SCHAR, f. caterva, agmen.
1) das wort ist ursprünglich nur westgermanisch belegt: ahd. scara Graff 6, 530 (daraus mittellat. scara = acies, cuneus Du Cange 7, 336, s. Waitz verf. gesch. 4, 611), mhd. schar, schare, alts. scara, mnd. in masculiner form schar, als fem. schare Schiller - Lübben 4, 50a, mnl. scare, scaer (Reinaert), neunl. schaar, ags. scearu, engl. share, altfries. skere in harm-skere, mensker, ursker. es findet sich auch nordisch als lehnwort aus dem deutschen: isl. skari, m., dän. schwed. skare, ebenso im romanischen: ital. schiera schar, truppe, prov. esqueira, altfranz. eschiere (Diez4 286). als grundbedeutung erscheint der begriff abtrennung, abtheilung, da das wort unzweifelhaft zu dem verbum scheren (s. d.) gehört, sich gliedernd in eine persönliche (2—13) und eine sächliche verwendung (14—18).
2) schar als altes heereswort, zur bezeichnung einer heeresabtheilung, einer bestimmten anzahl krieger: ahd. scara, turba, ordo, tribus, phalanx, legio, cohors, agmen, acies militum Graff 6, 530 fg.; der mir duodecim legiones, zwelf scara angelorum gâbe ze helfo, ube ih uuolti. Notker ps. 87, 5. der ahd. gebrauch setzt sich auch ins mhd. fort (vgl. Schultz höf. leben 2, 275), und ebenso schlieszlich ins nhd., wo schar die einem befehlshaber unterstellte gröszere oder kleinere truppenabtheilung bedeuten kann, immerhin nur auszerhalb der sprache der fachleute (schar, schaar, multitudo certa, eine abtheilung unter dem kriegs-volk, ist im kriegs-gebrauch veraltet, wird aber sonsten noch gefunden. Frisch 2, 162b): die kinder Israel sollen sich lagern, ein jglicher in sein lager bey das panir seiner schar. 4 Mos. 1, 52; es war aber ein man zu Cesarien, mit namen Cornelius, ein heubtman von der schar, die da heiszt, die welsche. apostelgesch. 10, 1; da sie jn aber tödten wolten, kam das geschrey hin auff fur den öbersten heubtman der schar. 21, 31; da er aber noch redet, sihe, die schar, und einer von den zwelffen, genant Judas, gieng fur jnen her. Luc. 22, 47;
der turney was zesamen gar
kommen. ietwederhalp zwô schar
wâren und deheine mêr.
Ulrich von Lichtenstein 313, 22;
nû wil ih û cunden ubir al,
wî vil einer scare wesen sal,
als ih? in den bûchen hân gelesen:
der sal sehs tûsint wesen
und sehs hundrit unde sehscich man,
als ih mih versinnen kan.
Lamprecht Alex. 1960;
[Bd. 14, Sp. 2171]
darzuo habens cristan her
wol auf sechse schar und mer.
Wittenweiler ring 99c, 19;
es sind von allen schaaren
nicht hundert, welche treu in königs diensten stehn.
Lohenstein Sophonisbe 2, 29;
bald wurden die haufen zu schaaren,
bald die schaaren zu heeren.
Klopstock 6, 258.
3) in freierem sinne, schar überhaupt von jeder beliebigen gröszeren anzahl von kriegern, heerhaufen: men hatte darvore gesehn vurege schare unde bl?t schinen, alse sente Gregorius scrift in omelia: erunt signa in sole et luna et stellis. deutsche chron. 2, 135; und als er mit den gefangnen dannen rit, da kame ein ger?wete schar der veinde an yn. Tristrant u. Isalde 129, 2 Pfaff;
û?ir Gallia unti Germanie
quâmin imi scarin manige
mit schînintin helmen,
mit vestin halspergin. Annolied 416;
indem jedwedes fahn' ein grüner ölzweig kräntzet,
nimmt unversehns der feind mit einer schwachen schaar,
die selbst Hiempsal führt, das thor ein.
