üblich ist, Münzen zu bezeichnen, welche zwey, vier oder acht Groschen gelten, und auch Zwölftel, Sechstel und Drittel, nehmlich eines Thalers, genannt werden. Im Oberdeutschen ist dafür Groschner üblich; ein Zweygroschner u. s. f.


Groß (W3) [Adelung]


Groß, größer, größeste, zusammen gezogen größte, adj. et adv. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. I. Absolute, die Quantität, das Maß der Ausdehnung zu bezeichnen. Der Garten ist zehn Quadrat-Ruthen groß. Wie groß ist der Acker? Besonders der Ausdehnung in die Höhe und in die Länge. Wie groß ist der Berg, das Haus, der Baum? für wie hoch? In dieser Bedeutung ist es in der ersten Staffel am häufigsten in Gestalt eines Nebenwortes üblich, seltener in Gestalt eines Beywortes. Ein zehen Ellen großer Stein, besser, der zehen Ellen groß ist. Cajus ist größer als sein Bruder. Der größte von beyden. II. Einen beträchtlichen Raum einnehmend, im Gegensatze dessen, was klein oder kleiner ist, wo das Gewöhnliche alle Mahl das Maß ist, worauf sich groß und klein beziehen. 1. Eigentlich und in engerer Bedeutung. 1) Überhaupt, ein mehr als gewöhnliches Maß der Ausdehnung habend. Eine große Stadt, ein großes Dorf, ein großes Haus, ein großer Baum, ein großes Feld, ein großer See u. s. f. Der Garten ist nicht groß, aber schön. Alexander wurde im Verhältnisse kleiner, so wie seine eroberten Gebiethe größer wurden. Die große Zehe, im Gegensatze der kleinern Zehen. Die großen Propheten, zum Unterschiede von den kleinern, dem Umfange des Raumes nach, welchen ihre Schriften einnehmen. Im Großen handeln, Franz. en gros, im Ganzen, im Gegensatze der Krämer; S. Großhändler. 2) In engerer Bedeutung. (a) Der Ausdehnung in die Länge nach. Große Schritte machen. Er ist arm, aber seine Schritte zum Glücke sind groß und sicher, Sonnenf. (b) Der Ausdehnung in die Höhe nach. Ein großer, d. i. hoher, Baum. Das Wasser wird groß, schwillt der Höhe nach an. Ein großer Mensch. Ein großer Riese. Die ehemahlige große Garde zu Potzdam. 2. Figürlich. 1) Erwachsen. Kleine Kinder werden auch groß. Sein größerer (älterer) Bruder. Hühnervieh groß ziehen. Die Großen, die Erwachsenen, im Gegensatze der Kleinen. 2) Der Zahl, der Menge nach, aus vielen Theilen oder Individuis bestehend. Eine große Anzahl, Menge. Ein großes Gastmahl anstellen, welches aus vielen Personen bestehet. Ein großes, zahlreiches, Gefolge haben. Der große, größere oder äußere Rath, der aus mehreren Personen bestehet, im Gegensatze des kleinen, kleinern, engern oder innern Rathes. Der große Haufe, der Pöbel, das gemeine Volk, weil dasselbe den zahlreichsten Theil in einem Staate ausmacht. Ein großer Vorrath von Kugeln, Obst, Waaren u. s. f. Großen Theils, nicht großentheils, größten Theils, nicht größtentheils, einem großen, oder dem größten Theile nach, werden als Nebenwörter gebraucht. Ich habe es großen Theils schon gesagt. Das rühret größten Theils daher u. s. f. Groß Geld und Gut aufwenden, vieles. Ein Großes, bey einigen für vieles Geld; es hat mich ein Großes gekostet, ich wollte nicht ein Großes nehmen, u. s. f. Ein großes Hundert, im gemeinen Leben, eine Zahl von 120, ein großes Tausend, eine Zahl von 1200, welche Wörter von einigen irrig zusammen gezogen werden, ein Großhundert, Großtausend. Diese Benennung ist ein Überbleibsel der alten Art, anstatt zehen, bis auf zwölf zu zählen, welche sich bey mehrern mitternächtigen Völkern findet. 4) Der Qualität nach, viele Grade der innern Stärke habend. Ein großes Geschrey erheben. In eine große Freude, in einen großen Zorn gerathen. Große Schmerzen empfinden. Seinen Schaden, seinen Schmerzen größer machen (vorstellen) als er ist. In dem größten Ansehen stehen. Große Kälte empfinden. Die Hitze ist eben nicht so groß. Eine größere oder geringere Ähnlichkeit. Wir werden durch große Mühseligkeiten nicht selten zu einem dauerhaften Glücke geführet, Sonnenf. Welches Lob ist größer, blühende Wangen oder eine schöne Seele? In großer Blindheit stecken. Dir stehet ein großes Glück, ein großes Unglück bevor. Großen Hunger, großen Durst empfinden. Er ist ein großer Spieler, ein großer Trinker, ein großer Lügner, ein großer Bösewicht, ein großer Gelehrter, ein großer Tonkünstler u. s. f. besitzt in diesen Beschäftigungen sehr viele und ausgebreitete Fertigkeiten. Die Araber waren eben keine großen Erfinder. Ein großer Mann, der in seinem Fache viele und seltene Fähigkeiten besitzet. So zahlreich die Fälle sind, in welchen groß in dieser Bedeutung gebraucht wird, so sind sie doch nicht ohne Einschränkung. Man sagt z. B. nicht ein großer Geruch, ein großer Geschmack, ein großer Schall, ob man gleich ganz richtig ein großes Licht, ein großes Getöse, ein großer Schmerz sagt. Allein da, wo bloß der Eigensinn des Gebrauches herrschet, sind Regeln unmöglich. Eben dieses gilt auch von den meisten der vorigen Bedeutungen. In einigen Fällen im gemeinen Leben auch als ein Nebenwort allein. Ich achte es nicht groß, nicht sehr. Was ist der Mensch, daß du ihn groß achtest? Hiob. 7, 17, so sehr, so hoch. Ich bekümmere mich nicht groß darum. Ich habe ihn nicht groß gesehen, habe ihn nicht viel, nicht sehr gesehen. Ich habe nicht groß darauf gehöret, nicht sonderlich. 4) Der Wichtigkeit, d. i. so wohl der Menge als Beschaffenheit der Folgen nach, ohne doch die vorher gehende innere Größe davon auszuschließen. Große Leidenschaften, große Laster, große Tugenden, deren Wirkungen und Folgen sich auf viele Personen erstrecken. Ein großer Verstand, der den Zusammenhang zwischen vielen Dingen mit großer Deutlichkeit einsiehet. Es gibt große Tugenden, welche dem Zärtlinge des Glücks gänzlich verborgen bleiben, Dusch. Furcht und Zweifel hemmen oft große Anschläge gleich im Anfange. Der große Gedanke, Gott regieret die Schicksale der Menschen. Sein eigenes kleines Selbst ist der große Mittelpunct der Schöpfung. Unsere große und ewige Bestimmung. Kleine Gefälligkeiten für große Erwartungen verkaufen, für Erwartungen großer, wichtiger Dinge. Große Thaten thun. Das hat etwas Großes zu bedeuten. Es muß ihnen etwas Großes begegnet seyn. Wer im Kleinen nicht treu ist, ist es im Großen noch weniger. 5) Dem Vorzuge vor der Menge nach. (a) Dem äußern Vorzuge, dem Stande, der Würde nach. In Österreich bekommt die älteste Erzhorzoginn, auch wenn sie noch in der Wiege liegt, den Titel große Frau. Personen, welche die ersten Stellen des Staates entweder in der Regierung, oder zunächst um den Fürsten bekleiden, werden große Männer oder Große genannt. Die Großen dieser Welt. Ein großer Herr. Das große Verdienst verschließt sich den Zutritt zu den Großen und verachtet den Zutritt zu den Geringen, Gell. - Mir scheint kein Großer gleich, Wenn ich entzückt in deinen Armen lausche, Haged. Die große Welt, vornehme Personen. (b) Den innern Vorzügen, den innern großen und erhabenen Eigenschaften nach. Groß denken, edel, sich durch seine Art zu denken von der gemeinen und gewöhnlichen unterscheiden, besonders im guten Verstande. Wer Beleidigungen nicht vergeben kann, denkt nicht groß. Der große Gott. Gott groß machen, in der Deutschen Bibel, dessen Vollkommenheiten bekannt zu machen, und ihnen Achtung zu erwerben suchen. Eine große Seele, welche sich durch Standhaftigkeit, Großmuth, erhabene Gesinnung u. s. f. von vielen andern unterscheidet. Ein großer Mann, der sich durch vorzügliche Fähigkeiten oder Verdienste von seinen Zeitgenossen unterscheidet. Wenn ein großer Mann fällt, so ist er auch im Falle groß, Sonnenf. Man mag gern, wie Montaigne sagt, große Männer bey Kleinigkeiten belauschen. Der Überwinder einer Welt ist kein so großer Mann, als der unschuldig leidende, der allen seinen widrigen Schicksalen eine standhafte Geduld entgegen setzet, Dusch. c) Sich mit etwas groß machen, damit groß thun, im gemeinen Leben, sich damit einen ungegründeten Vorzug beyzulegen suchen. Groß thun, sich durch Worte oder Handlungen Vorzüge beylegen, die man nicht besitzet. S. Großsprecher, Großthuer.

Anm. Bey dem Ottfried groz, bey dem Willeram gruoz, im Nieders. groot, grant und grandig, (Lat. grandis, Franz. grand,) im Engl. great. Es gehöret zu dem Geschlechte des Lat. crassus, des mittlern Lat. grossus, Engl. gross, dick. Ohne Zweifel stammet es von dem alten grow, wachsen ab, wohin auch das alte rise, Engl. to rise, steigen, entspringen, zu gehören scheinet. S. Grün, Reise, Rieseln, Rasen u. s. f. Michel und stur, waren ehedem, wie in allen Europäischen Sprachen, so auch in der Deutschen üblich, den Begriff dieses Wortes gleichfalls auszudrucken. S. Michel und Stier. In vielen Zusammensetzungen, besonders welche Titel und Würden bezeichnen, bedeutet Groß - so viel als in andern Fällen Oberst - oder General -, die höchste Würde von einer gewissen Art zu bezeichnen. Die Aussprache des o ist, im Comparative und Superlative, in den Mundarten, die Hochdeutsche selbst nicht ausgenommen, bald gedehnt, bald geschärft; indessen ist die gedehnte, das zusammen gezogene größte ausgenommen, die richtigste.


Groß (W3) [Adelung]


Das Groß, subst. indecl. ( S. Grau,) im Handel und Wandel eine Zahl von zwölf Dutzend, oder 144 Stück. Ein Groß Pfeifen, zwölf Dutzend Pfeifen. Nieders. ein Größ oder Grötchen, Dän. ein Gros. S. Groß II. 2. 2).


Großachtbar (W3) [Adelung]


Großachtbar, adj. et adv. ein großen Theils veralteter Titel, für hoch zu schätzend, welcher nur noch in den Kanzelleyen in einigen hergebrachten Fällen üblich ist. S. Hochachtbar.


Großäderig (W3) [Adelung]


Großäderig, adj. et adv. große, starke Adern habend.


Groß-Admiral (W3) [Adelung]


Der Groß-Admiral, des -es, plur. die -äle, in einigen Ländern, ein Titel des obersten Admirals, der das oberste Commando über eine Flotte hat. Die Würde des ehemahligen Groß-Admirales in England wird jetzt durch Commissarien verwaltet. In den Niederlanden ist dafür der Titel Admiral-General, oder General-Admiral üblich.


Großältern (W3) [Adelung]


Die Großältern, sing. inus. ein Collectivum, den Großvater und die Großmutter zu bezeichnen.


Großänte (W3) [Adelung]


Die Großänte, plur. die -n, ein Nahme der gemeinen wilden Änte, Anas silvestris vera Klein. welche auch Blauänte, Blaßänte, Märzänte, Spiegelänte, Zorn, genannt wird; zum Unterschiede von der Mittelänte, und kleinen oder Kriechänte.


Großäugig (W3) [Adelung]


Großäugig, -er, -ste, adj. et adv. große Augen habend. Die großäugige Juno.


Groß-Balliv (W3) [Adelung]


Der Groß-Balliv, (sprich - Baljiv,) des -es, plur. die -e, der oberste oder vornehmste Balliv eines Ritterordens in einem Lande. So hat der Maltheser-Orden einen Groß-Balliv von Deutschland, der das Haupt der Deutschen Zunge, d. i. der Deutschen Nation, bey dem Orden ist. S. Balley und Groß-Commenthur.


Großbänker (W3) [Adelung]


Der Großbänker, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, ein Bankmeister, welcher das Recht hat, seine Waare in einer großen Bank, d. i. öffentlichen Bude zu verkaufen. Besonders ein Bäcker dieser Art. Zum Unterschiede von einem Kleinbänker.


Großbase (W3) [Adelung]


Die Großbase, plur. die -n, die Schwester des Großvaters oder der Großmutter.


Großbäuchig (W3) [Adelung]


Großbäuchig, adj. et adv. einen großen, starken Bauch habend. Ein großbäuchiges Gefäß.


Großbauer (W3) [Adelung]


Der Großbauer, des -s, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein vollständiger Bauer, ein Pferdner, oder Pferdebauer; zum Unterschiede von einem Kleinbauer oder Hintersassen. S. Bauer.


Großbinder (W3) [Adelung]


Der Großbinder, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Faßbinder, welche nur große Gefäße verfertigen, und auch Küfner, Küfer, heißen; zum Unterschiede von den Kleinbindern.


Großblech (W3) [Adelung]


Das Großblech, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, auf den Blechhämmern, eine Art starken Bleches, welches zu Pontons gebraucht, und auch großes Kreuzblech genannt wird, S. dieses Wort.


Großbothschafter (W3) [Adelung]


Der Großbothschafter, S. Ambassadeur.


Groß-Commenthur (W3) [Adelung]


Der Groß-Commenthur, des -s, plur. die -e, der oberste und vornehmste Commenthur eines Ritterordens in einem ganzen Lande, welches auch Groß-Balliv genannt wird. S. dieses Wort und Commenthur.


Großding (W3) [Adelung]


Das Großding, des -es, plur. die -e, eine in Breslau übliche Benennung des ordentlichen Stadtgerichtes; zum Unterschiede von der Kleindinge.


Größe (W3) [Adelung]


Die Größe, plur. die -n, das Hauptwort des Beywortes groß. Es ist, I. Ein Abstractum, die Eigenschaft eines Dinges zu bezeichnen, da es groß ist, in welcher Bedeutung es keinen Plural hat, außer in einigen Fällen, von verschiedenen Arten dieser Eigenschaft. 1. Absolute, die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es eine gewisse Ausdehnung hat, und die Quantität dieser Ausdehnung. 1) Eigentlich, von der körperlichen Ausdehnung. Die Größe des Umfanges eines Dinges messen. Jeder Körper hat eine gewisse Größe. Sterne der ersten, der zweyten, der dritten Größe u. s. f. Ihre stolze Einbildung ist eine Ungereimtheit von der ersten Größe. Ein Stein von ungeheurer Größe. Besonders von der Ausdehnung in die Länge oder Höhe. Sie sind beyde von Einer Größe. 2) Figürlich, die Quantität der Grade der innern Stärke, der innere Unterschied ähnlicher Dinge, und die Eigenschaft, nach welcher sich derselbe vermehren oder vermindern lässet. Gottes Größe ist unbegreiflich. Die Größe der Kraft bestimmen. 2. Die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es eine große Ausdehnung hat, ein anderes bestimmtes Ding mehr als Ein Mahl in sich begreift; wo es nur in einigen figürlichen Bedeutungen gebraucht wird. 1) Der hohe Grad der innern Stärke, welcher die innere Größe ausmacht. Die Größe der Kraft, ihre Eigenschaft, da sie in kurzer Zeit eine große Last überwindet. Die Größe des Verstandes, wenn er den Zusammenhang der Dinge mit großer Deutlichkeit einsiehet. Die Lebhaftigkeit des Vergnügens entstehet von der Größe des Bestrebens, die Menge von Ideen, welche sich auf Ein Mahl darbiethen, zu entwickeln. Die Größe einer Handlung, da sie aus vielen einfachern Handlungen zusammen gesetzt ist. Ein Lobspruch, den ich mir wegen seiner Größe nicht zueignen kann, thut mir weher als ein verdienter Verweis, Gell. 2) Die Wichtigkeit, die Eigenschaft einer Sache, da sie sich auf viele erstrecket, auf viele einen starken Einfluß hat; welches die äußere Größe ausmacht, und oft die innere mit einschließet. Die Größe einer Handlung, einer That, eines Verbrechens, einer Tugend. Die Größe des Verstandes, wenn er viele Gegenstände fasset und sie mit großer Deutlichkeit einsiehet. 3) Der hohe Vorzug vor vielen andern. (a) Dem äußern Vorzuge nach, ein sehr hoher Stand, eine sehr hohe Würde. Sich aus dem niedrigsten Elende auf die Spitze der menschlichen Größe schwingen. Auch Fürsten werden oft ihrer Größe müde. (b) Den innern Vorzügen, den innern großen und erhabenen Eigenschaften nach. Die Größe der Seele, Standhaftigkeit, unbeweglicher Muth, erhabene Gesinnung. Die Größe des Geistes. II. Als ein Concretum, und mit dem Plural, wo dieses Wort nur in der Mathematik üblich ist, ein jedes Ding zu bezeichnen, welches sich vermehren und vermindern lässet, so fern davon weiter nichts bezeichnet werden soll, als daß es sich vermehren und vermindern lasse.

Anm. Kero und die Monseeische Glosse gebrauchen Grozzii, Grozi von Dicke. Im Nieders. lautet dieses Wort Gröte, Grotte und Grootheit.


Großenke (W3) [Adelung]


Der Großenke, des -n, plur. die -n, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, ein Nahme des ersten und vornehmsten Enken oder Pferdeknechtes, der auch der Großknecht, der Oberenke genannt wird; zum Unterschiede von dem Mittelenken und Klein- oder Unterenken. S. Enke und Großknecht.


Großenkel (W3) [Adelung]


Der Großenkel, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Großenkelinn, plur. die -en, des Enkels oder der Enkelinn Kinder, Personen in Beziehung auf den Ältervater. So waren Jacobs Söhne Großenkel Abrahams.


Großentheils (W3) [Adelung]


Großentheils, S. Groß II. 2. 2)


Größerfeile (W3) [Adelung]


Die Größerfeile, plur. die -n, bey den Kammmachern, eine Feile, die eingeschnittenen Zähne in den Kämmen damit auszugrößern.


Größern (W3) [Adelung]


Größern, verb. reg. act. größer machen, welches nur noch in den Zusammensetzungen vergrößern und ausgrößern üblich ist. S. dieselben.


Groß-Fähnrich (W3) [Adelung]


Der Groß-Fähnrich, des -es, plur. die -e, der oberste Fähnrich eines Landes; ein Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem erstern Reiche Kron-Groß-Fähnrich genannt wird.


Großfalk (W3) [Adelung]


Der Großfalk, des -en, plur. die -en, in einigen Gegenden, eine Benennung des Saker- oder Sokerfalken, Falco sacer Klein. vermuthlich, weil er größer, als die meisten übrigen Falkenarten ist, ob er gleich kleiner ist, als der Gerfalk.


Großfeldherr (W3) [Adelung]


Der Großfeldherr, des -en, plur. die -en, der oberste Feldherr der Kriegsheere eines Reiches; eine besonders in Pohlen und Litthauen übliche Würde, in welchem erstern Lande er Kron-Großfeldherr genannt wird. Dessen Gattinn, die Großfeldherrinn. Im Pohlnischen wird er Hetman genannt.


Großfürst (W3) [Adelung]


Der Großfürst, des -en, plur. die -en, Fämin. die Großfürstinn, plur. die -en, eine Würde, welche eigentlich einen souveränen Fürsten bedeutet, welcher mehrere Fürsten unter sich hat. So nannten sich die Czaren oder Kaiser von Rußland ehedem Großfürsten von Rußland. König Casimir von Pohlen schrieb sich 1457 einen Großfürsten in Litthauen, in Reußen und Preußen. In den neuern Zeiten ist in Rußland den Thronfolger der Titel eines Großfürsten beygeleget worden. Daher großfürstlich, einem Großfürsten gehörig, in dessen Würde gegründet; das Großfürstenthum, ein Land, dessen Beherrscher ein Großfürst ist.


Großgarn (W3) [Adelung]


Das Großgarn, des -es, plur. die -e, bey den Fischern einiger Gegenden, z. B. am Rheine, ein großes Wurfgarn, welches tausend Bleykugeln hat.


Großgärtner (W3) [Adelung]


Der Großgärtner, des -s, plur. ut nom. sing. in Ober-Sachsen ein Gärtner auf dem Lande, welcher 1/8 Hufe Garten- landes besitzet; zum Unterschiede von einem Kleingärtner, welcher weniger besitzet.


Großgliederig (W3) [Adelung]


Großgliederig, adj. et adv. mit großen, starken Gliedern versehen.


Großgünstig (W3) [Adelung]


Großgünstig, -er, -ste, adj. et adv. hochgeneigt; ein großen Theils veralteter Titel, welchen man an einigen Orten noch solchen Personen gibt, welche die nächsten nach denen sind, die man gnädig nennet. Manche Schriftsteller pflegen in den Vorreden ihre Leser noch mit einem großgünstiger Leser anzureden.


Großhändler (W3) [Adelung]


Der Großhändler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kaufmann, der nur im Großen handelt, seine Waaren nicht auswieget oder ausschneidet, ein Grossierer, im mittlern Lat. Magnarius; zum Unterschiede von einem Krämer. S. Kaufmann.


Großherr (W3) [Adelung]


Der Großherr, des -en, plur. die -en, ein Titel, welchen man in Schriften von dem Türkischen Kaiser zu gebrauchen pflegt, der sonst auch Groß-Sultan, und Groß-Türk genannt wird, weil er über mehrere kleine Sultane oder souveräne Herren zu gebiethen hat. Daher großherrlich, dem Großherren gehörig, in dessen Würde gegründet.


Großherrisch (W3) [Adelung]


* Großherrisch, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben und in verächtlichem Verstande gebraucht wird, einem großen Herren gleich. Großherrisch thun, einen großen Herren vorstellen wollen.


Großherzig (W3) [Adelung]


Großherzig, -er, -ste, adj. et adv. welches von einigen für großmüthig gebraucht wird, nach dem Muster des Nieders. groothartig. Opitz nennt den Bachus: Großherzig, stark von Kraft, Beschützer deiner Freunde.


Großherzog (W3) [Adelung]


Der Großherzog, des -s, plur. die -e, Fämin. die Großherzoginn, plur. die -en, eigentlich ein souveräner Herzog, der mehrere Herzoge unter sich hat; in welchem Verstande sich die Beherrscher Rußlandes, des heutigen westlichen Preußens, Litthauens u. s. f. ehedem Großherzoge nannten, und zum Theil noch nennen. In uneigentlicherm Verstande haben die Beherrscher von Toscana in den neuern Zeiten diesen Titel erhalten, der ihnen zugleich den Rang über andere Herzoge zunächst nach den Königen gibt. Bey den Griechischen Kaisern war - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Magnus Dux der Titel des Groß-Admirales. Daher großherzoglich, einem Großherzoge gehörig, in dessen Würde gegründet; das Großherzogthum, dasjenige Land, welches von einem Großherzoge beherrschet wird, besonders, wenn es aus mehrern Herzogthümern bestehet.


Großhofmeister (W3) [Adelung]


Der Großhofmeister, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Großhofmeisterinn, plur. die -en, der oberste oder vornehmste Hofmeister an einigen Höfen. In dem Deutschen Reiche wird der Churfürst von der Pfalz wegen seines alten Erzamtes zuweilen des Reiches Großhofmeister genannt.


Großhundert (W3) [Adelung]


Das Großhundert, des -es, plur. die -e, S. Groß II. 2. 2).


Großjährig (W3) [Adelung]


Großjährig, adj. et adv. dasjenige Alter habend, welches nach den Gesetzen zur Befreyung von der Gewalt des Vaters und Vormundes erfordert wird; volljährig, mündig, im Gegensatze des minderjährig. So auch die Großjährigkeit.


Grossierer (W3) [Adelung]


Der Grossierer, des -s, plur. ut nom. sing. aus dem Ital. Grossiero, ein Kaufmann, der im Großen handelt, S. Großhändler.


Großkämmerer (W3) [Adelung]


Der Großkämmerer, des -s, plur. ut nom. sing. der oberste oder vornehmste Kämmerer, an verschiedenen Höfen. Dergleichen war der Großkämmerer am Französischen Hofe, der allen königlichen Kammerbeamten vorgesetzet war. S. Kämmerer.


Großkammerherr (W3) [Adelung]


Der Großkammerherr, des -en, plur. die -en, ein vornehmer Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem er- stern Reiche Kron-Großkammerherr heißt. Dessen Gemahlinn die Großkammerherrinn.


Großkanzler (W3) [Adelung]


Der Großkanzler, des -s, plur. ut nom. sing. der oberste und vornehmste Kanzler eines Reiches, der allen andern Kanzlern vorgesetzet ist; eine in verschiedenen Reichen befindliche hohe Würde. In Pohlen sind der Kron-Großkanzler, und in Litthauen der Großkanzler, vornehme Reichsbeamte.


Großklette (W3) [Adelung]


Die Großklette, plur. inus. eine Art großer Kletten mit großen Blättern, welche an den Wegen und auf Rainen wächset; Arctium Lappa major montana L. zum Unterschiede von der kleinen gemeinen Art.


Großknecht (W3) [Adelung]


Der Großknecht, des -es, plur. die -e. 1) Der erste und vornehmste Knecht auf Landgütern, wo man mehrere Knechte hat; an andern Orten der Großenke, Oberenke, in Baiern der Baumann. So kriegte ja der Großknecht, der mir pflügt, Beynah so viel als der Gelehrte kriegt, Gell. 2) Auf Schiffen, wo man zwey Standblöcke oder so genannte Knechte, d. i. starke aufrecht stehende Hölzer hat, die Segel daran aufzuziehen, einen Mast aufzurichten u. s. f. wird der bey dem großen Maste der Großknecht genannt.


Großkopf (W3) [Adelung]


Der Großkopf, des -es, plur. die -köpfe, ein Mensch mit einem großen Kopf, im gemeinen Leben und aus Verachtung. In einigen Gegenden wird auch der Alant, oder Döbel, Cyprinus Dobula L. seines dicken Kopfes wegen Großkopf genannt.


Großköpfig (W3) [Adelung]


Großköpfig, adj. et adv. einen großen Kopf habend, im gemeinen Leben.


Großkreuz (W3) [Adelung]


Der Großkreuz, des -es, plur. die -e, bey verschiedenen Ritterorden, eine Benennung der ersten und vornehmsten Ordensritter, welche unmittelbar auf den Großmeister folgen; zum Unterschiede von den geringern Ordensrittern.


