"§"
Deonomastik (W3)
Dt. "Deonomastik" setzt sich zusammen aus lat. "de" = dt. "von", "ab" und griech. "onomastikon" = dt. "namensbezogen"
(E?)(L?) http://de.wikipedia.org/wiki/Deonomastik
Die "Deonomastik" (ital. "deonomastica", frz. "déonomastique", engl. "deonomastics") ist eine Teildisziplin der historischen Sprachwissenschaft im Schnittfeld von Onomastik, Wortschatz- und Wortbildungsforschung. Ihr Gegenstandsgebiet sind die "Deonyme", das heißt diejenigen Anteile eines Wortschatzes, die durch Ableitung von Eigennamen (nomina propria) entstanden sind. Hierbei handelt es sich einerseits um Gattungsnamen (Appellativa), Stoffnamen (Kontinuativa), Verben, Adjektive oder Interjektionen, die jeweils aus Eigennamen abgeleitet sind, andererseits aber auch um abgeleitete Eigennamen, sofern auch diese, wie zum Beispiel aus Personennamen abgeleitete Ortsnamen, durch Ableitung aus anderen Eigennamen entstanden sind.
Die "Deonomastik" erschließt den Deonymenbestand eines Wort- und Namenwortschatzes etymologisch und lexikographisch und untersucht die semantischen und kognitiven Prozesse der metaphorischen und metonymischen oder synekdochalen Bedeutungsübertragung und die morphologischen und gegebenenfalls phraseologischen Bildungsprozesse, die bei der Deonymsierung von Eigennamen zum Tragen kommen.
InhaltsverzeichnisTerminologie
- 1 Terminologie
- 2 Beispiele für Deonyme
- 3 Siehe auch
- 4 Literatur
- 5 Weblinks
- 6 Einzelnachweise
Der Terminus "Deonomastik" ist eine lateinisch und griechisch basierte Neuschöpfung (aus lat. "de" = dt. "von", "ab" und griech. "onomastikon" = dt. "namensbezogen"), die der italienische Linguist Enzo La Stella 1982 in einem für die methodische und terminologische Formierung der "Deonomastik" grundlegenden Beitrag einführte, indem er aus italienisch "derivativo onomastico" ("Ableitung aus einem Namen") die Kontraktion "deonomastico" (später eingedeutscht als "Deonomastikon", Plural "Deonomastika") bildete und hieraus auch den Namen der Disziplin ("la deonomastica" "die Deonomastik") ableitete. Als Bezeichnung der Disziplin hat sich diese Begriffsbildung seither besonders in der romanisch- und deutschsprachigen Sprachwissenschaft durchgesetzt.
Für den Eigennamen als Basis einer Ableitung, für den in der voraufgegangenen Forschung außer den allgemein üblichen Termini für Eigennamen (Toponym, Anthroponym, Ethnonym, usw.) kein eigener Terminus technicus üblich war, hat sich im Anschluss an La Stella die Bezeichnung "Eponym" eingebürgert (von griech. "epi" = dt. "an", "bei", "nach" und griech. "onoma" = dt. "Name"). Mit einer Bedeutungsverschiebung vom Namensträger auf dessen Namen, die in den Altertumswissenschaften schon seit dem 19. Jahrhundert vereinzelt vollzogen wurde, knüpft diese Begriffsverwendung an die schon im antiken und altertumswissenschaftlichen Sprachgebrauch vorherrschende Hauptbedeutung des Begriffs im Sinne von "namengebend", "Namengeber" an, wonach ein Eponym der Träger eines Eigennamens ist (meist eine mythische oder geschichtliche Gründergestalt), auf den ein Ethnonym oder Toponym zurückgeführt wird (siehe Eponymer Heros), oder ein Amtsträger (Archon, Konsul oder sonstiger ‚eponymer Beamter‘), mit dessen Namen in Datumsangaben die Kalenderperiode seiner Amtszeit benannt wurde (siehe Archon eponymos, Eponymenliste)
Für das Ergebnis der Ableitung wiederum, das Namensderivat, für das in der älteren deutschen Fachsprache Bezeichnungen wie Eigennamenwort oder Appellativname gebräuchlich waren, hat sich in der Deonomastik im Anschluss an eine in der Germanistik von Wolfgang Fleischer eingeführte Begrifflichkeit der Terminus "Deonym" / "deonymische Ableitung" etabliert, während der von La Stella hierfür geprägte Terminus "Deonomastikon" sich in dieser Bedeutung weniger durchsetzen konnte, sondern vorwiegend noch als Gattungsbezeichnung (in Analogie zu "biblion onomastikon" = dt. "Buch über Namen", "Onomastikon") für ein "Wörterbuch von Deonymen" beibehalten wurde.