Lohenstein Sophonisbe 2, 17;
er ging mit einer kleinen schar
den siegesweg voran.
Gleim 4, 5;
wo wir nur durchgekommen sind —
erzählen kinder und kindeskind
nach hundert und aber hundert jahren
von dem Holk noch und seinen schaaren.
Schiller Wallenst. lager 6.
übertragen auf abtheilungen anderer kämpfer:
flattert in heiligen scharen um uns, und die blutenden fahnen
schwingt in der schlacht, wann einst männer und sklaven im kampf.
Platen 141 (an die märtyrer der freiheit);
frohlockend zog mit unsern fahnen
von edlen geistern eine schaar.
Lenau 2, 262.
4) schar, meist im plural, als heer, truppen schlechthin, auch im bildlichen ausdruck:
sô mich bese??en
nahtes habent die sorge alsam die schar.
Ulr. v. Lichtenstein 30, 23;
alsbald der tag erblichen,
kommt die beschwärzte schaar, das heer der angst, geschlichen.
A. Gryphius (1698) 1, 18;
das lager Asdrubals, des Syphax freche scharen,
hat brennend schilf vertilgt.
Lohenstein Sophon. 1, 20;
Atreus sohn, der fürst der scharen,
übersah der völker zahl.
Schiller 11, 391.
5) schar übertragen auf die engel, als die heeresgenossen gottes (auch altnord. engla skari Vigfusson 539):
dich lobet der hôhen engel schar:
doch brâhten si dîn lop nie dar,
da? es volendet wurde gar.
Walther 7, 25;
dô luegte hinin da? gebet
und sach der êren künic schône
sitzen in sînes rîches trône,
umb in stuont der engel schar,
ze rehte geordnet her und dar.
Lamprecht v. Regensburg tochter Syon 3493;
o engelische schar, ihr himmels legionen,
o die ihr uber schand und sünden gantz sigreich.
Weckherlin 303;
wie schwarzer todesengel schar,
flohn helden, deren amt
befehl an uns zu bringen war.
Gleim 4, 56;
der ganze himmel beugt
mit scharen froher engel sich herunter.
Schiller don Carlos 1, 2.
bezeichnet als himmlische schar, himmelschar:
die (ein minneclîche? wîp) sol man an der welte gar
für alle crêâtiuren hie wol êren,
wand si ist ze der himelschar
erkoren, da? si die sol dort gemêren.
Bartsch schweiz. minnesänger 377, 152;
solch wunne ist niender anderswâ
als in der himelischen schar.
Lampr. v. Regensburg tochter Syon 34;
oder als die scharen gottes:
scharen gottes, ihr mitanbeter! ach, wenn dereinst auch ich
neben euren kronen eine krone niederlege!
Klopstock 1, 148.
gott als herr der scharen:
der ist ein geist und gott ein herr der schaaren.
Brockes 4, 401;
hier wollte gott
dem geist der menschen sich erst, als einen herrn der schaaren,
zu seines namens gröszerm preise in gröszern wundern offenbahren. 6, 400.
auch die frommen sind gottes schar:
mit mir auch lobet dich, mein gott, die ganze schar
der frommen, denen du und dein wort offenbahr.
Weckherlin 334;
[Bd. 14, Sp. 2172]
lasz sie doch nicht bey der gerechten schar
geschrieben stehn darnach die frommen streben.
Opitz psalmen 131;
du aber, der du gott von ganzem herzen ehrst
und deine füsze nicht von seinem wege kehrst,
wirst in der schönen schaar, die gott mit manna weidet,
hergehn, mit lob und ehr' als einem rock gekleidet.