Großküchenmeister (W3) [Adelung]


Der Großküchenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein vornehmer Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem ersten Reiche Kron-Großküchenmeister genannt wird. Dessen Gemahlinn die Großküchenmeisterinn.


Größlich (W3) [Adelung]


Größlich, adj. et adv. ein wenig groß, welches nur zuweilen im gemeinen Leben gebraucht wurde. Eine größliche Nase haben. Im Schwabensp. bedeutet groezzlich sehr.


Großmächtig (W3) [Adelung]


Großmächtig, -er, -ste, adj. et adv. sehr mächtig, in einem hohen Grade mächtig. Die großmächtige Hand Gottes, 3 Macc. 5, 11. Am häufigsten gebraucht man es nur noch in den Titeln gekrönter Häupter, da denn selbige von Geringern in der dritten Staffel großmächtigste genannt werden. Der Kaiser gibt Königen nur großmächtig, so wie sich diese unter einander gleichfalls nur so nennen. In Königshovens Chronik heißt König Ladislaus von Ungarn der durchmächtigste Fürst und Herr.


Großmarschall (W3) [Adelung]


Der Großmarschall, des -es, plur. die -schälle, in einigen Ländern, ein vornehmer Hofbeamter, der erste und vornehmste Großmarschall. Dessen Gattinn die Großmarschallinn. In Litthauen ist der Großmarschall, und in Pohlen der Kron-Großmarschall, ein vornehmer Reichsbeamter.


Großmeister (W3) [Adelung]


Der Großmeister, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Großmeisterinn, plur. die -en, eine gewöhnliche Benennung der Oberhäupter der Ritterorden, wodurch sie sich von geringern Beamten und Rittern unterscheiden, welche ehedem auch Meister genannt wurden. S. auch Hochmeister.


Großmögend (W3) [Adelung]


Großmögend, adj. ein Titel, welchen in den vereinigten Niederlanden die Staaten oder Stände der Provinz Holland bekommen. Edle großmögende Herren, wo das erste auf die Ritterschaft, das letzte aber auf die Abgeordneten der Städte gehet. Die Staaten der übrigen Provinzen heißen nur Edle Mögende, die General-Staaten aber Hochmögende Herren.


Großmundschenk (W3) [Adelung]


Der Großmundschenk, des -en, plur. die -en, ein vornehmer Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem erstern Reiche Kron-Großmundschenk genannt wird. Dessen Gemahlinn die Großmundschenkinn.


Großmuth (W3) [Adelung]


Die Großmuth, plur. car. 1) Die tugendhafte Mäßigung der Furcht, wo dieses Wort so viel wie Tapferkeit in weiterm Verstande ist, und der Kleinmuth entgegen gesetzet wird; von Muth, Herzhaftigkeit. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, 2) die Erhabenheit über die gewöhnliche Art zu denken und zu handeln, besonders die freywillige Erduldung geringerer Übel um eines größern Guten willen, und die Fertigkeit dieser Gesinnung; von Muth, Gemüth. Die Gelassenheit wird zur Herzhaftigkeit, wenn wir die Gefahr entgegen gehen müssen, und zur Großmuth, wenn wir die Übel des Lebens um des hohern Gutes der Seele willen freywillig zu übernehmen berufen werden, Gell.


Großmüthig (W3) [Adelung]


Großmüthig, -er, -ste, adj. et adv. Großmuth besitzend, in derselben gegründet, in beyden Bedeutungen, besonders aber der zweyten. Seinem Feinde großmüthig vergeben. Sein Unglück großmüthig ertragen. Ein großmüthiger Feind, der seinem Feinde mit Großmuth begegnet.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern hohgemuot, ( S. Hochmüthig,) Nieders. groothartig.


Großmüthigkeit (W3) [Adelung]


Die Großmüthigkeit, plur. inus. die Großmuth als eine Fertigkeit betrachtet; wofür doch Großmuth üblicher ist.


Großmutter (W3) [Adelung]


Die Großmutter, plur. die -mütter, der Mutter oder des Vaters Mutter; im Oberdeutschen Altmutter, ( S. Ältermutter,) die Ahn, die Ahnfrau, in der Ober-Pfalz Fraula, im Nieders. Holländ. und Dän. beste Moder. Daher großmütterlich, der Großmutter gehörig, in ihr gegründet.


Großoheim (W3) [Adelung]


Der Großoheim, des -es, plur. die -e, des Vaters oder der Mutter Oheim; Nieders. Grootoom.


Großprahler (W3) [Adelung]


Der Großprahler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Prahler, ein Großsprecher, der sich großer oder wichtiger Dinge ohne Grund rühmet. Daher großprahlerisch, in diesem Laster gegründet.


Groß-Prior (W3) [Adelung]


Der Groß-Prior, des -s, plur. die -oren, eine vornehme Würde verschiedener Ritterorden, der vornehmste Prior eines Ordens in einem ganzen Lande, der unmittelbar unter dem Großmeister stehet. In weiblichen Ritterorden die Groß-Priorinn, plur. die -en, S. Prior.


Großrichter (W3) [Adelung]


Der Großrichter, des -s, plur. ut nom. sing. der Richter des ersten und vornehmsten Gerichtes zu Soest in bürgerlichen Sachen, welches auch das Gericht der vier Bänke genannt wird.


Großrichtmann (W3) [Adelung]


Der Großrichtmann, des -es, plur. die Großrichtleute, eben daselbst, zwey Abgeordnete der Bürgerschaft, welche dem Gerichte des Rathes, als des dritten der dasigen Gerichte, beysitzen, aber doch keine Stimme haben, außer in Dingen, welche die ganze Stadt angehen.


Großschatzmeister (W3) [Adelung]


Der Großschatzmeister, des -s, plur. ut nom. sing. der vornehmste und oberste Schatzmeister. Dessen Gemahlinn die Großschatzmeisterinn. Litthauen hat seinen Großschatzmeister, und Pohlen einen Kron-Großschatzmeister, welcher in der Schatz-Commission den Vorsitz hat.


Großschwertträger (W3) [Adelung]


Der Großschwertträger, des -s, plur. ut nom. sing. ein vornehmer Reichsbeamter in Litthauen und Pohlen, der in dem letztern Reiche Kron-Großschwertträger genannt wird.


Großsprecher (W3) [Adelung]


Der Großsprecher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Mensch, der ohne Grund große, d. i. wichtige Dinge von sich und andern spricht, oder andern Dinge verspricht, die er nicht halten kann; in der Monseeischen Glosse Filosprachara, welches daselbst durch magniloquus erkläret wird, ehedem auch Wundergeb. Daher die Großsprecherey, plur. die -en, und großsprecherisch, im mittlern Lat. altiloquus.


Großstallmeister (W3) [Adelung]


Der Großstallmeister, des -s, plur. ut nom. sing. der erste und vornehmste Stallmeister. In Pohlen und Litthauen ist solches ein vornehmer Reichsbeamter, der in dem erstern Lande Kron-Großstallmeister genannt wird. Dessen Gemahlinn die Großstallmeisterinn.


Groß-Sultan (W3) [Adelung]


Der Groß-Sultan, des -es, plur. die -e, der oberste und vornehmste Sultan, der mehrere Sultane unter sich hat; eine gewöhnliche Benennung des Türkischen Kaisers, der auch nur Sultan schlechthin genannt wird. S. dieses Wort.


Großtausend (W3) [Adelung]


Das Großtausend, des -es, plur. die -e, S. Groß II. 2. 2).


Größtentheils (W3) [Adelung]


Größtentheils, adv. S. Groß II. 2. 2).


Großthuer (W3) [Adelung]


Der Großthuer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Großthuerinn, plur. die -en, im gemeinen Leben, eine Person, welche groß thut, d. i. sich in ihrem Betragen mehr Vorzüge beymisset, als sie hat, oder als ihr zukommen. Daher die niedrigen großthuig, und großthuerisch, in dieser Art zu denken und zu handeln gegründet, derselben gemäß; Nieders. vermögen. Ehedem bedeutete grosdedig prächtig, in gutem Verstande.


Großtochter (W3) [Adelung]


Die Großtochter, plur. die -töchter, im Oberdeutschen, eine Enkelinn, wo auch Großsohn einen Enkel bedeutet.


Großtruchseß (W3) [Adelung]


Der Großtruchseß, des -ssen, plur. die -ssen, ein vornehmer Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem ersten Reiche Kron-Großtruchseß genannt wurde. Die Großtruchsessinn, dessen Gemahlinn.


Groß-Türk (W3) [Adelung]


Der Groß-Türk, des -en, plur. die -en, eine ehedem sehr gewöhnliche Benennung des Türkischen Kaisers, wofür jetzt Großherr und Groß-Sultan üblicher sind.


Großurenkel (W3) [Adelung]


Der Großurenkel, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Großurenkelinn, plur. die -en, Personen in Ansehung ihres Urältervaters, oder ihrer Urältermutter, des Urenkels oder der Urenkelinn Kinder.


Großvater (W3) [Adelung]


Der Großvater, des -s, plur. die -väter, des Vaters oder der Mutter Vater; im Oberd. Ahn, Altvater, in der Ober-Pfalz Herrla, im Nieders. Holländ. und Dän. beste Vater. Bey Personen, von denen man mit Ehrerbiethung spricht, setzet man das Herr dazwischen: Ew. Königl. Majestät Groß-Herrn-Vaters Majestät. Daher Großväterlich, dem Großvater gehörig, von demselben herrührend, in ihm gegründet; der Großvaterstuhl, im gemeinen Leben, ein Stuhl mit Armlehnen, ein Sorgestuhl; der Großvatertanz, der auch nur schlechthin der Großvater genannt wird, ein wilder Tanz, mit welchem gemeiniglich die Hochzeittänze beschlossen werden, und der den Nahmen von einem lustigen Liede hat: als der Großvater die Großmutter nahm u. s. f.


Groß-Vezier (W3) [Adelung]


Der Groß-Vezier, des -s, plur. die -e, der vornehmste und erste unter den Vezieren, der erste Staats-Minister eines regierenden Herren an den morgenländischen Höfen, besonders an dem Hofe des Türkischen Kaisers. S. Vezier.


Großvogel (W3) [Adelung]


Der Großvogel, des -s, plur. die -vögel, eine allgemeine Benennung der größern eßbaren Vögel, dergleichen die Ziemer, Krammetsvögel u. s. f. sind.


Großvogt (W3) [Adelung]


Der Großvogt, des -es, plur. die -vögte, in einigen Ländern, der oberste und vornehmste Vogt, der andere Vögte unter sich hat. In dem Fürstenthume Zelle hatte sonst der Großvogt in Haushaltungs- und Rechtssachen die Aufsicht über die Amtsvogteyen, welche Würde aber seit 1772 aufgehoben ist. Zu Scheningen im Braunschweigischen ist der Großvogt Richter über die Salzwerke, und hat den Kleinvogt unter, den Salzgrefen aber über sich. S. Vogt.


Großvorschneider (W3) [Adelung]


Der Großvorschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein vornehmer Reichsbeamter in Pohlen und Litthauen, der in dem erstern Reiche Kron-Großvorschneider genannt wurde. Dessen Gemahlinn die Großvorschneiderinn.


Graßwaibel (W3) [Adelung]


Der Graßwaibel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Schweizer-Cantons, der oberste Gerichtsdiener eines Cantons. S. Waibel.


Grosselbeere (W3) [Adelung]


Die Grosselbeere, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Stachelbeere, Ribes Grossularia L.


Grot (W3) [Adelung]


Der Grot, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Niedersächsischen Gegenden, besonders im Bremischen und Ostfriesländischen, übliches Wort, eine Scheidemünze zu bezeichnen, welche in Bremen 5 Schwaren oder 4 Pfennige gilt; 72 Grote machen einen Reichsthaler. In Ostfriesland hält ein Grot 1 1/2 Syferts, oder 3 Örtchen, oder 7 1/2 Witten; 72 Grot machen daselbst gleichfalls einen Reichsthaler. Ein Grot Flämisch, welches eine Rechnungsmünze ist, hält im Brabantischen 3 1/3, in Hamburg 3 1/2, und in Holland 4 Meißner Pfennige. Ein Englischer Groat hingegen hält 7 Bremische Grote, oder 2 Gr. 1 Pf. Meißn.

Anm. Es ist vermuthlich das Hochdeutsche Groschen oder Gröschel, welches in der Niedersächsischen Mundart Grot lautet. Indessen wird in dem Bremisch-Nieders. Wörterb. behauptet, daß es eine Ellipsis sey, und vollständig ein groter Swaren heiße.


Grötchen (W3) [Adelung]


Das Grötchen, des -s, plur. ut nom. sing. in Niedersachsen, eine Zahl von zwölf Dutzend, oder 144 Stück, S. das Groß.


Grotesk (W3) [Adelung]


Grotesk, -er, -este, adj. et adv. aus dem Franz. grotesque, in den schönen Künsten, unnatürlich, der Natur nicht gemäß, bloß in der Einbildungskraft und Fantasie des Künstlers gegründet. Groteske Figuren von Thieren und Menschen, welche nicht in ihren ordentlichen und gewöhnlichen Verhältnissen vorgestellet sind. In der Baukunst sind die Grotesken niedrig erhabene Bildwerke, welche aus mancherley nach der Fantasie geschlungenen Zügen bestehen, und in der Natur nicht angetroffen werden. In weiterer Bedeutung auch für seltsam, unnatürlich, wunderlich, lächerlich, überhaupt. Ein grotesker Einfall. Anm. Von dem folgenden Worte Grotte, weil Johann von Udine dergleichen Werke zuerst in den Ruinen des Pallastes des Titus fand, welchen man die Grotten nannte. Er war der erste, der diese Arbeit wieder in den Gang brachte.


Grotte (W3) [Adelung]


Die Grotte, plur. die -n, aus dem Ital. Grotta, und Franz. Grotte, eine jede Höhle, in der höhern Schreibart. Sieh wie auf dem Hügel die Haselstaude zu grünen Grotten sich wölbt, Geßn. Besonders eine künstliche Höhle in einem Lustgarten, welche eine natürliche nach ahmet, und mit kleinen Steinen, Korallen, Schlacken, Drusen, Muschelschalen, Versteinerungen u. s. f. ausgezieret wird; dergleichen zusammen gesetzte Arbeit, die man auch wohl an andern Orten anbringet, Grottenarbeit oder Grottenwerk genannt wird. Im mittlern Lat. Crota, vermuthlich aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Lat. Crypta.


Grottier (W3) [Adelung]


Der Grottier, des -s, plur. die -e, in großen Lust- und Prachtgärten, ein Aufseher über die Grotten und die darin befindlichen Wasserkünste, und dann in weiterer Bedeutung auch wohl ein jeder, der die Aufsicht über eine Wasserkunst führet.


Grube (W3) [Adelung]


Die Grube, plur. die -n, Diminut. das Grübchen, Oberd. das Grüblein. 1. Eine in die Erde gegrabene Öffnung oder Vertiefung; im gemeinen Leben ein Loch. 1) Überhaupt. Eine Grube graben oder machen. Wilde Thiere in Gruben fangen. Gruben auf wilde Thiere graben, sie darein zu fangen, dergleichen die Wolfsgruben, Fuchsgruben u. s. f. sind. Einem andern eine Grube graben, oder ihm ein Grüblein graben, figürlich nach einem daher genommenen Gleichnisse. Von der Absicht dieser Gruben bekommen sie oft besondere Nahmen, dergleichen die Lehmgrube, aus welcher Lehm gegraben wird, die Steingrube, Erzgrube, Sandgrube, Mistgrube, Mördergrube u. s. f. sind. 2) In engerer Bedeutung. (a) Eine Erz- oder Steingrube, eine Öffnung in oder unter der Erde, aus welcher man Erz und Steine gräbt; ein allgemeiner Ausdruck, der die Gesenke, Örter, Strecken, Stockwerke u. s. f. als besondere Arten unter sich begreift. In engerer Bedeutung, die zu einer Zeche gehörigen Gebäude dieser Art. Die Grube belegen, Arbeiter anfahren lassen, sie mit Arbeitern belegen. Die Grube gehet zusammen, wenn sie einstürzet. S. auch die folgenden Zusammensetzungen. (b) Ein Grab, eine in die Erde gegrabene Öffnung, einen Verstorbenen darein zu begraben, doch nur in einigen besondern Fällen. "Auf der Grube gehen", wahrscheinlicher Weise bald sterben müssen; wofür es bey Gellerten heißt: Ich gehe nach der Grube zu. Einen Fehler, eine Schwachheit, eine Wunde u. s. f. mit in die Grube nehmen, sie bis an seinen Tod an sich haben. Das wird ihm bis in die Grube anhängen. Einen Satz bis in seine Grube verfechten. Ihr würdet meine grauen Haare mit Herzeleid in die Grube bringen, 1 Mos. 42, 38. Die übrigen biblischen R. A. "in die Grube fahren", "sterben", die Grube nicht sehen, u. s. f. sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2. Figürlich, eine Vertiefung, eine tiefere Stelle in einem Körper, auch wenn sie nicht durch Kunst gemacht ist. Die Grube in den Wangen, in dem Kinne, welche am häufigsten im Diminut. Grübchen genannt, und für eine vorzügliche Schönheit gehalten werden. S. auch Herzgrube und Grübling.

Anm. Bey dem Notker Gruoba, im mittlern Lat. Groba, bey dem Ulphilas Grobo, im Schwed. Grop, Grufwa, im Alban. Gropa, im Wallach. Groapa, im Lettischen Grabas, im Pohln. Gruba. Es stammet von graben her, welches in einigen Mundarten auch gruben lautet, S. dasselbe. Durch Vorsetzung des Zischlautes ist daraus das Schwed. Skrubb und Lat. Scrobs, eine Grube, entstanden. Die Niedersachsen haben dafür unter andern auch das Wort Kule, Schwed. Kula, Holländ. Kuile, welches zu dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Höhle, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, hohl, und dem Deutschen hohl selbst gehöret, und von Haltaus v. Kaute sehr unrichtig erkläret wird.


Grübeley (W3) [Adelung]


Die Grübeley, plur. die -en, das Grübeln, in der figürlichen Bedeutung, und ohne Plural. Ingleichen eine mühsame Untersuchung kleiner Dinge und Umstände.


Grübelkopf (W3) [Adelung]


Der Grübelkopf, des -es, plur. die -köpfe, ein Mensch, der gern und viel grübelt, mühsame Betrachtungen und Untersuchungen anstellet.


Grübeln (W3) [Adelung]


Grübeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und das Iterativum, zugleich aber auch das Diminutivum des folgenden Zeitwortes grüben, graben, ist, in kleinen Stücken heraus graben. 1) Eigentlich, wo es nur in einigen Fällen üblich ist. In der Nase grübeln, d. i. mit dem Finger in der Nase herum graben. In einem andern Verstande pflegen die Kinder in einigen Gegenden ein gewisses Spiel das Grübeln zu nennen, wo sie Nüsse in kleinen Gruben werfen. S. Grübelnuß. 2) Figürlich, einer Sache nach allen auch den kleinsten Umständen mühsam nachdenken, so wohl im guten Verstande, als auch im nachtheiligen, mühsame aber unnütze, vergebliche Betrachtungen und Untersuchungen anstellen. Über die Dreyeinigkeit Gottes grübeln. Mancher grübelt den ganzen Tag, und stiftet nicht den geringsten Nutzen damit. So auch in den Zusammensetzungen ausgrübeln, ergrübeln, nachgrübeln. S. Grübler.

Anm. Schon Ottfried gebraucht grubilen für forschen in gutem Verstande. Im Schwed. lautet dieses Wort grubbla und gräfla, im Dän. gruble, im Isländ. griefla. Im Ital. ist gruffolare wühlen. Die Niedersachsen gebrauchen dafür klüsern, ein von den Mönchsklausen, Nieders. Kluse, hergenommenes Bild; ingleichen kluven, klauben. S. auch 2. Grille.


Grübelnuß (W3) [Adelung]


Die Grübelnuß, plur. die -nüsse, eine Art kleiner Wälschen Nüsse mit harten Schalen, daher sie auch Steinnüsse genannt werden; entweder weil man wegen der dicken und harten Schale den Kern gleichsam heraus grübeln muß, oder auch, weil sich die Kinder ihrer zum Grübeln bedienen. S. dieses Wort.


Gruben (W3) [Adelung]


+ Gruben, verb. reg. act. welches für graben nur in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist. In den Weinbergen gruben, Senkgruben für die Senker machen, daher die ganze Senkarbeit daselbst auch das Gruben genannt wird. In einigen Gegenden ist gruben, wilde Thiere in gegrabenen Gruben fangen.


Grubenaufstand (W3) [Adelung]


Der Grubenaufstand, des -es, plur. die -stände, im Bergbaue, eine Nachricht, von der Beschaffenheit einer Erzgrube, zum Behuf der Gewerken, S. Aufstand.


Grubenbau (W3) [Adelung]


Der Grubenbau, des -es, plur. car. eben daselbst, die Arbeit in der Grube oder unter der Erde, mit den dazu gehörigen Nebenarbeiten; zum Unterschiede von dem Hüttenbaue.


Grubenbericht (W3) [Adelung]


Der Grubenbericht, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein Bericht, welchen das Bergamt dem Oberbergamte von dem Zustande einer oder mehrerer Erzgruben erstattet.


Grubenblende (W3) [Adelung]


Die Grubenblende, plur. die -n, eben daselbst, eine hölzerne Laterne, welche vorn offen ist, in welcher der Bergmann sein Grubenlicht stecket.


Gruben-Compaß (W3) [Adelung]


Der Gruben-Compaß, des -sses, plur. die -sse, eben daselbst, ein Compaß, dessen sich die Markscheider in den Gruben zum Abziehen bedienen, und welcher auch der Setz- oder Hand-Compaß genannt wird.


Grubenende (W3) [Adelung]


Das Grubenende, des -s, plur. die -n, in dem Weinbaue, besonders Oberdeutschlandes, eine Rebe, welche zur Fortpflanzung in die Senkgrube gesenket, und auch ein Senkende oder Senker genannt wird.


Grubenerz (W3) [Adelung]


Das Grubenerz, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Bergbaue, Erz, welches in der Grube gewonnen worden, im Gegensatze desjenigen, welches am Tage gefunden, oder aus dem Sande gewaschen wird.


Grubengebäude (W3) [Adelung]


Das Grubengebäude, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Gebäude.


Grubengezäh (W3) [Adelung]


Das Grubengezäh, des -es, plur. die -e, eben daselbst, dasjenige Gezäh oder Werkzeug, welches die Bergleute zu ihrer Arbeit in den Gruben gebrauchen.


Grubenholz (W3) [Adelung]


Das Grubenholz, des -es, plur. inus. dasjenige Holz, welches zum Behuf des Grubenbaues nöthig ist. S. Holzkux.


Grubenhüther (W3) [Adelung]


Der Grubenhüther, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Huthmann.


Grubenjunge (W3) [Adelung]


Der Grubenjunge, des -n, plur. die -n, eben daselbst, ein Knabe, welcher den Bergleuten in den Gruben an die Hand gehet.


Grubenkittel (W3) [Adelung]


Der Grubenkittel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein schwarzer Kittel der Bergleute, welcher einem Hemde gleicht, und zum Staate auch aus schwarzem Tuche verfertigt ist.


Grubenkleid (W3) [Adelung]


Das Grubenkleid, des -es, plur. die -er, ein jedes Kleidungsstück, womit sich der Bergmann bey seiner Arbeit in der Grube bekleidet; besonders der Grubenkittel.


Grubenkohle (W3) [Adelung]


Die Grubenkohle, plur. die -n, Holzkohlen, welche aus kleinem Holze und Reisig in Gruben, nicht aber in Meilern, gebrennet werden, und auch Ästkohlen, Reiserkohlen, Spankohlen, Kleinkohlen heißen. Daher der Grubenköhler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Köhler, welcher solche Kohlen brennet.


Grubenlicht (W3) [Adelung]


Das Grubenlicht, des -es, plur. die -er, im Bergbaue, eine Lampe mit Talg, deren sich die Bergleute bey ihren Arbeiten in der Grube bedienen.


Grubensteiger (W3) [Adelung]


Der Grubensteiger, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Steiger, welcher die Aufsicht über die Arbeiter in der Grube führet, zum Unterschiede von dem Grabensteiger, Kunststeiger, Jungensteiger, Wäschsteiger u. s. f.


Grubentasche (W3) [Adelung]


Die Grubentasche, plur. die -n, eben daselbst, eine Tasche, welche die Bergleute vermittelst eines ledernen Riemens um den Leib befestigen, ihr Licht und Feuerzeug darin bey sich zu führen.


Grubentscherper (W3) [Adelung]


Der Grubentscherper, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein großes Messer, welches die Bergleute neben der Grubentasche führen, und in der Grube gebrauchen. Siehe Tscherper.


Grubenwasser (W3) [Adelung]


Das Grubenwasser, des -s, plur. von mehrern Quantitäten, ut nom. sing. eben daselbst, alles Wasser, welches sich in den Erzgruben sammelt; zum Unterschiede von dem Tagewasser, d. i. dem auf der Oberfläche der Erde befindlichen Wasser.


Grubenzug (W3) [Adelung]


Der Grubenzug, des -es, plur. die -züge, eben daselbst, die Ausmessung einer Erzgrube von dem Markscheider; zum Unterschiede von dem Tagezuge. S. Zug.


Grubig (W3) [Adelung]


Grubig, -er, -ste, adj. et adv. Gruben, d. i. entweder künstliche oder natürliche Vertiefungen habend. Siehe Pockengrubig.


Grübler (W3) [Adelung]


Der Grübler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Grüblerinn, plur. die -en, von dem Zeitworte grübeln, eine Person, welche zu mühsamen, und in engerer Bedeutung zu mühsamen und unnützen Untersuchungen und Betrachtungen geneigt ist. Ein Grübler trinkt, beseufzt sein Leid, Und sammelt Flüche, Furcht und Dünste, Haged.


Grübling (W3) [Adelung]


Der Grübling, des -es, plur. die -e, eine nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Benennung, 1) einer Art Äpfel, welche mit Gruben oder Grübchen auf der Schale versehen sind; 2) des Gichtschwammes, oder der Hirschbrunst, Phallus impudicus L. wegen seines mit vielen Gruben versehenen Hutes; und 3) der Trüffeln, Lycoperdon Tuber L. gleichfalls wegen ihrer grubigen Gestalt.


Grude (W3) [Adelung]


+ Die Grude, plur. inus. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, die glühende Asche. Daher das Grudenhaus, ein Haus in einem Dorfe, worin die Asche aufbehalten wird. Vom Nieders. Grut, Graus. S. Grütze.


Gruden (W3) [Adelung]


+ Gruden, verb. reg. act. welches gleichfalls nur in einigen Gegenden, sonderlich in den Salzwerken, wo man Stroh unter den Pfannen brennet, für schüren üblich ist, das Stroh unter der Pfanne nachschieben, und auseinander stören. Daher der Gruder, ein Knabe oder Knecht, der dieses zu verrichten hat. Es gehöret, wie Frisch bemerket, zu dem Geschlechte der Wörter Ruder, Rütteln, Rädern, (sieben,) Rühren, trudere, rutare u. s. f.