In der englischsprachigen oder vom englischen Sprachgebrauch geprägten Sprachwissenschaft und in der Slavistik, soweit sie sich ebenfalls mit Ableitungen aus Eigennamen befassen und sich der deonomastischen Terminologie in der Nachfolge La Stellas nicht angeschlossen haben, wird demgegenüber als "Eponym" das Ergebnis der Ableitung bezeichnet, ohne festen Gegenbegriff für den als Basis zugrunde liegenden Eigennamen, der hierbei weder terminologisch noch oft der Sache nach von seiner abgeleiteten oder appellativierten Verwendung unterschieden wird. Diese Verwendungsweise des Begriffs "Eponym" knüpft an eine im amerikanischen Englisch im 19. Jahrhundert aufgekommene Bedeutungsverschiebung an, bei der die Bedeutung des Terminus vom Namensträger nicht auf dessen Namen, sondern auf die Ableitung aus seinem Namen übertragen wurde. Sie ist außerhalb der Sprachwissenschaft besonders in wissenschafts- und technikgeschichtlicher sowie in populärwissenschaftlicher Literatur verbreitet, wo es dann zumeist um "kommemorative" Ableitungen aus den Namen von Entdeckern, Erstbeschreibern und anderen geschichtlichen Personen oder um Appellativierungen von Markennamen geht, hat jedoch auch in die sprachwissenschaftliche Literatur Einzug gehalten, wo sie zwar verschiedentlich als „weniger angemessen“ und Quelle möglicher Missverständnisse kritisiert wurde, aber weiterhin in Konkurrenz zur deonomastischen Terminologie in der Nachfolge La Stellas steht.
Der durch den Sprachgebrauch oder eine namengebende Institution bewirkte Prozess der Ableitung eines Deonyms aus einem Eponym im Verständnis der Deonomastik wird von dieser als "Deonomysierung" bezeichnet. Der komplementäre Begriff "Eponymisierung" ist sprachwissenschaftlich nicht etabliert, sondern ein Fachbegriff der Altertumswissenschaften, der damit die Reinterpretation eines gegebenen Toponyms oder Ethnonyms durch Herleitung von dem Namen eines mythischen oder geschichtlichen Individuums bezeichnet, weil hierbei der gegebene, als abgeleitet interpretierte Name mit einem Eponym im Sinne eines primären Namensträgers versehen wird. Als eine Art Synonym zu Deonomysierung und zugleich als eine Bezeichnung für die wissenschaftliche Untersuchung von Deonymen und für deren Gegenstandsgebiet wird jedoch zuweilen engl. "eponymy" und frz. "éponymie" verwendet, während der Begriff ebenso wie im Deutschen "Eponymie" ansonsten altertumswissenschaftlich definiert ist, als Bezeichnung für die "Funktion und Amtsperiode eines eponymen Beamten" (dann gleichbedeutend mit "Eponymat"), oder als Bezeichnung für einen sprechenden Namen oder Beinamen, der der dann seinerseits im Sinne einer geographischen oder genealogischen Zuschreibung deonymisch aus einem Eigennamen abgeleitet sein, aber auch ohne solche Ableitungsbeziehung zur Hervorhebung von Eigenschaften des Namensträgers dienen kann.
Beispiele für Deonyme
Deonyme aus Personennamen:aus Ethnonymen:
- "Algorithmus" - über lateinisch "algorismus" aus dem Namen des Mathematikers "Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi"
- "Guillotine" (dt. "Fallbeil"), "guillotinieren" ("mit dem Fallbeil hinrichten"), - nach dem französischen Arzt "Joseph-Ignace Guillotin", der die Einführung einer einfachen Maschine zur Enthauptung zum Tode verurteilter Straftäter anregte und so zur Einführung des Fallbeils in der Zeit der französischen Revolution beitrug.
- "Marionette", "Gliederpuppe" - über französisch "marionnette" aus einer Verkleinerungsform des Namens "Maria"
- "Röntgenstrahlen", "röntgen" ("mit Röntgenstrahlen durchleuchten") - aus dem Namen des Physikers "Wilhelm Conrad Röntgen"
aus Toponymen:
- "englisch einkaufen" - "einkaufen ohne zu bezahlen", "klauen"
- "sich französisch empfehlen" -" weggehen ohne sich zu verabschieden"
- "Ciao!" - ital. Gruß, Verkürzung aus "schiavo (vostro)" ("Ihr Diener!"), von lat. "sclavus" "Slawe"
aus Firmen- und Markennamen:
- "Berliner" - Gebäck nach Berliner Art
- "Pils" - Bier aus der Stadt Pilsen, dann allgemein "Bier nach der Brauweise der Stadt Pilsen"
- "wienern" - "weißes Leder mit Wiener Kalk reinigen", dann allgemein "blank putzen"
Siehe auch
- "Tempo" - Papiertaschentuch der Vereinigten Papierwerke Nürnberg, dann allgemein "Papiertaschentuch"
- "Tesa" bzw. "Tesafilm" - Klebeband der Firma tesa SE, einer Tochterfirma der Beiersdorf AG, dann allgemein "Klebeband"
- "Uhu"- nach dem Vogel Uhu benannter und von der Firma UHU GmbH & Co. KG vertriebener Klebstoff nach der Rezeptur des Apothekers August Fischer, dann allgemein "Klebstoff", "Alleskleber"
- "googeln" - "die Suchmaschine Google benutzen", dann allgemein "eine Suchmaschine im World Wide Web benutzen"
Literatur
- Deonyme nach Sachgebiet
- Deutsche Deonyme nach Alphabet
...
(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Deonomastik
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.
Dt. "Deonomastik" taucht in der Literatur nicht signifikant auf.
(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/
Erstellt: 2014-08