P. Gerhardt 5, 51 Gödeke;
dasz mir ja nicht entfahre
ein solches wort, dadurch ich dir
und deiner frommen schaare
verdrieszlich sei und schade. 82, 17;
klein war nur die selige schaar, doch aus dieser wurzel
wuchs, ein schatten verbreitet in allen himmeln, ein baum auf.
Klopstock 5, 317;
er war es nicht, der auf den wegen
durch dürre wüsten gottes schar
erquickt.
Lenau 2, 271.
die christenheit selbst in solchem sinne als schar bezeichnet:
wach auf, meines hertzens schöne,
du christliche schar. bergreihen 51 neudruck;
also die vil der christen schar
aufs kürtzest sei berüret gar.
Schwartzenberg (1540) 159b;
das alles wollst du geben,
o meines lebens leben
mir und der christen schaare
zum selgen neuen jahre.
P. Gerhardt 20, 59 Gödeke.
6) entgegengesetzt sind teufel und verdammte als schar der hölle, höllische schar:
swa man des lasters sich niht schamt,
dâ ist diu tugent gar erlamt,
dem zimet niur diu vervluochte schar.
Frauenlop 184, 8;
diu kerge der helle schar dort hât
gemêrt.
Bartsch schweiz. minnesänger 379, 189;
schar der auserwählten, electorum numerus, schar der verdamten, damnatorum numerus innumerus Stieler 2048.
7) schar, für fürstliche umgebung und gefolge, aus kriegern bestehend (vergl. duodecim de servientibus, qui scaremanni dicuntur weisth. 4, 739, Trier von 1056): êlîche kindere mac der unechte man sider mêr nicht gewinnen, her injostiere vor des keisers schâre, dâ her einen andern kung mit strîte bestê. Sachsensp. 1, 38, 3; da es aber beschlossen war, das wir in Welschland schiffen solten, ubergaben sie Paulum und etliche ander gefangene dem unterheubtman, mit namen Julio, von der keiserischen schar. apostelgesch. 27, 1;
he sprak: wu gebudes tu here, dat din her vare?
yo hebbe ek di gebracht vil na drittich konniges scharen. deutsche chron. 2, 416 (v. 1307);
daraus entstund von des volcks menge,
ein so erbärmlich gros gedrenge,
das der könig und seine scharen,
ihrer durch ausz nicht mechtig waren.
Rollenhagen froschm. Yy 8a.
ebenso in dichterischer übertragung = gefolge, unterthanen:
o jungfrau, wert das band nur zu erfahren,
womit die liebe fesselt ihre scharen.
Gries übersetzung des Ariost 10, 97.
8) schar, in die weitere bedeutung einer gröszeren anzahl überhaupt, auszerhalb eines heeres- oder dem heere verglichenen verbandes übergegangen; zunächst mit dem begriff einer nach zahl geordneten abtheilung:
mer soln machen dri schar:
die irsten tragen palmen in der hant,
die andern strauwen er gewant
vor des heilandes fusze.
die dritte schar die grusze
an sime ingange
mit loibliche gesange. Alsf. passionssp. 2577.
in Baiern werden die trift- oder holzflötzknechte in schär von 12—24 mann eingetheilt. Schmeller 2, 442, ebenso werden dort die salzarbeiter in den salzbergwerken in scharen, die einander ablösen, eingetheilt. Lori bair. bergrecht, index. dann aber ohne den begriff solcher ordnung: die schar oder menge desz volks, turba, caterva atque conventus, ein schar leüten, ein gsellschaft oder ganze rott leüten, grex hominum Maaler 347c; ein mächtige schar z?samen bringen, congregare magnam turbam. ebenda; mit näherer bestimmung durch subst.: der herr gibt das wort, mit groszen scharen evangelisten. ps. 68, 12; die schar der musen. Adelung; die ganze schaar deutscher liederdichter. Schiller 6, 339;
dem lamme ist gar
gelîch gevar
der megde schar.
Walther 5, 6;
drumb frey ich mich der sünder schar,
die ich in peutel strafen dar.