Grudflacke (W3) [Adelung]


Die Grudflacke, plur. die -n, ein Netz zu kleinen Fischen, S. Grühe.


Gruft (W3) [Adelung]


Die Gruft, plur. die Grüfte, von dem Zeitworte graben. 1) Eine in die Erde gegrabene Öffnung, eine Grube. Des Brunnen Gruft, daraus ihr gegraben seyd, Es. 51, 1. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitern Bedeutung veraltet, wo man es nur von einem Grabe überhaupt in der höhern und dichterischen Schreibart, von einem ausgemauerten Grabe, einer gewölbten Grabstätte aber auch im gemeinen Leben gebraucht. Eine Leiche in die Gruft senken, sie zur Gruft begleiten. Dahin gehören auch die unterirdischen Grüfte zu Rom, welche vermuthlich zu Begräbnissen der Sklaven und geringen Personen dienten. 2) Im Oberdeutschen, und zuweilen auch in der höhern Schreibart der Hochdeutschen, eine natürliche Öffnung in und unter der Erde, eine Höhle; daher man im Oberdeutschen eine Grotte auch wohl eine Gartengruft zu nennen pfleget.

Anm. Im Dän. Groft, im Schwed. Grift, im Isländ. Gröftr, im Angels. Cruft, im mittlern Lat. Croftum, welche insgesammt eine jede Grube bedeuten; von graben, Schwed. grafwa, ungeachtet man es gemeiniglich von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Lat. Crypta, abzuleiten pfleget. Im Schwed. und Dän. ist Kraft eine Höhle. S. Graben und Grube.


Grühe (W3) [Adelung]


Die Grühe, plur. die -n, in einigen Gegenden, z. B. in Obersachsen und der Mark Brandenburg, ein Nahme sehr kleiner Fische, welche noch nicht die Größe eines Zolles haben, so wohl in den Flüssen als Seen, nach einigen auch in dem Meere befindlich sind; und auch Sängeln oder Sänglein, ingleichen Mutterlose genannt werden, weil sich einige einbilden, daß die aus dem Schaume des Meeres, oder aus dem Schlamme im Grunde entstehen. Der große Haufe hält sie, aber eben so irrig, für die Brut der übrigen Fische, und nennet die daher Heuerlinge, d. i. diesjährige Brut. Man fänget sie im Januario und October mit besondern sehr engen Netzen, welche daher Grühnetze, Grudflacken oder Krautflacken, Krautsägen genannt werden. Vermuthlich stammet dieser Nahme von dem Nieders. Grut, Graus, her, die kleine Gestalt dieser Fische dadurch auszudrucken. S. Grütze.


Grume (W3) [Adelung]


Die Grume, Grümeln, u. s. f. S. in K.


Gummet (W3) [Adelung]


Das Gummet, des -s, plur. car. in der Landwirthschaft, dasjenige Gras, welches auf zwey- und dreymähdigen Wiesen nach dem zum ersten Mahle davon gewonnen Heue wächset; ingleichen das von diesem Grase gewonnene Heu, welches von geringerer Güte ist, als das erste. Daher der Grummetboden, ein Boden, auf welchem es verwahret wird; die Grummetbutter, welche im letzten Theile des Sommers gemacht wird, wenn die Kühe auf den Wiesen das Grummet abfressen; die Grummetwiese, eine Wiese, welche zwey oder drey Mahl gehauen werden kann, und auch eine zwey- oder dreymähdige, ingleichen eine zwey- oder dreyschürige Wiese genannt wird, zum Unterschiede von den einmähdigen oder einschürigen.

Anm. Die Abstammung dieses Wortes hat die Wortforscher sehr beschäftiget. Wachters seltsame Ableitung von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - verdienet kaum erwähnet zu werden. Frisch leitet es von grün, unreif, und Mahd, mähen, her, andere von Grammes, Grommes, welches im gemeinen Leben für Hieronymus üblich ist, Wend. Growmus, weil das Grummet gemeiniglich um den Hieronymus-Tag, der auf den 30sten September fällt, gewonnen wird, daher auch der Krammesvogel seinen Nahmen haben soll. Allein die Gestalten, welche dieses Wort in den verschiedenen Sprachen und Mundarten hat, machen diese Ableitungen unwahrscheinlich. Im Osnabrückischen lautet dieses Wort Gramme, in andern Niedersächsischen Gegenden nur Gram, wobey man an das Latein. Gramen denkt; im Brem. Etgroon, Holländ. Eetgroen, welches in dem Bremisch-Nieders. Wörterbuche von eten, essen, und Groon, eine Wiese, abgeleitet wird, weil man dieses Gras gemeiniglich von dem Viehe abfressen lasse; im Alt-Schwed. Ramaet; im Oberdeutschen Omat, Amendt, Omt, Ämt, Emt, welches Frisch von ab, aben, Abend, her- leitet; woraus beynahe scheinen sollte, daß das g und r nicht wesentlich zum Stamme gehören, wenn nicht Grummet, Ramaet und Omat Wörter verschiedenen Ursprunges sind, da denn in Ansehung des erstern Frischens Ableitung gar wohl Statt finden kann, obgleich auch die von Grammes, Hieronymus, ihre Wahrscheinlichkeit hat, wenn nicht das Bremische Etgroon, und unser Grummet bloß in der Versetzung der Sylben verschieden sind. Übrigens wird das Grummet auch Spatheu, im Oberdeutschen auch Dihm oder Dohm, und Afterheu, in Niedersachsen auch Nagras, Nachgras, Namatt, Nachmahd, von nach und mähen, im Dän. Auret, im Schwed. Nywaelle, im Franz. Regain, genannt.


Bei Adelung findet man:


Grün, -er, -ste, adj. et adv.

1. Eigentlich, ein Nahme einer Farbe, welche die fünfte Hauptfarbe ausmacht, aus der Vermischung der blauen und gelben Farbe entstehet, und am häufigsten in dem Gewächsreiche angetroffen wird. "Grasgrün", "spangrün", "berggrün", "äpfelgrün", "lauchgrün", "zeisiggrün", "glasgrün", "meergrün", "stahlgrün" u. s. f. bezeichnen die verschiedenen Abänderungen dieser Farbe. Die grüne Farbe. Eine grüne Tinte. Grün gekleidet gehen, in einem grünen Zeuge. Auch als ein Hauptwort, das Grün, subst. indeclin. plur. car. die grüne Farbe zu bezeichnen; dagegen das Grüne ordentlich decliniret wird, S. "Grau". Ein schönes, ein lebhaftes Grün. Und ein höheres Grün belebet die saftigen Zweige, Zach. Ingleichen einen Körper, welcher grün färbet. Braunschweigisches Grün. So auch in den Zusammensetzungen "Berggrün", "Saftgrün", "Schiefergrün", "Spangrün" u. s. f.

2. Figürlich.

1) Mit grünem Laube, mit Grase, mit Gewächsen bewachsen. Der grüne Wald, dessen Bäume mit grünem Laube geschmücket sind. Eine grüne Wiese. Die grüne Flur. Die Bäume werden grün, bekommen Laub. So auch das Hauptwort das Grüne, und in der höhern Schreibart das Grün, grünes Laub, grüne Gewächse, zu bezeichnen. Willkommen im Grünen! Im Grünen spazieren, sitzen, schlafen. Seht der Wiese junges Grün, Raml. Entzückung und Vergnügen Sah ich mit ihr im Grünen liegen, Gell. Die Laube prangt mit jungem Grün, Utz. S. die Grüne.

2) Voller Saft, im Gegensatze des getrockneten oder verdorreten.

(a) Eigentlich, von Gewächsen und deren Theilen. Grüne Kräuter, im Gegensatze der getrockneten. Grünes Gemüse, frisches. Die Blätter sind noch grün, noch unverwelkt. Ein grüner Baum, im Gegensatze eines verdorreten. Grünes Holz, im Gegensatze des trocknen oder verdorreten. Grüne Waare, Gartengewächse, frisches Gemüse; daher derjenige Markt, wo solche verkauft werden, an einigen Orten der grüne Markt heißt. "Er wird auf keinen grünen Zweig kommen", nichts vor sich bringen, zu keinem bürgerlichen Wohlstande gelangen.

(b) Nach einer noch weitern Figur, im gemeinen Leben einiger Gegenden, auch für frisch, im Gegensatze des geräucherten, eingesalzenen oder getrockneten. Grünes Fleisch, frisches, welches vor kurzen geschlachtet worden, und weder geräuchert noch eingesalzen ist. Grüner Ahl, grüner Lachs, grüne Fische. Grünes Obst, im Gegensatze des gedörreten. Eine grüne Haut, bey den Gärbern, welche erst abgezogen, noch nicht zubereitet ist.

3) Unreif, von der gewöhnlichen Farbe unreifer Früchte. Grünes Obst, unreifes. Die Nüsse sind noch grün. Etwas zu grün abbrechen, figürlich, nicht die rechte Zeit abwarten, eine Sache nicht zur Reife kommen lassen. Eh' ihm das Milchhaar noch das grüne Maul bezogen, Günth. Im Dithmarsischen bedeutet grün nach einer noch weitern Figur auch grob, ungeschickt.

4) Günstig, gewogen, doch nur in einigen Ausdrücken des gesellschaftlichen Lebens. Stax ist mir noch niemahls grün gewesen, gewogen. Wohin vermuthlich auch die R. A. an jemandes grüner Seite sitzen, wodurch bald die rechte, am häufigsten aber die linke Seite, der Sitz des Herzens, verstanden wird.

5) Der grüne Donnerstag, oder zusammen gezogen im gemeinen Leben Gründonnerstag, der Donnerstag in der Charwoche, der in Oberdeutschland auch der hohe, und von den weißen Kleidern der Geistlichen in der Römischen Kirche auch der weiße, in Niedersachsen aber der gute Donnerstag genannt wird, an welchem der gemeine Mann grüne Gartengewächse, als die Erstlinge des Frühlinges zu essen pfleget. Frisch vermuthet sehr wahrscheinlich, daß grün hier aus dem mittlern Lat. Carena, Franz. Careme, die Fasten, verderbet worden; woher auch die in vielen Gegenden der Römischen Kirche übliche Benennung der krummen Mittwoche, der Mittwoche in der Charwoche, in welche sich Haltaus nicht zu finden weiß, ihren Ursprung haben kann; da denn alle erbauliche Erklärungen des Wortes grün von sich selbst wegfallen. Der Gebrauch an diesem Tage grünes Gemüse zu essen, kann, so wie der mittlere Latein. Nahme Dies viridium, aus Unwissenheit der wahren Abstammung entstanden seyn. Indessen verdienet doch auch die vorige vierte Bedeutung mit in Betrachtung gezogen zu werden.

Anm. Bey dem Ottfried "gruan", bey dem Notker "gruon", im Nieders. "grön", im Angels. "grene", im Engl. "green", im Schwed. "grön", im Dän. "gröe", im Isländ. "graen". Ohne Zweifel, von dem alten "gro", "wachsen", Nieders. "grojen", Holländ. "groeyen", Dän. "groe", Engl. "to grow", weil die grüne Farbe die gewöhnlichste Farbe der Gewächse ist. Auf ähnliche Art stammet das Latein. "viridis" von "virere" her. S. auch "Grob" und "Groden".


Grünbeere (W3) [Adelung]


Die Grünbeere, plur. die -n, an einigen Orten, ein Nahme der Stachelbeeren, Ribes grossularia L. wegen ihrer grünen Farbe.


Grünbeinchen (W3) [Adelung]


Das Grünbeinchen, oder Grünbeinlein, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Sand- oder Strandläufer mit grünen Füßen; Glareola IV. Schwenkf. Grünfüßel oder Grünfüßchen, Mattkuillis.


Grund (W3) [Adelung]


Der Grund, des -es, plur. die Gründe. 1. Die unterste Fläche eines Gefäßes oder hohlen Körpers, welche in manchen Fällen auch der Boden genannt wird; am häufigsten ohne Plural. 1) Eigentlich. Ein Glas, ein Gefäß bis auf den Grund ausleeren. Das Dicke setzt sich auf den Grund. Am häufigsten von der untersten festen Fläche des Meeres, der Seen, der Flüsse und aller in der Natur befindlichen Wasserbehältnisse. Der Grund des Meeres, eines Sees, Flusses u. s. f. Den Grund sehen können. Stille Wasser haben tiefe Gründe. Grund suchen. Keinen Grund finden können. Ein Morast der keinen Grund hat. Zu halben Grunde fischen, eine Art der Angelfischerey, wo die Angeln zwischen der Oberfläche und zwischen dem Grunde gestellet werden. Zu Grund gehen, im Wasser auf den Grund sinken, und dann auch figürlich, verderbt werden. Ein Kaufmann gehet zu Grunde, wenn er seinen äußern Wohlstand völlig verlieret; ein lebloses Ding, wenn es verderbt, zum fernern Gebrauche untüchtig gemacht wird. Eine Sache zu Grunde richten, figürlich, sie verderben. Besonders in der Schifffahrt. Ein Schiff gehet zu Grunde, wenn es untersinket. Auf den Grund fahren, mit dem Schiffe auf den Grund stoßen, woraus zuweilen das Scheitern erfolget. Das Schiff wurde genöthiget, auf den Grund zu laufen, oder sich auf den Grund zu setzen, es wurde genöthiget an der Küste mit Vorsatz zu stranden. Ein Schiff in den Grund segeln, im Segeln so an das- selbe stoßen, daß es untersinken muß. Es in den Grund bohren, es leck schießen, wovon es untersinken muß. In engerer Bedeutung werden in einigen Gegenden Oberdeutschlandes, besonders um den Bodensee, die Gründe, d. i. die seichten untiefen Örter des Bodensees, der tiefen, weiten oder freyen See entgegen gesetzet, welche letztere daselbst auch die Schwebe oder die Schweb genannt wird. Nach einer andern Einschränkung schließet dieses Wort die Beschaffenheit der auf dem Grunde eines natürlichen Wasserbehältnisses befindlichen Erd- und Steinarten mit ein. Ein Hafen hat guten Ankergrund, wenn der Grund so beschaffen ist, daß der Anker gut darin haftet. Ein kiesiger, sandiger, steiniger, schlammiger Grund, oder Kiesgrund, Sandgrund, Steingrund, Schlammgrund. 2) Figürlich. (a) Auf den Grund gehen, eine Sache gründlich untersuchen, wo es aber auch zur folgenden dritten Bedeutung gehören kann. (b) Das Innerste des Herzens, der Seele, der Gedanken, der Empfindungen. Diese Rede ließ mich bis auf den Grund seines Herzens sehen. Ich gebe es ihm von Grund der Seele gern. Jemanden vom Grunde seines Herzens, oder seiner Seele lieben. Der Grund der Seele, dunkele Empfindungen, deren sich der Mensch nicht unmittelbar bewußt ist, noch werden kann. 2. Eine niedrige, d. i. unter der Horizontal-Linie gelegene Stelle des Erdbodens, ein Thal, eine niedrige Gegend, in der Nachbarschaft und im Gegensatze einer höhern. Im Grunde wohnen, 1 Mos. 26, 17. Du lässest Brunnen quellen in den Gründen, Ps. 104, 10. Zu den Königen, die - in den Gründen - wohneten, Jos. 11, 2. Das Dorf liegt im Grunde, in einem Thale. Der Plauische Grund, bey Dresden. Der Aischgrund, Taubergrund, Kochergrund u. s. f. niedrige Gegenden an der Aisch, der Tauber und dem Kocher. Im mittlern Lat. bedeutet Gronna, Grunna einen Sumpf. Morast, welches Frisch irrig zu grün rechnet. 3. Diejenige Fläche, derjenige Körper, worauf ein Ding ruhet. 1) Überhaupt, wo es nur in einigen Fällen und am häufigsten in der einfachen Zahl gebraucht wird. Die Fläche oder Seite eines Körpers, worauf derselbe ruhet, wird zuweilen dessen Grund, noch mehr aber dessen Grundfläche genannt. Bey den Buchdruckern führet die viereckige Tafel, worauf die Schriften gesetzt werden, den Nahmen des Grundes. Bey den Tuchscherern ist Grund die rechte Seite eines Tuches, zum Unterschiede von dem Haare oder der linken Seite. Der Grund eines gewirkten Zeuges, einer Stickerey u. s. f. die unterste oder erste Anlage, zum Unterschiede von den eingewirkten oder eingestickten Blumen; der Boden. Blaue Blumen auf rothem Grunde. Den Grund hauen, bey den Schwertfegern, den Raum innerhalb des Umrisses der Figuren mit Kreuzhieben ausfüllen. In der Mahlerey ist der Grund die erste Farbe, womit die Fläche überzogen wird, und auf welche hernach die Figuren gemahlet werden. Ein Kreidengrund, Öhlgrund u. s. f. Der Goldgrund, der Überzug, auf welchen die Vergoldung getragen wird. Den Grund auftragen. S. Gründen. Auch der Raum, welcher hinter den Gegenständen befindlich ist, der hinterste Theil eines Gemähldes, wird in der Mahlerey der Grund genannt. S. Hintergrund und Vordergrund. Figürlich auch bey zusammen gesetzten Körpern, der vornehmste Bestandtheil derselben. So ist die Cacao der Grund der Chocolade. 2) In engerer Bedeutung, der unterste Theil eines künstlichen Körpers, worauf derselbe ruhet, und worauf dessen Festigkeit beruhet; besonders von Bauwerken, ihre Grundfläche auf und in der Erde, der Füllmund. (a) Eigentlich. Den Grund zu einem Gebäude, zu einer Mauer legen. Einen Grund graben, den dazu nöthi- gen Raum in der Erde ausgraben. Ein Gebäude von dem Grunde an aufmauern. Das Haus hat keinen guten Grund. Keinen festen Grund finden. Einen Grund stoßen, in morastigen Erdboden zur Festigkeit des Grundes Pfähle einrammeln. Eine Stadt in den Grund zerstören, bis auf den Grund, d. i. völlig. Ein Land in Grund und Boden verwüsten, im gemeinen Leben, für völlig, gänzlich. (b) Figürlich, alles worauf die Begreiflichkeit die Wahrheit, ja das Daseyn einer Sache selbst beruhet; doch mit verschiedenen Nebenbegriffen. (1) Der Anfang eines Dinges, besonders so fern daraus der Fortgang und das Wachsthum der Sache begreiflich wird; mit dem Zeitworte legen, und ohne Plural. Den Grund zu seinem Glücke legen. Zu deinem Unglücke war schon der Grund unvermeidlich gelegt. Einen guten Grund im Studieren, in den Wissenschaften, in einer Kunst, in einer Fertigkeit legen. (2) Die ersten Bestandtheile eines Dinges; am häufigsten ohne Plural. Sein Gemüth ist im Grunde verdorben. Einen Schaden, eine Krankheit aus dem Grunde heilen, gründlich. Eine Kunst, eine Wissenschaft aus dem Grunde verstehen, erlernen, mit Einschließung der ersten und vornehmsten Sätze, aus welchen alle übrige herfließen, und daraus ihre Erweislichkeit bekommen; welche Sätze auch wohl im Plural die Anfangsgründe oder Gründe genannt werden. Die ersten Gründe der Weltweisheit, die ersten und vornehmsten Grundlehren derselben. (3) Die wahre Beschaffenheit eines Dinges, von allen außerwesentlichen Umständen befreyet, besonders so fern sie nicht sogleich in die Augen fällt; ohne Plural. Im Grunde ist es doch nicht wahr. Er stellt sich zwar zuweilen böse, allein im Grunde meint er es doch gut. Nun kommen wir auf den Grund, auf die wahre Beschaffenheit. Das ist der Grund der ganzen Sache. Etwas mit Grund der Wahrheit behaupten. Zuweilen auch in engerer Bedeutung, für Wahrheit, Recht. Grund vor sich haben, Recht, die Wahrheit auf seiner Seite haben. Das wird ohne Grund behauptet. (4) Alles dasjenige, woraus sich begreifen lässet, daß ein Ding ist, und warum es so und nicht anders ist; mit verschiedenen Einschränkungen. aa) Dasjenige, woraus sich das Daseyn einer thätigen Veränderung begreifen lässet; der Bewegungsgrund, die Ursache. Aus was für einem Grunde glaubst du das? Ich weiß keinen Grund davon anzugeben. Ich will ihnen meine Gründe sagen, warum ich solches gethan habe. Wichtige Gründe haben. bb) Dasjenige, durch dessen Kraft etwas hervor gebracht wird, was zu der Möglichkeit oder Wirklichkeit eines Dinges etwas beyträgt; der Real-Grund, Principium essendi oder fiendi. Gott ist der Grund, oder Gott enthält den Grund aller Geschöpfe. Der Befehl, ich werde! ist der Grund des nach und nach unaufhörlich fortgehenden Entstehens der einzelnen Stücke jeder Art. Christus ist der Grund der Seligkeit. Als ihn ein stark Geräusch erwecket, Wovon er keinen Grund entdecket, Lichtw. cc) Dasjenige, woraus eine Sache erkannt wird, woraus sie begreiflich wird; der Erkenntnißgrund, Ideal-Grund, Principium cognoscendi. Die heilige Schrift ist der Grund der Religion. Der zureichende Grund, in der Philosophie, wenn alles was darin gegründet ist, so daraus hergeleitet werden kann, daß kein anderer Grund mehr zur Begreiflichkeit nöthig ist. dd) Dasjenige woraus etwas erweislich ist; der Beweisgrund. Etwas mit unumstößlichen Gründen beweisen. Deine Gründe taugen nicht. Alle diese Gründe beweisen nichts. 4. Die Oberfläche der Erde, vermuthlich, weil alle andere Körper über derselben auf ihr, als dem Grunde ruhen; doch nur in folgenden Fällen. 1) Mit Beziehung auf die Beschaffenheit der Bestandtheile, der Boden; ohne Plural. Ein schwarzer, ein fetter, ein lehmiger Grund. Sandgrund, Kiesgrund u. s. f. 2) Mit Beziehung auf das Eigenthum. Grund und Boden ist mein. Es geschiehet auf meinem Grunde und Boden. Auf einem fremden Grunde und Boden bauen. 3) Liegende Gründe, oder Grundstücke, Theile der Erdfläche mit den darauf befindlichen Gebäuden, als Äcker, Felder, Wiesen, Wälder, Gärten, Weinberge, nebst Häusern und Gebäuden; im Gegensatze des beweglichen Vermögens oder der fahrenden Habe. 4) Ein Feld, eine Gegend in den Grund legen, einen geometrischen Riß davon verfertigen, es aufnehmen. Anm. Schon bey dem Ulphilas lautet dieses Wort Grund, im Nieders. Schwed. und Dän. gleichfalls Grund, bey dem Notker, der es auch von der Wurzel gebraucht, Grunt, im Holländ. Grunt, im Engl. Ground, im Pohln. und Böhm. Grunt. Wachter leitet es von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Feld, der Grund und Boden, ab; allein, bey einem so alten Worte, welches in einer so langen Reihe von Jahrhunderten so wenig Veränderungen erlitten, ist es wohl das beste, mit Ihre seine Unwissenheit zu bekennen. In einigen Zusammensetzungen bedeutet es so viel als erz - so wohl im guten als bösen Verstande, z. B. grundböse, grundfaul, grundgütig, grundfalsch, grundrichtig u. s. f. gleichsam, seinen ersten Bestandtheilen, seinem Wesen nach, böse, faul, oder gütig; wohin auch die Oberdeutschen Grundbube, Grundschelm u. s. f. gehören.


Grundangel (W3) [Adelung]


Die Grundangel, plur. die -n, eine mit Bley versehene Angel, damit auf dem Grunde zu angeln.


Grundbalken (W3) [Adelung]


Der Grundbalken, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Balken, welcher den Grund eines Gebäudes ausmacht. So wird der Kiel eines Schiffes zuweilen dessen Grundbalken genannt. Bey den Mühlwassern ist es ein Balken, welcher unmittelbar vor dem Gerinne lieget, und am häufigsten der Grundbaum oder Fachbaum genannt wird.


Grundbau (W3) [Adelung]


Der Grundbau, des -es, plur. die -baue, der Bau, d. i. die Verfertigung des Grundes zu einem Gebäude; zum Unterschiede von dem Oberbaue.


Grundbaum (W3) [Adelung]


Der Grundbaum, des -es, plur. die -bäume, S. Grundbalken und Fachbaum.


Grundbegierde (W3) [Adelung]


Die Grundbegierde, plur. die -n, Begierden, welche zu dem Wesen der Menschen gehören, und der Grund aller übrigen Begierden sind.


Grundbegriff (W3) [Adelung]


Der Grundbegriff, des -es, plur. die -e, ein Begriff, welcher der Grund vieler andern ist, aus welchem viele andere begreiflich und erweislich werden. Ingleichen, ein Begriff, welcher dem Menschen wesentlich ist, zu dessen Wesen gehöret. So haben einige behauptet, der Begriff von dem Daseyn eines höchsten Wesens sey ein Grundbegriff der menschlichen Natur.


Grundbein (W3) [Adelung]


Das Grundbein, des -es, plur. die -e, in der Zergliederungskunst, ein Bein in dem untern Theile der Hirnschale, weil es der übrigen Hirnschale gleichsam zum Grunde oder zur Stütze dienet; Os basilare oder sphenoides, das keilförmige Bein oder Keilbein, wegen einiger obgleich sehr unvollkommenen Ähnlichkeit; das Gaumenbein, weil es der Breite nach sich an den Gaumen hin erstrecket.


Grundbesitzer (W3) [Adelung]


Der Grundbesitzer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Grundbesitzerinn, plur. die -en, eine Person, welche ein Grundstück im Besitze hat.


Grundbirn (W3) [Adelung]


Die Grundbirn, plur. die -en. 1) In einigen Gegenden, besonders im Reiche, ein Nahme der Kartoffeln, welche in Obersachsen Erdäpfel genannt werden; Solanum tuberosum L. 2) In der Lausitz und Meißen werden die knolligen eßbaren Wur- zeln des Helianthus tuberosus L. welche in Niedersachsen den Nahmen der Erdäpfel führen, Grundbirnen genannt. Siehe Erdapfel.


Grundbley (W3) [Adelung]


Das Grundbley, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, ein an ein Seil gebundenes bleyernes Gewicht, die Tiefe und Beschaffenheit des Grundes in der See zu erforschen; das Grundloth. S. Senkbley.


Grundbohrer (W3) [Adelung]


Der Grundbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Erdbohrer der Maurer, die Beschaffenheit des Grundes damit zu erforschen.


Grundbolzen (W3) [Adelung]


Der Grundbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Cylinder von Eisen oder Kupfer der Bleygießer, bleyerne Röhren darüber zu gießen; der Formbolzen.