Schwartzenberg (1540) 136a;
[Bd. 14, Sp. 2173]
nicht anders, traun! als dasz die schaar
der menschen sich so ganz und gar
bis in den tiefsten grund verkehrt
und täglich ihre schuld vermehrt.
P. Gerhardt 15, 5;
ach! aber diese schaar der mutterlosen weisen,
was mag sie hoffen? ach, gefängnusz, schmach und eisen!
Lohenstein Cleopatra 2, 349;
dem wird der Parzen schaar zu holden Charitinnen.
Günther 400;
der nymphen schar, den leichten Zephyrus,
beschäfftigten der kuss und gegenkuss.
Hagedorn 2, 112 (nachher der fremden nymphen menge);
Amor lag in tiefem schlaf,
um ihn eine schar von schläfern.
Gleim 1, 117;
mein herr, dasz ich nicht in der schaar
der wesen bin, die wir mit weihrauch nähren,
gereicht allein dem liebesgott zu ehren.
Wieland 17, 152;
die ganze schaar der höflinge bedachte,
(nicht ohne neid) die gunst, die ihm ein opfer brachte,
das manchem in besagter schaar
nicht halb so schwer zu machen war. 10, 297;
hier, wo die ulme traurt, der eibe schatten schrecket,
wo mürbe hügel staubs ein dürrer rasen decket,
schläft, in ein enges grab versenkt auf immerdar,
von diesem armen dorf der väter rohe schaar.
Gotter 1, 133;
sie dingte plötzlich eine schar
von wilden meuchelmördern.
Hölty 33 Halm;
so wallte nebel einst und deckte
des tempels heiligthum; es bebt
der söhne Levi schaar.
Stolberg 1, 111;
im reigen mit der chöre schaar
schwebt seelig hin das zwillingspaar. 5, 254;
vor dem wiederforderer der todten
neigte sich der götter stille schaar.
Schiller 6, 25;
und in langen reihen, klagend
sasz der Trojerinnen schaar. 11, 390;
denn eurer nachgebornen schaar, sie nahet schon.
Göthe 40, 384;
ob euren modernden gebeinen
wird dann hinwandeln eine schar
von priestern.
Lenau 2, 236;
um sie erfrischend zu bedienen
führt er der gäste reiche schar
zu wein und spiel und konkubinen. 282.
9) schar von thieren: ein schar vöglen, aligerum agmen, schar vychs groszes oder kleins, grex, ein schar von achthundert höuptern, octingenarius grex Maaler 347c; wenn sie au?fliegent so schicken si ir schar (der kraniche) sam ain gepalierte ritterschaft tuot gegen den veinden. Megenberg 190, 25; er liesz seine zornigen gefühle dahin brausen wie eine schar im gebisz knirschender rosse. C. F. Meyer Jürg Jenatsch 2, 58;
o der schönen silberschaaren!
o der schönen wüllenrott! (schafe).
Spee trutzn. 172, 41;
federschaaren (vögel),
kommt gefahren,
all, so nur im walde sein! 221, 172;
der vögel muntre schaar.
Jacoby 4, 271;
ich sasz, entfernt von meines Mentors blicken,
auf eines raschen kleppers rücken
und commandirt ... eine schaar
von zwanzig wohlgeübten hunden.
Bürger 104b;
von Afrikas entlegner weide
auch seltner tiere eine schar.
Lenau 2, 242.
10) schar, ebenso durch zusätze näher bestimmt, von leblosen wesen und dingen: es war aber die schare der namen zu hauffe bey hundert und zwenzig. apostelgesch. 1, 15; eine schar früchte. Scherz 2, 1378; eine grosze schar exempel. Stieler 2048;
vergenclicher dinge schar
waren ir versmehet gar. Elisabeth 6269;
teglîch ist mein verlangen
dir z? dinst berait,
der freuden schar.