Grundböse (W3) [Adelung]


Grundböse, adj. et adv. sehr böse, gleichsam, seinem Wesen, seinen Bestandtheilen nach böse. Ein grundböser Mensch.


Grundbret (W3) [Adelung]


Das Grundbret, des -es, plur. die -er, in der Geschützkunst, ein Richtscheit mit einem viereckigen Brete und einem Quadranten, die Elevation einer Kanone damit zu finden.


Grundbrief (W3) [Adelung]


Der Grundbrief, des -es, plur. die -e, in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, eine Urkunde, welche ein Lehens- oder Zinsherr dem Lehens- oder Zinsmanne über das ihm übertragene Grundstück gibt; der Lehensbrief, Erbzinsbrief, Zinsbrief.


Grundbruch (W3) [Adelung]


Der Grundbruch, des -es, plur. die -brüche, der Durchbruch des Wassers durch den Grund eines Dammes oder Deiches; Nieders. Grundbrake.


Grundbrühe (W3) [Adelung]


Die Grundbrühe, plur. inus. in der Schifffahrt, dasjenige Wasser, welches sich unten in dem Schiffe zu sammeln pfleget, und auch wohl die Grundsuppe genannt wird.


Grundbuch (W3) [Adelung]


Das Grundbuch, des -es, plur. die -bücher, im Oberdeutschen, besonders in Österreich, das Verzeichniß der einem Eigenthumsherren gehörigen Grundstücke und ihrer Gefälle. Zuweilen auch das Collegium der dazu gehörigen Personen. So hat gemeiner Stadt Wien Grundbuch einen Grundbuchshandler, einen Grundschreiber und einen Amtschreiber.


Grunddienst (W3) [Adelung]


Der Grunddienst, des -es, plur. die -e, eben daselbst, diejenigen Dienste, welche die Grundholden oder Unterthanen dem Grundherren leisten müssen, und welche sonst auch Robathe, in Ober- und Niedersachsen aber Frohnen, Frohndienste genannt werden.


Grundehrlich (W3) [Adelung]


Grundehrlich, adj. et adv. im hohen Grade ehrlich.


Grundeigenthum (W3) [Adelung]


Das Grundeigenthum, des -s, plur. car. das Eigenthum über Grund und Boden.


Grundeis (W3) [Adelung]


Das Grundeis, des -es, plur. car. dasjenige Eis, welches auf dem Grunde der Ströme entstehen, nach und nach von, demselben in die Höhe kommen, und auf dem Flusse forttreiben soll, da man denn sagt, der Fluß gehe mit Grundeis. Allein die Spuren von Erde und Sand zeigen dessen Entstehung am Ufer.


Grundeisen (W3) [Adelung]


Das Grundeisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Wundärzten, ein Werkzeug, die Tiefe der Wunden zu erforschen; Franz. la Sonde. Bey den Formschneidern ist es ein flacher Meißel, mit einer gebogenen, flachen oder hohlen und breiten Spitze, den Grund auszustechen.


Gründel (W3) [Adelung]


Der Gründel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Fisch, S. Gründling. 2) Ein Riegel, S. Grendel. 3) In einigen Gegenden auch eine Benennung des Pflugeisens, vermuthlich, weil es seiner Bestimmung nach, den Grund durchschneidet und auflockert.


Gründen (W3) [Adelung]


Gründen, verb. reg. act. von dem Hauptworte Grund. 1. Den Grund eines natürlichen Wasserbehältnisses finden, erforschen, für ergründen; in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen nur im gemeinen Leben üblich ist. Der Teich ist nicht zu gründen, nicht zu ergründen. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch figürlich in der höhern Schreibart. Deine Güt ist nicht zu gründen, Opitz. Daß seine Güte nicht vergehe, Ihr Grund auch nicht zu gründen sey, ebend. Der Schlamm will mich verschlingen; Er ist so tief, daß ich nicht gründen kann, ebend. 2. Den Grund zu etwas machen, bereiten, in einigen Bedeutungen des Hauptwortes. So gründen die Buchbinder die Franzbände, wenn der Theil der vergoldet werden soll, mit Eyweiß und Salz, und wenn solches trocken geworden, mit Baumöhl überfahren wird, um das Gold darauf zu tragen. Die Mahler, Anstreicher u. s. f. gründen die Leinwand, oder einen jeden andern Körper, wenn sie die erste Lage Farbe darauf tragen, oder den Körper, welchen sie bemahlen oder anstreichen wollen, auch nur mit Leimwasser überfahren, um die Poros desselben auszufüllen, welches auch tränken genannt wird. Ein Holz mit Leim, mit Öhl gründen. Die Kupferstecher gründen eine Kupferplatte zur schwarzen Kunst, wenn sie selbige mit dem Gründungseisen aufackern u. s. f. 3. Den Grund, d. i. die Vertiefung eines Körpers bearbeiten; bey den Tischlern, wo die Fugen, und andere vertiefte Stellen gegründet, d. i. mit dem Grundhobel bearbeitet werden. 4. Einen Körper, besonders ein Gebäude auf einem gewissen Grunde errichten, aufführen, mit einem Grunde versehen. 1) Eigentlich. Das Haus war auf einen Felsen gegründet, Matth. 7, 25. Der Tag, da der Tempel des Herrn gegründet ist, da dessen Grund geleget ist, Hagg. 2, 19. 2) Figürlich. (a) Ein Reich gründen oder stiften, den Grund dazu legen, d. i. den Anfang dazu machen, sich die dazu nöthigen Unterthanen erwerben und sammeln. Die Gründung der Kirche von Christo. (b) Der Wahrheit, der Sache selbst gemäß seyn; in welcher Bedeutung nur das Mittelwort gegründet üblich ist. Eine wohl gegründete Antwort. Ein gegründetes Recht auf etwas haben. Das Vorgeben ist nicht gegründet. Das ist gegründet, ist wahr. Eine gegründete Hoffnung. (c) Sein Daseyn, seine Wirklichkeit von einem andern Dinge haben; nur im Passivo mit dem Vorworte in. Alle Geschöpfe sind in Gott gegründet. Die Herrschaft Gottes ist in der Schöpfung aller Dinge gegründet, entstehet daraus. Kinder sind ihrem Ursprunge nach in den Ältern gegründet. (d) Die Dauer, die Bestimmung, die Erweislichkeit einer Sache aus einer andern herleiten, als ein Reciprocum und mit dem Vorworte auf. Seine Hoffnung auf Gott gründen. Die Treue der ehelichen Liebe gründet sich auf das gegenseitige Versprechen und auf die Natur der Liebe, Gell. Das war gerade der Trost, worauf sich die Stärke dieses Helden gründete. Die Gründung des Vertrauens auf alle von Gott verordnete Mittel unserer Errettung. Wie reitzend wird die Freundschaft nicht, wenn sie sich zugleich auf Natur und auf Tugend gründet! Gell. Auch in Gestalt eines Passivi mit dem Vorworte in. Eine Wahrheit ist in der heiligen Schrift gegründet, wenn sie aus derselben erweislich ist und bestimmt wird. Die Theilbarkeit eines Körpers ist in seiner Zusammensetzung gegründet. Jede Gesellschaft ist in einem Vertrage gegründet. So auch die Gründung in allen thätigen Bedeutungen.

Anm. Bey dem Notker von der Legung des Grundes zu einem Gebäude grundfeilen, fundamenten. Im Schwed. bedeutet grunda nachdenken, im Gemüthe betrachten, welches unserm grübeln nahe kommt.


Grunderz (W3) [Adelung]


Das Grunderz, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, an einigen Orten, das unter der Dammerde liegende Eisenerz, welches am Schwarzwalde auch nur Grund schlechthin genannt wird.


Grundfalsch (W3) [Adelung]


Grundfalsch, adj. et adv. im Grunde, seinem Wesen nach falsch, oder unwahr, völlig, im höchsten Grade unwahr. Das ist grundfalsch. Ein grundfalsches Vorgehen. S. Grund Anm.


Grundfarbe (W3) [Adelung]


Die Grundfarbe, plur. die -n. 1) Eine Farbe, welche den Grund anderer Farben enthält, aus welcher andere Farben bereitet werden; eine Hauptfarbe, im Gegensatze der Nebenfarben. Gelb, roth, und blau sind bey den Mahlern Grundfarben. Im gemeinen Leben hat man acht Grundfarben, nehmlich weiß, grau, schwarz, blau, grün, gelb, roth und braun; in der Naturlehre nimmt man deren weniger an. 2) Diejenige Farbe, welche der Grund eines bunten Körpers hat.


Grundfaul (W3) [Adelung]


Grundfaul, adj. et adv. im hohen Grade faul. S. Grund Anm.


Grundfeste (W3) [Adelung]


Die Grundfeste, plur. die -n. 1) Der Grund eines Gebäudes, worauf dessen Festigkeit beruhet, in der höhern Schreibart. In dem gemeinen Sprachgebrauche ist es nicht mehr üblich, außer daß es noch bey den Wassermühlen vorkommt, wo die Mahlpfähle ihre Grundfesten haben. Notker und Stryker nennen schon den Grund eines Gebäudes Grundfesti. S. Feste. 2) Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Pflanze, wovon einige Arten in den wärmern Gegenden Europens am sandigen Meerstrande wachsen und denselben gleichsam binden oder fest machen; Crepis L.


Grundfläche (W3) [Adelung]


Die Grundfläche, plur. die -n, die unterste Fläche eines Körpers, worauf derselbe ruhet, Basis; zum Unterschiede von der Oberfläche und den Seitenflächen.


Grundforelle (W3) [Adelung]


Die Grundforelle, plur. die -n, bey den Fischern, ein Nahme der großen Forellen, welche ihrer Nahrung auf dem Grunde des Wassers nachgehen; zum Unterschiede von den Schwebforellen.


Grundform (W3) [Adelung]


Die Grundform, plur. die -en, bey den Kattundruckern, gewisse Formen, den Grund des Kattuns damit zu färben, da denn die Blumen weiß bleiben, in welche hernach kleinere Paßformen mit andern Farben gedruckt werden.


Grundgebirge (W3) [Adelung]


Das Grundgebirge, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen eine Benennung eines ursprünglichen oder Ganggebirges, weil es gleichsam den Grund der Flötzgebirge ausmacht.


Grundgelehrt (W3) [Adelung]


Grundgelehrt, adj. et adv. sehr gelehrt, in einem hohen Grade gelehrt. Ein grundgelehrter Mann. S. Grund Anm.


Grundgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Grundgerechtigkeit, plur. inus. die Gerichtbarkeit, welche dem Grunde und Boden anklebet, mit dem Eigenthume des Grundes und Bodens verbunden ist; die niedere Gerichtsbarkeit, im Gegensatze der höhern oder peinlichen. S. das folgende.


Grundgericht (W3) [Adelung]


Das Grundgericht, des -es, plur. die -e. 1) In einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders in Österreich und am Oberrheine wird die Grundgerechtigkeit im Plural, ohne Singular, die Grundgevichte genannt, d. i. die niedrige Gerichtbarkeit, in Ober- und Niedersachsen die Erbgerichte, weil sie auf einem jeden freyen Erbgute haftet; im mittlern Lat. Justitia fonsseria, fundicaria. 2) In andern Gegenden, ein Gericht, welches die Feld- und Ackersteitigkeiten untersucht und entscheidet; in einigen Gegenden auch das Eigengericht, vermuthlich weil es über das Eigenthum im Felde erkennet. S. Feldgericht.


Grundgesetz (W3) [Adelung]


Das Grundgesetz, des -es, plur. die -e, ein Gesetz, welches den Grund, d. i. die Bestimmung der Verfassung eines Staates enthält, woraus alle übrigen Gesetze herfließen. Reichsgrundgesetze, Verträge zwischen dem Haupte und den Gliedern eines Reiches, worin dessen Verfassung und Regierungsform bestimmet wird.


Grundgraben (W3) [Adelung]


Der Grundgraben, des -s, plur. die -gräben, ein Graben, so fern er den künftigen Grund eines Gebäudes enthalten soll, die zu dem Grunde eines Gebäudes u. s. f. in die Erde gegrabene Öffnung.


Grundgütig (W3) [Adelung]


Grundgütig, adj. et adv. im hohen Grade gütig, sehr gütig. Der grundgütige Gott. Ein grundgütiger Herr.


Grundhaare (W3) [Adelung]


Die Grundhaare, sing. inus. oder das Grundhaar, plur. inus. bey den Hutmachern, die feinen weichen Haare, welche die Thiere im Winter haben; zum Unterschiede von den gröbern Sommerhaaren. Bey den Gärbern werden die in der Haut verborgenen Wurzeln der Haare Grundhaare genannt.


Grundhaken (W3) [Adelung]


Der Grundhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Haken an einer langen Stange, etwas damit von dem Grunde des Wassers herauf zu hohlen.


Grundhase (W3) [Adelung]


Der Grundhase, des -n, plur. die -n, im Oberdeutschen, Hasen, welche sich in den Gründen oder Thälern aufhalten; zum Unterschiede von den Berghasen.


Grundheil (W3) [Adelung]


Das Grundheil, des -es, plur. car. der Nahme einer Pflanze, S. Gauchheil und Johannis-Kraut.


Grundherr (W3) [Adelung]


Der Grundherr, des -en, plur. die -en, der Eigenthumsherr des Grundes und Bodens; Dominus directus, Dominus territorii, Dominus fundi servientis, im mittlern Lat. Fundalis, welcher auch die Grundherrschaft, und so fern er als eine Obrigkeit betrachtet wird, die Grundobrigkeit heißt, S. dieses Wort.


Grundherrlichkeit (W3) [Adelung]


Die Grundherrlichkeit, plur. inus. S. das folgende.


Grundherrschaft (W3) [Adelung]


Die Grundherrschaft, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum, und ohne Plural, die Herrschaft, welche aus dem Eigenthumsrechte über einen Grund und Boden entspringet; die Grundherrlichkeit, im mittlern Lat. Fundalitas. 2) Als ein Concretum, eine Person, welche diese Herrschaft besitzet.


Grundhieb (W3) [Adelung]


Der Grundhieb, des -es, plur. die -e, bey den Feilenhauern, die ersten und untersten Hiebe oder Striche an einer Feile; zum Unterschiede von den Kreuzhieben.


Grundhobel (W3) [Adelung]


Der Grundhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, Rinnen zu Leisten oder andern Vertiefungen zu gründen, d. i. in der Tiefe glatt zu hobeln.


Grundholde (W3) [Adelung]


Der Grundholde, des -n, plur. die -n, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Österreich, übliches Wort, einen Unterthan zu bezeichnen, der dem Grunde und Boden anklebet, glebae adscriptum, der ohne Wissen des Grundherren dessen Gut nicht verlassen kann; eine Art der Leibeigenen. Zuweilen auch wohl in weiterer Bedeutung, ein Grundbesitzer, der ein Grundstück von dem Grundherren im Besitz hat. S. Hold.


Grundirrthum (W3) [Adelung]


Der Grundirrthum, des -es, plur. die -thümer, ein Irrthum, welcher den Grund, d. i. die Grundlehren einer Wissenschaft betrifft, und aus welchem viele andere herfließen.


Grundkraft (W3) [Adelung]


Die Grundkraft, plur. die -kräfte, eine Kraft, welche zu dem Wesen eines Dinges gehöret, und den Grund vieler andern Kräfte in sich enthält.


Grundkugel (W3) [Adelung]


Die Grundkugel, plur. die -n, in der Feuerwerkskunst, eine veraltete Art Wasserkugeln, welche eine lange Zeit unter dem Wasser bleibt, ehe sie hervor kommt.


Grundlade (W3) [Adelung]


Die Grundlade, plur. die -n, im Bergbaue, beschlagene Balken, welche den Grund der Thürstöcke ausmachen.


Grundlage (W3) [Adelung]


Die Grundlage, plur. die -n, die unterste Lage, welche den obern gleichsam zum Grunde dienet. Die Grundlage eines Walles, dessen unterste Lage. Ingleichen figürlich, die einfachen Theile, woraus ein Körper bestehet; der Grundstoff. Die Grundlage eines Buches, dessen vornehmste Theile, worin die übrigen gegründet sind. Ferner dasjenige, was bey einer Sache zum Grunde geleget wird, wornach sie ihre ganze Bestimmung und Einrichtung erhält. Die Beschaffenheit des Flusses muß der Schifffahrt auf demselben zur Grundlage dienen. Ich sehe die ganze Grundlage meiner Ruhe einsinken. Wie auch der erste Anfang eines Dinges, so fern er den Grund von dessen Fortsetzung in sich enthält. Die Grundlage deines Glückes.


Grundlauwine (W3) [Adelung]


Die Grundlauwine, plur. die -n, in der Schweiz, eine Lauwine, d. i. ein großer Klumpen Schnee, der sich von den Bergen los reißet und in die Gründe oder Thäler stürzet; eine Berglauwine, in Tirol eine Grundlähne oder Berglähne, zum Unterschiede von den Staub- und Windlauwinen. S. Lauwine.


Grundlegung (W3) [Adelung]


Die Grundlegung, plur. die -en, ein aus der R. A. den Grund legen, zusammen gezogenes Hauptwort. Vor Grundlegung der Welt, vor ihrer Erschaffung. Zuweilen wird es auch von dem Inbegriffe der Grundlehren einer Wissenschaft gebraucht. Freylingshausens Grundlegung der Theologie, d. i. Compendium.


Grundlehre (W3) [Adelung]


Die Grundlehre, plur. die -n. 1) Eine Lehre, d. i. ein theoretischer Satz, welcher den Grund aller, oder doch vieler andern in sich enthält, aus welcher viele andere herfließen; eine Hauptlehre. 2) So fern Lehre eine Wissenschaft bedeuten, nannte Wolf die Metaphysik die Grundlehre, weil sie die ersten Gründe aller menschlichen Erkenntniß enthält. S. Grundwissenschaft.


Gründlich (W3) [Adelung]


Gründlich, -er, -ste, adj. et adv. aus dem Grunde, mit Beziehung auf die Gründe oder ersten Bestandtheile eines Dinges; so wohl subjective als objective. Einen Patienten gründlich heilen. Eine gründliche Sinnesänderung. Eine Wissenschaft gründlich verstehen, so daß man alles in derselben aus ihren ersten Gründen herleiten kann. Ein gründlicher Gelehrter. Ein gründlicher Verstand, der den ersten Gründen einer Sache nachforschet. Gründlich denken. Eine Wahrheit gründlich untersuchen. Er hat etwas Gründliches gelernet.


Gründlichkeit (W3) [Adelung]


Die Gründlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie aus ihren ersten Gründen hergeleitet wird. Die Gründlichkeit eines Vortrages, eines Beweises. Ingleichen subjective, die Eigenschaft, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, eine Sache aus ihren ersten Gründen herzuleiten.


Gründling (W3) [Adelung]


Der Gründling, des -es, plur. die -e. 1) In dem Forstwesen, die krummen und knorrigen Scheite Holz, welche nicht in die Klaftern eingeschlagen werden; vielleicht, weil man sie in die Grundlage zu bringen pfleget. 2) In Ober- und Niedersachsen, eine Art kleiner schmackhafter Flußfische, mit zwey Bartfäden, welche sich auf dem Grunde aufhalten, und sich daselbst von dem Gewürme oder todten Körpern nähren; Cyprinus Gobio L. Im gemeinen Leben nur Grundel, Gründel, im Oberdeutschen Kresse, Kreßling, Bachkresse, Gräßling, in Baiern Sange, Sangle, Sengle, Grundsangel, in Bremen Grimpe, im Dän. Grundling, Grympel, Sandheft, im Engl. Groundling, im Franz. Goujon, im mittlern Lat. Fundulus. Daher die Gründlingsreuse, eine Art kleiner Fischreusen zu den Gründlingen. 3) Im Oberdeutschen hingegen wird derjenige Fisch, welcher in Ober- und Niedersachsen unter dem Nahmen der Schmerle bekannt ist, Cobitis Barbatula L. Gründling genannt, weil er sich gleichfalls auf dem Grunde des Wassers aufhält. S. Schmerle.


Grundlinie (W3) [Adelung]


Die Grundlinie, plur. die -n, die unterste Linie einer Figur, worauf sie ruhet, oder zu ruhen scheinet; Basis. Im Festungsbaue führet diesen Nahmen die äußerste Seite eines Polygones. In der Perspective ist es diejenige Linie, auf welcher die Tafel aufstehet, oder wo die geometrische Fläche und die Tafel einander durchschneiden.


Grundlos (W3) [Adelung]


Grundlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Grund, oder doch keinen bekannten Grund habend. 1) Eigentlich; ohne Comparation. Das Wasser ist hier grundlos, der Grund ist mit keinem bekannten Werkzeuge zu erforschen. Das grundlose Meer. Ein grundloser Weg, ein sehr morastiger, sumpfiger Weg, wo nicht leicht fester Grund zu finden ist. 2) Figürlich. (a) Die grundlose Barmherzigkeit Gottes, in der biblischen Schreibart, für unergründlich, unendlich. (b) Des Grundes, d. i. des Beweises, ingleichen der Übereinstimmung mit der Sache selbst beraubt. Ein grundloses Vorgeben. Ein grundloser Beweis. Stryker nennt schon die Hölle gruntlose Helle.


Grundlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Grundlosigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie grundlos ist, in den vorigen Fällen.


Grundmauer (W3) [Adelung]


Die Grundmauer, plur. die -n, eine Mauer, so fern sie den Grund eines Gebäudes ausmacht.


Grundmüthig (W3) [Adelung]


+ Grundmüthig, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, vom Grunde des Gemüthes oder des Herzens, aufrichtig, herzlich. Ein grundmüthiges Beyleid.


Grundneigung (W3) [Adelung]


Die Grundneigung, plur. die -en, eine Neigung, welche zu dem Wesen der menschlichen Natur gehöret, und aus welcher viele andere Neigungen herfließen.


Grundobrigkeit (W3) [Adelung]


Die Grundobrigkeit, plur. die -en, die niedrige Obrigkeit, S. Grundherr.


Gründonnerstag (W3) [Adelung]


Der Gründonnerstag, des -es, plur. die -e, S. Grün.


Grundpfahl (W3) [Adelung]


Der Grundpfahl, des -es, plur. die -pfähle, ein Pfahl, welcher in den Grund geschlagen wird. In der Baukunst sind es Pfähle, welche in morastigen oder weichen Erdboden geschlagen werden, den Grund eines Gebäudes darauf zu legen. Auch im Deichbaue hat man Grundpfähle, welche ein Schlengenwerk im Grunde befestigen.


Grundrecht (W3) [Adelung]


Das Grundrecht, des -es, plur. die -e. 1) Dasjenige Recht, welches aus dem Eigenthume eines Grundes oder Bodens entspringet, ohne Plural; die Grundgerechtigkeit, Dominium directum. 2) Das Recht, auf eines andern Grund und Boden gegen einen gewissen Grundzins etwas zu bauen, zu pflanzen oder zu setzen, welches auch das Platzrecht genannt wird.


Grundregel (W3) [Adelung]


Die Grundregel, plur. die -n, eine Regel, so fern sie der Grund vieler andern ist; eine Hauptregel.


Grundreich (W3) [Adelung]


Grundreich, adj. et adv. sehr reich, in hohem Grade reich.


Grundrichtig (W3) [Adelung]


Grundrichtig, adj. et adv. sehr richtig, in einem hohen Grade richtig, S. Grund Anm.


Grundriß (W3) [Adelung]


Der Grundriß, des -sses, plur. die -sse, ein Riß, welcher die Eintheilung eines Platzes im Grunde zeiget, oder zeiget, was für einen Raum eine Sache nach ihren Theilen auf dem Erdboden einnimmt; Ichnographia.


Grundruhr (W3) [Adelung]


+ Die Grundruhr, plur. die -en, in einigen besonders Niedersächsischen Gegenden, die Strandung, weil sie erfolget, wenn ein Schiff den Grund berühret, Nieders. Grundrörninge; ingleichen das Strandrecht, welches auch das Grundruhrrecht, Nieders. Rörrecht, genannt wird. In weiterer Bedeutung wurden ehedem auch in Niedersachsen solche Fälle zur Grundruhr gerechnet, wenn z. B. ein Wagen auf dem festen Lande umfiel, oder einige Güter davon fielen u. s. f. weil sie alsdann den Grund und Boden des Landesherren berühreten. S. Strandrecht.


Grundsauer (W3) [Adelung]


Der Grundsauer, des -s, plur. inus. bey den Bäckern, die erste Sorte Sauers oder Sauerteiges, welche man von einem Gebacke aufhebet, und zum Grunde des künftig nöthigen Sauerteiges brauchet.


Grundsäule (W3) [Adelung]


Die Grundsäule, plur. die -n, eine Säule, so fern sie den Grund eines Gebäudes ausmacht, oder so fern ein Gebäude entweder ganz oder doch einem großen Theile nach auf ihr ruhet; doch nur zuweilen in figürlichem Verstande. Gerechtigkeit und Frömmigkeit sind die Grundsäulen der Wohlfahrt eines Staates.


Grundschoß (W3) [Adelung]


Der Grundschoß, des -sses, plur. die -sse, in einigen Gegenden, z. B. in der Mark Brandenburg, ein Schoß, welcher von den Grundstücken gegeben wird; S. Fundschoß.


Grundschreiber (W3) [Adelung]


Der Grundschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Grundbuch.


Grundschwelle (W3) [Adelung]


Die Grundschwelle, plur. die -n, die unterste Schwelle eines Gebäudes, welche unmittelbar auf dem Grunde zu liegen kommt.


Grundsprache (W3) [Adelung]


Die Grundsprache, plur. die -n, diejenige Sprache, worin ein Buch ursprünglich geschrieben worden; die Original-Sprache, bey einigen die Ursache. So sind das Hebräische und Chaldäische die Grundsprache des alten, das Griechische die Grundsprache des neuen Testamentes.


Grundstein (W3) [Adelung]


Der Grundstein, des -es, plur. die -e. 1) Derjenige Stein, welcher den Grund eines andern Dinges ausmacht, worauf dasselbe ruhet, und von ihm seine Festigkeit enthält. In diesem Verstande wird das unterste und größte Glied des Fußgesimses eines Säulenstuhles, welches auch die Platte heißt, von einigen der Grundstein genannt. 2) Der erste Stein, welcher in den Grund eines Gebäudes geleget wird, welches gemeiniglich mit besonderen Feyerlichkeiten geschiehet. Den Grundstein legen. 3) Im Bergbaue wird eine grobe sandige Steinart, welche mit vielem Quarze durchmenget ist, Grundstein genannt, vermuthlich, weil sie andern Steinarten gleichsam zum Grunde dienet.


Grundstelle (W3) [Adelung]


Die Grundstelle, plur. die -n, in der Theologie, eine Schriftstelle, welche den hinreichenden Grund einer geoffenbarten Wahrheit enthält; die Beweisstelle, Dictum classicum.


Grundstimme (W3) [Adelung]


Die Grundstimme, plur. die -n, in der Musik, ein Nahme der tiefsten, untersten Stimme, des Basses.