Osw. v. Wolkenstein 53, 3. 4;
es heist uns die natur mit masze mäszig leben,
die ihrer güter schaar nicht hat umbsonst gegeben.
Opitz 1, 63;
ceder des herrn, warst du wie er? und o tanne,
du wie sein ast? und du ahorn, wie sein langer,
schöner zweig? vor der schaar der bäume
prangt' er im haine des herrn.
Klopstock 6, 245;
mit sturmbeladnem flügel braust von ferne
der fessellosen winde rohe schaar.
Wieland 23, 15;
der orkane schaar. 23;
fehlen sollt' es nie an schaaren
holder spiele, dir zur lust.
Bürger 116a;
von dienstbaren schaaren
gaukelnder träume umflattert.
Lenz 47 Weinhold;
hoher worte fromme schaar
schützt den schmuck in deinem haar. des knaben wunderhorn 1, 213 Boxberger.
[Bd. 14, Sp. 2174]
von abstrakten:
und steht in aller blumen chor
weisz, wie die unschuld in der schaar
der tugenden.
Gleim 3, 402.
11) absoluter gebrauch von schar, ohne erklärenden beisatz durch genitiv, auf eine vielheit belebter wesen bezogen:
ein schar vert û?, diu ander în.
Walther 20, 8;
aber die schar unterwies er (Christus) hernieden auf dem feld. Keisersberg predigten (Augsb. 1510) 1a; danach höret ich eine stim groszer scharen im himel. offenbar. 19, 1;
(Christus hat) für die arge schar, die ihm doch gab den todt,
inbrünstig letzlich noch gebeten selber gott.
Opitz Hugo Grotius' wahrheit 331;
den grimmen Catilinen
musz warmes menschenblutt für wein von Chios dienen,
das die verfluchte schaar, zu stärken ihren band,
zu stürtzen in den grund ihr güldnes vaterland,
aus bergkrystallen trinckt.
Lohenstein Cleopatra 1, 653;
willkommen, edle schaar, ihr schwestern unsers glückes. 3, 77;
da dort die treue schaar, die niemals gott verstiesz
in seiner gegenwart der geister paradies
und tag fund ohne nacht, da ewig hoh und steigend
ihr stand der gottheit naht und keinen eckel zeugend
in der begierd genieszt und im genusz begehrt
und ihren geist mit licht, das herz mit wollust nährt.
Haller 135 Hirzel;
siehe, von der schaar derer, die dein tod,
mittler, versöhnt, derer, die du, herrlicher! erhöhst,
sind auch wir.
Klopstock 6, 237;
dann misch' ich nicht mehr die heissere stimme
in den preisgesang der zahllosen schaar am krystallenen meere.
Schubart 1, 3;
berufe nicht die wohlbekannte schaar,
die strömend sich im dunstkreis überbreitet.
Göthe 12, 61;
(er) ruft zu mächt'ger arbeitslust die ruszige
mit gusz und schlag erz auszubilden kräft'ge schaar. 40, 376;
leb wol, du grüne alpe mit deiner frohen schaar.
Uhland ged. 326;
noch stund am strand die ganze schaar. 421;
wär' er nicht so krummbein gar,
keiner von der jungen schar
gliche dem, den ich gebar.
Rückert ges. werke (1882) 4, 91;
aus Thrazien, dem reichen Hellespont,
vermengten sich die schaaren.
Grillparzer 6, 32;
ratlos verblüfft die ganze schar.
Lenau 2, 331;
es war die brut der nacht,
die dort beisammen sasz, die feige schaar,
die kratzt und sticht.
Hebbel 5, 200.
in der sprache der jäger heiszt schar, was trupp oder rudel. Adelung; schar, jede zahlreiche gesellschaft von wilden gänsen. Behlen lexikon der jagd- u. forstkunde 5, 462.
12) in festen verbindungen mit präpositionen, um die fülle und das massenweise zu bezeichnen: mit ganzen scharen, catervatim, von schar z? schar, gregatim Maaler 347c; sie gehen zu scharen, turmatim progrediuntur Stieler 2048;
der weis ich so viel an einer schar
gar fern an einem reyen. bergreihen 92 neudruck;
alle schmerzen, die sich drungen
in dein herz mit groszer schaar.
P. Gerhardt 28, 20 Gödeke;
selbst das schöne geschlecht ist halb zu männern geworden.
hüte schmücken den kopf, und amazonenhabite,
oft zu zerrissenen hemdern gehn auf den dörfern in schaaren.
Zachariä Phaeton 3, 15;
ach der wonne, vor gott gelebt zu haben!
gute thaten um sich, in vollen schaaren,
zu erblicken!
Klopstock 1, 120;
festlich wallet schaar auf schaar
nach der götter heilgen häusern.
Schiller 11, 368;
nach Florenz wallt das volk in scharen.
Lenau 2, 308.
zuweilen steht schar geradezu für viel, viele: wo also eine höhere tugendhafftere that als die bildung der jugend? diese ist mehr denn schaar. Schiller 1, 67.
13) schar, bisweilen nur für leute, menschen: böse schar trägt nur böse war. Wander 4, 103;
(Zacharias), der zwyschen tempel und altar
erschlagen ward durch böse schar.
Schwartzenberg (1549) 159a;
wenn lenzesstrahlen golden niederrinnen,
sieht man die schaaren losgebunden ziehen.
Eichendorff (1864) 1, 555;
wer drängt so heftig durch die scharen?
Lenau 2, 338.
für volk, gesamtheit der bewohner einer stadt oder eines staates: die wasser, die du gesehen hast, da die hure sitzt, sind völcker und scharen, und heiden, und sprachen. offenbar. 17, 15;
[Bd. 14, Sp. 2175]
der Peruser schaar,
die er geschlachtet hat auff Julius altar.
Lohenstein Cleopatra 1, 289;
der Dardaner, der Griechen scharen,
die, nur im weindurst unentzweyt,
verehrer des Lyäus waren.
Hagedorn 3, 120;
im bräuteschmuck die jungfraun, von den schaaren
der ganzen Lombardei begleitet.
Grabbe Barbarossa 1, 1.
im collectiven singular, für menschheit überhaupt:
herr gott wie bist so wunderbar
auff erdt unter menschlicher schar.
H. Sachs 3, 2, 25a;
die gemeine schar, gesamtheit der gemeinen leute:
der oberstand raubt hin den letzten bissen brot,
und läszt gemeiner schaar nichts, als die leere noth.
Logau 1, 58, 33;
dasz fürsten menschen sind, als andre menschen, mehr,
das glaubt gemeine schaar gar willig und gar sehr:
es halt gemeine schaar sie spöttlich wieder auch
wenn spöttlich sie begehn gemeiner leute brauch. 2, 44, 60;
als gesamtheit im gegensatz zum einzelnen:
ohnmächtig ist und elend auch die schar,
wenn jeder einzle aller weisheit bar.
Lenau 2, 105.
gesamtheit in amtlicher oder sozialer beziehung: schar derer, so gleichen ambtes seind, collegium Dasypodius;
als Luthers fest, mit gläubiger schaar,
im vorigen herbst gefeiert war.
Göthe 1, 4, 24 Weim. ausgabe.
14) schar bisweilen geradezu für herde: zu der schar oder zu dem ghüt gehörende, gregalis Maaler 347c; in Ungarn werden mehrere vereinigte schafherden schar genannt. Schröer 199;
ich und Halton gleich von jahren,
auch zu morgens gleichen früh,
treiben keine gleichen schaaren,
ich die schäfflein, er die küh.
Spee trutzn. 240, 31 Balke;
sieben troppen lasz ich leiten,
also grosz ist meine schaar. 240, 48.