Grundstoff (W3) [Adelung]


Der Grundstoff, des -es, plur. die -e, die kleinsten Substanzen, woraus ein Körper bestehet; der Urstoff. Die Erde ist einer von den Grundstoffen, welche als ein wesentlicher Theil zu allen Körpern kommen. In weiterer Bedeutung zuweilen auch die ersten, vornehmsten Theile eines Dinges, worin alle übrige gegründet sind. Der Grundstoff der Odyssee.


Grundstück (W3) [Adelung]


Das Grundstück, des -es, plur. die -e. 1) Bey einigen neuern Schriftstellern, wie das vorige, die einfachen Theile zu bezeichnen, woraus die Körper bestehen. Noch mehr aber, 2) ein unbewegliches Gut, es sey ein Haus, oder ein Acker, ein Teich, eine Wiese, ein Garten u. s. f. S. Grund 4. 3) Eine Art Felssteine, welche bey Gebäuden in den Grund vermauert werden. Ein Schock Grundstücke.


Grundsuppe (W3) [Adelung]


Die Grundsuppe, plur. die -n, der dicke schlammige Bodensatz eines flüssigen Körpers. In der Seefahrt ist es dasjenige trübe Wasser, welches sich unten in dem Schiffe sammelt, und auch die Grundbrühe heißt.


Grundsylbe (W3) [Adelung]


Die Grundsylbe, plur. die -n, diejenige Sylbe, welche den Grund von dem Begriffe des Wortes enthält, die Wurzel- sylbe; zum Unterschiede von den Biegungs- und Ableitungssylben.


Grund-Text (W3) [Adelung]


Der Grund-Text, des -es, plur. die -e, eine Schrift oder ein Theil derselben in der Grundsprache.


Grundtheilung (W3) [Adelung]


Die Grundtheilung, plur. die -en, eine solche Theilung unbeweglicher Güter, wodurch zugleich das Geschlechtseigenthum aufgehoben wird, die Todtheilung; zum Unterschiede von der Mutschirung.


Grundtrieb (W3) [Adelung]


Der Grundtrieb, des -es, plur. die -e, ein Trieb, welcher zu dem Wesen der menschlichen Natur gehöret, und den Grund vieler andern Triebe enthält. Das Denken ist der Grundtrieb aller unserer Unternehmungen, Sulz.


Gründung (W3) [Adelung]


Die Gründung, plur. die -en, S. Gründen.


Gründungseisen (W3) [Adelung]


Das Gründungseisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kupferstechern, ein meißelförmiges Eisen, dessen bogige Schneide Striche wie ein Haarkamm hat, die Kupferplatte zur schwarzen Kunst damit zu gründen und aufzuackern.


Grundursache (W3) [Adelung]


Die Grundursache, plur. die -n, die wirkende Ursache, welche den Grund des Daseyns oder der Bestimmung eines andern in sich enthält; der Grund. Gott ist die Grundursache aller Dinge.


Grundwachs (W3) [Adelung]


Das Grundwachs, des -es, plur. inus. in der Bienenzucht, dasjenige Wachs, welches zu der Grundlage der Bienenzellen in den Scheiben dienet; bey dem Plinius Mytis.


Grundwahrheit (W3) [Adelung]


Die Grundwahrheit, plur. die -en, eine allgemeine Wahrheit, welche ohne Beweis eingeräumet werden muß, welche auf keiner andern Wahrheit, auf keinem Mittelbegriffe beruhet, und also keines Beweises fähig ist; zum Unterschiede von den Folgerungswahrheiten. S. Grundsatz. In weiterer Bedeutung werden in der Theologie diejenigen Wahrheiten, welche den Grund der Religion enthalten, die Articuli fundamentales, Grundwahrheiten genannt; zum Unterschiede von den Nebenwahrheiten.


Grundwasser (W3) [Adelung]


Das Grundwasser, plur. von mehrern Sammlungen oder Quantitäten, ut nom. sing. dasjenige Wasser welches in der Tiefe des Erdbodens gefunden wird; zum Unterschiede von dem Tagewasser, oder dem Wasser auf dessen Oberfläche. In den Marschländern, wird auch dasjenige Wasser, welches sich aus dem Grunde der Deiche und Dämme heraus dränget, und auch Drängwasser heißt, Grundwasser genannt.


Grundwerk (W3) [Adelung]


Das Grundwerk, des -es, plur. die -e, bey den Wassermühlen, dasjenige Gebäude, worüber das Wasser in den Gerinnen wegläuft.


Grundwesen (W3) [Adelung]


Das Grundwesen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Dasjenige in einem Dinge, welches in demselben das erste ist, und worin alles was dem Dinge zukommt, seinen Grund hat; das Wesen in der engsten Bedeutung. 2) Ein Wesen, ein für sich bestehendes Ding, welches den Grund aller übrigen Dinge enthält. Gott ist das nothwendige Grundwesen der ganzen Welt.


Grundwissenschaft (W3) [Adelung]


Die Grundwissenschaft, plur. die -en, derjenige Theil der Grundlehre oder Metaphysik, worin die allgemeine Erkenntniß der Dinge abgehandelt wird; mit einem Griechischen Ausdrucke, die Ontologie. Andere belegen die ganze Grundlehre oder Metaphysik mit dem Nahmen der Grundwissenschaft.


Grundwort (W3) [Adelung]


Das Grundwort, des -es, plur. die -wörter, ein Wort, von welchem andere abgeleitet werden; ein Stammwort.


Grundzahl (W3) [Adelung]


Die Grundzahl, plur. die -en, in der Sprachkunst, die Zahlwörter eins, zwey, drey u. s. f. Numeri cardinales, welche bey andern Hauptzahlen heißen; zum Unterschiede von den Ordnungszahlen u. s. f.


Grundzapfen (W3) [Adelung]


Der Grundzapfen, des -s, plur. ut nom. sing. der Zapfen nahe am Grunde eines Teiches, vermittelst dessen das Wasser aus demselben gelassen wird.


Grundzehente (W3) [Adelung]


Der Grundzehente, des -n, plur. die -n, derjenige Zehente, welcher von den Grundstücken und ihrem Ertrage gegeben wird; zum Unterschiede von den Viehzehenten.


Grundzins (W3) [Adelung]


Der Grundzins, des -es, plur. von mehrern Summen, die -en, derjenige Zins, welchen der Besitzer eines Grundstückes zur Anerkennung des Grundrechtes oder Dominii directi an den Eigenthumsherren entrichtet; im Nieders. Grundheuer, Stedegeld, im Oberd. Allmende-Zins, Bodenzins, im mittlern Lat. Solarium. In weiterer Bedeutung zuweilen auch wohl ein jeder Zins, welcher für den Nießbrauch eines Grundstückes entrichtet wird.


Grundzug (W3) [Adelung]


Der Grundzug, des -es, plur. die -züge. 1) Der wesentliche Zug eines Buchstabens oder einer Figur, welcher der Grund des Ganzen ist; zum Unterschiede von den Nebenzügen. 2) Figürlich, der vornehmste, wesentliche Theil eines Dinges. Grundzüge des Charakters.


Grüne (W3) [Adelung]


Das Grüne, des -n, plur. car. S. Grün.


Grüne (W3) [Adelung]


Die Grüne, plur. inus. 1) Im gemeinen Leben einiger Gegenden, die grüne Saat, frisches, grünes Gras. Den Pferden die Grüne geben, sie im Frühlinge mit grünem Grase und Kräutern purgiren. Hasen auf der Grüne schießen, bey den Jägern, auf den Saatfeldern. S. Serbe und Gruse. 2) Im Bergbaue wird das Kupfergrün zuweilen die Grüne genannt.


Grünen (W3) [Adelung]


Grünen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1. Grün werden, wo es doch nur in figürlicher Bedeutung üblich ist. 1) Von Gewächsen, mit grünem Laube, mit grünen Blättern bekleidet werden. Es gruonet wol die linde breit, Dietmar von Ast. Der Weinstock grünete, wuchs und blühete, 1 Mos. 40, 10. Ein Baum grünet doch wieder vom Geruch des Wassers, Hiob. 14, 9. Mose fand den Stecken Aarons grünen, 4 Mos. 17, 8. 2) In einen bürgerlichen Wohlstand gerathen; eine veraltete Figur, welche durch den häufigen Gebrauch der Dichter der vorigen Zeiten in Abnahme und Verachtung gerathen ist. 2. Grün seyn, in den beyden vorigen figürlichen Fällen. Ihm düften frühe Violen, Ihm grünt der Erde beschattete Schooß. Utz. In dem zweyten wird es in der edlen Schreibart gleichfalls wenig mehr gebraucht. Der biblische Gebrauch, in gutem Andenken seyn, ist im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnlich. Bey dem Notker und Willeram gruonen, im Holländ. und Nieders. grönen, im Dän. grönnes.


Grünfink (W3) [Adelung]


Der Grünfink, des -en, plur. die -en. 1) In einigen Gegenden, ein Nahme der Goldammer, wegen ihrer grünlich gelben Farbe; Emberiza flava Klein. Emberiza Citrinella L. Im gemeinen Leben einiger Gegenden wird es um eben dieser Ursache willen Grünschling, Grünling, Grinsling, Grünzling, Grüning, Gröning genannt. S. Goldammer. 2) Eine Art Dickschnäbler von gelbgrüner Farbe; Coccothraustes viridis Klein. Loxia Chloris L. Im gemeinen Leben Grünling, Grünvogel, Grünschwanz, Grünhänfling, im Wendischen Schwunitz, Schwanschel, Wohnütz, in andern Gegenden Rappfink, Hirsevogel, Hirschfink, Gütvogel, Küttvogel, weil er mit einem besondern Gelocke streicht, im Dän. Svenske, im Engl. Greenfinch.


Grünfüßel (W3) [Adelung]


Das Grünfüßel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Grünbeinchen.


Grüngelb (W3) [Adelung]


Grüngelb, adj. et adv. grünlich gelb, gelb, welches sich dem Grünen nähert.


Grünhänfling (W3) [Adelung]


Der Grünhänfling, des -es, plur. die -e, ein Vogel, S. Grünfink 2.


Grünholz (W3) [Adelung]


Das Grünholz, des -es, plur. inus. in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme des Krummholzbaumes; Pinus mugho L. S. Fichte

Anm. und Alpenkiefer.


Grüning (W3) [Adelung]


Der Grüning, des -es, plur. die -e, ein Vogel, siehe Grünfink.


Grünitz (W3) [Adelung]


Der Grünitz, des -es, plur. die -e. 1) Ein Vogel, S. Kreuzvogel. 2) In einigen Gegenden, ein Nahme der wilden Geniste, wegen ihrer hochgrünen Farbe, ohne Plural; siehe Geniste 2.


Grünkohl (W3) [Adelung]


Der Grünkohl, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben für grüner Kohl, den grünen Blätterkohl zu bezeichnen.


Grünkrähe (W3) [Adelung]


Die Grünkrähe, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme des hellblauen Hähers, S. Blaukrahe.


Grünland (W3) [Adelung]


Das Grünland, des -es, plur. die -länder, in einigen Niedersächsischen Gegenden, mit Gras bewachsenes Land, Wiesenland; im Gegensatze des Hochmohres, dessen Oberfläche nichts als Heide und geringes Strauchwerk träget.


Grünlich (W3) [Adelung]


Grünlich, -er, -ste, adj. et adv. in das Grüne fallend, der grünen Farbe ähnlich, ein wenig grün.


Grünling (W3) [Adelung]


Der Grünling, des -es, plur. die -e. 1) Ein Vogel, S. Grünfink 1. 2. 2) Eine Pflanze, ohne Plural; S. Geniste 2. 3) Eine Art großer grüner und saftiger Birnen.


Grünschling (W3) [Adelung]


Der Grünschling, des -es, plur. die -e, ein Vogel, S. Grünfink 2.


Grünschwanz (W3) [Adelung]


Der Grünschwanz, des -es, plur. die -schwänze, siehe eben daselbst.


Grünspan (W3) [Adelung]


Der Grünspan, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e. 1) Ein grüner Kupferrost, besonders der künstliche, welcher vermittelst der Weintrestern aus dem Kupfer gelocket wird; Kupfergrün. Der Nahme ist vermittelst der Versetzung der Sylben aus Spanisch Grün, zusammen gezogen Spangrün, entstanden, welches schon in einem alten Vocabulario aus dem 15ten Jahrh. vorkommt. S. Spangrün. 2) In einigen Gegenden, ein Nahme der wilden Geniste, S. Geniste 2.


Grünspecht (W3) [Adelung]


Der Grünspecht, des -es, plur. die -e, ein grasgrüner Specht, mit einer rothen Platte auf dem Kopfe, der auch Grasspecht, in einigen Gegenden aber Goller genannt wird; Picus viridis Klein. et L.


Grünsperling (W3) [Adelung]


Der Grünsperling, des -es, plur. die -e, bey den neuern Schriftstellern des Thierreiches, ein Sperling in Bahama von schwarzgrüner Farbe, mit einem schwarzen Schnabel, Kopfe, Halse und Brust; Passerculus bicolor Bahamensis Klein.


Grünvogel (W3) [Adelung]


Der Grünvogel, des -s, plur. die -vögel, S. Grünfink 2.


Grünwurzel (W3) [Adelung]


Die Grünwurzel, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme des Erdrauches, Fumaria L. S. Erdrauch.


Grunzen (W3) [Adelung]


Grunzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, zwar das Intensivum von greinen, aber zugleich eine Nachahmung des dadurch verursachten Schalles ist. Es wird im gemeinen Leben eigentlich von dem ähnlichen Laute der Schweine gebraucht, welcher im Griech. durch - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Latein. durch grunnire, im Franz. durch groigner und gronder, und im Engl. durch to grunt, ausgedruckt wird. Figürlich wird es im Oberdeutschen auch für murren, brummen gebraucht. Vor wunder gleich mein Herz thut grünzen Ob diesem großen arbeiten und zabeln, H. Sachs.

Anm. So fern greinen, grannen, in einigen Oberdeutschen Gegenden noch jetzt murren und heulen bedeutet, ist grunzen schon bey dem Ottfried so wohl murren, als auch weinen; runezen aber bedeutet bey dem Notker murren, ( S. Raunen,) im mittlern Lat. groussare. Grunni ist bey dem Ottfried Elend, und Grun die Klage, das Winseln. Im Wendischen bedeutet hromim ich grunze, so wie man ehedem auch im Deutschen grumen und grummeln in ähnlichem Verstande gebrauchte. Sich grunsen heißt im Meklenb. sich grämen. S. Greinen.


Grünzling (W3) [Adelung]


Der Grünzling, des -es, plur. die -e, ein Vogel, S. Grünfink 1.


Grünzschlicht (W3) [Adelung]


Grünzschlicht, adj. et adv. Ein grünzschlichtes Gestein, in dem Bergbaue einiger Gegenden, z. B. zum Altenberge, ein grobäugiges und taubes Gestein, welches daselbst bey den Zwittern bricht, und in andern Gegenden der Grundstein genannt wird; S. dieses Wort.


Gruppe (W3) [Adelung]


Die Gruppe, plur. die -n, aus dem Franz. Grouppe, und dieß aus dem Ital. Groppo, in den schönen Künsten, eine Zusammensetzung oder Zusammenstellung mehrerer Figuren, welche zusammen genommen ein Ganzes ausmachen. Daher gruppiren, Franz. groupper, mehrere Figuren in einen Haufen zusammen ordnen. Die Figuren sind vortrefflich gruppirt. Ehedem druckte man diesen Begriff im Deutschen durch Klump aus; weil es aber zu niedrig schien, so führete man statt dessen dieses ausländische Wort ein. Das Nieders. Gruppe, eine kleine Grube, Grüppe, ein schmaler Wassergraben, und gruppen, solche Gräben machen, gehöret nicht hierher, sondern zu graben.


Grus (W3) [Adelung]


Der Grus, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, für Graus, d. i. Schutt, grob zermalmete und mit Lehm und Kalk vermischte Steine u. s. f. Im Pohln. Gruz. Auch der Gries oder grobkörnige Sand, wird so wie das Griesig, oder was in den Bienenstöcken auf den Boden fällt, in einigen Gegenden Grus genannt.


Grüsch (W3) [Adelung]


Der Grüsch, des -es, plur. inus. im Oberdeutschen, die Kleye, S. Gries Anm.


Gruse (W3) [Adelung]


+ Die Gruse, plur. inus. in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, grünes Gras, Rasen, die grüne Saat; die Grüne. Die Hasen in der Gruse schießen, in der grünen Saat. Daher grusicht, adj. et adv. dem Grase an Geschmack ähnlich. Der braune Kohl schmeckt krusicht, wenn die grüne Brühe nicht abgegossen worden. Es stammet von Gras her. S. auch die Grüne.


Grüseck (W3) [Adelung]


Der Grüseck, des -es, plur. die -e, eine Art Fische mit drey Rückenfinnen, ohne Bartfäden, der einen grünlichen Rücken hat; Asellus virescens L.


Gruß (W3) [Adelung]


Der Gruß, des -es, plur. die Grüße, die Anwünschung alles Guten an eine Person, bey der Begegnung, bey der Ankunft, oder auch bey der Entfernung, und die Worte, womit solches geschiehet. Der Gruß des Engels Gabriel an die Jungfrau Maria, oder der englische Gruß, Luc. 1. Jemanden einen Gruß an einen andern mitgeben, ihm auftragen, den andern in seinem Nahmen zu grüßen. Einem seinen Gruß vermelden lassen, ihm seinen Gruß entbiethen, oder senden. Einen Gruß von jemanden ablegen, bringen. Einen Gruß bekommen. Bey den Handwerkern ist die Gebung und Bringung des Grußes, wozu jedes Handwerk seine eigenen Formeln hat, ein sehr wichtiges Stück, indem keiner von einem Orte weggehen und bey einer Innung fortkommen konnte, ohne den Gruß von dem Meister und den Gesellen des Handwerkes empfangen zu haben. S. Handwerksgruß. Seitdem das Französische Compliment in der feinen Welt das Lieblingswort in dieser Bedeutung geworden, ist das Deutsche Gruß sehr aus der Gewohnheit gekommen, so daß es theils nur noch unter geringern Personen, theils von Höhern gegen geringern Personen gebraucht wird. Figürlich werden auch die Zeichen, welche anstatt der Worte in manchen Fällen eingeführet worden, zuweilen der Gruß genannt. Dahin gehöret auch der Gruß der Schiffe, wenn sie einander auf der See begegnen, oder einer Festung nahe kommen, und der entweder in der Lösung einiger Stücke, oder in der Streichung der Flagge, Einreffung der Segel u. s. f. bestehet. Einem Schiffe, einer Festung, den Gruß verweigern. Den Gruß fordern.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern Gruos, Gruezz, welche es für Gunst, Gewohnheit, der Quelle des Grußes, überhaupt gebrauchen; im Nieders. mit der gewöhnlichen Vertauschung des Zischlautes Groot, Gruet, Grötniß, im Angels. Gretung, im Engl. Greeting. S. das folgende. Tatian übersetzt das Lat. Salutatio durch Wolaqueti, von wohl, und dem veralteten quedan, reden, sprechen, und an einem andern Orte durch Heilizunga.


Grüßen (W3) [Adelung]


Grüßen, verb. reg. act. Gutes wünschen, zur Bezeigung seiner Gewogenheit, Ergebenheit und guten Gesinnung, besonders bey der Begegnung. Jemanden grüßen. Grüße ihn von meinetwegen, in meinem Nahmen. Jemanden freundlich grüßen, ihn durch einen andern grüßen lassen. Gott grüße dich! Gott gebe dir Gutes; ein gewöhnlicher Gruß geringerer Personen gegen einander, ingleichen Höherer gegen Geringere. Auch von den durch den Gebrauch anstatt der Worte eingeführten Zeichen. Jemanden mit Abziehung des Hutes, mit einer Verbeugung grüßen. So grüßen die Schiffe einander auf der See, wenn sie Stücke lösen, sich dem andern Schiffe unter dem Winde legen, die Segel einreffen, die Flagge streichen u. s. f. Der frühe Hahn hat kaum noch den Morgen gegrüßt, Geßn. Auch dieses Wort ist so wie das vorige, aus der Sprache der Höflichkeit von der feinern Welt verdränget worden, indem es größten Theils nur noch im gemeinen Leben gehöret wird. Ehedem bedeutete es auch, mit einem Gruße, mit einem Wunsche anreden, und dann anreden überhaupt, in welcher Bedeutung Ottfried gruazen gebraucht. Daher hieß, jemanden kämpflich grüßen ehedem, ihn heraus fordern. Kero gebraucht kruozen für einladen, und im Niedersächsischen bedeutet es noch jetzt zutrinken. Nach einer noch weitern Figur war es ehedem für loben, erheben, preisen, besingen, sehr üblich. Ich gruisse mit gesange die suissen Die ich vermiden niht wil noh en mac, Kaiser Heinrich. Und in dieser Bedeutung ist es von einigen neuern Dichtern wieder eingeführet worden. Sey mir gegrüßt, Augusta, meine Krone, Raml. Gegrüßet seyst du edles Licht, O Sonne! Weiße. Sey mir, o heitrer Morgen gegrüßt, Zachar. Das Hauptwort die Grüßung ist nur in der Zusammensetzung Begrüßung üblich.

Anm. Im Nieders. gröten, im Angels. gretan, im Engl. to greet. Frisch leitet es von groß her, und erkläret es durch groß machen, erheben. Wahrscheinlicher könnte man es zu dem veralteten cruazen, rufen, schreyen, Franz. crier, Holländ. kryten, Engl. ehemahls auch to greet, Nieders. griten, rechnen, da es ehedem mehrmahls für rufen, anrufen, und anreden vorkommt. Allein es scheinet doch glaublicher, daß es nach Spegels und Ihres Muthmaßung zu dem ehemahligen Schwed. Grid, Grud, Friede, Angels. Grith, gehöret; indem die Anwünschung des Friedens die älteste Art des Grußes war, auch der gemeine Mann in Schweden sich noch jetzt mit den Worten Guds Frid, Gottes Friede, zu grüßen pfleget. Tatian übersetzt salu are durch heilazen, womit das Angels. haletan, und Schwed. helsa, grüßen, überein kommt. Ein anderes hierher nicht gehöriges Wort ist das veraltete gruozen, griessen, im Nieders. gruten, antreiben, reitzen, welches durch Vorsetzung des Gaumenbuchstabens aus diesem letztern Worte gebildet worden, und bey dem Ottfried, Notker und andern häufig vorkommt.


Grußzeit (W3) [Adelung]


Die Grußzeit, plur. die -en, bey den Jägern, diejenige Zeit, da das Wild geschonet wird, welches so wohl in der Setzzeit und Vogelgeburt, als auch zur Brunftzeit geschiehet; die Hägezeit, geschlossene Zeit. Die Bedeutung des Wortes in dieser Zusammensetzung ist dunkel. Ohne Zweifel gehöret hierher auch folgende Stelle aus dem Theuerdanke Kap. 33: Es ist ein Hirsch von hin nicht ferr Der hat warlich ein großen fuß Dieweil es yetz ist in der grüß Mocht ihr denselben fahen wol.


Grütze (W3) [Adelung]


Die Grütze, plur. inus. grob gemahlnes und von allen Hülsen gereinigtes Getreide. Hafergrütze, Gerstengrütze, Buchweitzengrütze. Ingleichen die daraus gekochte Speise. Figürlich, doch nur in den niedrigen Sprecharten, Gehirn, Verstand. Grütze im Kopfe haben, Verstand besitzen, so wie man von einem dummen Menschen sagt, er habe Spreu oder Häckerling im Kopfe. Ein Kopf der von Natur mehr Spreu, als Grütze führt, Gümh. Bey andern hingegen bedeutet Grütze im Kopfe haben, nehmlich statt des Gehirnes, dumm seyn. S. Grützkopf.

Anm. Im Nieders. Grütt und mit Versetzung der Buchstaben Gorte, im Dän. Grod, im Angels. Grut, im Engl. Grout, im mittlern Lat. Grutum, Grutellum, Gruellum, im Franz. Griotte, Gruau, im Pohln. Gruza, Gryzka; alles von dem Zeitworte grutan, zermalmen, und folglich mit Graus, Gries u. s. f. aus einer Quelle; S. diese Wörter, ingleichen Schroten und Reißen. In einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Grütz. Im Lettischen bedeutet Grudas ein Korn.


Grützhändler (W3) [Adelung]


Der Grützhändler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Grützhändlerinn, plur. die -en, eine Person, welche vornehmlich mit Grütze handelt; im gemeinen Leben ein Grützmann, eine Grützfrau, im mittlern Lat. Grutarius.


Grützjökel (W3) [Adelung]


Der Grützjökel, des -s, plur. inus. im Bergbaue, eine Benennung eines ganz grünen Vitrioles, welcher aus dem Gesteine tröpfelt, und sich wie Zapfen an demselben anhänget. Da Jökel überhaupt gewachsenen, natürlichen Vitriol bedeutet, so scheinet Grütz in dieser Zusammensetzung aus gras, grus, grün, verderbt zu seyn. S. die Gruse, ingleichen Jökel.


Grützkopf (W3) [Adelung]


* Der Grützkopf, des -es, plur. die -köpfe, in den niedrigen Sprecharten, ein dummer einfältiger Mensch, der statt des Gehirnes Grütze im Kopfe hat; Nieders. Grotekopp. S. Grütze.


Grützwurst (W3) [Adelung]


Die Grützwurst, plur. die -würste, eine mit Grütze gefüllte Wurst.


Gryphit (W3) [Adelung]


Der Gryphit, des -en, plur. die -en, aus dem Lat. Gryphites, eine versteinerte zweyschalige Muschel, davon die eine Schale sehr convex, wie ein halber Mond gestaltet, und mit einem krummen habichtartigen Schnabel versehen, die andere aber platt ist; der Greifstein, Greifmuschelstein. Das Original dieser Versteinerung ist unbekannt.


Guardein (W3) [Adelung]


Der Guardein, des -es, plur. die -e, S. Wardein.


Guardian (W3) [Adelung]


Der Guardian, des -es, plur. die -e, aus dem mittlern Lat. Guardianus, in den Franciscaner-Klöstern, der Vorgesetzte eines Klosters, der bey andern Orden Abt, Superior, Prior u. s. f. genannt wird.


Gubst (W3) [Adelung]


+ Die Gubst, plur. die -e, bey einigen das Weibchen, oder die Gaiß des Steinbockes, welche andere die Jesche nennen. Siehe Steinbock.


Gucken (W3) [Adelung]


Gucken, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, mit kleinen neugierigen Augen sehen, welches im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart für sehen überhaupt gebraucht wird; so fern solches die Augen auf etwas richten, es gewahr zu werden suchen, bedeutet. Am Fenster meines Hauses guckte ich durchs Gitter, Sprichw. 7, 6. Der andere Jünger guckete ins Grab, Joh. 20, 5. Nach etwas gucken. In das Buch gucken. Dort jene Ziege guckt auf dich, Gell. Crispin mag sich verkleiden, wie er will, der Schelm guckt doch alle Mahl unter der Maske hervor. So auch in den Zusammensetzungen angucken, begucken, aufgucken, sich umgucken u. s. f.