15) eigenthümliche verblassung des begriffes zu der bedeutung 'art, art und weise':
schwartz war mein dint wie auch das haar,
der runde mundbart gleicher schar.
Abele unordn. 4, 135.
16) schar, zugetheilte arbeit, aus der bedeutung einer bestimmten abtheilung hervorgehend, in der jeder das ihm zukommende, wenn die reihe an ihn kommt, verrichten musz, ahd. scara Graff 6, 528, mhd. schar Lexer mhd. handwb. 2, 662; besonders zwangsarbeit, frohne, vgl. Grimm rechtsalterth. 317 fg., mittellat. scara, scaram facere Du Cange 7, 337a; vergl. die zusammensetzungen schararbeit, -dienst, -werk u. a.: zum sechsten fragt der schulteisz, zu welcher zeit der herrn schar und acht angehe? antwort, sie soll angehen zu S. Walpurgendag und sollent weren bisz zu S. Martinsdag. zum siebenten fragt der schulteisz, wie der hofmann denienigen gebieten soll, die solche schar schuldig sein? weisth. 2, 178.
17) im bairischen oberland hat sich aus dem begriff der reihe, nach welcher mehrere sich ablösend irgend etwas vornehmen (16), die sonderbedeutung der tanztour ergeben: eine, zwu, drei scharen tanzen, eine schar aufmachen, zu einer tanztour aufspielen Schmeller 2, 443.
18) schar, für gewinn, ertrag, einkünfte: und aber sunst sulcher erbschafft sin leben lang der scharen davon genieszen und gebruchen, so lang es unveraindert blybt. weisth. 2, 248 (Obermosel, von 1477);
denn musz ich lauffen auff der gart,
ubel essen und ligen hart
und möcht doch wol daheim beleiben,
mit guter rhu mein handwerck treiben,
zusamb bringen ein gute schar.
H. Sachs 2, 2, 8a.
19) den ausgangspunkt für diese bedeutungsentwicklung gab wol schar in der bedeutung von 'ernte, schnitt des getreides', das freilich von einer andern bedeutungsseite des verbums sceran seinen ausgang nimmt, aber hierher übergreift: mhd. schar schnitt, ernte, einsammlung der früchte Lexer 2, 662: so ein hoffer ein guten weingarten hat .. und also im baw seumig funden wirt, hat er zur ersten rug die schaar, zur zweiten rug die schaar und das gut verloren und dem orden verfallen. weisth. 1, 611 (Westerwald); dasz sie die haben nyeszen und nutzen sollen zehen jahr .. also dasz sie zehen namen oder scharen davon nehmen sollen. Oberlin bei Campe; einem jedem soll vergönnt sein, die schar und abnutzung der besamten äcker mit der sensen einzusammeln und nach eingebrachter schar dieselbe offen liegen zu lassen. nassauische verordnung bei Adelung; zuweilen schar für abzuschneidendes getreide oder getreide überhaupt: als aber der g?t meder ein schar oder zwei gemeigt (gemäht hatte). Wickram rollw. 78, 21 Kurz. niederd. ist schar die weidegerechtigkeit für éin vieh, besonders schwein, innerhalb eines bestimmten bezirks, vgl. Schiller-Lübben 4, 50b: item ein holtrichter heft 1 schar von den berneschote to marke und 1 schar von sinen ampte, dergl. hebben ok die scharmeisters und loepforsters 1 schar van oeren ampt. weisth. 3, 171 (Westfalen, von 1575). im alten markrecht bezeichnete schare, schar einen theil des markgutes, der abgeerntet werden kann, weideland, grasland der mark, im gegensatz zu boden als bewachsenen waldgrund, vgl. Grimm kl. schriften 6, 401.
20) schar in der sinnlichen bedeutung des schnittes, einschnittes (vergl. 19) landschaftlich und in der sprache der gewerke; bei bergleuten ein einschnitt in ein holzstück bei der zimmerung, um ein anderes holzstück einzulegen und beide dadurch um so fester mit einander zu verbinden. Veith 403; in Tirol sch?r, kante, schneide des brettes auf der kegelbahn, auch die aneinander gefügten, mit schindeln benagelten bretter, die den untern rand eines ziegeldaches bilden, dachtraufe. Schöpf 591. das niederd. schar ist mehrfach auf die abscheidung von wasser und land bezogen. Dähnert 397; holsteinisch steiles ufer Schütze 3, 17.
21) schar, schur der schafe: wollschare, lanae tonsura, nundinae lanarum Steinbach 2, 493 als schlesisch: die schaf mit der edlen wollen soll man zu diser zeit mit seifkrautwurtzel wäschen, dasz sie zu der schar bereit werden. Sebiz 54.
SCHAR, m. f. n. vomer, sulcus, westgermanisches wort schwankenden geschlechts: ahd. scaro und scar, masc., mhd. schar, neutr., ags. scar, scär, masc., mittel- und neuengl. share, fries. skere, schere, niederl. schaar in ploeg-schaar; ins dänische als skær aufgenommen. die ahd. schwache form ist mhd. zu gunsten des neutr. schar gewichen; auch im ältern nhd. bleibt schar zum theil neutrum: schaar, n. sulcus, pflugeisen Schottel 1392; mundartlich bis heute, vgl. belege unten; daneben steht das masc.: der schar, wägeisz, vomer Maaler 347c. später ist es nach der analogie von schar caterva durchgehends fem. geworden (als schare vgl. nachher unter 1). grundbedeutung des wortes ist schneidendes, schneidegerät, in engster beziehung zu scheren, s. weiteres dort. es ist in der neueren sprache mehr in der zusammensetzung pflugschar (theil 7, 1783), denn als einzelwort erhalten. bedeutung:
1) das in die erde einschneidende und sie durchfurchende eisen unten am pfluge: û? dem berge lifen vil tûfele, di wâren swarz alse ein môr, und wolden da? schif ertrenket haben, und wurfen nâch den herren in deme schiffe mit gluwenden sêchen und mit gluwenden scharen. d. mystiker 1, 63, 18; vomer, ein pflugeysen, wageysen, schar. Calepinus 1568a; das breite, spitzige eisen, so auf den eisernen pflug aufgelegt wird, das wird ein schaar oder pflugschaar genennet. Colerus hausb. 2, 144a (s. oben pflugschar 1 theil 7, 1783); die schar beim schmid beschlagen lassen, vomerem detritum ferro novo reparare Frisch 2, 162b;
dâ man kein schar noch seche hât
noch ohsen an dem pflûge. erlösung 1957;
ein yekelich pl?g m?s han gn?g
nagel und wede, dar z? ich smede
ein sech und ouch ein schare.
Muskatblüt 28, 48;
ein feld, das weder pflug noch schare durchgeschnitten.
Hoffmannswaldau anserles. ged. 2, 75.
in Nassau als schar, pflugschar, fast durchgängig neutr. Kehrein 340; ebenso westfälisch schâr Woeste 225.
2) in besonderer anwendung bei den ordalien des mittelalters, indem namentlich der unkeuschheit verdächtigte frauen über glühend erhitzte pflugscharen mit nackten füszen gehen muszten, um ihre unschuld zu erweisen, vgl. Schultz höf. leben2 2, 175. Grimm rechtsalterthümer 914:
sie (Kunigunde, die gemahlin Heinrichs Il.) trat in gotes namen dar
und uberschreit die eilf schar.
ûf da? zwelfte schar sie trat
unt stuont dô stille an der stat. Heinrich u. Kunigunde 1567;
mein reinigkeit zu offenbarn
will ich gehn auff geglauten scharn
unverseert mit bloszen füszen.
Ayrer 681, 6 Keller.
SCHAR, f. name des färbekrautes serratula tinctoria. vergl. scharte.