Anm. Im Oberd. auch guggen, gauken, gutzen, bey einigen Hochdeutschen kucken, im Nieders. kiken, im Dän. kige, im Schwed. kika, koxa, im Schottländ. keyke, kyke, im Irländ. kighim, im Isländ. giägast. Ihre leitet es von dem Isländ. gaa, das Gemüth auf etwas richten, ab, welches aber wiederum eine Figur von sehen ist, indem die Verwechselung des Zischlautes mit dem Gaumenlaute mehrmahls vorkommt. Siehe Sehen und Schauen.


Gucker (W3) [Adelung]


Der Gucker, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Person, welche gucket, d. i. neugierig nach etwas siehet, es zu sehen sucht; doch nur in der Zusammensetzung Sterngucker, S. dasselbe. 2) Ein Werkzeug, wodurch man guckt. So wird ein Augenglas, ein kleines Perspectiv, im gemeinen Leben ein Gucker, ein Taschenguckerchen, ein Operngucker genannt. Auch ein kleines Fenster in einem größern zum Hinaussehen, ein Guckfenster, ein Schößchen heißt im gemeinen Leben, ein Gucker, ein Guckerlein, im Oberd. ein Gutzerlein, von gutzen, gucken.


Guckkasten (W3) [Adelung]


Der Guckkasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten mit optischen Vorstellungen, in welchen man die Zuschauer für Geld sehen läßt; ein optischer Kasten.


Guckrübe (W3) [Adelung]


Die Guckrübe, plur. die -n, eine Art langer Rüben, welche in den Brachfeldern Englands und der Niederlande wächset; Rapa sativa oblonga L. S. Rübe.


Gugel (W3) [Adelung]


Die Gugel, plur. die -n, S. Kogel.


Guhr (W3) [Adelung]


Die Guhr, plur. die -en, von dem Verbo gähren. 1) Im gemeinen Leben einiger Gegenden, die Gährung, die Gahre; ohne Plural. Dem Biere eine gute Guhr geben, es gut ausgähren lassen. 2) Im Bergbaue heißen diejenigen Mineralien, welche das Wasser zuweilen aufgelöset bey sich führet, wenn sie dick und flüssig sind, Guhren, weil sie alsdann aus dem Gesteine gleichsam heraus gähren. Metallische Guhren, metallische von dem Wasser aufgelösete Erden. Des Ganges Kraft giehret in das Gestein aus, sagt der Bergmann, wenn eine solche metallische Guhr durch das Gestein dringet.


Gührig (W3) [Adelung]


Gührig, adj. et adv. welches bey den Eisenarbeitern von dem Stahle üblich ist, und so viel als spröde bedeutet.


Guinee (W3) [Adelung]


Die Guinee, (sprich Ghinee,) plur. die -n, der Englische Nahme einer Englischen Münze, welche 6 Thlr. 7 Gr. gilt, den Louis d'or zu 5 Thlr. gerechnet. Engl. Guinea. Vielleicht weil man sie anfänglich aus demjenigen Golde gepräget, welches aus Guinea gebracht worden.


Gulden (W3) [Adelung]


Der Gulden, des -s, plur. ut nom. sing. eine Silbermünze, welche nach dem Conventions-Fuße im Deutschen Reiche 16 gute Groschen, oder im Reiche 60 Kreuzer gilt. Indessen gibt es so wohl in Deutschland als außer demselben Gulden von sehr verschiedenem Werthe, davon folgende etwa die vornehmsten seyn mögen. Ein Gulden Giro, welches eine Rechnungsmünze in Augsburg ist, gilt daselbst 20 Gr. 4 Pf. Ein Gulden Courant, eine Rechnungsmünze in Basel, 14 Gr. 9 Pf. Ein Gulden Wechselgeld in Basel, 16 Gr. 8 Pf. Ein Gulden Courant von 4 Batzen, eine Rechnungsmünze in Bern, 3 Gr. 8 Pf. Ein Gulden Courant, eine Rechnungsmünze in Brabant, 11 Gr. 2 Pf. Ein Gulden Permis oder Wechselgeld, eben daselbst, 13 Gr. Ein Gulden Pohlnisch in Danzig, 6 Gr. Ein Gulden von 12 Genfer Sous in Genf, 2 Gr. Ein Gulden Courant in Holland, 13 Gr. Ein Gulden Preußisch Courant in Königsberg, 7 Gr. 6 Pf. Ein Gulden Courant, eine Rechnungsmünze in Lüttich, 8 Gr. Ein Gulden Cou- rant in Ostfriesland, 8 Gr. 4 Pf. Ein Gulden Pohlnisch von 1753, eine Rechnungsmünze, 3 Gr. 4 Pf. seit 1766 aber 4 Gr. Ein Gulden Preußisch zu 2 Fl. Pohlnisch, von 1753, eine Rechnungsmünze in Klein-Pohlen, 6 Gr. 8 Pf. seit 1766 aber 8 Gr. Ein Gulden in Münze nach dem 24 Fl. Fuß, eine Rechnungsmünze im Reiche, 13 Gr. 4 Pf. Ein Gulden Courant in Riga, 8 Gr. Ein Gulden Courant, eine Rechnungsmünze in Sanct-Gallen, 14 Gr. 5 Pf. Ein Gulden Courant zu Trieste, 15 Gr. zu Zürch, 15 Gr. 6 Pf. Ein Gulden Wechselgeld, eben daselbst, 17 Gr. Münze aber 14 Gr. 4 Pf. Alles den Louis d'or zu 5 Thlr. gerechnet. Anm. Die Gulden waren anfänglich eine Goldmünze, welche zuerst zu Florenz geschlagen wurden, und eine Lilie zum Gepräge hatten, daher sie im mittlern Lateine Floreni, Floren, hießen, und ungefähr so viel wie ein Ducaten galten. Daher hat man noch jetzt in Niedersachsen alte Lübische Gulden, welche 2 Thlr, 21 Gr. gelten. Die Rheinischen Gulden oder Gülden, welche die Churfürsten am Rheine münzeten, waren eben eine solche Goldmünze. Nachmahls prägte man kleinere Münzen aus Golde, welche kleine Gulden hießen, und den dritten und vierten Theil eines großen galten. Endlich fing man an, diese kleinen Gulden aus Silber zu prägen, wobey sie denn immer ihren alten Nahmen behielten, den sie auch noch jetzt führen. Die goldenen großen Gulden wurden alsdann Goldgulden oder Goldgülden genannt, zum Unterschiede von den silbernen Gulden.


Gülden (W3) [Adelung]


Der Gülden, des -s, plur. ut nom. sing. welches nur eine veränderte Aussprache des vorigen Wortes, und in einigen Gegenden für Gulden noch jetzt üblich ist. Allein in Meißen, Thüringen und Franken bezeichnet es eine von dem Gulden noch verschiedene Rechnungsmünze, indem ein Gülden Meißnisch, welcher auch ein guter Meißnischer Gulden genannt wird, 21 Gr. ein Gülden in Franken aber 20 Gr. gilt. In Aachen hat man gleichfalls eine Münze, welche ein Gülde heißt, aber nur 2 Gr. 2 2/3 Pf. gilt.


Gülden (W3) [Adelung]


Gülden, adj. et adv. eine veraltete Form des Wortes golden, S. dasselbe. In den Zusammensetzungen Rothgülden und Weißgülden, bedeutet es vermuthlich so viel als gültig oder reichhaltig; S. diese Wörter.


Güldengroschen (W3) [Adelung]


Der Güldengroschen, des -s, plur. ut nom. sing. eine noch in einigen Gegenden übliche Benennung eines Guldens oder 16 Groschen Stückes. Die Sächsischen Bergleute nennen einen Thaler noch jetzt einen Güldengroschen, welches daher rühren soll, weil 1501 ein Thaler nicht höher als zu einem Gulden ausgemünzet worden.


Güldenhaar (W3) [Adelung]


Das Güldenhaar, eine Pflanze, S. Haar und Goldhaar.


Güldenklee (W3) [Adelung]


Der Güldenklee, S. Leberkraut.


Güldisch (W3) [Adelung]


Güldisch, adj. et adv. welches nur im Bergbaue für goldhaltig üblich ist. Güldischer Kies.


Gültbar (W3) [Adelung]


Gültbar, adj. et adv. welches in einigen Gegenden für zinsbar üblich ist, verpflichtet Gülte, d. i. Zins, zu entrichten. Ein gültbares Gut.


Gültbauer (W3) [Adelung]


Der Gültbauer, des -s, plur. die -n, auch nur in einigen Gegenden, besonders in Franken und Schwaben, ein Zinsbauer, der von seinem Gute zu einem Zinse verpflichtet ist; in Nieders. ein Meier.


Gülte (W3) [Adelung]


Die Gülte, plur. die -n, ein nur noch im gemeinen Leben einiger Gegenden übliches Wort, ein jährliches und gewisses Einkommen, besonders von Grundstücken zu bezeichnen. Die Geldgülte, wenn dasselbe in barem Gelde bestehet, zum Unterschiede von der Fruchtgülte. In engerer Bedeutung, ein Zins, welchen ein Besitzer dem Grundherren für den Nießbrauch des ihm übertragenen Grundstückes zu entrichten verbunden ist. S. Zins.

Anm. Im Nieders. Gulde, im mittlern Lat. Gulta und Gildum. S. Gelten und Gilde. Ehedem bedeutete es auch so wohl die Bezahlung, als auch die Schuld, S. Schuld.


Gültebrief (W3) [Adelung]


Der Gültebrief, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Verzeichniß der Gülten, oder Zinsen, welche man zu empfangen hat; das Gültebuch, der Zinsbrief, das Zinsbuch.


Gülten (W3) [Adelung]


Gülten, verb. reg. act. eben daselbst, die gehörige Gülte entrichten, zinsen, verzinsen.


Gültherr (W3) [Adelung]


Der Gültherr, des -en, plur. die -en, derjenige, welchem die Gülte entrichtet wird.


Gültig (W3) [Adelung]


Gültig, -er, -ste, adj. et adv. einen gewissen bekannten Werth habend, so daß es wegen desselben für das angenommen wird, wofür es ausgegeben wird. Gültiges Geld. Eine gültige Münze. Ich werde für diesen Gedanken mit der gültigsten Münze bezahlet. Ingleichen figürlich, von dem sittlichen Werthe. Eine gültige Entschuldigung vorbringen. Schon im Salischen Gesetze chalteo. S. Gelten.


Gültigkeit (W3) [Adelung]


Die Gültigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie gültig ist. Die Gültigkeit eines Wechselbriefes untersuchen. Die Gültigkeit eines Beweises. Die Taufe der Irrgläubigen hat ihre Gültigkeit.


Gummi (W3) [Adelung]


Das "Gummi", plur. car. indem man von mehrern Arten, im Plural lieber die Gummi-Arten sagt, ein schleimiger Saft, welcher von selbst aus verschiedenen Bäumen und Gewächsen schwitzet, und durch das Abdampfen des größten Theiles seines Wassers eine Festigkeit erhält, da er sich denn nur in Wasser auflösen lässet; Kleber, zum Unterschiede von dem Harze. Gummi von Kirschbäumen, von Pflaumenbäumen u. s. f. Arabisches Gummi, das süßliche Gummi des Ägyptischen Schotendornes, Mimosa Senegal L. Gummi Traganth, S. "Traganth". In weiterer Bedeutung werden auch wohl alle feste Säfte, wenn sie gleich Harze sind, "Gummi" genannt, wie das "Gummi Kopal", ( S. "Kopal") "Gummi Elemi", "Gummi Animä", "Gummi Lacca" u. s. f. Der Nahme ist aus dem Griech. "???", und wird von einigen im Deutschen irrig im männlichen Geschlechte gebraucht, der Gummi.


Gummiharz (W3) [Adelung]


Das Gummiharz, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein Gummi, welches zum Theil harzig ist, und sich daher weder im Wasser, noch im Weingeiste, noch im Öhle allein auflösen lässet; Schleimharz, Gummi Resina. Dahin das Gummi Ammoniacum, der Teufelsdreck, die Myrrhe, das Boellium, Opoponax, u. s. f. gehören.


Gummiren (W3) [Adelung]


Gummiren, verb. reg. act. mit aufgelösetem Gummi bestreichen, oder tränken.


Gummiwasser (W3) [Adelung]


Das Gummiwasser, des -e, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. Wasser, worin ein Gummi, besonders Arabisches Gummi, aufgelöset worden.


Gumpe (W3) [Adelung]


Der Gumpe, des -n, plur. die -n, S. Kumpf und Humpe.


Gümpel (W3) [Adelung]


Der Gümpel, ein Vogel, S. Gimpel.


Gunkel (W3) [Adelung]


Die Gunkel, S. Kunkel.


Günsel (W3) [Adelung]


Der Günsel, des -s, plur. inus. eine Pflanze; Aiuga L. Der Nahme scheinet aus dem Lat. Consolida verderbet zu seyn, welchen diese Pflanze bey den ältern Kräuterkennern führet.


Gunst (W3) [Adelung]


Die Gunst, plur. inus. von dem Zeitworte gönnen, welches im Nieders. noch jetzt gunnen lautet. 1) + Derjenige Zustand des Gemüthes, da man einem andern etwas gönnet; in welcher weitesten Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet, und nur noch in den Zusammensetzungen Abgunst und Mißgunst üblich ist. 2) In engerer Bedeutung, derjenige Zustand des Gemüthes, da man das Gute, welches einem andern widerfähret, nicht nur mit Zufriedenheit, mit Vergnügen siehet, sondern auch geneigt ist, ihm solches selbst zu verschaffen; wo es so wie Liebe, von diesem Zustande des Gemüthes so wohl Vornehmerer gegen Geringere, als auch gleicher Personen gegen einander, als endlich Geringerer gegen Höhere gebraucht wird. In engerer Bedeutung ist es von der Neigung eines Höhern gegen einen Geringern üblich, da es denn so wohl der Würde als dem Nachdrucke nach etwas weniger sagt, als Gnade. Gunst ist besser denn Silber und Gold, Sprichw. 22, 1, d. i. die Gunst anderer gegen uns; im gemeinen Leben: Gunst ist besser als Kunst. Rhazis hatte solche Gunst unter seinen Bürgern, daß ihn jedermann Vater hieß, 2 Macc. 14, 37. Sich um jemandes Gunst bewerben. Eines Gunst genießen, erwerben, verlieren. Sich in jemandes Gunst einschleichen. Sich bey jemanden in Gunst setzen. Bey einem in Gunst stehen. Nach Gunst urtheilen, mit Verletzung des Rechtes oder des Verdienstes. Es gehet alles nach Gunst, nicht nach Verdienst. Einem etwas zu Gunsten thun, d. i. zu Gefallen, aus Neigung zu ihm, und, etwas zu eines Gunsten thun, zu seinem Vortheile, sind im Hochdeutschen, wenigstens in der edlen Schreibart veraltet. Ehedem war es auch ein Titel, welcher etwas weniger war, als Gnade, und auch im Abstracto und im Plural üblich war, Ew. Gunsten, wovon noch großgünstig ein Überbleibsel ist. Eben so ungewöhnlich ist im Hochdeutschen der Gebrauch für Neigung überhaupt: Ich trage freylich Gunst Von meiner Kindheit an zu dieser edlen Kunst, Opitz. 3) Erlaubniß, Verstattung, Einwilligung; wo es nur unter dem großen Haufen üblich ist, welcher, wenn er höflich seyn will, alles mit einem mit Gunst, mit Gunst zu melden, mit Gunst zu sagen u. s. f. begleitet, d. i. mit Erlaubniß. Für Einwilligung überhaupt kommt es im Theuerdanke vor, Kap. 100: Ich muß mein gunst darzu geben. Hierher gehöret auch der in einigen, selbst Obersächsischen Kanzelleyen übliche Gebrauch, wo Gunst eine schriftliche Einwilligung, z. B. eines Lehensherren zur Verpfändung eines Lehens u. s. f. bedeutet, wo es auch im Plural die Günste hat, wofür in andern Consens üblich ist. Amtsgünste, Consensbriefe, welche von dem Amte ertheilet werden. Siehe Gunstbrief und Vergönnen.

Anm. So wie von Gnade im gemeinen Leben der Plural Gnaden anstatt des Singulars sehr häufig ist, so gebraucht man auch von Gunst im Oberd. die Günste, und im Hochdeutschen die Gunste, nicht selten auf ähnliche Art. Das Volk - nahm dich in seine Günste, Flemm. Bey einem in Gunsten stehen, nach Gunsten urtheilen, etwas zu eines Gunsten thun u. s. f. Allein in der edlen und anständigen Schreibart pflegt man sich dieses Plurals gern zu enthalten. Dieses Wort lautet ohne Gaumenbuchstaben bey dem Ulphilas Anst, bey dem Kero, der es für Gnade gebraucht, Anst, und im Plural Ensti, bey dem Ottfried Enst. In dem Isidor kommt Chinisti schon für Erlaubniß vor, aber bey dem Stryker bedeutet Gunst Haß; ein Muthmaßungsgrund, daß Anst, Gunst ehedem eine jede Gemüthsbewegung bedeutet haben müsse. S. Gönnen. Das Nieders. und Dän. Gunst sind dem Deutschen auch in der Bedeutung ähnlich. Im Schwed. ist außer Gunst auch noch Anst und Ynnest üblich. Es stammet von gönnen ab, hat aber so wie Gewinst, Brunst, Kunst, u. a. das eine n schon seit langer Zeit verloren. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Gunst.


Gunstbrief (W3) [Adelung]


Der Gunstbrief, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden und Fällen, eine schriftliche Erlaubniß eines Obern, ein Consens-Brief. In der Oberlausitz ist es in manchen Gerichten von einem jeden schriftlichen Erlaß, von einer jeden schriftlichen Erlaubniß üblich.


Günster (W3) [Adelung]


Der Günster, des -s, plur. inus. eine Pflanze, S. Geniste.


Günstig (W3) [Adelung]


Günstig, -er, -ste, adj. et adv. von dem vorigen Hauptworte Gunst. 1) Gunst gegen jemanden habend, und in derselben gegründet; wo es so wie das Hauptwort von der guten Gesinnung unter Personen allerley Standes, in engerer Bedeutung aber Höherer gegen Geringere gebraucht wird, und alsdann etwas geringer ist als gnädig. Einem günstig seyn. Sich jemanden günstig machen. Ein günstiges Urtheil von etwas fällen. Ein günstiges Vorurtheil für jemanden haben. S. Großgünstig. 2) Figürlich, den Absichten und Wünschen gemäß. Es zeiget sich jetzt eine günstige Gelegenheit. Ein günstiger Umstand. Die Witterung war den Feldfrüchten nicht günstig. Ich mache mir eine Ehre daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig zu vergnügen, Gell. Die Abendstunde sollte ihre matten Reitze in einem günstigern Lichte zeigen, Sonnenf. Boden und Clima sind hier günstig.


Günstling (W3) [Adelung]


Der Günstling, des -es, plur. die -e, eine Person, welche eines andern Gunst in einem hohen Grade besitzet, von Personen beyderley Geschlechtes; ein Liebling, mit einem Französ. Worte ein Favorit. Des Königes Günstlinge. Ein Günstling des Glückes.


Gurgelhahn (W3) [Adelung]


Der Gurgelhahn, des -es, plur. die -hähne, in einigen Gegenden; der Auerhahn, wegen seines ähnlichen Geschreyes in der Balzzeit. S. Auerhahn.


Gurgeln (W3) [Adelung]


Gurgeln, verb. reg. act. 1) Sich mit Wasser gurgeln, oder den Hals mit Wasser gurgeln, den Hals mit Wasser durch Ausstoßung des Athems ausspülen; Lat. gargarizare, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Ital. gargogliare, Engl. to gurgle, welche insgesammt den röchelnden Schall nachahmen, welcher dadurch verursacht wird. 2) Töne aus der Gurgel hervor bringen.


Gurgelwasser (W3) [Adelung]


Das Gurgelwasser, des -s, plur. von mehrern Arten ut nom. sing. ein durch die Kunst bereitetes Wasser, den Hals damit in Halskrankheiten zu gurgeln.


Gurke (W3) [Adelung]


Die Gurke, plur. die -n, die eßbare Frucht einer Pflanze, welche bey uns in den Gärten gezeuget wird, deren Vaterland aber unbekannt ist, Cucumis sativus, und diese Pflanze selbst. Gurken säen, pflanzen. Gurken einmachen. Sich bey jemanden eine Gurke zu viel heraus nehmen, figürlich, sich einer unerlaubten Freyheit bedienen.

Anm. Im Schwed. Gurka, im Engl. Gherkin, im Franz. Courge. Ohne Zweifel von dem Lat. Anguria, welches der Nahme der Wassermelonen gewesen zu seyn scheinet, daher die heutigen Griechen die Wassermelonen noch jetzt Augourie nennen. Die meisten Deutschen haben die erste Sylbe wie in Spital, Pflas=ter u. a. m. verbissen, dagegen andere Sprachen und Mundarten solche behalten haben, wohin das Nieders. Augurken, Baier. Umurken, das Dän. Agurke, das Böhm. Wokurka, und das Pohln. Ogorek gehören. S. auch Kürbiß. In einigen Oberdeutschen Gegenden werden die Gurken Cucumern, in der Oberpfalz Kümmerlinge genannt; welches aus dem Lat. Cucumis, eris, Ital. Cocomero, gebildet ist. Da wir diese Pflanze allem Ansehen nach aus Italien erhalten haben, so haben wir mit derselben auch den ausländischen Nahmen bekommen. Einige neuere Schriftsteller des Pflanzenreiches nennen eine gewisse Nordamerikanische Pflanze, welche eine ähnliche Frucht trägt, Melothria L. schwarze Gurken.


Gurkenkern (W3) [Adelung]


Der Gurkenkern, des -es, plur. die -e, der Same der Gurken, weil er in Gestalt eines länglichen Kernes in der Frucht verborgen ist.


Gurkenmahler (W3) [Adelung]


Der Gurkenmahler, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Benennung eines schlechten Mahlers; vermuthlich als eine Anspielung auf einen Mahler dieser Art, der nur Gurken zu mahlen gewußt.


Gurkensalat (W3) [Adelung]


Der Gurkensalat, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, in den Küchen, ein aus Gurken, welche in zarte Scheiben geschnitten worden, bereiteter Salat.


Gurkumsy (W3) [Adelung]


Der Gurkumsy, plur. car. S. Curcuma.


Gurre (W3) [Adelung]


Die Gurre, plur. die -n, im gemeinen Leben, eine Benennung einer Stute von geringer und schlechter Art, und eines jeden schlechten Pferdes überhaupt, welches man auch wohl eine Mähre zu nennen pflegt. Treit danne der sak den eselzuo der muiln Wirt danne ein eltiu gurre zeinem vuln So siht mans in der werlte twerhes stende. Reinmar der Alte. In einigen Mundarten lautet dieses Wort Gorre, im Meklenburg. Zöre, in Irland Garron, alle in der Bedeutung eines schlechten Pferdes. Vielleicht von dem Gurren, Gnurren oder Knurren des Bauches solcher alten untauglichen Pferde. Im alt Franz. war Gorre aus einer ähnlichen Ursache eine Benennung eines alten, und Gorret eines jungen Schweines.


Gurrpeitsche (W3) [Adelung]


Die Gurrpeitsche, plur. die -n, ein Fisch, S. Steinpeitsche.


Gurt (W3) [Adelung]


Der Gurt, des -es, plur. die -e. 1) Ein jedes Ding, welches ein anderes umgibt, um dasselbe herum gehet; in welcher weitesten Bedeutung, in der es mit Gart und Garten verwandt zu seyn scheinet, es nur noch in einigen Fällen üblich ist. In der Baukunst ist der Gurt, Torus, ein Zierath der Säulen, der ganz um dieselben herum gehet. Der Gurt an einer Kanone, ein ähnlicher Zierath zwischen den Mittelfriesen und dem Mittelbande. Ein Band mit Zierathen an einem Gebäude, welches sich von außen nach der Länge der Mauer erstreckt, wird in der Baukunst gleichfalls ein Gurtwerk genannt. 2) In engerer Bedeutung, eine Binde um den Leib, so wohl bey langen Kleidern, selbige dadurch zu befestigen, als auch zu andern Bedürfnissen. Der Gurt (des Leibrockes Aarons) soll derselben Kunst und Werk seyn, 2 Mos. 28, 8. Gerechtigkeit wird die (der) Gurt seiner Lenden seyn, und der Glaube die (der) Gurt seiner Nieren, Es. 11, 5. Die Fuhrleute und Reiter tragen noch zuweilen breite Gurte um den Leib, um die Erschütterung der innern Theile des Unterleibes zu verhüthen; ein Reitgurt. Auch das Wehrgehenk, das Koppel, woran das Seitengewehr getragen wird, führet zuweilen den Nahmen eines Gurtes; noch mehr aber das breitere hänfene Band, womit den Pferden der Sattel, das Reitküssen, oder auch nur eine Decke um den Leib geschnallet wird.

Anm. Im Nieders. Gorre, im Engl. Girth, im Dän. Giord, bey dem Ulphilas Gairda. Es scheinet zu girare, Franz. girer, umgeben, Giro, Gyro, der Umfang, ein Kreis u. s. f. zu gehören, so wie das Lat. Cingulum von cingere herstammet. S. Kreis und das folgende. Frisch leitet es von Chorda her. Im Oberdeutschen ist es weiblichen Geschlechtes.


Gurtbett (W3) [Adelung]


Das Gurtbett, des -es, plur. die -en, ein leichtes Bettgestell, wo der Boden statt der Breter aus breiten Gurten bestehet.


Gürtel (W3) [Adelung]


Der Gürtel, des -s, plur. ut nom. sing. welches in verschiedenen Fällen statt des vorigen üblich ist, besonders ein etwas breites Band zu bezeichnen, welches vermittelst einer Schnalle befestiget wird. Ein Kniegürtel, ein solches Band um die Knie. Ehedem hatte man auch Armgürtel. Am häufigsten gebraucht man es, diejenige Binde zu bezeichnen, welche man zu Befestigung der Kleider um den Leib träget, in welchem Falle Gürtel üblicher ist als Gurt. Der gestickte Gürtel Aarons, 2 Mos. 28, 39, der vorher ein Gurt war genannt worden. Aaron und seine Söhne sollt du mit Gürteln gürten, Kap. 29, 9. Ihr sollt nicht Gold noch Silber noch Erz in euren Gürteln haben, Matth. 10, 9; nach einem noch jetzt bey den Morgenländern üblichen Gebrauche. Auch der Ort des Leibes, wo man sich zu gürten pfleget, führet diesen Nahmen, ungeachtet der Gebrauch der Gürtel zur Befestigung der Kleider bey den Deutschen sehr abgekommen ist. Das Wasser ging ihm bis an den Gürtel.

Anm. Schon bey dem Kero Curtilo, im Isidor Gurdil, bey dem Notker Gurtel, im mittlern Lat. Girdella. im Angels. Gerdel, im Engl. Girdle, im Dän. Gyrtel, im Schwed. Gördel. Das -el scheinet hier ein Werkzeug zu bezeichnen, ein Band, womit man sich gürtet. S. Gürten. Das Lat. Cingulum hat diese Endsylbe gleichfalls.


Gürtelkraut (W3) [Adelung]


Das Gürtelkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Bärlappes, ( S. dieses Wort,) der auch Johannis-Gürtel genannt wird.


Gürten (W3) [Adelung]


Gürten, verb. reg. act. den Gurt anlegen, vermittelst des Gurtes die Kleider befestigen. Um eure Lenden sollt ihr gegürtet seyn, 2 Mos. 12, 11. Sich gürten, die Kleider vermittelst des Gurtes befestigen. Gürte dein Schwert an deine Seite, Pf. 45, 4. Den Degen an die Seite gürten. Ein Pferd gürten, ihm den Gurt umlegen und denselben fest zuschnallen. Figürlich und in der höhern Schreibart auch von andern Theilen des Leibes. Und um den Arm ein goldnes Band, Das Knie der Braut zu gürten, Raml. Daher ein Knieband, oder Kniegürtel, im mittlern Lat. auch Garterium, Engl. Garter, Franz. Jarretiere, genannt wird.

Anm. Bey dem Kero curtan, bey dem Ottfried gurten, in Chriemh. Rache garten, bey dem Ulphilas gaurdan, im Angels. gyrdan, im Engl. to gird, im Dän. giorde, im Schwed. giörda, im Nieders. mit Ausstoßung des t gorre. S. Gurt und Garten.


Gürtler (W3) [Adelung]


Der Gürtler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Gürtlerinn, plur. die -en, ein Handwerker, dessen Beschäftigung bey dem ehemahligen häufigern Gebrauche der Gürtel darin bestand, die Gürtel und Wehrgehenke mit Messing, Kupfer, Gold und Silber zu beschlagen; aus welchen nachmahls die Gelbgießer, Nadler, Clausurenmacher u. s. f. entstanden sind.


Gurtwerk (W3) [Adelung]


Das Gurtwerk, des -es, plur. die -e, S. Gurt.


Gurtsims (W3) [Adelung]


Das Gurtsims, des -es, plur. die -e, in der Baukunst, ein Sims oder Gesims!, welches das ganze Gebäude wie ein Gurt umgibt, und die Stockwerke scheidet.


Gusche (W3) [Adelung]


Die Gusche, das Maul, S. Gosche.


Guß (W3) [Adelung]


Der Guß, des -sses, plur. die -Güsse, von dem Verbo gießen. 1) Die Handlung des Gießens. Den Guß verrichten, das geschmolzene Metall in die Form gießen. Der Guß ist gerathen, ist fehl geschlagen. Es that einen rechten Guß, oder das war en heftiger Guß, sagt man im gemeinen Leben von einem starken Regen. 2) Was gegossen wird, der flüssige Körper, so fern er gegossen wird. Im Brauwesen ist der Guß die Quantität Wassers, welche zum Brauen erfordert wird. Zu einem Gebräude gehöret so viel Schutt (Malz) und Guß (Wasser) und so viel Pfund Hopfen. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist die Güß, und in Franken das Güß, eine Überschwemmung. Ein Regenguß, ein heftiger Regen, ein Thränenguß, Vergießung vieler Thränen 3) Der Ort, durch welchen man das Wasser ausgießet, besonders in den Küchen, wo der Ausguß auch nur schlechthin der Guß genannt wird; S. Gußstein. Im Nieders. ist Gotte, und im mittlern Lateine Gota, ein Canal, von gießen, sofern es ehedem auch fließen bedeutete.


Gußeisen (W3) [Adelung]


Das Gußeisen, des -s, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. gegossenes Eisen, zum Unterschiede von dem geschmiedeten.


Gußregen (W3) [Adelung]


Der Gußregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Platzregen.


Gußstein (W3) [Adelung]


Der Gußstein, des -es, plur. die -e, ein ausgehöhlter und durchlöcherter Stein in der Wand einer Küche, das unnütze Wasser dadurch auszugießen; ein Ausguß, ein Guß, im Oberd. eine Gosse, S. dieses Wort, Nieders. Gatensteen.


Gußwachs (W3) [Adelung]


Das Gußwachs, des -es, plur. inus. das aus den Scheiben der Bienen geschmelzte und gereinigte Wachs.


Gußwerk (W3) [Adelung]


Das Gußwerk, des -es, plur. inus. oder die Gußwerke, sing. inus. alle aus Eisen gegossene Waaren, dergleichen Ofenplatten, Graven u. s. f. sind.


Güst (W3) [Adelung]


+ Güst, adj. et adv. welches im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, für unbefruchtet üblich ist, und besonders von Thieren gebraucht wird; im Hoch- und Oberdeutschen gelt, S. dasselbe. Güstes Vieh, welches entweder noch gar nicht, oder doch seit einigen Jahren nicht getragen hat. Eine Kuh gehet güst, wenn sie in diesem Jahre nicht tragbar ist, noch Milch gibt. So auch güste Schafe, Ziegen, u. s. f. Zuweilen auch von Gewächsen. Güster Kohl, unfruchtbarer Kohl. Ingleichen von dem Acker. Ein güstes Land, ein hohes, unfruchtbares Land. Die Güste, an einigen Orten, die Brache; daher güst pflügen, brachen.

Anm. Im Nieders. wo dieses Wort eigentlich zu Hause ist, güst, göst, im Ostfries. gast. Im Dithmars. ist jüsen mager, ungemästet. Es gehöret mit dem gleichfalls Nieders. geest ( S. dieses Wort,) ohne Zweifel zu dem Worte wüst, S. dasselbe. Im Schwed. ist gista, und im Wallis. gwystn, trocken, welches Ihre sehr unwahrscheinlich vom Engl. to gust, blasen, wehen, ( S. Geist 1.) ableitet.


Güster (W3) [Adelung]


Der Güster, des -s, plur. ut nom. sing. in Obersachsen, der Mark Brandenburg und Preußen, eine Art Weißfische, welche einen kurzen aber breiten Leib und kleinen Kopf hat, und eigentlich eben derjenige Fisch ist, welcher auch Plötze genannt wird; ungeachtet man im gemeinen Leben beyde zu unterscheiden pfleget. Cyprinus Brama Klein. Cyprinus Plestya Lesg. S. Plötze. In Preußen wird auch der Döbel oder Giebel, Cyprinus Dobula L. Geister genannt.


Güstling (W3) [Adelung]


+ Der Güstling, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, ein güstes, d. i. unbefruchtetes Thier. S. auch Kohl.


Gut (W3) [Adelung]


Gut, adj. et adv. Compar. besser, Superl. beßte oder beste, Es ist in einer doppelten Gestalt üblich. I. Als ein Bey- und Nebenwort, wo es in manchen Fällen auch als ein Hauptwort gebraucht wird. 1. Eigentlich. Angenehm, in Absicht auf die Empfindung durch die Sinne, im Gegensatze dessen, was schlecht ist; wo es doch einen geringern Grad dieser Empfindung bezeichnet, als man durch angenehm ausdrucken pfleget. Compar besser, Superl. beste. Die Rose riecht gut, die Nelke noch besser. Ein guter Geruch. Allerley Bäume, lustig anzusehen, und gut zu essen, 1. Mos. 2, 9. Und das Weib schauete an, daß von dem Baum gut zu essen wäre, Kap. 3, 6, Der Wein schmeckt gut. Gute Bissen essen, gern etwas Gutes essen. Eine Person siehet gut aus, wenn ihre Bildung andern gefället und wovon ein hoher Grad durch schön ausgedruckt wird. Sie siehet sehr gut aus, überaus gut aus. Seine gute Miene empfiehlt ihn. Diese Kleidung stehet dir gut, aber jene noch besser. Eine gute Gestalt, ein gutes Ansehen, eine gute Gesichtsbildung haben. Hier ist gut wohnen. Hier ist gut seyn. Gute Tage bey jemanden haben. Sich einen guten Tag machen, einen angenehmen, vergnügten. Daher der Montag im gemeinen Leben, besonders bey den Handwerkern, auch der gute Montag genannt wird. Was sagt man gutes Neues? Laß sehen, was schreibt dein Bruder Gutes? im gemeinen Leben. Hier in dem kleinen Busch sitz' ich in guter Ruh, Gell. Sich etwas zu gute thun, seine Sinne vergnügen; wo gute nicht so wohl das Hauptwort, als vielmehr das mit dem e euphonico verlängerte Nebenwort gut zu seyn scheinet. Sich auf eine Sache etwas zu gute thun, sich darüber freuen, auch mit dem Nebenbegriffe des Stolzes. S. auch Güte. In einigen Fällen auch subjective, angenehme Empfindungen habend, vergnügt; dahin besonders die Redensarten gehören, gutes Muthes, guter Dinge seyn, aufgeräumt, vergnügt. In weiterer Bedeutung zuweilen, was im Gebrauche mit keinen Beschwerlichkeiten, mit keinen unangenehmen Empfindungen verbunden ist; dessen Gegensatz man durch schlecht und im gemeinen Leben auch durch böse auszudrucken pfleget. Ein guter Weg, im Gegensatze eines bösen oder schlechten. Es ist hier nicht gut gehen, oder, es gehet sich hier nicht gut, sagt man von einem holperigen, glatten, morastigen Wege. Wohin auch der adverbische Gebrauch gehöret, wo gut im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart für leicht stehet. Du hast gut machen, d. i. dir kann dieses nicht schwer ankommen. Es ist gut Krieg führen, wenn man Geld hat. Er hat gut lachen, aber ich muß weinen. Sie haben gut reden. Solche Gesetze sind gut zu halten. Dagegen es in manchen Gegenden so viel als vergebens, ohne Wirkung bedeutet. Wer so ein Schooßkind ist, den hat der Neid gut hassen, Günther, den hasset der Neid vergebens. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Überhaupt. (1) Dem Gegenstande, dem Objecte, den Umständen gemäß; im Gegensatze des schlecht. Ein gutes Colorit, bey den Mahlern, welches dem Gegenstande, den Umständen gemäß ist. Das Bild ist gut getroffen, druckt das Original gehörig aus. Einen guten Grund legen. Ein guter Rath. Für ihn ist es gut genug. Etwas für gut halten, ansehen, es gut finden oder befinden. Es däuchtet mir gut. Eine gute Antwort geben. Der Einfall war gut. Noch mehr, (2) Der Absicht, dem Verlangen, dem Bedürfniß, der wirkenden Person oder des Subjectes gemäß. Was ist das, was die Welt nennt mit dem Nahmen gut? Fast immer ist es das, was jeder will und thut, Logau. Mit gutem Winde segeln. Ein gutes Land, nähmlich zum Ackerbaue. Ein gutes, fruchtbares, Jahr. Eine gute Gelegenheit bekommen, so wie man sie nöthig hat. Eine gute Versorgung, so wie man sie wünscht und bedarf. Einem alles Gutes wünschen, oder gönnen. Gute Zeiten, so wie man sie wünscht. Ein guter Schuldner, im Gegensatze eines bösen; gute Schulden. Gute Weide. Eine gute Ernte. Die Kirschen sind noch nicht gut, noch nicht reif. Das Fleisch ist gut gesotten. Der Hirsch ist gut von Leibe, gut von Gehörn, gut von Haut und Haaren, gut an Feiste u. s. f. wenn er so beschaffen ist, wie ihn der Jäger verlangt. Wir befinden uns ganz gut. Die Krankheit läßt sieh gut an, zur Besserung. Der Wein ist gut. Das geht gut. Seine Sachen stehen noch gut. Etwas das verdorben ist, wieder gut machen. Es wird schon wieder gut werden. Es ist mir gut genug. Das beste ist ihm immer gut genug. Bin ich ihnen gut genug, daß sie mich ins Gesicht Lügen strafen? Gell. Ist meine Stube gut genug, daß sie den Teufel darin fluchen? ebend. Es ist recht gut, daß sie kommen. Gut schlafen. Er kann noch gut gehen; er ist noch gut zu Fuße. Die Arzeney hat mir gut gethan, hat die verlangte Wirkung gethan. Diese Pflanze thut in unsern Gegenden nicht gut, kommt nicht fort, geräth nicht. Die Manufacturen thun bey uns nicht gut, kommen nicht fort. Meine Augen wollen nicht mehr gut thun, werden schwach. (3) Seinem Endzwecke, seiner Bestimmung gemäß; im Gegensatze des schlecht. Und Gott sahe, daß das Licht gut war, 1 Mos. 1, 3. Und Gott sahe an, alles was er gemacht hatte, und siehe, es war alles sehr gut, V. 31. Ein guter Redner, ein guter Dichter, ein guter Prediger, ein guter Arzt, ein guter Koch, ein guter Jäger, ein gutes Pferd u. s. f. Ein gutes Gedächtniß, ein gutes Gesicht; ein gutes Gehör, einen guten Geschmack haben. Eine gute Festung. Der Hund hat eine gute Nase, bey den Jägern, wenn er gern und richtig sucht. Ich will den Fehler gleich wieder gut machen. Gut spielen, gut singen, gut tanzen u. s. f. Sich gut halten, sich tapfer wehren. Noch gute, gesunde, Augen haben. Ein guter Christ, ein guter Ehemann, ein guter Soldat, ein guter Freund, ein guter Bürger, der die Pflichten eines Christen, Ehemannes u. s. f. erfüllet, die dazu nöthigen Eigenschaften besitzet. Gute Waare, gutes Tuch. Ein guter Verstand. Ein guter Geist, der seiner Bestimmung treu geblieben, im Gegensatze eines bösen Geistes. Niemand ist gut denn der einige Gott, Matth. 19, 17, d. i. im höchsten Verstande gut, vollkommen. Es ist nicht viel Gutes an ihm. Dahin gehöret auch die im gemeinen Leben übliche Redensart, etwas gut seyn lassen, es so ansehen, als wenn es gut wäre, es ungeahndet lassen, nicht weiter davon sprechen. Er hat mir alles vergeben, lassen auch sie es gut seyn. Der Grobe doch ich muß es gut seyn lassen. Ingleichen die Redensart, es mag gut seyn, es ist schon gut. Ferner, einem etwas zu gute halten, es ihm nicht übel nehmen. Ich will es seinem Unverstande zu gute halten. Halt es seinem Alter zu gute. Euren Jahren muß man eine zärtliche Thorheit zu gute halten. Wo gute vermuthlich das durch das e euphonicum verlängerte Nebenwort gut ist. Wer es für das Hauptwort Gut hält, müßte es groß schreiben. In engerer Bedeutung, den göttlichen Absichten, der göttlichen Bestimmung, den göttlichen Gesetzen gemäß, im Gegensatz des böse. Ein guter Wandel. Die Guten, die Gläubigen, im Gegensatze der Bösen. Gute Werke, in der evangelischen Kirche, alles was ein Christ um Gottes willen thut oder leidet. Gute Handlungen. Gute, gottgefällige, Gedanken. Das gute Gewissen, das Bewußtseyn der Rechtmäßigkeit einer Handlung. Ingleichen der bürgerlichen Bestimmung, den bürgerlichen Gesetzen, den Gesetzen des Wohlstandes, der Gesellschaft gemäß. Ein guter Bürger. Ein guter ehrlicher Bauer. Sich gut aufführen. Ein gutes Betragen, eine gute Aufführung. Gut thun, im gemeinen Leben, sich den Gesetzen der Gesellschaft, wozu man gehöret, seinen Verhältnissen gemäß betragen. Eine gute, d. i. rechtmäßige, Prise. Der gute Nahme, das Bewußtseyn und Zeugniß anderer, daß man den bürgerlichen und gesellschaftlichen Pflichten gemäß handelt. (4) Nicht allein seinem Endzwecke, seiner Bestimmung gemäß, sondern auch zugleich die Vollkommenheit eines andern Dinges befördernd, es sey nun im Ganzen und überhaupt, oder in einigen Fällen, für heilsam, nützlich u. s. f. Eine gute, heilsame, Arzeney. Diese Arzeney ist gut für oder wider die Wassersucht; das Fieber u. s. f. Eine Arzeney, welche gut für die Augen ist. Nichts ist so böse, es ist doch zu etwas gut. Diese Speise ist dir nicht gut, d. i. gesund. Wie gut wäre es für mich, wenn ich sie weniger liebte! Gell. Es ist gut, daß du gekommen bist, gereicht dir zum Vortheile. Das Gute in Gott, seine Vollkommenheiten, so fern sie auch die Vollkommenheit der Geschöpfe befördern. Etwas Böses zum Guten lenken, es so mit andern Veränderungen verknüpfen, daß es zur Vollkommenheit des Ganzen gereiche. Jemanden zu allem Guten anführen, zu allem dem, was seinen Zustand vollkommner macht. Des Guten kann man nicht zu viel thun. Was Gutes lernen. Es wird nichts Gutes aus ihm werden. Sich alles Gutes von einem versehen, versprechen. Jemanden Gutes thun, ihm Wohlthaten erweisen. Viel Gutes von jemanden empfangen, genossen haben. Gutes mit Bösem vergelten. Viel Gutes stiften. Dir zu gute, im gemeinen Leben, zu deinem Besten, zu deinem Nutzen. Das kommt uns zu gute. Einem etwas gut thun, es ihm vergüten, ersetzen. Ich will es wieder gut zu machen suchen, zu ersetzen. Nach Abschluß der Rechnung behielten wir 10 Thlr. zu gut, oder behielten wir 10 Thlr. gut, blieben 10 Thlr. die wir zu fordern hatten, übrig. Das soll ihnen zu gute gehen, es soll ihnen zu ihrem Nutzen angerechnet werden. Die Antwort sollst du bey mir zu gute haben, d. i. ich werde sie künftig ertheilen. Wo gute gleichfalls nur das Nebenwort zu seyn scheinet. In engerer Bedeutung für glücklich. Das ist ein gutes Zeichen. Auf gut Glück. Zur guten Stunde kommen. Das bedeutet nichts Gutes. Wohin auch die im gemeinen Leben übliche Grüße, guten Morgen! guten Tag! guten Abend! gute Nacht! gehören. 2) In engerer Bedeutung, in einigen besondern Fällen, welche zum Theil Fortsetzungen der vorigen Bedeutungen sind. (1) Unverfälscht, echt. Gutes Gold, im Gegensatze des falschen oder nachgemachten. Ein guter Demant. Gute, d. i. echte, Perlen. (2) Den Regeln der Kunst gemäß. Ein gutes Gemählde. Gut Latein, so wohl von der Richtigkeit, als Reinigkeit. Gut oder gutes Deutsch. Er spricht gut, so wohl richtig, als rein. (3) Von dem Werthe, im Gegensatze des geringern oder leichtern. Gutes Geld, im gemeinen Leben, im Gegensatze des geringern oder leichten, dergleichen das ehemahlige Kaisergeld war. Ein guter Groschen, ein Meißnischer Groschen zum Unterschiede von den Kaiser- und Marien-Groschen. Ein guter Gulden, ein Meißnischer Gulden von 21 Gr. zum Unterschiede von geringern Gulden. Ich habe meine guten, (triftigen, gültigen) Ursachen dazu. Diese Nachricht kommt von guter (zuverlässiger) Hand. (4) Den Vorzügen, der äußern Würde nach; wo gut etwas weniger sagt als vornehm. Aus einem guten Hause geboren seyn. Sie ist von gutem Stande. Du bist mir zu gut zu dieser Verrichtung. Sich zu etwas zu gut dünken oder halten. Ich bin so gut als du. Er ist um nichts besser als ich. (5) Der Quantität, der Menge und Ausdehnung nach; wo es im gemeinen Leben häufig für reichlich gebraucht wird, zugleich etwas weniger sagt, als groß oder viel. Der Comparativ und Superlativ sind in dieser Bedeutung wenig üblich. Eine gute (beträchtliche) Anzahl. Er ist schon eine gute Zeit hier. Ich habe schon eine gute Weile gewartet. Ein gutes (ziemlich großes) Stück Fleisch. Seinen guten Unterhalt haben. Ein gutes Theil. Der Kranke befindet sich heute ein gutes Theil besser als gestern. Eine gute Meile, eine gute Stunde. Eine gute Elle. In einem guten Alter sterben. Er geht immer seinen guten Schritt fort. Ein gutes Stück Weges. Gut leben, reichlich, ein wenig üppig. (6) Den innern Graden der Stärke nach. Einen guten Schlaf haben, einen starken, festen. Ingleichen als ein Nebenwort. Ich kenne ihn eben so gut, wie du, aber Cajus kennet ihn noch besser. Ich weiß es gar zu gut. Gut kaiserlich, gut Französisch gesinnet seyn. Gut essen können, d. i. ziemlich viel. In einem andern Verstande ist gut essen, und eine guten Tisch führen, täglich schmackhafte Speisen und diese in ziemlicher Anzahl haben. Ingleichen in Vergleichungen, für sehr, wohl. Du bist eben so gut ein Betrieger, als er. Warum kann ich nicht so gut recht haben, als du? Ich muß so gut dienen, als ein anderer. Dahin auch folgende in der vertraulichen Sprechart übliche Arten des Ausdruckes gehören. Julchen ist so gut als besiegt, Gell. Die Andrienne ist so gut als ihre, ebend. (7) Im moralischen Verstande. (a) Nicht zum Zorne geneigt, nicht fähig oder nicht geneigt, andern zu schaden; im Gegensatze des böse. Ein gutes Kind. Ein guter Ehemann. Ein guter Geist, im Gegensatze eines bösen, oder schädlichen. Da diese Gemüthsart oft eine Folge der Einfalt ist, so ist ein guter ehrlicher Mann, zuweilen im verächtlichen Verstande, ein einfältiger Mann, der aus Einfalt keine Beleidigungen empfindet oder ahndet; im gemeinen Leben, eine gute ehrliche Haut. Eine gute treuherzige Seele. Er ist ein guter Narr, dem man leicht etwas vormachen kann. In einigen Redensarten, wo es als ein Hauptwort gebraucht wird, ist es dem Zorne entgegen gesetzet, Im Guten aus einander gehen, ohne Streit, ohne Zorn. Eine Irrung im Guten beylegen. Ich sage dirs im Guten. Etwas im Guten vermerken, es nicht übel nehmen. Suche ste bey Gutem zu erhalten, in einer guten gefälligen Gesinnung. Wir waren in allem Guten beysammen. S. Güte. (b) Von jemanden, bey welchem sich der Zorn geleget hat, welcher böse gewesen ist, sagt man im gemeinen Leben, er sey wieder gut, d. i. versöhnt. Nun sey nur wieder gut, Gell. Jemanden wieder gut machen, ihn besänftigen. Ich bin etwas hastig, aber ich bin auch gleich wieder gut, Gell. (c) Sanft, sanftmüthig, freundlich, liebreich. Ein guter Herr. Ein guter Vater. Jemanden gute Worte geben. Sie gab ihm die besten Worte von der Welt. Ein gut Wort findet eine gute Statt. Jemanden auf eine gute, d. i. glimpfliche, Art die Wahrheit sagen. Die gute Mutter denkt wohl Wunder was dir fehlt, Gell. (d) Geneigt, sich an der Wohlfahrt eines andern zu vergnügen, und dieselbe zu befördern; wo es ohne Comparation nur noch in einigen Fällen als ein Adjectiv gebraucht wird. Vornehme Personen pflegen sich in Briefen an weit geringere als sie sind, guter Freund zu unterschreiben. Auch gekrönte Häupter unterschreiben sich an einander guter Bruder, gute Schwester, im Lat. bonus; wo denn auch das Hauptwort das Gute, für diese Gesinnung, zuweilen vorkommt. Der Kaiser schließt seine Schreiben an Könige, Churfürsten und Fürsten des Reichs mit der Versicherung: Und verbleiben Ihro mit Kaiserlicher Freundschaft (Gnade) und allem Guten wohl beygethan. S. Gutwillig. Noch häufiger ist es in der vertraulichen Sprechart mit den Zeitwörtern seyn, bleiben und werden, als ein Nebenwort üblich. Einem gut seyn. Ich bin dir von Herzen gut, liebe dich. Ich werde ihm nie wieder gut. Ich bleibe dir doch gut. Wir sind einander von Kindheit an gut gewesen, Weiße. (e) Geneigt, das Beste eines jeden ohne Lohn zu befördern, und in dieser Gesinnung gegründet. Ein gutes Gemüth, ein gutes Herz haben. Sein Herz ist im Grunde gut. Sie erwarb sich durch ihr gutes und sanftes Herz ein unvergeßliches Andenken. Er meint es gut. Etwas in guter Absicht, aus guter Meinung thun, in der Absicht, in der Meinung, anderer Nutzen dadurch zu befördern. Ich that es in der besten Absicht von der Welt. Ich meine es gut mit dir. Wohin auch der im gemeinen Leben übliche adverbische Gebrauch gehöret, seyn sie so gut und geben sie mir u. s. f. für gütig, obgleich dieses etwas mehr sagt. Wenn sie so gut seyn, und hinunter gehen wollen, Gell. (f) Es geschiehet mit meinem guten Willen, d. i. mit meinem freyen Willen. Mit meinem guten Willen soll es nicht geschehen. Hingegen, etwas im Guten thun, bedeutet, etwas wozu man gezwungen wird; ohne Abwartung der äußersten Zwangsmittel thun. Weil du im Guten nicht willst, so u. s. f. Sage mirs im Guten, ohne den äußersten Zwang. (g) In der vertraulichen Sprechart wird es oft als ein zärtlicher Ausdruck für lieb gebraucht, wo es gleichfalls keiner Comparation fähig ist. Gutes Kind, du wirst doch denken, daß ich ihn zu deinem Vergnügen habe herbitten lassen, Gell. Du gutes Kind, du dauerst mich, ebend. Geh, meine gute Laura, laß mich dieses Glückes genießen. Oft verschwindet dieser zärtliche Nebenbegriff, bald mehr, bald weniger. Guter Freund, redet man eine geringe Person an, die man nicht kennet, und deren Nahmen man nicht weiß. Die gute Frau bethet den ganzen Tag. Nur dieses fiel mit alle dem Dem guten Burschen unbequem, Lichtw. II. Als ein Nebenwort allein, wohin noch folgende Fälle gehören. 1) Für genug, im gemeinen Leben. Es ist gut, es ist schon gut. Dahin auch die R. A. gehöret, kurz und gut, d. i. mit Einem Worte, ohne viele Umstände. Kurz und gut, durch Beweise ist sie nicht zu gewinnen. Ich frage sie kurz und gut, ob sie kommen wollen. Sagen sie mir kurz und gut, ob sie kommen wollen. Gell. 2) Als eine Interjection, seinen Beyfall zu erkennen zu geben. Gut, wie du denkst. Willst du deiner Schwester etwas geben, wohl gut. + Gell. Wo es zuweilen eine versteckte Drohung bey sich hat. Gut, wir brauchen einander weiter. Gut, sprach er, stecht nur immer kühn, Ihr findet hier heut euer Grab, Gell. 3) Für etwas gut seyn, gut stehen, oder werden, Bürge dafür seyn oder werden. Gut für eine Summe Geldes sagen, oder sprechen. Ich bin dir für allen Schaden gut. Sie können es glauben, ich bin gut dafür. Im mittlern Lat. abonare, im Span. abonar, gleichfalls von bonus, gut.

Anm. 1. Da dieses Wort im Deutschen, so wie in andern Sprachen, überaus häufig gebraucht wird, so kann es seyn, daß noch manche Fälle, in welchen es vorkommt, hier nicht angemerket worden, welche sich indessen leicht auf eine der angeführten Bedeutungen werden zurück führen lassen. Übrigens trägt der Ton, mit welchem man gut ausspricht, in manchen Fällen viel zur Erhöhung oder Verminderung der Bedeutung bey. Die Hauptwörter das Gut und das Gute oder ein Gutes werden im gemeinen Leben häufig mit einander verwechselt. Jenes ist ein Hauptwort für sich, hat in der zweyten Endung des Gutes und im Plural die Güter; dieses ist nicht weiter ein Hauptwort, als so fern alle Beywörter im ungewissen Geschlechte als Hauptwörter gebraucht werden können, hat in der zweyten Endung, wie alle ähnliche Hauptwörter, des Guten, und wird im Plural nicht gebraucht, man müßte denn das dahin rechnen, wenn Personen, Menschen u. s. f. darunter verstanden werden; die Guten, nehmlich Menschen.

Anm. 2. Gut lautet im Hochdeutschen gedehnt, in Schlesien und einigen andern Gegenden geschärft, gutt oder wohl gar kutt, bey dem Ulphilas gods, bey dem Kero cuat, bey dem Ottfried guat, bey dem Tatian und Willeram guot, in Oberschwaben noch jetzt guat, im Nieders. good, im Schwed. god, im Engl. good, im Arab. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dessen Staffeln - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, mit dem Deutschen besser und beste sehr genau überein kommen. Ob es gleich verwegen scheinen könnte, der Abstammung eines so alten und einfachen Wortes nachspüren zu wollen, so ist es doch sehr glaublich, daß es von dem alten getzen, Schwed. gädas, Lat. gaudere, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sich freuen, herstammet, und eigentlich vergnügt, und diese Empfindung erweckend, angenehm, bedeutet, daher diese Bedeutung hier auch als die erste und eigentliche angenommen worden. S. Ergetzen, ingleichen Besser und Beste, an ihrem Orte besonders.


Gut (W3) [Adelung]


Das Gut, des -es, plur. die Güter, von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1. Überhaupt. 1) Ein jedes Ding, welches man mit Lust empfindet, dessen Besitz man sich wünscht, weil man glaubt, daß es unsern Zustand vollkommner mache. 2) In engerer Bedeutung, ein jedes Ding, was unsern Zustand wirklich vollkommner macht. Die den Herren suchen, haben keinen Mangel an irgend einem Gute, Pf. 34, 11. Über den plötzlichen Verlust eines Gutes Thränen vergießen. Die Gelassenheit zieht ihre Stärke aus dem Bewußtseyn höherer Güter, als die sind, die wir entbehren, Gell. Die deutliche Idee eines Gutes muß nothwendig eine angenehme Empfindung erwecken, auch wenn uns selbst dieses Gut nicht gehöret, Sulz. Ein Verstand, der der Tugend des Herzens nicht aufhilft, ist kein Gut, er ist vielmehr ein Gift der Seele, Gell. Die menschenfreundlichen Neigungen sind eine süße Nahrung edler Herzen und ein hohes göttliches Gut, ebend. Äußere, zeitliche Güter, Dinge, welche unsern äußern oder zeitlichen Zustand, geistliche Güter, welche unsern geistlichen Zustand vollkommner machen. Güter des Gemüthes, wodurch der Zustand unserer Seele, des Leibes, wodurch der Zustand unsers Leibes vollkommner wird. Güter des Glücks, oder Glücksgüter, äußere, zeitliche Güter, weil sie nicht so sehr wie andere in unserer Gewalt sind. Ein wahres Gut; zum Unterschiede von einem Scheingute. Das höchste Gut, was unsern Zustand auf die höchste mögliche Art vollkommen macht. Die wahre Tugend ist des höchsten Guten (Gutes) Liebe, Ist ein Zusammenklang der wohl gestimmten Triebe. Dusch. 2. In engerer Bedeutung werden verschiedene Arten dieser Güter nur schlechthin ein Gut oder Güter genannt. 1) Ein jedes Eigenthum. Die Geschöpfe sind insgesammt eigenthümliche Güter Gottes. 2) Zeitliches Vermögen, wo es so wohl im Singular allein, als auch im Plural allein üblich ist. Ich wollte aller Welt Gut nicht nehmen. Jemanden an Ehr und Gut strafen. Gut macht Muth. Unrecht Gut gedeihet nicht. Sich mit Leib und Gut verpfänden. Großes Gut erben. Fahrendes Gut, bewegliches Vermögen. Darnach sollen sie ausziehen mit großem Gute, 1 Mos. 15, 14. Hab ich mich gefreuet, daß ich groß Gut hatte? Hiob 31, 25. S. auch Erbgut, Heirathsgut u. s. f. Im Scherze sagt man auch im Diminut. sein Gütchen oder sein Gütlein verzehret haben, sein Vermögen. So auch im Plural allein. Er wird sie zu Herren machen, über große Güter, Dan. 11, 39. Sie sind auch reich gewesen und haben große Güter gehabt, Sic. 44, 6. Der älteste Knecht seines (Abrahams) Hauses, der allen seinen Gütern vorstund, 1 Mos. 24, 2. Er zog hin und hatte mit sich allerley Güter seines Herren, v. 10. Von seinen Gütern den Armen helfen, Tob. 4, 7. Und so in andern Stellen mehr, wo man doch in der edlen Schreibart lieber andere Ausdrücke wählet. In Zürich wird die Vermögensteuer Gutsteuer genannt. 3) In engerm Verstande, unbewegliches Vermögen, im Gegensatze der beweglichen Grundstücke. Habe und Gut, Geld und Gut, wo den Rechtslehrern zu Folge Habe und Geld das bewegliche, Gut aber das unbewegliche Vermögen bezeichnet. Die zu dem herrschaftlichen Hofe gehörigen Ländereyen bestehen in 148 Morgen frohnbares Ackerland, in 5 Morgen unfrohnbares, und in 10 Morgen Huthweide; welche sämmtliche Güter befrohndet werden. 4) In noch engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, eine Wohnung auf dem Lande mit den dazu gehörigen Grundstücken an Ackern, Wiesen u. s. f. Diminut. das Gütchen, Oberdeutsch Gütlein. Ein Bauergut, zum Unterschiede von einem Freygute und von einem adeligen oder Rittergute. Die Güter in diesem Dorfe sind alle sehr verschuldet, d. i. die Bauergüter. Ganze Güter, heißen in Thüringen diejenigen Bauergüter, die in einerley Lehen und Zinsen gehören, und daher nicht vereinzelt werden dürfen, ohne daß dabey die Anzahl der Äcker in Betrachtung käme. Ein Anspannegut, wenn es Frohndienste mit Pferden verrichten muß. S. auch Hufengut. In manchen Gegenden führen nur die adeligen oder Rittergüter, und die Freygüter den Nahmen der Güter, und dann pfleget in noch engerer Bedeutung das dazu gehörige Wohnhaus, der adelige Hof, auch das Gut genannt zu werden. Auf das Gut gehen, auf den adeligen Hof. 5) Im Handel und Wandel werden in vielen Fällen bewegliche Dinge, welche zu einem gewissen Gebrauche oder zur weitern Bearbeitung bestimmt sind, zuweilen auch so fern sie als eine Waare betrachtet werden, so wohl collective im Singular Gut, als auch im Plural Güter genannt. Der Holländische Blatttobak, welcher im Hanauischen wächst, wird in Sandgut, Erdgut und beste Gut eingetheilet. Eine Art irdenen Geschirres, welches nicht zum Kochen bestimmt ist, ist unter dem Nahmen des Steingutes bekannt. Meßgut oder Meßgüter, Meßwaaren. Es sind diese Messe viele Güter angekommen, viele Waaren. Der Fuhrmann hat die Güter verderben lassen, die Waaren. Der Vorrath in den Bienenstöcken, weichen der Bienenmeister ausnimmt, heißt in manchen Gegenden überhaupt Gut. Die Bienen sind reich an Gut, an Honig und Wachs. Glockengut, die zu den Glöcken gehörige Mischung des Metalles. Mittelgut, im Bergbaue, geringhaltiges Erz, welches zur Roharbeit genommen wird. In dem Salzwerke zu Halle wird die Sohle Gut, und derjenige Antheil an derselben, welchen jemand eigenthümlich besitzet, Güter genannt. Mancher Gewerke besitzt ein Roth und keine Güter, und mancher hat Güter aber kein Roth. S. Gutsherr. Und so in andern Fällen mehr. In Niedersachsen wird sogar ein Nachtzeug ein Nachtgut genannt.

Anm. Schon Notker nennt das zeitliche Vermögen Cuot, Ulphilas Godhit, Schwed. Gods.


Gutachten (W3) [Adelung]


Das Gutachten, des -s, plur. ut nom. sing. welches aus der R. A. für gut achten zusammen gezogen ist, das Urtheil über dasjenige, was man in einer Sache für gut erachtet, d. i. für heilsam, nützlich, den Umständen gemäß hält; das Gutbefinden. Sein Gutachten sagen, von sich geben, über etwas erstatten. Ich lasse es auf dein Gutachten ankommen. Ein Gutachten von jemanden begehren, ihm um sein Gutachten fragen. S. Gutdünken.


Gutartig (W3) [Adelung]


Gutartig, adj. et adv. von guter Art, ist verschiedenen Bedeutungen des Wortes gut; im Gegensatze des bösartig. Gutartige Blattern, die nicht gefährlich sind. Ein gutartiges Kind; ein folgsames, wohl gesittetes Kind.


Gutartigkeit (W3) [Adelung]


Die Gutartigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es gutartig ist.


Gutbefinden (W3) [Adelung]


Das Gutbefinden, des -s, plur. inus. welches aus gut befinden zusammen gezogen ist. S. Gutachten.


Gutberath (W3) [Adelung]


Der Gutberath, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein Nahme des Wasserwegerichs, Alisma Plantago L. S. Wasserwegerich.


Gutdünken (W3) [Adelung]


Das Gutdünken, des -s, plur. inus. welches aus der R. A. gut dünken zusammen gesetzet ist, das muthmaßliche, das wahrscheinliche Urtheil über die gute, d. i. heilsame Beschaffenheit einer Sache. Seinem eigenen Gutdünken folgen. Jemanden um sein Gutdünken fragen. Meinem Gutdünken nach ist diese zu wagen. S. Dünken.


Güte (W3) [Adelung]


Die Güte, plur. car. das Abstractum des Bey- und Nebenwortes gut. 1. Absolute, das Verhältniß der innern Beschaffenheit einer Sache gegen die Absicht des Subjectes, und gegen ihre Bestimmung oder ihren Endzweck. Die Güte eines Zeuges, eine Waare untersuchen. Die Güte des Weines erforschen. Sind alle diese Wahrheiten von gleicher Güte? Auch im moralischen Verstande, das Verhältnis einer Sache gegen ihre sittliche Bestimmung, gegen das Gesetz. Die Handlungen sind von verschiedener Güte. 2. In engerer Bedeutung, das gehörige Verhältniß eines Dinges gegen die Absicht und das Verlangen des Subjectes, und gegen den Endzweck und die Bestimmung einer Sache. 1) In der eigentlichsten Bedeutung des Beywortes, die Eigenschaft einer Sache, da sie den Sinnen angenehm ist, angenehme Empfindungen erwecket. Die Güte alles Fleisches ist wie eine Blume auf dem Felde, Es. 40, 6, d. i. dessen Annehmlichkeit, Reiß. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, außer daß man es in der vertraulichen Sprechart zuweilen im Concreto gebraucht; sich eine Güte thun, sich gütlich thun, sich angenehme Empfindungen verschaffen. 2) In weiterer Bedeutung. (a) Überhaupt, die Eigenschaft einer Sache, da sie der Absicht eines andern, ihrer Bestimmung, ihrem Endzwecke gemäß ist; die Vollkommenheit, wenn diese Eigenschaft in einem hohen Grade vorhanden ist, ungeachtet Güte und Vollkommenheit von den Philosophen gemeiniglich als gleichbedeutend angenommen werden. An diesem Tuche, an dieser Waare wird die Güte nicht bezahlet. Die Güte eines Landes. Die Güte eines Pferdes bestehet darin u. s. f. Die Güte eines Hirsches, dessen gehörige feiste Beschaffenheit. Auch im moralischen Verstande, das gehörige Verhältniß einer Sache gegen das Gesetz, ihre Übereinstimmung mit dem Gesetze. (b) In einigen engern Bedeutungen des Wortes gut. (aa) Die Reinigkeit, der unverfälschte Zustand eines Körpers. Die Güte des Goldes, des Silbers. (bb) Die Übereinstimmung mit den Regeln der Kunst, oder mit dem Objecte. Die poetische Güte, die Ähnlichkeit eines poetischen Bildes mit dem Urbilde. Die Güte eines Gemähldes, die Richtigkeit der Verhältnisse in der Zeichnung. (cc) Noch mehr im moralischen Verstande. (1) Die natürliche Beschaffenheit des Gemüthes, da es nicht zum Zorne, sondern zur Gelindigkeit, Sanftmuth, Geduld u. s. f. geneigt ist. Die Güte ist eben so oft eine Schwäche, als eine Tugend. Er ist die Güte selbst. (2) Glimpf, Gelindigkeit, freundschaftliches Verfahren, im Gegensatze des Ernstes, des Zwanges und des gerichtlichen Verfahrens. Ernst und Güte bey jemanden versuchen. Den Weg der Güte versuchen. Sage mir es in der Güte, im Guten. Der Güte pflegen, in der Gerichtssprache, einen gütlichen Vergleich zu treffen suchen. Die Creditores sind zur Pflegung der Güte eingeladen worden (3) Die Neigung und Bereitwilligkeit andern Gutes zu thun; die Gütigkeit. Die Erde ist voll der Güte des Herren, Pf. 33, 5. Nein, ich kann ihre Güte nicht ausstehen. Ingleichen, deren Erweisung. Sie überhäufen mich mit Güte. Auch in der gesellschaftlichen Höflichkeit ist es, so wie Gütigkeit, sehr üblich. Haben sie die Güte, und lassen sie mich melden.

Anm. Bey dem Ottfried Guati, so wohl von der Vollkommenheit eines Dinges, als auch im moralischen Verstande für Gnade.


Gutedel (W3) [Adelung]


Der Gutedel, des -s, plur. inus. im Weinbaue, eine Art Weinstöcke, welche eine schöne große Traube mit runden, grünen, großen und hellen Beeren mit dünnen Hülsen hat, und einen sehr guten Wein gibt. Im Böhmischen wird er Cynifal genannt.


Güterbeschauer (W3) [Adelung]


Der Güterbeschauer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, eine vereidigte Person, welche die Güter, d. i. Waaren beschauet; in Ober- und Niedersachsen ein Visitator.


Güterbestäter (W3) [Adelung]


Der Güterbestäter, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Städten, eine Person, welche die Waaren, welche mit Fuhrleuten ankommen, in Empfang nimmt, und weiter befördert; ein Bestäter, Nieders. Besteder, im Oberdeutschen Gutfertiger, Fertiger, mit einem ausländischen Worte ein Spediteur. S. Bestäter.


Güterstein (W3) [Adelung]


Der Güterstein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, Steine, so fern sie die Gränzen der Güter oder Grundstücke bezeichnen, welche auch Scheidesteine genannt werden.


Gutfertiger (W3) [Adelung]


Der Gutfertiger, des -s, plur. ut nom. sing. S. Güterbestäter.


Gutfinden (W3) [Adelung]


Das Gutfinden, des -s, plur. inus. welches auch für Gutbefinden üblich ist. Etwas eines Gutfinden überlassen.


Gutheißen (W3) [Adelung]


Das Gutheißen, des -s, plur. inus. welches aus der R. A. gut heißen, billigen, für gut, seiner Absicht, dem Endzwecke gemäß erklären, zusammen gezogen ist. S. Heitzen.


Gutheit (W3) [Adelung]


* Die Gutheit, plur. inus. welches nur im gemeinen Leben für Güte, Gütigkeit üblich ist, die Neigung und Bereitwilligkeit andern Gutes zu thun, zu bezeichnen, zugleich aber auch einen etwas geringern Grad dieser Neigung ausdruckt. Eben durch die Gutheit macht man nur Bettler, Gell. Sie ist ja die Unschuld und Gutheit selbst, ebend. Haben sie die Gutheit, ebend. Im Oberdeutschen scheint es auch in der edlen Sprechart für Gültigkeit üblich zu seyn. Gottes Gutheit, Opitz. Die höchste Gutheit läßt ihr Gutseyn auch genießen, ebend. Im Schwed. Godhet, im Dän. Godhed.


Gutherzig (W3) [Adelung]


Gutherzig, -er, -ste, adj. et adv. ein gutes Herz habend und solches gegen jedermann an den Tag legend, ingleichen in dieser Besinnung gegründet. Eine gutherzige Seele, ein gutherziger Mensch, der nicht nur von jedermann das Beste glaubt, sondern auch geneigt und bereit ist, jedermann Gutes zu thun. S. Herz.


Gutherzigkeit (W3) [Adelung]


Die Gutherzigkeit, pur. inus. die Eigenschaft einer Person, da sie gutherzig ist. Manche Menschen sind aus großer Gutherzigkeit kurzsichtig.


Gütig (W3) [Adelung]


Gütig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Güte habend, oder besitzen, d. i. geneigt und bereit, in seinem Vertragen gegen andere jederzeit ihr Bestes zu suchen und zu befördern, und in dieser Besinnung gegründet. Ein gütiger Herr, ein gütiger Vater. Ein gütiges Betragen. Sie denken sehr gütig von mir. Der gütige Gott. Mit ihrer gütigen Erlaubniß. Seyn sie so gütig, und geben mir es. In dem Menschenfreunde lebt ein gütiges Verlangen, das in seiner Art gegen andere zu seyn, was Gott gegen alle ist, Gell. 2) In engerer Bedeutung, geneigt, andern Wohlthaten zu erzeigen, und in dieser Besinnung gegründet. Gütig gegen die Armen seyn.


Gütigkeit (W3) [Adelung]


Die Gütigkeit, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, die Eigenschaft einer Person, da sie gütig ist, in beyden Bedeutungen; die Güte, im gemeinen Leben die Gutheit. Haben sie die Gütigkeit und kommen zu mir. 2) Erweisung dieser Besinnung. Sie haben mir Gütigkeiten erwiesen, ehe noch meine Lippen fähig waren, ihnen dafür zu danken.


Gütlich (W3) [Adelung]


Gütlich, adj. et adv. welches eigentlich ein wenig gut bedeuten sollte, aber nur in einigen Fällen üblich ist. 1) In der Güte, mit Güte, so fern dieses Wort dem Streite, dem gerichtlichen Verfahren, dem Zwange entgegen gesetzet ist. Ein gütlicher Vergleich. Sich gütlich vergleichen. Gütliche Handlungen (d. i. Unterhandlungen,) pflegen, eine Sache in der Güte beyzulegen suchen. Die gütliche Frage, in den Gerichten, die Frage in der Güte, im Gegensatze der peinlichen. 2) Mit Güte, d. i. Glimpf, Sanftmuth, Neigung jemandes Bestes zu befördern, doch nur als ein Nebenwort und im gemeinen Leben, für gütig. Jemanden gütlich halten, ihm sehr gütlich begegnen. In engerer Bedeutung ist, einem gütlich thun, oder sich gütlich thun, so viel als sich oder andern eine Güte thun, d. i. angenehme Empfindungen erwecken, besonders durch Speise, Trank und andere Bequemlichkeiten. Darum merkte ich, daß nichts besser drinnen ist, denn fröhlich seyn und ihm (sich) gütlich thun in seinem Leben, Pred. 3, 12. Der eine Mahlzeit zurichten und den Gästen gütlich thun will. 2 Marc. 2, 28. Bey dem Ottfried ist guatlih gütig, im Schwabensp. gutlih, freundschaftlich, freundlich.


Gutmüthig (W3) [Adelung]


Gutmüthig, -er, -ste, adj. et adv. eine gute, d. i. sanfte, gütige Gemüthsart habend und darin gegründet; fast wie gutherzig. So auch die Gutmüthigkeit.


Gutsche (W3) [Adelung]


Die Gutsche, S. Kutsche.


Gutsherr (W3) [Adelung]


Der Gutsherr, des -en, plur. die -en. 1) Der Herr, oder Eigenthumsherr eines Landgutes. 2) In dem Salzwerke zu Halle sind Gutsherren diejenigen, welche an dem Gute, d. i. der Sohle, Antheil haben; zum Unterschiede von den Pfännern, welche ein Koth haben, und die Sohle versieden.


Gutthat (W3) [Adelung]


Die Gutthat, plur. die -en, welches im gemeinen Leben für Wohlthat üblich ist, S. dieses Wort. Womit soll ich deine Gutthaten belohnen? Wird er mir auch erlauben, das Geld zu Gutthaten anzuwenden? Einem Gutthaten erweisen. Notker gebraucht Guothat für ein gutes Werk, eine verdienstliche Handlung.


Gutthäter (W3) [Adelung]


Der Gutthäter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin, die Gutthäterinn, plur. die -en, im gemeinen Leben für Wohlthäter.


Gutthätig (W3) [Adelung]


Gutthätig, -er, -ste, adj. et adv. geneigt, Fertigkeit besitzend, andern Gutes zu thun, ihnen Gutthaten, d. i. Wohlthaten zu erweisen, und in dieser Besinnung gegründet. Ein gutthätiger Mensch. Gegen die Armen gutthätig seyn. In der höhern Schreibart, so wie wohlthätig, auch figürlich, für heilsam, nützlich. Von den Bergen träufeln gutthätige Wasser, Gell.


Gutthätigkeit (W3) [Adelung]


Die Gutthätigkeit, plur. inus. die Neigung, und in engerer Bedeutung die Fertigkeit, andern Gutes zu thun, oder ihnen Wohlthaten zu erweisen; thätige Erweisung der Güte oder Gütigkeit.


Gütvogel (W3) [Adelung]


Der Gütvogel, des -s, plur. die -vögel, im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, ein gewisser Wasservogel; von seinem Geschreye, welches Güt, Güt, lautet, daher er auch Düte, Tüte genannt wird. S. Grünfink.


Gutwillig (W3) [Adelung]


Gutwillig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Für freywillig. Etwas gutwillig thun, im Gegensatze dessen, was aus Zwange geschiehet. Im Oberdeutschen werden auch die Freywilligen im Kriege Gutwillige genannt. 2) Aus Gutmüthigkeit bereit zu thun, was andere wollen, bereit, andern zu Willen zu seyn. Ein gutwilliger Mensch. Sehr gutwillig seyn. Ein gutwilliger Narr, der aus Einfalt, oder zu seinem Schaden gutwillig ist. 3) + Geneigt und bereit, andern Gutes zu thun, ihr Bestes zu befördern, für gütig, gutthätig; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher schon Kero kuotwillig gebraucht. Und dankten ihnen darum, und bathen sie, sie wollten weiter gegen ihre Leute so gutwillig seyn, 2 Macc. 2, 31. In den Unterschriften kommt es noch zuweilen in dieser Bedeutung vor. So unterschreibt sich der Kaiser an Könige gutwilliger Bruder, an Reichsfürsten in Handschreiben gutwilliger Oheim, an geistliche Fürsten aber, welche nicht von Geburt Fürsten sind, nur gutwilliger.


Gutwilligkeit (W3) [Adelung]


Die Gutwilligkeit, plur. inus. die Neigung, die Fertigkeit, da man gutwillig ist, besonders in der zweyten Bedeutung.


Gyps (W3) [Adelung]


Der Gyps, des -es, plur. von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eine gemeiniglich weiße Erd- oder Steinart welche mit den Säuren nicht auf brauset, im Feuer noch lockerer, und hernach mit dem Wasser hart wird. Besonders die aus dem Gypssteine gebrannte, dem Kalke im Äußern ähnliche Masse, welche zu allerley Bedürfnissen gebraucht, und im gemeinen Leben auch Sparkalk genannt wird. Aus dem Lat. Gypsum. Im Ital. Gesso, im mittlern Lat. Gippum, Guppum, im Oberd. nur Ips, im Pers. Guczh.


Gypsartig (W3) [Adelung]


Gypsartig, adj. et adv. dem Gypse an Art, d. i. Wesen und Bestandtheilen, gleich. Gypsartige Steine.


Gypsbild (W3) [Adelung]


Das Gypsbild, des -es, plur. die -er, ein aus Gyps verfertigtes Bild.


Gypsblume (W3) [Adelung]


Die Gypsblume, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -en, ein strahliger, blätteriger, etwas durchsichtiger Gypsspath; gemeiner Gypsspath.


Gypsdecke (W3) [Adelung]


Die Gypsdecke, plur. die -n, die mit Gyps überzogene Decke eines Zimmers.


Gypsdruse (W3) [Adelung]


Die Gypsdruse, plur. die -n, Gypsstein, dessen Theilchen rhomboidalisch sind.


Gypsen (W3) [Adelung]


Gypsen, verb. reg. act. mit Gyps überziehen.


Gypser (W3) [Adelung]


Der Gypser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher in Gyps oder mit Gyps arbeitet.


Gypsgebirge (W3) [Adelung]


Das Gypsgebirge, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus Gyps, oder vornehmlich aus Gyps bestehendes Gebirge.


Gypskalk (W3) [Adelung]


Der Gypskalk, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, der aus Gypssteinen gebrannte Kalk, welcher auch Sparkalk genannt wird.


Gypsmehl (W3) [Adelung]


Das Gypsmehl, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein zu einem feinen Staube oder Mehle gemahlner Gyps. Begrabenes Gypsmehl, eine feine Gypserde, in Gestalt eines Mehles.


Gypssinter (W3) [Adelung]


Der Gypssinter, des -s, plur. inus. ein gypsartiger Sinter, Gyps in Gestalt des Sinters. S. Sinter.


Gypsspath (W3) [Adelung]


Der Gypsspath, des -es, plur. von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein spathiger Gyps, oder gypsartiger Spath, d. i. Gyps, welcher in dünnen Blättern bricht, und auch Schiefergyps genannt wird.


Gypsstein (W3) [Adelung]


Der Gypsstein, des -es, plur. die -e, Gyps in Gestalte eines Steines.


Gytau (W3) [Adelung]


Das Gytau, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, S. Geyen.


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